Frage 1994
Lieber T----s Teilnehmer
in Benedikt Peters, Weltreligionen. Judentum, Christentum, Hinduismus,
Islam (Lychen: 2004), S. 131 f., heißt es: "Ich bin übrigens sehr
dankbar für den gegenwärtigen Papst und für die katholische Kirche. Das
muss ich etwas näher erklären. Wir können froh sein über einen
konservativen Papst und darüber, dass die katholische Kirche öffentlich
noch Homosexualität verurteilt, Frauenordination noch ausschließt und
Abtreibung ablehnt. Die katholische Kirche hat sehr viel Macht und
Einfluss, und solange sie sich für diese ethischen Werte einsetzt, die
auch wir vertreten, kann man uns nicht belangen. In der Weise schützt
der Papst uns, ohne es zu wollen. Wenn diese Instanz, die wirklich eine
wirtschaftliche Macht ist, noch eine solche Position einnimmt und
öffentlich vertritt, kann man noch keine Gesetze gegen Leute erlassen,
wie wir es sind. Es gibt manche in Deutschland und anderen Ländern
Europas, die uns mit Gesetzen, Verordnungen und Verfügungen unschädlich
machen wollen, weil wir über Abtreibung, Frauenfragen und Homosexualität
zum Zeitgeist quer stehen."
Auf den ersten Blick scheinen diese Äußerungen sehr weit zu gehen, und
sicher ist es - um eine Metapher zu gebrauchen - gefährlich, auf dem
Rücken eines Krokodils einen Fluss überqueren zu wollen. Untenstehender
Artikel aus der Tageszeitung scheint Peters aber Recht zu geben, und es
ist frappant, zu welch harschen Tönen man sich gegenüber "katholischen
,Fundamentalisten'" versteigt.
Herzliche Grüße
",stdrö/r"
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.02.2005, Nr. 32, S. 1
Ein Albtraum greift um sich
Von Heinz-Joachim Fischer
Ein Albtraum scheint sich der Europäer zu bemächtigen: Christen gewinnen
Einfluß auf die Politik. Das Echo auf die Wiederwahl und die zweite
Amtseinführung des amerikanischen Präsidenten Bush gab viele Hinweise
darauf, wie vielen Leuten diese Vorstellung den Schlaf zu rauben
scheint. Es gibt auch eine Variante solcher Schreckensvorstellungen, die
sich auf Europa bezieht, wo die evangelischen Christen niemandem mehr
Furcht einflößen. Hier scheint man die Befürchtung zu hegen, daß
katholische "Fundamentalisten" - also gewöhnliche Katholiken, die es mit
ihrem Glauben ernst nehmen, vielleicht gar leben wollen, was in der
Bibel steht und vom Papst vorgeschrieben wird - in Regierungen und
Parlamenten immer mehr Macht gewinnen. Und sei es auch nur dadurch, daß
sie als Minderheit für die Mehrheit eines Parteien- oder
Regierungsbündnisses gebraucht werden.
Die katholischen Verschwörer, so das Schreckgespenst, würden zunächst
den Gebrauch von Kondomen für unerlaubt ("rechtswidrig, aber straffrei")
erklären und alle Aids-Kranken zu "freiwillig kontrollierter"
Enthaltsamkeit verpflichten. Abtreibung und Euthanasie würden wieder
unter Strafe gestellt, Homosexuelle von manchen bürgerlichen, an
Heterosexualität gebundenen Rechten wie Heirat und Adoption
ausgeschlossen. Und natürlich würde die europäische Verfassung ergänzt
um die "christlichen Wurzeln" des Kontinents und der Geschichte seiner
Völker.
Nur ein Albtraum, der bei Tageslicht verfliegt? Die Schreckensbilder
scheinen sich verfestigt zu haben, nimmt man die aufgeregten Reaktionen
der letzten Tage und Monate auf "Katholisches" in verschiedenen Ländern
Europas als Indikatoren. Bei manchen sind es fast schon Befürchtungen,
wie sie etwa ein George Orwell im Jahr 1949 für "1984" entwarf und die
nun in mancherlei Bezügen das technisch Machbare vorweggenommen zu haben
scheinen. Die pluralistischen Gesellschaften in Europa zeigen gegenüber
katholischen Bekundungen, daß sie sich an einem Nerv getroffen fühlen.
Als spanische Bischöfe vor kurzem über den hygienischen Nutzen von
Präservativen bei Aids-Gefahr sprachen, vielleicht um der
sozialistischen Regierung unter Ministerpräsident Zapatero ein Zeichen
des Entgegenkommens zu geben oder den nach Laisser-faire lechzenden
Spaniern zu bedeuten, daß die Geistlichen langsam die Zeichen der Zeit
verstünden, machte man in Madrid und anderswo viel Aufhebens darum.
Dabei dürften Verbote oder Erlaubnisse durch die Kirche im Alltag der
Spanier wie auch anderer europäischer Völker nur mehr eine nachgeordnete
Rolle spielen. Dabei gerät die Diskussion darüber in den Hintergrund,
daß der Papst die Zukunft der Menschheit einschließlich der europäischen
Völker nicht technischen Verhütungsmitteln anvertrauen will, sondern
einem menschlicheren Miteinander, das er "christliche Moral" oder
"Zivilisation der Liebe" nennt.
Unbeirrt von den Meinungsströmen in den westlichen (links)liberalen
Gesellschaften Europas wiederholt Johannes Paul II. die katholischen
Leitlinien gegen Abtreibung und Euthanasie. Kürzlich las er der neuen
Botschafterin der Niederlande beim Vatikan die Leviten über holländische
"Errungenschaften" in der Behandlung des Menschen vor dem Tod.
Bitterkeit über die Entwicklung in Westeuropa schwang darin mit, schwere
Sorge darüber, wohin das christliche Kerneuropa geht. Unüberhörbar war
der Wille des Oberhaupts der katholischen Kirche, sich damit nicht
abzufinden.
Als im vergangenen Oktober der Italiener Buttiglione, ein überzeugter
Katholik, seit Juni 2001 Europa-Minister im Kabinett Berlusconi, als
designierter EU-Kommissar für Justiz und Sicherheit seine Ansichten zu
Homosexualität und Mutterschaft darlegte, erregte er weltweites Aufsehen
und fundamentalistischen Widerstand. Und aus war es mit seiner
Kandidatur. Der Vorsitzende der größten Fraktion im Europa-Parlament,
Pöttering, auch er ein Katholik, mußte sich vorwerfen lassen, er hätte
doch gleich die Abneigung gegen den italienischen Katholiken bedenken
und vorauseilend von ihm abrücken müssen. In Großbritannien steigert man
sich in die Fragestellung hinein, welchen Schaden die neue
Bildungsministerin des Labour-Premiers Blair anrichten könne. Denn Ruth
Kelly ist, wie berichtet wird, Mitglied des "Opus Dei", einer
Organisation engagierter katholischer Laien, der freie Geister fast
alles zutrauen. Ansonsten scheint Frau Kelly unbescholten; der Mutter
von vier Kindern zwischen zwei und sieben Jahren könnte ihr Ressort
vielleicht sogar ein Herzensanliegen sein. Daß sie jung, modern und
talentiert ist und dabei doch gutkatholisch, scheint die Kommentatoren
aufs höchste zu irritieren.
Daran ist die katholische Kirchenführung nicht schuldlos. Sie hat noch
nicht ganz akzeptiert, daß Europa zwar ein unverkennbares, DNA-sicheres
Geschöpf des Christentums ist, daß aber die politisch-soziale Ordnung,
die demokratische Gesellschaft und der Freiraum des einzelnen auch gegen
Kirche und Religion entstanden und erstritten wurden. Der spanische
Antiklerikalismus mag etwas pubertär wirken. Aber die Kirche wird sich
für das "westliche" Europa - das über Polen immer weiter nach Osten
rückt - nicht mehr nur mit dem Etikett "Sünde" für verschiedene
Lebensformen und Entscheidungen begnügen können.
Was die christlichen Kirchen an Weisheit für die vorübergehende Existenz
eines Menschen auf dieser Erde in ihren moralischen Schatztruhen
besitzen, müssen sie nicht im politischen Tagesgeschäft um den hellen
"Glanz der Wahrheit" bringen, wie der Papst einst schrieb. Die allgemein
anerkannte Forderung, den Anfängen zu wehren, die so sinnvoll wie
wohlfeil ist, zwingt allerdings nicht dazu, mit ständig erhobenem
Zeigefinger zur Abstumpfung der weltanschaulich Neutralen beizutragen.
Gewinnender ist es, wenn engagierte Katholiken ruhig zeigen, was sie
eventuell besser können, wie sie geglückter leben - und damit beweisen,
daß Albträume nichts mit dem tatsächlichen Leben zu tun haben.
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21. 2.05
ich nehme ausdrücklich Abstand von den Äußerungen die Benedikt Peters in seinem Buch über Weltreligionen macht. ["Wir können froh sein über einen konservativen Papst und darüber, dass die katholische Kirche öffentlich noch Homosexualität verurteilt, Frauenordination noch ausschließt und Abtreibung ablehnt."] Ich will die in der Tagespresse beschriebenen Fälle von Pädophilie
innerhalb der Katholischen Kirche hier nicht ausbreiten. Auch die
Ereignisse im Österreichischen St.Pölten dürften noch nicht vergessen
sein. Bei allen zeigt sich das gleiche Bild: die Katholische Kirche duldet
wissentlich Pädophilie. Wo Fälle bekannt zu werden drohen, unterbleibt
jegliche Hilfestellung bei der Aufklärung. Immer wieder werden
Schuldige von der Kirche in Schutz genommen, es kommt höchstens zu einer
Versetzung. In vielen Fällen hat man wissentlich schlimme Menschen
über Jahre hinweg ihr Unwesen treiben lassen. Man bemerke, dass diese
Vertuschungsversuche und Inschutznahmen immer von oben herab erfolgen.
Eine solche Kirche ekelt mich an. Ich bin nicht dankbar für einen Papst,
der konservativ redet aber ganz anders handelt. Über
Homosexualität will ich hier nicht weiter reden. Ohne homosexuelle
Geistliche wäre die Katholische Kirche in manchen Ländern gar nicht
über lebensfähig. Dar Papst weiss das sehr wohl, und unternimmt - nichts.
Hans Peter Wepf |