Die Lehre von der Erwählung schafft für den menschlichen Geist einige
Probleme, deshalb müssen wir hier etwas ausführlicher darauf eingehen, was die
Bibel zu diesem Thema lehrt und was nicht.
Zunächst einmal lehrt sie, daß
Gott Menschen zur Erlösung erwählt (2.
Thess 2,13). Sie spricht die Gläubigen an als solche, »die auserwählt sind
nach Vorkenntnis Gottes« (1.
Petr 1,1.2). Sie lehrt, daß Menschen durch ihre Reaktion auf das
Evangelium wissen können, ob sie erwählt sind: Diejenigen die hören und
glauben, sind erwählt (1.
Thess 1,4-7).
Andererseits lehrt die Bibel nirgendwo, daß Gott Menschen zum Verlorensein
erwählt. Die Tatsache, daß er einige erwählt, gerettet zu werden, sagt nicht
aus, daß er den Rest willkürlich verurteilt. Er wird niemals Menschen
verurteilen, die es verdient haben, gerettet zu werden (es gibt solche
Menschen nicht), sondern er rettet einige, die eigentlich verurteilt werden
müßten. Wenn Paulus die Erwählten beschreibt, so nennt er sie »Gefäße der
Begnadigung , die er zur Herrlichkeit vorher bereitet hat« (Röm
9,23); doch wenn er von den Verlorenen spricht, so sagt er einfach:
»Gefäße des Zorns , die zum Verderben zubereitet sind« (Röm
9,22). Gott bereitet Gefäße der Begnadigung zur Herrlichkeit, aber er
bereitet keine Menschen zur Verdammnis: Das tun sie selbst durch ihren eigenen
Unglauben.
Die Lehre von der Erwählung gibt Gott seine rechtmäßige Stellung. Er ist
souverän, d.h. er kann tun, was ihm gefällt, obwohl es ihm nie gefällt, etwas
Ungerechtes zu tun. Hat Gott etwa nicht das Recht, einigen Gnade zu erweisen?
Doch gibt es noch eine andere Seite der Medaille. Dieselbe Bibel, die die
souveräne Erwählung lehrt, lehrt auch die menschliche Verantwortlichkeit.
Niemand kann die Lehre von der Erwählung als Ausrede benutzen, sich nicht
erretten zu lassen. Gott bietet allen Menschen ohne Vorbedingung die Erlösung
an (Joh
3,16;
3,36;
5,24;
Röm 10,9.13). Jeder kann erlöst werden, indem er seine Sünden bereut und
an den Herrn Jesus Christus glaubt. Deshalb geht ein Mensch verloren, weil er
sich dafür entscheidet, nicht weil Gott es so will.
Die Tatsache bleibt bestehen, daß dieselbe Bibel sowohl die Erwählung als
auch die bedingungslose Erlösung für alle lehrt, die sie empfangen wollen. Man
kann sogar beide Lehren in einem Vers finden: »Alles, was mir der Vater gibt,
wird zu mir kommen, und wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen« (Joh
6,37). Die erste Hälfte dieses Verses spricht von Gottes souveräner
Erwählung, die zweite Hälfte dehnt das Angebot der Gnade auf alle Menschen
aus.
Für den menschlichen Geist stellt dies eine Schwierigkeit dar. Wie kann
Gott einige erwählen und doch allen die Erlösung anbieten? Ehrlich gesagt, das
bleibt ein Geheimnis. Aber es ist nur für uns ein Geheimnis, nicht für Gott.
Am besten glauben wir beide Lehren, weil die Bibel beide lehrt. Die Wahrheit
findet sich nicht irgendwo zwischen der Erwählung und dem freien Willen des
Menschen, sondern in beiden Extremen. W.G. Blaikie faßt zusammen:
Göttliche Souveränität, die menschliche Verantwortlichkeit und das
bedingungslose und allgemeine Angebot der Gnade sind alle in der Schrift
enthalten, und obwohl wir sie mit unserer Logik nicht in Einklang bringen
können, sollten sie doch alle ihren festen Platz in unserem Denken haben.
3)"
Lieber Jochen,
1) Zur Prädestionationslehre bei WMD
a) William MacDonald (WMD) wird in seinen
früheren Äußerungen von Befürwortern der einfachen Prädestionationslehre
gerne als Stempel der Richtigkeit herangezogen. Ich schätze WMD aufgrund
seiner Erkenntnis über Gottes Wort und bezweifle in gewisser Weise, dass
er die von Dir angeführten Aussagen heute noch aktualisieren würde, da er ja
sein Placet für das Buch "What love is this - Calvinism's Misinterpretation
of God" von Dave Hunt gegeben hat. In diesem Buch wird ja gerade die Lehre
der Prädestination zur Wiedergeburt (so würde ich die einfache und doppelte
Prädestionationslehre der Einfachheit halber zusammenfassen) bestritten.
Letztendlich ist dies jedoch der einzige Hinweis, den ich habe und daher ist
dies eher eine Vermutung als ein erhärtetes Faktum.
b) Wie auch immer WMD heute zur Prädestionationslehre steht, konnte ich
einige seiner früheren Aussagen zu diesem Thema jedoch nie befürworten -
auch halte ich einige Aussagen, die Du von ihm angeführt hast für nicht
biblisch. Den Generalirrtum sehe ich in der
Kombination von Erwählung und Wiedergeburt, wonach Gott eine
Auswahl unter der Masse Ungläubiger getroffen hätte und
einige davon zur Wiedergeburt erwählt haben soll. Erwählung bezieht
sich in der Schrift NIE auf Ungläubige !
Ich kann daher zu folgenden Aussagen bei WMD nur deutlichen Widerspruch
einlegen:
-
"Zunächst einmal lehrt sie, daß Gott Menschen zur Erlösung erwählt
(2.
Thess 2,13). [...] Andererseits lehrt die Bibel
nirgendwo, daß Gott Menschen zum Verlorensein erwählt." (WMD)
[Anm.: hier wird deutlich, dass er in seiner Aussage die einfache
Prädestionationslehre vertritt)
- an anderer Stelle stellt er es als TATSACHE dar, dass es
eine göttliche Erwählung zur Wiedergeburt gibt: "Die Tatsache, daß
er einige erwählt, gerettet zu werden" (WMD)
c) In der Heranziehung von 2Thes 2,13 als Begründung dieser Sicht, sehe ich
- nicht nur bei WMD - einen Hauptirrtum der sog. Prädestionationslehre (d.h.
Erwählung zur Wiedergeburt). Es ist m.E. ganz deutlich, dass 2Thes
2,13 nicht von der Wiedergeburt spricht.
Ich sehe in bezug auf den Gedanken, es gäbe eine Selektion/Auswahl innerhalb
der Masse der Ungläubigen zum Heil (d.h. eine Zweiteilung der Welt in bezug
auf das Heil) , eindeutige Aussagen in Gottes Wort, die hier widersprechen:
Insbesondere will Gott nicht, dass irgendjemand verloren
geht, sondern alle zur Erkenntnis der Wahrheit kommen und
dass alle, überall Busse tun sollen (Apg
17,30 etc.). Wenn wir diese Schriftgedanken als Ausgangspunkt nehmen, sehen
wir, dass es dabei keine Unterscheidung gibt - d.h. der Gedanke, Gott hätte
eine besondere Auswahl an Ungläubigen, denen er das Heil zugesteht - während
er andere damit übergeht oder gar zur Hölle vorherbestimmt
(=einfache/doppelte Prädestionation), ist wider die Schrift.
d) Es sind in den letzten Jahren Schleusen geöffnet worden (Betanien-Verlag,
CLV), wodurch in massiver Weise eine andere Sicht im Hinblick auf das Heil
vermittelt werden soll. Ich sehe vor Ort und auch überörtlich sehr starke
Auswirkungen der Veröffentlichungen der letzten Jahre. Im Besonderen bin ich
betroffen, dass wertgeschätzte Brüder wie z.B. Benedikt Peters, ihre frühere
Haltung vollständig aufgegeben haben und die TULIP-Lehre übernommen haben
und auch gegenwärtig stark multiplizierend tätig sind (z.B. durch
verschiedene Vorträge und Artikel etwa in der KFG- bzw.
Bibel&Gemeinde-Zeitschrift).
f) Ich würde WMD im Gegensatz zu J.MacArthur - gerade auch im Hinblick auf
die von Dir angeführten Zitate - nicht als gerade typischen Vertreter der
einfachen Prädestinationslehre sehen. Jedoch dringen bei ihm schon klar
ersichtlich entsprechende (m.E. falsche) Gedanken durch:
a) Kombination von Auserwählung mit Wiedergeburt
b) Bezug von Erwählung zum Heil (d.h. zur Wiedergeburt) auf einen Teil der
Ungläubigen Masse
WMD stellt sich in seinem Kommentar zum NT auf Seite 215 die Frage,
"wie kann Gott einige erwählen und doch allen die Erlösung anbieten?"
und kommt zum Schluß "das bleibt ein Geheimnis". WMD hat - das
wir hierbei deutlich - nicht die Schwelle zur falschen
calvinistischen Lehre des "Genaral Call" bzw. "Effectual Call"
überschritten.
Andere Autoren wie John MacArthur sehen nämlich hier KEIN Geheimnis,
sondern meinen und lehren, dass Gott zwar das Evangelium an ALLE Menschen
ausrichten lässt (General Call), jedoch NUR die auserwählten Ungläubigen
unwiderstehlich zum Glauben kommen werden (Effectual Call).
Die Heilige Schrift erwähnt und kennt den Bezug, den Vertreter der
Prädestinationslehre herstellen, wonach einige Menschen aus der Masse der
Ungläubigen zur Wiedergeburt erwählt seien und alle übrigen mit dem Heil
übergangen werden, an KEINER EINZIGEN STELLE.
Erwählung
steht weder mit Menschen des Unglaubens als Objekt, noch inhaltlich mit
der Wiedergeburt, in irgendeinem Zusammenhang (außer in dem Sinne, dass
Wiedergeburt und Glaube an Christus Bedingung und Grundlage der
Auserwählung sind). Gott will vielmehr gerade nicht, „dass jemand verloren
gehe“ (2Pet 3,9) und hat daher keine vorweltlich-selektive Auswahl derer
getroffen, die an Christus glauben dürfen (Prädestinationslehre).
Vielleicht
dürfte ich Dich dazu auf folgende kurze Aufstellung hinweisen, die einen
Kontrast zur m.E. nicht haltbaren Prädestionation zur Wiedergeburt sind
und Ergebnis längerer Studien zum Thema Erwählung darstellen:
http://bibelkreis.ch/Streitenberger%20Peter/auserw.htm bzw.
http://bibelkreis.ch/Forum/frage1077.htm
Ich halte daher unseren Austausch zu diesem Thema für sehr aktuell und es
auch für besonders notwendig, dass eine eindeutige Position zu diesem
fundamentalen Lehrpunkt gefunden wird.
Peter