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Benedikt
Peters
Geöffnete Siegel - Leitlinien der Zukunft im Buch der Offenbarung
© Benedikt
Peters, 2001
1. Auflage
der Überarbeitung
Frühere
Auflage: 1990 Schwengeler Verlag, Berneck
Satz:
Betanien Verlag
Umschlaggestaltung: Lucian Binder, Metzingen
Druck und
Bindung: GGP Media, Pößneck
ISBN
3-935558-52-X
Inhaltsverzeichnis
Der Titel des Buches
Was will uns Gott mit diesem Buch sagen?
Warum enthüllt uns Gott denn die Zukunft?
Das Thema des Buches
Eine Einteilung
Kapitel 1
Prolog
Teil 1:
“Was du gesehen hast” -
Kapitel 1
Kapitel 1,9-20
Teil II:
“Was ist” -
Kapitel 2 und 3
Kapitel 2
Das Sendschreiben an die Gemeinde in Ephesus
Das Sendschreiben an die Gemeinde in Smyrna
Das Sendschreiben an die Gemeinde in Pergamus
Das Sendschreiben an die Gemeinde in Thyatira
Kapitel 3
Das Sendschreiben an die Gemeinde in Sardes
Das Sendschreiben an die Gemeinde in Philadelphia
Das Sendschreiben an die Gemeinde in Laodizäa
Teil III:
“Was sein wird nach diesem”
-
Kapitel 4-22
Kapitel 4
Der Schöpfer auf Seinem Thron
Kapitel 5
Der Richter
Das Lamm inmitten des Thrones
Kapitel 6
Die ersten sechs Siegel werden geöffnet
Kapitel 7
Ein Zwischenspiel der Gnade
Errettete aus den Nationen
Kapitel 8
Das siebte Siegel wird geöffnet
Die ersten vier Posaunen
Kapitel 9
Die zwei ersten Wehe
Kapitel 10 und 11
Heil inmitten des Gerichts
Kapitel 10
Kapitel 11
Die zwei Zeugen
Die siebente Posaune
Israel und der Neue Bund
Kapitel 12
Die Frau und der Drache
Kapitel 13
Das Tier aus dem Meer und das Tier aus der Erde
Kapitel 14
Gottes Erbarmen inmitten des Zornes
Kapitel 15
Die sieben Schalen vollenden Gottes Zorn
Kapitel 16
Kapitel 17
Die Hure Babylon
Kapitel 18
Babylon, die große Stadt
Kapitel 19
Das große Halleluja
Die Hochzeit des Lammes
Das Erscheinen des Königs aller Könige
Der König und die Könige der Erde
Kapitel 20
Satan gebunden
Die erste Auferstehung
Der große weiße Thron
Kapitel 21
Der neue Himmel und die neue Erde Die verherrlichte
Gemeinde
Kapitel 22
Schlusswort
Meiner
lieben Helene
Ein Wort zur Neuauflage
Ich schrieb
das vorliegende Buch vor über zehn Jahren. Es ist vielen zum Segen geworden.
Das hat mich überrascht, und dafür will ich dem Herrn danken. Ich habe keine
der darin gegebenen Erörterungen zum endzeitlichen Geschehen zurücknehmen
müssen. Das ist mir Ursache zu besonderem Dank an den Herrn und Lehrer der
Gemeinde. Zu fast jedem Kapitel habe ich Ergänzungen geschrieben; am wenigsten
zu den sieben Sendschreiben. Ich habe die Sprache ein wenig geglättet,
Sachliches habe ich fast nichts ändern müssen. Aber eine Sache habe ich sehr
bewusst ausführlicher und eindringlicher dargestellt: Die Souveränität Gottes
in Seinem Walten über der Welt und in der Errettung von Sündern. Je mehr ich
in den vergangenen Jahren über Gottes Heilsplan nachgedacht habe, desto klarer
ist mein Blick geworden für die Alleinursächlichkeit Gottes in der ganzen
Heilsveranstaltung. Ich fand, das müsse seinen Niederschlag finden in der
vorliegenden Neuauflage.
Benedikt
Peters, Arbon am Bodensee im Dezember 2001
Eine Gabe Gottes
Etwas vom
Größten, was Gott dem Menschen mit der Bibel geschenkt hat, ist die
zuverlässige Enthüllung zweier Dinge, die dieser nicht anders als durch
Offenbarung wissen kann; denn niemand als der Ewige, der über Zeit und Raum
erhaben ist, kann dem Geschöpf sagen, welches sein Anfang und welches sein
Ende ist. Im ersten Buch der Bibel werden wir über unsere
Herkunft, im letzten Buch der Bibel
über unsere Zukunft unterrichtet.
Halten wir einen Augenblick inne und bedenken wir,
wie reich uns solches Wissen macht:
Erstens kann nur ein Wissen um unsere Herkunft
Licht in die rätselhaften Bedingungen menschlicher Existenz bringen. Woher
kommt es, dass wir einerseits Sinn für das Schöne, das Gute und das Wahre
haben, uns an Harmonie in Farbe, Form und Klang erfreuen, andererseits aber so
widerliche Züge wie Lüge, Neid, Hass und Gier besitzen? Und woher kommt denn
Leid? Warum tun Dinge weh? In den ersten drei Kapiteln der Bibel gibt uns Gott
auf diese sonst unlösbaren Fragen Antwort.
Wenn das Wissen um die Herkunft erklärt,
woher menschliches Leid rührt, dann sagt uns ein Wissen um die
Zukunft, wozu alles Leid dient; denn
der Gang des Menschengeschlechts durch die Jahrtausende hat ein Ziel. Und
diesem Ziel dient alles, auch Leidvolles, was der einzelne in den flüchtigen
Jahren individuellen und was die Menschheitsfamilie in den Millennien
gemeinschaftlichen Daseins durchmacht. Kurz und gut: Unser Leben wird erst
dann sinnvoll, wenn wir wissen, woher wir kommen und wohin wir gehen.
Drittens lehrt uns das Wissen um Woher und Wohin,
wie wir unseren persönlichen Weg durch die verwirrend komplexe Welt der
Erscheinungen, Mächte, Kräfte und Ideen zum Ziel der Zeit finden können.
Was uns das prophetische Wort gibt, hat uns der
alte Apostel Petrus kurz vor seinem Heimgang gesagt:
“So besitzen
wir das prophetische Wort befestigter, auf welches zu achten ihr wohl tut, als
auf eine Lampe, welche an einem dunklen Ort leuchtet, bis der Tag anbricht und
der Morgenstern aufgeht in euren Herzen” (2Pet 1,19).
Der Titel des Buches
Wie in so
vielen Fällen nennen wir das ganze Buch nach dem ersten Satz oder nach dem
ersten Wort desselben. Wir haben es hier mit der
Offenbarung Jesu Christi zutun. Das
bedeutet zweierlei, je nachdem, wie man den Wesfall deutet: Offenbarung, die
Jesus Christus offenbart. Er ist dann
Gegenstand der Offenbarung. Oder aber: Offenbarung, die von Jesus Christus
stammt. Er ist dann Urheber der Offenbarung. Natürlich stimmt beides. Jesus Christus ist
das ewige Wort. Alle und jede Offenbarung an den Menschen geht daher von Ihm
aus. Das sagt uns auch der erste Vers des Buches:
“Offenbarung Jesu Christi, welche Gott ihm gab,
seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss...” Es ist also die
Enthüllung, die der Herr Jesus dem Menschen zeigt. Macht das uns beim Lesen
des Buches nicht zuversichtlich? Er hat es uns gegeben, weil Er uns Seine
Absichten zeigen will. Und wenn Er will, dass wir sie erkennen und verstehen,
dann dürfen wir Ihm doch wohl vertrauen, dass Er uns Verständnis schenkt. Das
Problem ist meist, dass wir Ihm zu wenig vertrauen, auch hierin.
Aber Er ist auch Gegenstand aller Offenbarung. Und
wir wollen dieses Buch auch so lesen. Wir wollen in
erster Linie den Sohn Gottes selbst
darin erkennen, Ihn in Seiner beharrlichen Liebe und Treue zu den Erlösten,
Ihn in Seiner Heiligkeit und unbeugsamen Majestät gegenüber aller
Gottlosigkeit des Menschen; wir wollen Ihn als den Schöpfer und als den
Erlöser sehen, der deshalb kommt, um eines Tages über Seine Schöpfung zu
regieren; und als den Ewigen, der im Anfang war, der ist und der sein wird,
und den Allmächtigen. Wir wollen Ihn als das geschlachtete Lamm sehen, das uns
erst das Herz aller göttlichen Regierung aufdeckt.
Was will uns Gott mit diesem Buch sagen?
Kann es ein
Zufall sein, dass alle Mitteilungen an den alten Apostel Johannes mit einer
Schau des Menschensohnes selbst beginnen? Ist es nicht so, dass wir auch
dieses Buch um so besser verstehen, je inniger wir zuvor Jesus Christus selbst
erkannt haben? Wenn auch wir danach trachten, in all diesen Weissagungen Ihn
zu erkennen, dann werden wir sicher nicht irren, selbst wenn wir manches
Detail nicht verstehen und im Ablauf der prophetischen Ereignisse korrekt
einzuordnen vermögen; suchen wir hingegen in den Prophezeiungen lediglich
unsere Neugierde zu befriedigen, wollen wir nichts als aufregende Enthüllungen
Über zukünftige politische, militärische und wirtschaftliche Geschehnisse,
werden wir ganz gewiss in die Irre laufen, wir werden dann am Sinn des Buches
vorbeigehen. Gott hat es uns nicht gegeben, um menschliche Neugierde oder Lust
an Spekulation zu befriedigen.
Warum enthüllt uns Gott denn die Zukunft?
Warum uns
Gott das Ziel aller Dinge geoffenbart hat, das wurde in der Einleitung bereits
gesagt. Es bleibt aber die Frage: Warum zeigt uns der Herr Ereignisse auf dem
Weg zu diesem Ziel, die den allergrößten Teil der Erlösten nicht direkt
betreffen, weil sie einmal längst nicht mehr leben oder vorher in den Himmel
aufgenommen worden sind (1Thes 4,16.17; Phil 3,20.21)?
Gott enthüllt uns die kommenden Gerichte, die über
eine gottlose Menschheit hereinbrechen werden,
um uns zu erziehen. Er will uns
lehren, in dieser Welt nach Seinen Gedanken zu leben. Dazu ist auch eine
Kenntnis des wahren Wesens der Welt - sie ist götzendienerisch und rebellisch
(9,20.21; 16,9) - wie auch des Endes dieser Welt nötig.
Das Buch der Offenbarung zeigt, dass Gottes
gerechter Zorn die Welt treffen wird, weil ihr Wesen Gott so vollkommen
entgegengesetzt ist. Daher kann ich als Erlöster nicht mit diesem System
sympathisieren oder, schlimmer noch, paktieren. Tue ich es doch, verrate ich
meinen Erlöser, der sich für uns dahingegeben hat, “damit er uns herausnehme
aus dem gegenwärtigen bösen Zeitlauf” (Gal 1,4). Das Buch der Offenbarung
zeigt mir, dass die Welt, angeführt vom Fürsten dieser Welt, “Krieg führt mit
dem Lamm” (17,14). Die Welt hasst den Sohn Gottes (Joh 15,9) und sie hasst
alles, was an Ihn erinnert, und das sind besonders die an Ihn Glaubenden (Off
12,17; 18,24). Und so wird die Welt nicht etwa erst während der sogenannten
“Drangsalszeit” sein; nein, sie ist jetzt schon so. Daher will ich hier und
jetzt in Absonderung von aller Eitelkeit, allem Götzendienst und aller
Selbstgefälligkeit der Welt leben und statt dessen in entschlossener
Hingabe dem Sohn Gottes nachfolgen.
Kenntnis über die fortschreitende Degenerierung der
menschlichen Zivilisation, bis sie endlich von Gott weggefegt werden muss,
will mich auch rechtschaffen nüchtern machen, will mich befreien von allen
naiven Utopien von Weltverbesserern. Um es noch deutlicher zu sagen:
Der Christ hat keinen Auftrag, die Welt zu verbessern. Seine Aufgabe
ist es, durch ein Leben und Lehren der Wahrheit des Evangeliums, Menschen für
Jesus Christus und damit für die ewige Herrlichkeit, für die zukünftige Welt
zu gewinnen. Das Buch der Offenbarung will uns also davor bewahren, unsere
Zeit und unsere Energie am falschen Ort und für das falsche Ziel einzusetzen.
Das Thema des Buches
Das Thema
des letzten Buches der Bibel ist das Kommen Jesu Christi, des Messias Israels,
des Schöpfers und Retters der Welt. Er kommt, um Sein lange verheißenes Reich
aufzurichten (Dan 7,13.14; Jes 11,1–10; Ps 96–100).
Er hat alles erschaffen und hat daher als Schöpfer
Anrecht auf den Dienst aller Seiner Geschöpfe (Kapitel 4), und Er ist darüber
hinaus der Erlöser, der deshalb ein doppeltes Besitzrecht auf den Menschen hat
(Kapitel 5). Weil nun der Mensch - vom Widersacher Gottes angestiftet und
angeführt - sich diesem Verfügungsrecht widersetzt, muss ihn sein Schöpfer
richten; und weil er den Erlöser schmäht, trifft in dessen, nämlich des Lammes
Zorn (6,16). Das ist der Grund, weshalb in diesem Buch Gerichte einen so
breiten Raum einnehmen. Das Ziel und das Ende aller Gerichte ist aber eine
herrliche Zukunft, in der das Böse auf immer gerichtet und eine erlöste
Menschheit die Herrlichkeit des Erlösers selbst teilt (21,11).
Das Buch ist “Offenbarung” oder “Enthüllung”. Es
enthüllt uns neben dem Sohn Gottes auch die im Verborgenen wirkenden Mächte
und Kräfte, die das Tun des Menschen treiben und lenken. Es zeigt, dass der
Mensch, anstatt von Gott geführt, von Satan verführt wird, und dass er,
anstatt Gott ähnlich dem Verführer gleich wird. Nicht Wahrheit und Liebe,
sondern Lüge und Hass kennzeichnen ihn (Joh 8,44). Ein wahrhaft erschütterndes
Bild!
So zeigt uns dieses Buch, dass der Mensch sich
nicht emporentwickelt, immer zivilisierter und humaner wird; das Gegenteil ist
der Fall. Er degeneriert zusehends, wird immer barbarischer, um am Ende mehr
bestialisch denn menschlich zu sein: Die Menschheit bewundert einen Mächtigen,
der ein Tier ist (13,4).
Enthüllt uns dieses Buch den gefallenen, dann auch
den erlösten Menschen; und offenbart es das Ende des Sünders, dann auch das
Ziel des Heiligen. Wird der Sünder am Ende dem Tier, dann sehen wir am Ende
den Erlösten seinem Herrn vollkommen gleich sein.
Schließlich: Die Offenbarung ist das große
Trostbuch des Neuen Testaments. Wir sehen in ihm, wie der ewige Gott über
allem waltet; wie Er alles lenkt, auch den Bösen und das Böse; wie Er gegen
den Widerstand Seiner Feinde und Trotz Versagen Seiner Erwählten Seinen
Heilsrat erfüllt. Unser Herr und Retter ist der Allmächtige, der alle Fäden in
der Hand hält und der vor allem uns in Seiner Hand hält. Sein Rat kann nicht
fehlschlagen; keiner Seiner Erwählten kann umkommen.
Eine
Einteilung
In Kapitel 1,19 sagt der
Herr dem Apostel Johannes: “Schreibe nun, was du gesehen hast, und was ist,
und was geschehen wird nach diesem.” Genau das hat Johannes mit dem Buch der
Offenbarung getan. Es lässt sich entsprechend in die drei Hauptteile gliedern:
I.
“Was du gesehen hast” - Kapitel 1
II. “Was ist” - Kapitel 2
und 3
III. “Was sein wird nach diesem” - Kapitel 4-22.
Man kann das ganze Buch
dann wie folgt einteilen:
1. Einleitung: 1,1-8
2. “Was du gesehen hast”: Die Erscheinung des
Menschensohnes: 1,9-20
3. “Was ist”: Die Sendschreiben an die sieben
Gemeinden:
2,1-3,22
4. “Was sein wird nach diesem”:
Von der Entrückung der Gemeinde bis zum Offenbarwerden des Königs der Könige:
4,1-22,5
5. Schlusswort: 22,6-21
Ich biete
hier noch eine ausführlichere Inhaltsangabe:
1:1–8:
Geber, Empfänger, Ziel und Verheißung der
Offenbarung
1. 1:9–20:
Gegenstand der Offenbarung:
Der Menschensohn, Richter und Herrscher aller
Enden
Erbarmen inmitten des Zornes: 1:17,18
2. 2 & 3:
Das Gericht muß beginnen am Hause Gottes
Erbarmen inmitten des Zornes: 2:7,17,26;
3:5,10–12,21
3. 4 & 5:
Schöpfung und Erlösung, die Grundlage der
gerechten Gerichte Gottes
Erbarmen inmitten des Zornes: 4:4; 5:9,10
4. 6 –
16
Siegel, Posaunen und Schalen:
Der Menschensohn richtet Israel und die
Nationen und rettet einen Überrest aus Israel und
den Nationen
Erbarmen inmitten des Zornes: 7; 10; 14:1–5;
15:1–4
5. 17 &
18
Glanz und Gericht der großen Hure
Erbarmen inmitten des Zornes: 18:4
6. 19 &
20
Gericht der Lebenden und Toten
Erbarmen inmitten des Zornes: 19:6–10;
20:4–6
7.
21:1–8
Der neue Himmel und die neue Erde
8.
21:9-22:5
Die Herrlichkeit der Braut des Lammes
22:6–21
Geber, Empfänger, Verheißung und Warnung
der Offenbarung
Kapitel 1
Der
Anfänger und Vollender aller Dinge
Dieses
erste Kapitel legt den Grund zum ganzen Buch. In ihm wird alles
vorweggenommen, was nachher ausführlicher erörtert wird. Das Kapitel lässt
sich in sechs Teile gliedern:
1. Göttliche
Offenbarung und Notwendigkeit 1,1.2
2. Verheißung des
Buches 1,3
3. Gnade und Lobpreis
1,4–6
4. Wehklage Umkehr oder
Gericht 1,7.8
5. Anfeindung und
Beistand 1,9–11
6. Der Menschensohn,
Herrscher und Richter aller 1,12–20
Johannes
beginnt mit der Herkunft der Offenbarung und findet darin einen Ausreichenden
Grund dafür, dass alles in ihr Gesagte sich mit Notwendigkeit erfüllen muss
(V. 1–2). Darum kann nur der glückselig heißen, der die Worte der Weissagung
hört und bewahrt (V. 3). In den Versen 4 bis 8 fasst der Prophet die ganze
Heilsgeschichte zusammen: Alles geht vom ewigen Gott, vom Gott aller Gnade
aus; die ganze Heilsgeschichte verwirklicht sich durch den Sohn, der mit
Seinem Blut Erlösung gewirkt hat und einst erscheinen und alle niederwerfen
wird, die nicht an Ihn geglaubt haben. Wer an dieser Botschaft festhält und
sie in dieser Welt verbreitet, muss von dieser Welt verfolgt werden (V. 9).
Göttliche Offenbarung und Notwendigkeit 1,1.2
“Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gab, um seinen Knechten zu zeigen, was
bald geschehen muss; und durch seinen Engel sendend hat er es seinem Knecht
Johannes gezeigt, der bezeugt hat das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu
Christi, alles was er sah.”
Dieses Buch ist eine Offenbarung, die Gott Seinem
Sohn gab. Es ist eine Gabe des Vaters an Seinen Sohn. Das sagt uns etwas aus
über ihren Wert und über ihre Gewissheit.
Jesus Christus zeigt Seine Offenbarung “seinen
Knechten”, solchen also, die ihm dienen, nicht solchen, die sich selbst
suchen. Und ist nicht genau das allzu oft gerade im Zusammenhang mit der
Offenbarung geschehen? Einige wollen mit originell sein wollenden “neuen
Einsichten” Aufmerksamkeit erregen und sich eine Gefolgschaft sichern; andere
suchen lediglich ihren Hang zu Spekulation und Gedankenspielerei zu
befriedigen. Wer nicht dem Sohn Gottes und damit auch den Kindern Gottes
dienen will und damit in der einen oder anderen Form sich selbst sucht, wird
den eigentlichen Sinn auch dieses biblischen Buches nicht verstehen.
Sodann gab Jesus Christus Seinen Knechten dieses
Wort, damit sie, gleich Johannes, “das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu
Christi” bezeugen. Gott hat uns nie Sein Wort gegeben, damit wir uns bloß
privat daran ergötzen, sondern damit wir das, was Er uns anvertraut, bezeugen,
den Glaubensgeschwistern zum Segen und Ungläubigen zum Heil.
Vergessen wir diese beiden Voraussetzungen nicht zum Verständnis dieses wie
jeden biblischen Buches.
Und überlesen wir nicht dieses kostbare ”muss”! Die
Offenbarung ist das Buch der Vollendung der Wege Gottes mit dem Menschen.
Alles, was Gott sich vorgesetzt und verheißen hat, vollendet Er. Es geschieht
mit Notwendigkeit. Nichts und niemand kann das verhindern: weder die Torheit
noch der Unglaube des Menschen, auch nicht die List und die Bosheit des
Teufels. Hier stehen lauter Dinge geschrieben, die geschehen müssen (siehe
auch 4,1). Das ist ein seliges Wissen.
Die Verheißung des Buches 1,3
“Glückselig, der da liest und die da hören die
Worte der Weissagung und bewahren, was in ihr geschrieben ist; denn die Zeit
ist nahe.”
“Glückselig” ist, wer die Worte dieses Buches hört
und bewahrt. Die Verheißung lässt uns an die Tragödie im Garten Eden denken.
Dort hatte der Mensch Gottes Wort für nichts geachtet, hatte der Lüge der
Schlange geglaubt und war so unter den Fluch gekommen. Heil und damit
Glückseligkeit kann für den Menschen nicht anders kommen, als dass er die
Sünde seines Ungehorsams und Unglaubens bekennt und beginnt, auf Gottes Wort
zu hören. Das Wort “glückselig” kommt siebenmal vor in unserem Buch; außer
hier noch in 14,13; 16,15; 19,9; 20,6; 22,7.14. Die letzte Stelle erinnert uns
daran, dass es diesen Wandel von Fluch zu Glückseligkeit nur deshalb geben
kann, weil ein Unschuldiger für uns zum Fluch wurde (Gal 3,13) und uns in
Seinem Blut von unseren Sünden reinwusch (siehe auch 1,5). Das ist aber nichts
als Gnade.
Gehen wir in Gedanken noch einmal zurück ins
Paradies: Der Mensch war von Gott unter die Bedingung gestellt worden, Ihm zu
gehorchen, wollte er das Leben nicht verlieren (1Mo 2,17). Er vermochte der
Verantwortung nicht zu genügen. In Jesus Christus wird dem Glaubenden das
Leben geschenkt, und zwar so, dass er es anders als Adam nie mehr verlieren
kann; denn der Sohn Gottes übernimmt als der “Bürge eines besseren Bundes”
(Heb 7,22) letztlich die Verantwortung für die Bewahrung der Seinen. So macht
die Gnade Gottes alles auf ewig fest (Röm 11,29). Wahrlich, glückselig, wer
Sein Wort hört und dem glaubt, der Ihn gesandt hat, denn der hat ewiges Leben
und kommt nie ins Gericht, sondern ist
vom Tod zum Leben hinübergegangen (Joh 5,24).
Gnade und Lobpreis 1,4–6
“Johannes den sieben Versammlungen, die in Asien
sind: Gnade euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da
kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind, und von Jesus
Christus, welcher der treue Zeuge ist, der Erstgeborene der Toten und der
Fürst der Könige der Erde!”
Der ewige Gott, ”die sieben Geister Gottes” und
Jesus Christus, d. h. der dreieinige Gott, gewährt dem Glaubenden
Gnade, und weil Er sie gewährt, ist das Ergebnis
Friede. Anders kann es keinen
Frieden geben, aber so: Wie groß, wie gewiss der Friede.
Nur im Buch der Offenbarung wird der Geist Gottes
”die sieben Geister Gottes” genannt. Die zahl sieben, die in diesem Buch so
häufig vorkommt, steht für Vollständigkeit und Vollkommenheit. Der Ausdruck
umschreibt das Wirken des Heiligen Geistes in Seiner ganzen Fülle und
Vollkommenheit. Es heißt, dass diese sieben Geister Gottes ”vor seinem Thron”
sind. Was bedeutet das? Alles Wirken des Heiligen Geistes in der Welt und in
den Herzen der Gläubigen hat diese eine hohe Ziel: Uns vor Gottes Thron zu
führen und uns dem zu unterwerfen, der auf dem Thron sitzt. Kein Mensch will
von Natur und kein Mensch kann von sich aus Gott gehorchen. Die Kraft des
Heiligen Geistes neigt unsere Herzen Gott zu und macht uns gehorsam.
Von Jesus Christus wird gesagt, dass Er der “treue
Zeuge” ist: Zum Heil (Joh 5,24) wie zum Gericht (Joh 12,48) wird Er alles
erfüllen, was Sein Wort je gesagt hat. Für die Gewissheit Seiner Worte
verbürgt Seine Auferstehung. Als Er als “der Erstgeborene der Toten”
auferstand, bewies Er, dass Er “den Tod zunichte gemacht und Leben und
Unverweslichkeit ans Licht gebracht” (2Tim 1,10) hatte, bewies Er, dass keines
Seiner Worte “auf die Erde gefallen” (1Sam 3,19) war. Das ganze vorliegende
Buch will gewiss dieses eine bewusst machen: Gottes Worte gehen in Erfüllung.
Keine Verheißung, keine Gerichtsandrohung ist je ein leeres Wort gewesen. Am
Ende wird der “treue Zeuge” sagen können: “Es ist geschehen” (21,6).
“Dem, der uns liebt, und uns von unseren Sünden
gewaschen hat in seinem Blut und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu
Priestern seinem Gott und Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von
Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.”
Johannes unterbricht hier seine Gedanken und bricht
in Anbetung aus, wie es auch ein Paulus in Römer 11,33-36 tut. Er konnte nicht
anders. Dass der Herr “der treue Zeuge” ist, bewies auch Sein Kreuzestod. Dort
erfüllte Er Sein unumstößliches Wort: “Des Tages du davon issest, wirst du
gewisslich sterben” (1Mo 2,17). Den Lohn der Sünde, den Tod, nahm der Schöpfer
des Menschen für Seine Geschöpfe selbst auf sich. Er trug unsere Sünde, Er
wusch uns in Seinem Blut rein, rein vor einem unbestechlichen Richter, der
Sünde in Seiner Gegenwart nicht dulden kann. Und nicht genug damit, dass Er
uns reinigte: Er, der als “Fürst der Könige der Erde” einst über die ganze
Schöpfung herrschen wird, lässt uns an Seiner Herrschaft teilhaben: Wir werden
ein “Königtum” genannt. Und wir heißen ”Priester”. Was ist ein Priester? Ein
Priester ist jemand, der in Gottes Gegenwart treten darf und kann. Das ist ein
ungeheures Vorrecht. Ein höheres gibt es nicht. Wir sind wir berufen, vor Gott
zu treten und Ihn anzubeten. Dazu hat Er uns ehemalige Empörer und
Gotteslästerer erlöst (1Pet 2,3-5).
Wehklage, Umkehr oder Gericht 1,7.8
“Siehe, er kommt mit den Wolken, und jedes Auge
wird ihn sehen, auch die ihn durchstochen haben, und wehklagen werden
seinetwegen alle Geschlechter der Erde. Ja, Amen”.
Das Wissen um Sein Kommen ist den Erlösten Grund
zur Freude und Anbetung, wie eben sichtbar wurde; den Ungläubigen wird es ein
Tag des Schreckens sein. Die ”sieben Geister Gottes” (V. 4) sind ”über die
ganze Erde gesandt” (5,6) und geben Zeugnis von der Sünde des Sünders und vom
Heil des Sünderheilandes. Wohl dem, der diesem Zeugnis gefolgt ist und an den
Sohn Gottes geglaubt und sich Ihm unterworfen hat. Wehe dem, der sich diesem
Zeugnis widersetzt hat. Den wird der Sohn Gottes bei Seinem Erscheinen im Zorn
und mit Macht unterwerfen. Das Wort ”wehklagen” kommt in Kap 18 wieder vor.
Dort steht es für das Entsetzen und den Schmerz, den der Sturz Babylons, der
großen Stadt, bei allen auslösen wird, die an ihr reich geworden waren (18,9).
Mit einem Male wird ein jedes Auge Ihn sehen. Für den sündigen Menschen ist
das ein unerträglicher Anblick. Aber Er wird kommen, “Ja, Amen.” Amen ist
Hebräisch und bedeutet “gewiss; fest”. Man könnte auch sagen: “So ist es.”
Nun kann man das griechische Wort
gê, ”Erde” auch mit ”Land”, und statt ”Geschlechter” müsste man
eigentlich ”Stämme” (phylai)
übersetzen. Dann lautet der Satz: ”Wehklagen werden seinetwegen alle Stämme
des Landes.” Das erinnert uns an Sach 12,10. Die Stämme Israels werden dann
ihren Messias erkennen und leidtragen über ihre Sünde, dass sie Ihn bei Seinem
ersten Kommen verwarfen.
“Ich bin das Alpha und das Omega, spricht der Herr,
Gott, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige.”
Jesus Christus ist der große “Ich bin”, dem wir im
Johannesevangelium so oft begegnen. Er ist das Alpha und das Omega, der erste
und der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets. Er ist also “der Erste
und der Letzte” (1,17). Die Buchstaben des Alphabets bedeuten natürlich auch,
dass er “das Wort Gottes” (Joh 1,1; Off 19,13) ist. Gleichzeitig ist Er “Gott,
der Herr”, das ist der im Alten Testament geoffenbarte
Jahwe Elohim. Er ist “der da ist und der da war” der ewig Seiende.
Das ist eine neutestamentliche Wiedergabe Seiner Selbstoffenbarung an Mose im
Dornbusch: “Ich bin, der ich bin - ich werde sein, der ich sein werde” (2Mo
3,14). Und Er ist der Kommende, das ist der von den Juden erwartete Messias
(vergleiche Mt 11,3; Joh 4,25). Und
schließlich ist Er der Allmächtige.
Es ist dieses eines der eindrücklichsten
Bekenntnisse zur Gottheit Jesu Christi im ganzen Neuen Testament. (Man
vergleiche auch 22,13.) Darum beten wir Ihn an und fallen gleich einem Thomas
vor Ihm nieder und bekennen: “Mein Herr und mein Gott!” (Joh 20,28).
Beide Titel, ”das Alpha und das Omega” und ”der da
ist und der da war und der da kommt”, sind für die Offenbarung
charakteristisch. Sie finden sich nur in diesem Buch (siehe auch 1,17.18; 2,8;
3,14; 4,8; 11,17; 22,13), in dem uns gezeigt werden soll, wie Gott, der im
Anfang war, am Ende alles vollenden wird. Er ist der ewige, der immer war: Mit
ihm beginnt alles. Er ist der Kommende: Er wird alles zum Abschluss bringen.
Er ist der immer Seiende: Er ist es, der beständig alles wirkt. Alles ist von
Ihm; alles geschieht durch Ihn; alles führt darum zu Ihm (Röm 11,36).
Aus der Titel ”der Allmächtige”,
pantokratôr, eigentlich ”Allherrscher”, ist für das Buch der
Offenbarung charakteristisch. Er kommt hier siebenmal vor (1,8; 4,8; 11,17;
15,3; 16,7; 19,6; 21,22), im Neuen Testament sonst nur noch in 2Kor 6,18
Teil I: “Was du gesehen hast”
Kapitel 1,9-20
Anfeindung und Beistand 1,9–11
“Ich,
Johannes, euer Bruder und Mitgenosse in der Drangsal und dem Königtum und dem
Ausharren in Jesus, war auf der Insel, genannt Patmos, um des Wortes Gottes
und des Zeugnisses Jesu willen. Ich war an des Herrn Tag im Geist, und ich
hörte hinter mir eine laute Stimme, wie die einer Posaune, die sprach: Was du
siehst, schreibe in ein Buch und sende es den sieben Gemeinden: nach Ephesus
und nach Smyrna und nach Pergamus und nach Thyatira und nach Sardes und nach
Philadelphia und nach Laodizäa.”
Das Schicksal des Johannes ist beispielhaft: Wer am
Königtum teilhat, muss zuerst “ausharren in Jesus” (Kol 1,11; Heb 12,1; Off
2,2.3.19; 3,10; 13,10; 14,12). Wir müssen, wie Paulus sagt, “durch viele
Trübsale hindurch in das Reich Gottes eingehen” (Apg 14,22; 1Thes 3,3.4). Und
was ist der Anlass zu den Trübsalen? Was war der Anlass zur Verbannung auf die
Insel Patmos? Das Festhalten am Wort Gottes und das Bekenntnis zu Jesus
Christus. Johannes hat bis heute viele treue Nachfolger gehabt, die mit ihm
und mit Paulus erlebten: “Wer gottselig leben will in Christus Jesus, wird
verfolgt werden” (2. um. 3,12). Die Welt hat sich seit den Tagen Jesu und der
Apostel nicht verändert, und Er hat uns gesagt: “Wenn ihr von der Welt wäret,
würde die Welt das Ihrige lieben; weil ihr aber nicht von der Welt seid,
sondern ich euch aus der Welt auserwählt habe, darum hasst euch die Welt” (Joh
15,19). Das Wort Gottes ist auch heute der Welt anstößig, das Zeugnis Jesu
Christi ist ihr ein Greuel. Warum? Weil es, bevor es ihr Gnade und Vergebung
verheißt, ihre Eitelkeit bloßstellt und ihre Sünde verurteilt Darum muss die
Welt diese Botschaft hassen, und das heißt, dass sie ihre Boten hasst.
Glaubten wir dem Herrn, dann würden wir uns freuen, wenn die Welt uns hasst
und schmäht (Mt 5,11.12; Apg 5,41).
Denken wir gerade an die besondere Botschaft dieses
Buches: Es bezeugt, dass die Bosheit der Menschen zunimmt, dass die
Zivilisation zusehends degeneriert, dass sie sich nicht verbessern und nicht
retten lässt, sondern vielmehr im göttlichen Gericht untergehen muss. Das hört
man heute gar nicht gern. Wer das offen ausspricht, wird gehasst, gehöhnt, mit
Worten gegeißelt, als Defaitist und Weltflüchtiger verschrieen. Ich befürchte,
das ist der Grund, warum immer mehr “Evangelikale” oder “Bibelgläubige” oder
wie immer sie sich nennen, diese besondere Wahrheit verwässern und ganz
langsam das Schwergewicht auf Mitmenschlichkeit und Geselligkeit verlagern.
Der uralte Götzendienst, der aus dem Geschöpf mehr macht als der Schöpfer,
zieht ein. Bewahrung der Schöpfung droht mancherorts wichtiger zu werden als
Buße vor dem Schöpfer und irdischer Friede wichtiger als Frieden mit Gott (Röm
5,1).
In noch einer Hinsicht ist
Johannes beispielhaft, und das ist besonders kostbar: Da er seiner
Überzeugungen wegen von den Menschen verstoßen wird, begegnet ihm der Herr in
außergewöhnlicher Weise. Als der ehemals Blinde vor den Juden seinen Glauben
an den, der ihn sehend gemacht hatte, nicht verleugnen konnte, stießen man ihn
aus der Synagoge: “Und sie warfen ihn hinaus” (Joh 9,34). Aber der Herr wusste
darum und suchte ihn deshalb auf: “Jesus hörte, dass sie ihn hinausgeworfen
hatten; und als er ihn fand, sprach er zu ihm...”
(9,35).
Als Ausgesetzter empfängt
Johannes die Offenbarung. Wie muss ihn das ergriffen haben. Und welch ein
Trost ist er und ist sein Buch in allen nachfolgenden Jahrhunderten verfolgten
und gejagten Christen gewesen.
“An des Herrn Tag”, das ist der erste Tag der
Woche, der Tag der Auferstehung des Herrn. Im Griechischen steht wörtlich “der
dem Herrn gehörige Tag”. Das Wort
kyriakos kommt im Neuen Testament
nur noch in 1. Korinther 11,20 vor: “das dem Herrn gehörige Mahl”. Der dem
Herrn gehörige Tag ist der erste Tag der Woche, der Tag, an dem die Jünger
regelmäßig zusammenkamen, “um Brot zu brechen” (Apg 20,7). Johannes war da “im
Geist”. Wir können uns gut denken, dass er just an diesem Tag an all die
Gemeinden in Kleinasien dachte, wo er Jahrzehnte lang gelehrt und gedient
hatte. Er dachte daran, wie die Christen sich versammelten, um ihren Herrn
anzubeten, um in der Mahlfeier Seiner zu gedenken (1Kor 11,24). Er wird wohl
auch für die von ihm gegründeten Gemeinden gebetet haben, er wird um sie
besorgt gewesen sein, wie es auch ein Paulus immer war (2Kor 11,28). Da
erscheint ihm der Herr und hat ihm eine Botschaft an sieben dieser Gemeinden.
Obwohl hier eine ganz besondere Situation vorliegt und Johannes eine Botschaft
empfing, die einmalig ist, gilt im Prinzip das gleiche für uns. Wo wir ein
Herz haben für das Werk des Herrn, für das Wohl und Wehe der “kleinen Herde”
(Lk 12,32), hat der Herr der Gemeinde ein Wort an die Gemeinde, sei es zum
Trost, sei es zur Ermahnung. Dass heute, wie in den Tagen Samuels, das Wort
Gottes und die Propheten (im Sinne von 1Kor 14,3) selten geworden sind (1Sam
3,1), liegt wohl daran, dass wir so satt und so gleichgültig sind.
Der Menschensohn, Richter und Herrscher aller 1,12–20
“Und ich wandte mich um, die Stimme zu sehen,
welche mit mir redete, und als ich mich umgewandt hatte, sah ich sieben
goldene Leuchter, und inmitten der sieben Leuchter einen gleich dem Sohn des
Menschen, angetan mit einem bis zu den Füßen reichenden Gewand, und an der
Brust umgürtet mit einem goldenen Gürtel. Sein Haupt aber und seine Haare
weiß, wie weiße Wolle, wie Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme, und
seine Füße gleich glänzendem Kupfer, als glühten sie im Ofen, und seine Stimme
wie das Rauschen vieler Wasser. Und er hatte in seiner rechten Hand sieben
Sterne, und aus seinem Munde ging hervor ein scharfes, zweischneidiges
Schwert, und sein Angesicht war, wie die Sonne leuchtet in ihrer Kraft.”
Johannes wendet sich um und sieht zuerst “sieben
goldene Leuchter”, dann erst den Menschensohn. Ist es nicht auch heute so,
dass man die Gemeinde sieht, die Gläubigen also, und von da erst auf den Herrn
schließen kann? Wie entscheidend ist dann aber der Wandel der Gemeinde, wie
groß die Verantwortung, ein glaubwürdiges Zeugnis zu sein! Und genau darum
wird es in den Sendschreiben gehen: inwiefern nämlich die sieben genannten
Gemeinden durch ihre Lehre, ihren Glauben und ihre Werke den Herrn bezeugten
oder verleugneten.
Alle Merkmale sprechen vom Herrn in seiner Würde
als Richter, nicht als Retter. Er
erscheint als der Menschensohn. Das
ist der universale Herrscher (Dan 7,13.14), und Er ist der große Richter, dem
Gott alles Gericht in die Hand gegeben hat (Joh 5,27). Alles zeugt von Seiner
unbeugsamen Majestät: Sein Angesicht leuchtet wie die Sonne vor dessen Glut
nichts verborgen ist (Ps 19,7); und von Seiner unbestechlichen Wahrheit und
Heiligkeit: Seine Haare sind weiß wie Schnee. Seine Augen sind wie eine
Feuerflamme; ihnen entgeht nichts, und was Er an Sündigem ans Licht stellt (Ps
90,8), muss Er im Feuer richten. Mit Seinen Füßen ist Er selbst durchs Feuer
des Gerichts gegangen; und weil Er selbst das Gericht über alle Sünde erduldet
hat, ist Seine alle Sünde verurteilende Stimme so unwiderstehlich: wie das
Rauschen vieler Wasser. Der Richtspruch, der aus Seinem Munde ausgeht, ist ein
zweischneidiges Schwert, das Wort Gottes (Eph 6,17; Joh 12,48). Dieses Schwert
“scheidet” (Heb 4,12). Es kennt nicht das diplomatische “sowohl als auch”, das
bequeme “Jein”, den sich nicht festlegen wollenden Kompromiss.
“Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie
tot. Und er legte seine Rechte auf mich und sprach: Fürchte dich nicht! Ich
bin der Erste und der Letzte und der Lebendige, und ich war tot, und siehe,
ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und
des Hades. Schreibe nun, was du gesehen hast, und was ist, und was geschehen
wird nach diesem. Das Geheimnis der sieben Sterne, die du in meiner Rechten
gesehen hast, und die sieben goldenen Leuchter: die sieben Sterne sind Engel
der sieben Gemeinden, und die sieben Leuchter sind sieben Gemeinden.”
Wir verstehen, dass Johannes vor einem solchen
Herrn niederfällt wie tot. Auch wir als Erlöste, die wir wissen, dass der Herr
unsere Sünden getragen hat, würden zusammenbrechen, begegnete uns der Herrn in
Seiner richterlichen Heiligkeit. Und wir müssten vor Ihm auch sterben, hätte
Er nicht Seine Hand auf uns gelegt. Handauflegung bedeutet Identifikation (3Mo
1,4). Er hat sich mit ehemals sündigen Menschen einsgemacht, ja, Er hat unsere
Sünde zu der Seinigen gemacht (2Kor 5,21). Der Trost dieses Wortes ist
unaussprechlich: “Fürchte dich nicht! Denn
ich war tot.” Er ging in den Tod für
uns. Und jetzt lebt Er, und weil Er lebt, werden auch wir leben (Joh 14,19).
Er hat ja die Schlüssel des Todes in Seiner Hand. Wenn wir nun in dieser
starken Hand (Joh 10,28) sind, was will uns dann der Tod anhaben (Röm
8,38.39)? Brauchten wir nicht alle mehr von beidem: Erkenntnis der unnahbaren
Heiligkeit Gottes und den daraus fließenden Trost, dass wir uns nicht fürchten
müssen, da Er für uns alles auf sich genommen hat. Wir hassten dann die Sünde
mehr und liebten den Herrn inniger.
“Das Geheimnis der sieben Sterne, die du in meiner
Rechten gesehen hast, und die sieben goldenen Leuchter: die sieben Sterne sind
Engel der sieben Gemeinden, und die sieben Leuchter sind sieben Gemeinden.”
Versuchen wir, das Einfachere zuerst zu verstehen.
Die Gemeinden werden als Leuchter gesehen, das heißt als Lichtträger. Die
Glaubenden als einzelne und entsprechend die örtliche Gemeinde als ganze sind
Lichter in der Welt (Phil 3,15).
Unser Licht ist unser Zeugnis in Wort und Wandel (Mt
5,14-16). Die Gemeinden werden als
Leuchter symbolisiert, weil ihr Zeugnis in Wort und Wandel, Glauben und Lehre
beurteilt werden soll.
Die Sterne sind Engel der Gemeinden. Das
griechische Lehnwort “Engel” heißt ganz einfach “Gesandter”. Ein Gesandter ist
nun dem verantwortlich, der ihn gesandt hat. Ein Engel verkörpert damit in
seiner Person Verantwortlichkeit. Entsprechend drückt die Bezeichnung “Engel
der Gemeinde” in symbolischer Weise die Verantwortlichkeit der Gemeinde
gegenüber ihrem Auftragsteller aus. Auf keinen Fall ist mit dem “Engel der
Gemeinde von Ephesus” oder Smyrna, etc. der “Vorsteher” oder “Gemeindeleiter”
oder “Bischof” oder “Pastor” gemeint, wie verschiedentlich behauptet worden
ist. Solches widerspräche der unzweideutigen neutestamentlichen Lehre, dass
jeder Gemeinde als geistliche Führer
eine Mehrzahl von Ältesten vorstehen sollte,
nie ein einzelner. Zudem
widerspräche diese Deutung der Tatsache, dass
jedes Glied - Mitglieder kennt die
neutestamentliche Gemeinde natürlich nicht - der Gemeinde verantwortlich ist
für den Wandel und das Zeugnis der Gemeinde.
Die sieben Sterne in der Hand des Herrn sind den
sieben Gemeinden zugeordnet. Sie wollen besagen, dass der Herr in den
nachfolgenden Sendschreiben die gesamte
Gemeinde in ihrer Verantwortlichkeit vor dem Herrn der Gemeinde anspricht.
Darum fühlt ja jeder, dem der Wandel der Gemeinde nicht gleichgültig ist, sich
beim Lesen der sieben Sendschreiben angesprochen.
Teil II: “Was ist”
Kapitel 2 und 3
Wir kommen
mit dem Kapitel 2 zum zweiten Teil des Buches, zu dem “was ist” (1,19).
Heilsgeschichtlich gesprochen, ist “das, was ist” die Zeit der christlichen
Gemeinde, in der Johannes lebte und in der wir noch leben. In den sieben
Sendschreiben der Kapitel 2 und 3 wird uns gezeigt, wie der Menschensohn als
Richter die Gemeinden prüft und beurteilt. Es ist wichtig zu beachten dass
Gott, bevor Er die Welt richtet, Sein
Haus richtet. So hat uns Petrus in seinem ersten Brief auch gesagt: “Die
Zeit ist gekommen, dass das Gericht anfange am Hause Gottes” (1Petr 4,17). Wir
müssen uns das gut merken: Sünde ist Sünde, ob sie die christliche Gemeinde
oder die Welt begeht. Gott kennt hierin kein Ansehen der Person (Röm 2,11).
Die Bibel lehrt uns sogar dass Gott Sünde in Seinem Haus viel schneller und
viel härter richtet als Sünde, die draußen geschieht. Wo hat man gehört dass
ein Sünder wegen Heuchelei auf der Stelle von Gott geschlagen wurde wie ein
Ananias (Apg 5)?
Die Sendschreiben lassen sich grundsätzlich auf drei Arten lesen und
verstehen:
1.
Wir können die sieben Briefe
lesen als Momentaufnahme von sieben Gemeinden des ausgehenden ersten
Jahrhunderts in der römischen Provinz Asien.
Die genannten sieben Orte
haben tatsächlich bestanden, die meisten können heute von Touristen als
Ruinenstädte besichtigt werden. So können wir von sieben Gemeinden, die
wirklich existierten erfahren, was ihr geistlicher Zustand war, was der Herr
empfiehlt und was Er tadelt, um daraus die entsprechenden Schlüsse für uns und
unsere Gemeindesituation zu ziehen. Das wollen und das sollen wir auch tun.
2.
Man kann die sieben Sendschreiben
auch als Darstellung einer geistlichen Entwicklung lesen.
Wir können hierin
verfolgen, wie eine Gemeinde geistlich wächst oder degeneriert, wie sie einen
guten Anfang hat wie im ersten Sendschreiben. Ein an der Oberfläche nicht
sichtbarer, aber folgenschwerer Mangel führt dazu, dass der Herr züchtigt: Er
verordnet, dass die Feindschaft
der Welt in offenen Hass und in Verfolgung umschlägt. Davon lesen wir im
zweiten Sendschreiben. Das dritt zeigt uns, dass man, anstatt sich unter
Gottes züchtigende Hand zu demütigen, dem Druck der Welt dadurch entgehen
kann, dass man sich den Idealen, den Methoden und den Zielen der Welt
angleicht. Das Böse nimmt dann aber in der Gemeinde zu, wie uns das vierte
Sendschreiben demonstriert. Die beiden sich anschließenden Gemeinden sind je
ein Beispiel für zwei Möglichkeiten der Kurskorrektur: Eine halbherzige Umkehr
zu Gott und zu Seinem Wort wie in Sardes, oder eine vollständige Umkehr zu
Gott und zu Seinem Wort wie in Philadelphia. Die letzte Gemeinde zeigt uns
schließlich, wo eine jede Gemeinde endet, die die Zurechtweisungen und
Züchtigungen des Herrn nicht beherzigt: Am Ende steht der Herr draußen, die
Gemeinde ist christuslos geworden. Das nun ist das Schicksal manch einer
Gemeinde oder eines ganzen Gemeindeverbandes gewesen.
3. Die
Sendschreiben sind ein prophetischer Überblick über die Geschichte der
christlichen Gemeinde von den Tagen der Apostel bis zur Entrückung der
Gemeinde.
Ich meine, das ist das
besondere Anliegen der Sendschreiben, haben wir es doch gemäß den einleitenden
Versen mit einem prophetischen Buch zu tun. Wir wollen hauptsächlich diese
letzte Art der Betrachtung wählen, was natürlich nicht heißt, sie sei die
einzig richtige. Nein, alle drei Ebenen bestehen gleichzeitig nebeneinander;
das Wort Gottes ist vielschichtig und erlaubt mehrere, einander ergänzende
Anwendungen.
Bevor wir uns den einzelnen Sendschreiben zuwenden,
wollen wir uns zwei Dinge gut merken:
Erstens: Es geht nicht um die Stellung und die
dazugehörigen unverlierbaren Segnungen der Gemeinde, sondern um ihre
Verantwortung im Wandel und im Zeugnis vor der Welt. Die Stellung
der Gemeinde in Christus ist vollkommen und unverlierbar denn sie ist eine
reine Gnadengabe und hängt darum an der unwandelbaren Treue Gottes selbst. Das
Zeugnis der Gemeinde ist nie vollkommen und zudem verlierbar, wie uns bereits
das erste Sendschreiben zeigt; denn es hängt an unserer sehr unbeständigen
Treue.
Zweitens: Die
Gerichtsworte, die in den Sendschreiben genannt werden, betreffen
die Gemeinde als ganze, nicht den einzelnen. Darum darf man aus der Androhung,
der Herr werde im Falle von Ephesus den Leuchter von seiner Stelle rücken oder
Laodizäa aus Seinem Munde ausspeien, nicht schließen, Gott werde ein Kind
Gottes verwerfen, wenn dieses versagen sollte. Das steht nun ganz und gar
nicht da. Die Gemeinde als ganze
wird vom Herrn als Zeugnis
verworfen, wenn sie nicht umkehrt. An den einzelnen, der hört, ist die
Verheißung gerichtet. Das bedeutet, dass der einzelne persönlich
glauben und überwinden kann, wenn die Gemeinde als ganze untergeht. Das ist
ein großer Trost: Ungeachtet der allgemeinen Untreue kannst Du, kann ich dem
Herrn persönlich vertrauen und Seine Gegenwart erleben, Seine Segnungen
empfangen, Seine Bestätigung haben.
Kapitel 2
Das Sendschreiben an die Gemeinde in Ephesus (2,1-7)
“Dem Engel
der Gemeinde in Ephesus schreibe: Dieses sagt, der die sieben Sterne in seiner
Rechten hält, der da wandelt inmitten der sieben goldenen Leuchter. Ich kenne
deine Werke und deine Arbeit und dein Ausharren, und dass du Böse nicht
ertragen kannst, und du hast die geprüft, die sich Apostel nennen und sind es
nicht und hast sie als Lügner erfunden, und du hast Ausharren und hast
getragen um meines Namens willen und bist nicht müde geworden. Aber ich habe
wider dich, dass du deine erste Liebe verlassen hast. Gedenke nun, wovon du
gefallen bist und tue Buße und tue die ersten Werke. Wenn aber nicht, so komme
ich dir und werde deinen Leuchter aus seiner Stelle wegrücken, wenn du nicht
Buße tust. Aber dieses hast du, dass du die Werke der Nikolaiten hassest, die
auch ich hasse. Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden sagt. Dem,
der überwindet, dem werde ich zu essen geben vom Baum des Lebens, welcher in
dem Paradies Gottes ist.”
Als erstes Sendschreiben steht Ephesus für die Zeit, in der die Apostel
noch da waren oder eben ihren Lauf vollendet hatten. Vieles ist noch gut. Die
Gemeinde wird dafür gelobt, dass sie an der Lehre der Apostel noch festhält
und die falschen Apostel prüft und abweist (was heute trotz der Weisung von
1Thes 5,21; oder 1Joh 4,1-3 längst nicht mehr selbstverständlich ist). Aber
ein schwerwiegender Mangel hat die Gemeinde bereits befallen:
Sie hat die erste Liebe verlassen.
In den Lehrbriefen der Apostel wird bereits angedeutet, dass die Gemeinden
verschiedentlich anfangen, dieser Sünde zu erliegen. Die erste Liebe ist wie
die Liebe eines Brautpaares, wo die Brautleute einander alles bedeuten,
weshalb sie einander ausschließlich und über alles
lieben. So soll auch die Gemeinde den Herrn
allein und Ihn über alles
liebhaben. Für die Gemeinde in Ephesus galt indes, was Paulus in Philipper
2,21 bereits beklagt hatte: “Alle suchen das Ihrige, nicht das, was Christi
Jesu ist.” Eigene Interessen drängen die Interessen des Herrn zurück.
Beachten wir, wie der Herr dann sagt, die Gemeinde
sei “gefallen”. Das Fallen von der ersten Liebe führte zwangsläufig dazu, dass
man auch von der Lehre abwich. Daher kündigten die Apostel das Eindringen
falscher Brüder, falscher Propheten und falscher Lehren an (Apg 20,29.30; 2Pet
2,1; Jud. 4 etc.). Das alles setzte bereits im ersten Jahrhundert ein, wie uns
Johannes in seinen drei Briefen bestätigt: Er spricht von vielen
“Antichristen” (1Joh 2,18), von “falschen Propheten” (4,1), von “vielen
Verführern” (2. Joh 7), von Leuten wie Diotrephes, die gerne den Vorrang haben
wollen (3. Joh 9).
Lesen wir nun verschiedene Zeugen aus der Zeit des
zweiten Jahrhunderts, die sogenannten “Apostolischen Väter”, dann wundern wir
uns, wie weit sie sich schon von der Lehre der Apostel entfernt haben.
So häufen sich etwa im angeblich sehr beliebt
gewesenen “Hirten des Hermas”, einem “Bischofsbrief” aus dem zweiten
Jahrhundert, die unfassbarsten Irrtümer. Es heißt dort etwa, dass ein heiliger
Engel Gottes die Glaubenden mit dem Heiligen Geist versiegle, dass der Heilige
Geist das erste von Gott geschaffene Wesen sei, dass man Vergebung der Sünden
erfahre, wenn man für den Namen des Herrn sterbe, dass es nach der Taufe nur
noch eine einmalige Buße für Sünden gebe, etc. Das sind schwerwiegende
Irrtümer, die bereits die Substanz des Evangeliums ins Gegenteil verkehrt
haben.
Was würde nun die Folge solchen Verlassens der
ersten Liebe sein? Die Gemeinde würde ihr Zeugnis verlieren: “So komme ich dir
und werde deinen Leuchter aus seiner Stelle wegrücken.” Gemeinden, die die
erste Liebe verlassen hatten und Irrtümer lehrten wie die eben genannten,
hatten natürlich kein Zeugnis mehr, sie konnten nicht mehr “scheinen als
Lichter in dieser Welt darstellend das Wort des Lebens” (Phil 2,15.16). Das
Licht de “Evangeliums der Gnade Gottes” (Apg 20,24) war durch menschliche
Vorstellung verdeckt worden.
Dann die Verheißung an die “Überwinder”. Wer sind
die Überwinder? Was bedeutet der Ausdruck? Beachten wir den Zusammenhang, in
dem er gebraucht wird, und beachten wir, wer ihn gebraucht. Johannes verwendet
in seinen Schriften wiederholt da Wort “überwinden”. Sehen wir uns die
entsprechenden Stellen an, lässt sich der Ausdruck mühelos deuten. Johannes
versteht unter “überwinden”, wenn er es auf die Gläubigen anwendet, durch
Glauben dem Verderben, das in der Welt ist, nicht unterworfen zu sein, das
heißt, durch Glauben ewiges Leben zu haben. Überwinder sind mithin solche, die
wahrhaft glauben und daher ewiges Leben besitzen, auf ewig mit dem Sohn Gottes
verbunden sind (1Joh 5,4.5). In
Johannes 16,33 sagt der Herr: “In der Welt habt ihr Drangsal; aber seid gutes
Mutes, ich habe die Welt überwunden.”
Der Sohn Gottes ist der erste und der große Überwinder. Nur durch den
Glauben an Ihn können auch wir überwinden. Das sagt uns auch Paulus: “In
diesem allem sind wir mehr als Überwinder durch den, der uns geliebt hat” (Röm
8,37).
Überwinder sind die wahren Gläubigen und damit das
Gegenteil von Mitläufern, von Menschen, die ein bloßes Lippenbekenntnis zur
Sohn Gottes abgelegt haben. Wenn wir bedenken, wie schnell die Gemeinde von
Mitläufern durchsetzt wurde, wie bald sich falsche Brüder nebeneinschlichen
(Gal 2,3; 2. Joh 7; Jud. 4.12), wie schnell sich der Sauerteig ausbreitete,
bis er den ganzen Teig durch säuert hatte (Mt 13,33; 1Kor 5,6), dann können
wir uns gut denken, dass um das Jahr 100 bereits zahlreiche “Christen” auch in
den Gemeinden Kleinasiens keine Christen waren. Einige hundert Jahre später
werden die Gläubigen schon eine Minderheit in der Christenheit dargestellt
haben.
Die Verheißungen an die Überwinder sind das Teil
eines jeden Gotteskindes, nicht bloß einer bestimmten Klasse, als ob es
“gewöhnliche” Erlöste und zusätzlich noch “Überwinder” gäbe, wie manchmal
behauptet wird. Nein, was Berufung, Leben, Stellung und Erbe der Glaubenden
anbelangt, sind wir alle eins (Eph 4,3-6). Dass es für den Christen darüber
hinaus Lohn gibt je nach Treue im Zeugnis und in der Nachfolge, das ist
selbstverständlich, nur steht das nicht hier, sondern anderswo (siehe 1Kor
3,14; 9,25; 2Kor 5,10).
Das Sendschreiben an die Gemeinde in Smyrna (2,8-11)
“Dem Engel
der Gemeinde in Smyrna schreibe: Dieses sagt der Erste und der Letzte, der
starb und wieder lebendig wurde:
Ich kenne deine Drangsal und deine Armut, (du bist
aber reich), und die Lästerung von denen, die sagen, sie seien Juden, und sind
es nicht, sondern eine Synagoge Satans. Fürchte nichts von dem, was du leiden
wirst. Siehe, der Teufel wird etliche von euch ins Gefängnis werfen, damit ihr
geprüft werdet, und ihr werdet Drangsal haben zehn Tage. Sei getreu bis zum
Tod, und ich werde dir die Krone des Lebens geben.
Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden
sagt! Wer überwindet, wird nicht beschädigt werden von dem zweiten Tode.”
Das hervorstechende Merkmal dieser Gemeinde ist
Drangsal durch Verfolgung und Lästerung.
Die Antwort des Herrn auf das Fallen von der ersten Liebe Ausgangs des
ersten Jahrhunderts waren die Verfolgungen. So viele der Herr liebt, züchtigt
Er (3,19). Durch wen züchtigte der Herr? Durch solche, die sagten, sie seien
Juden, es aber nicht waren. Wer diese Leute in der geschichtlichen Situation
waren, weiß ich nicht; es ist für uns auch nicht wichtig. Was aber der
Ausdruck bedeutet, ist offenkundig. Ein
wahrer “Jude” ist jemand, der zum Volk Gottes gehört (siehe Röm 2,28.29).
Wer zu Unrecht behauptet, einer zu sein, ist anmaßend. Religiöse Anmaßung ist
in den weitaus meisten Fällen für die Verfolgung der Gläubigen verantwortlich
gewesen. So war es in den Tagen der Apostel. Die Christen wurden damals von
den Theologen verfolgt, von Leuten, die vorgaben, die wahren Diener Gottes und
Lehrer der Wahrheit zu sein. In späteren Jahrhunderten war die unerbittlichste
Hasserin und Verfolgerin der Christen jene Institution, die sich als die
alleinseligmachende ausgab. Es ist bis zum heutigen Tag so geblieben, dass
religiöse Institutionen die Gläubigen beharrlicher und unversöhnlicher
verfolgt haben als atheistische.
Für den Gläubigen ist es tröstlich zu wissen, dass
erstens Gott es ist, der Verfolgung sendet (Er ist souverän), dass es zweitens
zu ihrem Wohl geschieht (Er ist Liebe), und dass drittens Er das Maß des
Leidens bemisst (Er ist der allein weise Gott). “Zehn Tage” und nicht länger
darf der Teufel Seine Erlösten im Gefängnis halten. Das bestimmt “der Gott des
Maßes” (2Kor 10,13).
Wer treu bleibt, der wird vom Herrn “die
Krone des Lebens” empfangen. Das ist natürlich etwas anderes als die
Gabe des ewigen Lebens, da wir
dieses ja nicht durch Ausharren im Leiden, sondern durch Vertrauen auf den,
der für uns im Leiden bis zum Tod
ausgeharrt hat, empfangen. Die Krone
des Lebens ist wie die übrigen im Neuen Testament genannten Kronen (1Kor 9,25;
Phil 4,1; 1Thes 2,19; 2. um. 4,8; Jak 1,12)
Lohn für Treue.
Die Verheißung an die Überwinder erinnert an
Matthäus 10,28, wo der Herr sagt, wir sollen den nicht fürchten, der zwar den
Leib, nicht aber die Seele zerstören kann. So mag der Feind Glaubende töten;
das wahre, das ewige Leben kann er ihnen nicht nehmen: “Wer überwindet, wird
nicht beschädigt werden von dem zweiten Tod”, das ist von der Hölle (Off
20,14).
Das Sendschreiben an die Gemeinde in Pergamus
(2,12-17)
“Und dem
Engel der Gemeinde in Pergamus schreibe: Dieses sagt, der das scharfe,
zweischneidige Schwert hat:
Ich weiß, wo du wohnst, wo der Thron des Satans
ist; und du hältst fest an meinem Namen und hast meinen Glauben nicht
verleugnet, auch in den Tagen, in denen Antipas, mein treuer Zeuge war, der
bei euch, wo der Satan wohnt, ermordet worden ist. Aber ich habe ein weniges
wider dich, dass du solche dort hast, welche die Lehre Balaams festhalten, der
den Balak lehrte, ein Ärgernis vor die Söhne Israels zu legen, Götzenopfer zu
essen und Hurerei zu treiben. Gleicherweise hast auch du solche, welche die
Lehre der Nikolaiten festhalten. Tue nun Buße; wenn aber nicht, so komme ich
dir bald und werde Krieg mit ihnen führen mit dem Schwert meines Mundes.
Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden
sagt! Dem, der überwindet, dem werde ich vom verborgenen Manna geben; und ich
werde ihm einen weißen Stein geben, und auf dem Stein einen neuen Namen
geschrieben, den niemand kennt, als wer ihn empfängt.”
Was für Pergamus gilt, gilt für die Gemeinde
schlechthin: Sie wohnt dort, wo der
Thron des Satans ist: in seinem Machtbereich, das ist
in der Welt. Fürst und Gott dieser
Welt (Joh 12,31; 2Kor 4,4) ist ja der Satan. Es geht in diesem Sendschreiben
also besonders um das Verhältnis der Gemeinde zur Welt. Der Geist der Welt
hasst den Geist, der in der Gemeinde wohnt und alle, die zu dieser Gemeinde
gehören. Antipas, ein treuer Zeuge, bekommt diesen Hass zu spüren. Aber nicht
nur solche treuen Männer gingen in der Gemeinde in Pergamus aus und ein,
sondern einige hatten angefangen, an der Lehre Balaams (4Mo 31,16) und der
Lehre der Nikolaiten festzuhalten. Erstere bestand darin, das Volk Gottes zu
Götzenopfer und zu Hurerei zu verleiten, das heißt zu nichts anderem als zu
den religiösen und sittlichen Maßstäben der Welt. Was letztere bedeutet, wird
nicht gesagt, und darum wissen wir es nicht sicher. Vielleicht ist es eine
Lehre, die bestimmte Methoden der Welt für die Gemeinde übernimmt, nämlich ihre
Regierungs- und Verwaltungsmethoden. Es könnte sich also um Klerikalismus
handeln.
Das ergibt sich aus folgender Überlegung: Wir haben
zu den Nikolaiten keine Erklärung, was es ist. Es bleiben uns zwei Dinge, die
uns als Schlüssel zum Verständnis dienen können. Übersetzen wir einmal den
griechischen Namen Nikolaus, kommen wir auf “Volksbesieger”
(nikan = besiegen; Laos =
Volk). Interessant ist dabei, dass das Fremdwort “Laie” von eben diesem Wort
laos abgeleitet ist. Es bezeichnet
nach kirchlichem Sprachgebrauch das breite Volk, das den “Geistlichen” zu
Füßen sitzt. Als zweites könnte sich die Lehre der Nikolaiten, die hier nach
der Lehre Balaams genannt wird, von Judas 11 erklären lassen. Dort lesen wir:
“Wehe ihnen! Denn sie sind den Weg Kains gegangen und haben sich für Lohn dem
Irrtum Balaams überliefert, und in dem Widerspruch Korahs sind sie
umgekommen.” Hier wird direkt nach dem “Irrtum Balaams” der “Widerspruch
Korahs” genannt. Dieser bestand darin, dass Korah sich gegen die von Gott
eingesetzten Mittler Mose und Aaron erhob. Er wollte ihnen ebenbürtig sein
(4Mo 16). Neutestamentlich bedeutet das, dass Menschen den Platz einnehmen
wollen, der allein Jesus Christus, dem alleinigen Mittler zwischen Gott und
den Menschen (1Tim 2,5) zusteht; und
genau das tut etwa ein “Priester”, der sich eine Mittlerrolle zwischen dem
Gläubigen und Gott anmaßt. Die Lehre der Nikolaiten würde demnach auf den sich
bereits früh ausbreitenden Klerikalismus hinauslaufen, diese unbiblische
Trennung der Gläubigen in Geistliche und Laien, die heute die Christenheit,
die evangelische wie die katholische, Staatskirchen wie Freikirchen, fast
vollständig beherrscht. Wir sollten beachten, dass dies einer der Welt
abgeguckte Methode ist, die sich mehr an den Prinzipien des Managements als
den Prinzipien des Wortes Gottes orientiert. Das zog schon bald in die
christliche Kirche ein. Man sagte sich, man müsse Leute ordinieren (entgegen
Apg 20,28), sie bezahlen (entgegen 1Tim 6,5), ihnen Befehlsgewalt geben
(entgegen 1Pet 5,3), die Gemeinden durch eine Zentrale koordinieren (entgegen Mt 18,20;
Eph 4,2.19), sonst lasse sich die Kirche nicht zusammenhalten, sonst ziehe
Unordnung ein. So schuf man sich eine hierarchisch aufgebaute Kirche. Ein
Bischof hatte unter sich die Pastoren der einzelnen Kirchen, jeder Pastor
hatte unter sich das Fußvolk. Damit leugnete man praktisch die Tatsache, dass
der Herr allein Haupt ist und die Glaubenden alle Glieder voneinander (Eph
4,15.16) sind, dass alle durch einen Geist getauft sind (1Kor 12,13), dass nur
einer Haupt, die Gläubigen alle aber Brüder sind (Mt 23,8–10).
Wenn nun mit Werk und Lehre der Nikolaiten der
Klerikalismus gemeint ist, dann sollten wir uns das Urteil des Herrn dazu
anhören. Er “hasst” ihn (2,6). Warum hasst der Herr den Klerikalismus? Weil er
ein Ausdruck der Verachtung für Seine Blutserkauften ist: denn was sagt dieser
anderes, als es die religiösen Führer in den Tagen Jesu taten: “Das Volk
(laos) ist verflucht und weiß nichts” (Joh 7,49). Der Klerikalismus
deklariert die aus Gott Geborener und mit Seinem Geist Begabten entgegen Joh
6,45; 1Joh 2,27 und Heb 8,11 für Unwissende, er hält sie entgegen Eph 4,12 in
Unmündigkeit.
Als im Jahre 313 der Kaiser Konstantin im Edikt von
Mailand das Christentum zur Religio
licita, zur “erlaubten Religion” erhob, waren die einst Verfolgten
plötzlich die offiziell Geehrten. Die große Anpassung hatte damit gesiegt, und
aus dieser Verflechtung von Kirche und Staat hat sich die große Masse der
Christenheit nicht mehr lösen können. Die unseligste Ehe, die je geschlossen
worden ist - die Vermählung von Thron und Altar - war Tatsache geworden.
Gemeinde und Welt waren ineinander übergegangen. Und das bedeutet immer , dass
die Gemeinde weltlich, nicht aber die Welt christlich im wahren Sinn dieses
Wortes wird.
Die Versuchung ist natürlich groß, dem Hass und der
Verachtung der Welt dadurch zu entgehen, dass man sich ihren Maßstäben,
Idealen und Methoden anpasst. Genau das hatte Antipas nicht getan. Aber sein
Ende spornte offensichtlich nicht nur andere an, in gleicher Treue für die
unaufgebbaren Glaubenswahrheiten des Christentums einzustehen, sondern
schüchterte ein gut Teil auch ein. Und oft genug verleitet uns neben
Nützlichkeitsdenken auch Feigheit dazu, uns den Idealen und den Methoden der
Welt anzupassen.
In Pergamus ist es nun sogar so weit gekommen, dass
man nicht allein an falschem Tun, sondern, schlimmer noch, an der
entsprechenden falschen Lehre festhielt. In Ephesus hatten wir lediglich von
“Werken der Nikolaiten” gelesen; hier sind die Werke durch eine dazugehörige
Lehre bereits sanktioniert worden. Böses wird also bereits gelehrt
und propagiert. Das ist gegenüber ersterem eine Zunahme des Übels. Jedem
Trachten, mit biblisch scheinenden Argumenten - eben mit einer Lehre - die von Gott gezogenen Grenzen zwischen
der Gemeinde und der Welt (Joh 17,16; 2Kor 6,14-16) zu verwischen, hat der
Herr, “der das zweischneidige Schwert hat”, den Krieg angesagt. Sein Wort
scheidet noch immer zwischen heilig und unheilig (3Mo 10,10), drinnen und
draußen (1Kor 5,12.13), Licht und
Finsternis (Joh 3,19). Wendet die Gemeinde das Wort nicht im Glauben
entsprechend an, wird der Herr im Gericht scheiden müssen. Dann freilich ist
es zu spät.
Wer aber überwindet, wird vom “verborgenen Manna”,
das ist von den verborgenen Schätzen des Wortes Gottes genährt werden, die
eine weltliche und am Ende christuslose Christenheit weder erkennen noch
kosten kann; denn in Christus sind
verborgen die Schätze der Weisheit (Kol 2,3). Und wenn treue Seelen wie
Antipas angefeindet werden, dann sagt der Herr: “Alle Welt mag dich
niederschreien, aber ich bin für dich!” Das nämlich bedeutet der weiße Stein.
Im Griechischen steht psêphos, und das ist der
Stimmstein. Das dazugehörige Verb wird in Apostelgeschichte 26,10 verwendet,
wo Paulus (damals noch Saulus) seine Stimme
gegen die Gläubigen gab. Wenn es im
Altertum darum ging, einen vor Gericht Angeklagten entweder zum Tod zu
verurteilen oder freizusprechen, mussten die Stimmberechtigten durch Abgabe
eines Steines ihre Meinung äußern. Ein schwarzer Stein zeugte gegen, ein
weißer für den Angeklagten. Wenn wir das Zeugnis des Herrn selbst für uns
haben, dann mag alle Welt denken oder schreien, was sie will. Wir halten
unbeirrt fest an Seinem Wort; denn: “Wenn Gott für uns ist, wer wider uns?”
(Röm 8,31).
Das Sendschreiben an die Gemeinde in Thyatira
(2,18-29)
“Und dem
Engel der Gemeinde in Thyatira schreibe: Dieses sagt der Sohn Gottes, dessen
Augen sind wie eine Feuerflamme und dessen Füße gleich glänzendem Kupfer:
Ich kenne deine Werke und deine Liebe und deinen
Glauben und deinen Dienst und dein Ausharren und weiß, dass deiner letzten
Werke mehr sind als der ersten. Aber ich habe wider dich, dass du das Weib
Jesabel duldest, die sich eine Prophetin nennt, und sie lehrt und verführt
meine Knechte, Hurerei zu treiben und Götzenopfer zu essen. Und ich gab ihr
Zeit, Buße zu tun, und sie will nicht Buße tun von ihrer Hurerei Siehe, ich
werfe sie in ein Bett, und die, welche Ehebruch mit ihr treiben, in große
Drangsal, wenn sie nicht Buße tun von ihren Werken. Und ihre Kinder werde ich
mit Tod töten, und alle Gemeinden werden erkennen, dass ich es bin, der Nieren
und Herzen erforscht; und ich werde euch, einem jeden, nach euren Werken
geben. Euch aber sage ich, den übrigen, die in Thyatira sind, so viele diese
Lehre nicht haben, welche die Tiefen des Satans, wie sie sagen, nicht erkannt
haben: Ich werfe keine andere Last auf euch; doch was ihr habt, haltet fest,
bis ich komme. Und wer überwindet und meine Werke bewahrt bis ans Ende, dem
werde ich Gewalt über die Nationen geben; und er wird sie weiden mit eiserner
Rute, wie Töpfergefäße zerschmettert werden, wie auch ich von meinem Vater
empfangen habe; und ich werde ihm den Morgenstern geben.
Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden
sagt!”
In Thyatira
hat sich das Übel, dem wir in Pergamus begegneten, verschlimmert. Sauerteig,
wenn er nicht ausgefegt wird, breitet sich aus (1Kor 5,6-8). Waren es dort
einige, die an der Lehre Balaams
festhielten, so lehrt hier schon eine “Prophetin” die
Knechte des Herrn die dazugehörigen Werke: Hurerei und Götzendienst.
Das Übel ist vom Rand bis ins Herz gedrungen. Das Ende wird das Verderben sein
(Vers 23), wenn nicht Buße geschieht.
Beachten wir aus diesen Sendschreiben besonders ein
Wort. Der Herr sagt: “Ich habe wider dich, dass du duldest...” Statt dulden
können wir sagen “tolerant sein”. Der Herr hasst Toleranz, die falsche Lehre
und zersetzende Praktiken stumm gewähren lässt. Im Namen der Toleranz wird
besonders in unserer Zeit gefordert, dass man zu Irrlehren und sündigen
Praktiken in der Christenheit schweigen solle. Tun wir es, ist der Herr selbst
gegen uns. Ich hoffe, das macht uns nachdenklich.
Wenn nun im Zentrum der Gemeinde von Thyatira
bereits ein falsches Opfer steht, dann wird hier angedeutet, was auf die Zeit
Konstantins folgte: Die Kirche von Rom mit dem Bischof von Rom an der Spitze,
wird zur Herrin über alle Kirchen im Römischen Reich. Die Römisch Katholische
Kirche entstand, in deren Gottesdienst eben ein falsches Opfer das Zentrum
bildet. Bis zum heutigen Tag ist das Messopfer das Herz des Römischen Kultes.
Das ist ein heidnischer, götzendienerischer Ritus, weil er in kühnem
Widerspruch zu Hebräer 10,10.12.14 das einmalige und nie zu wiederholende
Opfer des Leibes Jesu Christi wiederholen will. Ob mit dem “Weib Jesabel”
tatsächlich eine Frau dieses Namens gemeint ist, oder ob das eine symbolische
Bezeichnung ist für Lehre, die zu
geistlicher Hurerei - denn das ist ja aller Götzendienst - führte, ist
einerlei. Auf alle Fälle soll der Name an eine tatsächliche Jesabel erinnern,
die genau das tat, was in Thyatira geschah: Die Frau des israelitischen Königs
Ahab verführte den König zum Dienst an Baal und Aschera (1Kön 16,31; 21,25)
und lud Propheten der Aschera ein, an ihrem Tisch zu essen (1Kön 19). Und auch
ihr Ende war das Verderben (2 Kön 9,30-37).
Dieses “Weib Jesabel” verkörpert bereits das, was
Paulus in 2Thes 2,7 “das Geheimnis der Gesetzlosigkeit” nennt. Dieses begann
sich schon so früh zu regen. Am Ende wird diese Gesetzlosigkeit kein Geheimnis
mehr, also nicht mehr verborgen sein, sondern offen als die große Hure
auftreten, der wir in Offenbarung 17 begegnen. Dort heißt es nämlich, dass
an ihrer Stirn, also für jedermann lesbar, geschrieben stand:
“Geheimnis, Babylon die große, die Mutter der Huren und der Greuel der Erde”.
“Greuel” (oder “Scheusale”) ist in der Sprache der Propheten synonym mit
Götzen (5Mo 29,12; Jer 4,1). So begegnen wir wiederum der Hurerei und dem
Götzendienst, den wir in Thyatira bereits vorfanden. Und wie wir von Jesabel
lesen, dass sie die Propheten des Herrn ermordete, so heißt es von der großen
Hure: “Und in ihr wurde das Blut von Propheten und Heiligen gefunden” (18,24).
Wenn dem nun so ist, wird mit Thyatira bereits der
absolute Tiefpunkt in der Entwicklung des christlichen Zeugnisses im Keim
bloßgelegt. Und es spricht der Herr ja tatsächlich davon, dass man in dieser
Gemeinde “die Tiefen des Satans” erkannt hat, obwohl das nicht für alle galt.
Aber was hier eine Minderheit noch betraf, würde am Ende die ganze
christuslose Christenheit charakterisieren.
Wie passend ist die Verheißung an die Überwinder.
Wer nicht von der Verführung Jesabels mitgerissen worden ist, wer die Tiefen
des Satans nicht erkannt hat, bekommt die Verheißung, dass er Gewalt über die
Nationen haben wird. Wie kostbar ist diese Zusage gerade für Christen, die
unter dem kirchlichen System haben leiden müssen, das sich seit dem 5.
Jahrhundert als “siegreiche Kirche” ausgab und mit dem Anspruch auftrat, es
habe vom Herrn der Kirche den Auftrag, über die Welt zu herrschen. Diesen
Auftrag hat die Gemeinde natürlich nie bekommen. Jetzt ist die Zeit, da wir
von der Welt weder erkannt noch anerkannt werden (1Joh 3,2; 4,5.6), da wir
verfolgt, geschmäht und gelästert sind, als Auskehricht der Welt gelten (1Kor
4,8-13). Die Gemeinde wird erst dann mit Christus herrschen, wenn Er kommt und
Sein Reich aufrichtet. Und wer, weil er Ihm gehörte und Ihm treu war, hier und
jetzt leiden musste, wird dann erhöht werden.
Erstmals in den Sendschreiben redet der Herr jetzt
von Seinem Kommen für die Gemeinde: “Ich werde ihm den Morgenstern geben.” Das
ist nach 2Pet 1,19 und Off 22,16 der Herr, der kommt, um Seine Gemeinde aus
der Welt zu holen, ehe der Tag, das
ist das Tausendjährige Reich, mit dem Aufgehen der Sonne anbricht (Mal 4,2).
Kapitel 3
Das Sendschreiben an die Gemeinde in Sardes (3,1-6)
“Und dem
Engel der Gemeinde in Sardes schreibe: Dieses sagt, der die sieben Geister
Gottes hat und die sieben Sterne:
Ich kenne deine Werke, dass du den Namen hast, dass
du lebest, und bist tot. Sei wachsam und stärke das Übrige, das sterben will;
denn ich habe deine Werke nicht völlig erfunden vor meinem Gott. Gedenke nun,
wie du empfangen und gehört hast, und bewahre es und tue Buße. Wenn du nun
nicht wachen wirst, so werde ich über dich kommen wie ein Dieb, und du wirst
nicht wissen, um welche Stunde ich über dich kommen werde. Aber du hast einige
wenige Namen in Sardes, die ihre Kleider nicht besudelt haben; und sie werden
mit mir einhergehen in weißen Kleidern, denn sie sind es wert. Wer überwindet,
der wird mit weißen Kleidern bekleidet werden, und ich werde seinen Namen
bekennen vor meinem Vater und vor seinen Engeln.
Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden
sagt!”
Schon im einleitenden Satz wird das Wesen dieser
Gemeinde aufgedeckt: Sie hat den Namen,
das ist den Ruf, zu leben, und doch ist sie tot. Es ist wichtig und
löblich, ein gutes Bekenntnis zu haben, aber das allein genügt nicht. Das
Bekenntnis muss auch “mit Glauben vermischt” (Heb 4,2) sein. So sehr gesunde
Heilslehre Fundament und Voraussetzung zum wahren Leben ist, so sehr muss
lebendiger Glaube sich die Lehre
aneignen. Oder: Was soll ein Fundament, wenn man nicht darauf baut? Was nützt
das theologisch sauberste Bekenntnis zur Errettung aus Gnade durch den
Glauben, wenn man sein Leben nicht rückhaltlos auf dieses Fundament stellt?
Das ist der Sinn der Rüge des Herrn. Hatten wir im
vorhergehenden Sendschreiben Merkmale, die später in der Römisch Katholischen
Kirche voll ausreiften, dann trägt Sardes bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit dem
Protestantismus. Dieser hat den Namen, dass er lebe. Er weiß, dass Errettung
ein Werk Gott ist, dass sie durch keine Anstrengung verdient werden kann. Er
ist aber mehrheitlich tot. Warum? Weil der wahre Glaube, der sich vom bloßen
Fürwahrhalten - auch die Dämonen “glauben” und zittern darob sogar (Jak. 2,19)
- unterscheidet, fehlt.
Wahrer
Glaube hätte die Gemeinde in Sardes zu dem getrieben, “der die sieben Geister
Gottes” in Seiner Hand hat, um Seinen Geist und Sein unverwesliches Leben dem
zu geben, der an Ihn glaubt (vgl. Apg 5,32).
Der Herr erklärt im nachfolgenden Vers, warum die
Gemeinde dem Sterben unterworfen ist:
“Denn ich habe deine Werke nicht völlig erfunden vor meinem Gott” (Vers
2). Bekommt man denn das Leben durch Werke? Der Evangelist Johannes ist
jemand, der sehr viel, mehr nämlich als alle übrigen Evangelisten, über
Glauben und über Werke spricht. In Kapitel 6 seines Evangeliums fragen die
Juden einmal den Herrn: “Was sollen wir tun, dass wir die
Werke Gottes wirken?” Darauf
antwortet der Herr: “Dies ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat” (Verse 28
und 29). Hier wird der Glaube als ein Werk angesehen, als
das Werk Gottes sogar. Hatte nun die Gemeinde in Sardes viel Einsatz
für die Armen, viel Geschäftigkeit in der Politik usw., aber keinen
lebensverändernden Glauben, waren ihre Werke “nicht völlig”. Das entscheidende
Werk, nämlich das Werk Gottes, fehlte: der Glaube.
Wer nicht glaubt, ist nicht nur tot, sondern auch
besudelt (Vers 4). Daraus ergibt sich: Wer glaubt, hat das Leben (Joh 3,36),
und wer glaubt, ist rein (Apg 15,9).
Wer glaubt, geht ewig nicht verloren (Joh 10,28): Sein Name wird aus dem Buch
des Lebens nicht getilgt werden. Wer
aber nicht glaubt, ist noch durch seine Sünden besudelt und hat kein Leben. Er
hat entsprechend keine Verheißung, dass sein Name nie gelöscht werden wird, im
Gegenteil; er wird an sich selbst erfahren müssen, was Psalm 9,6 und 69,29
sagen: Die Namen der Sünder werden ausgelöscht werden.
Der Herr spricht auch in diesem Sendschreiben von
Seinem Kommen. Wer nicht an Ihn glaubt, wird das Kommen des Herrn als böse
Überraschung erleben, so, wie wenn ein Dieb in der Nacht seinen unerwünschten
Besuch abstattet (vergleiche auch 1Thes 5,2.3). Der Gläubige hingegen wartet auf
das Kommen des Herrn, und diese Hoffnung reinigt ihn. Der Gedanke daran, dass
er seinen Herrn sehen wird und ihm gleich werden soll, ist ihm ein Antrieb zu
Hingabe und Heiligung (1Joh 3,3)
Das Sendschreiben an die Gemeinde in Philadelphia
(3,7-12)
“Und dem
Engel der Gemeinde in Philadelphia schreibe: Dieses sagt der Heilige, der
Wahrhaftige, der den Schlüssel des David hat, der da öffnet und niemand wird
schließen, und schließt, und niemand wird öffnen:
Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe eine
geöffnete Tür vor dir gegeben, die niemand zu schließen vermag; denn du hast
eine kleine Kraft, und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht
verleugnet. Siehe, ich gebe aus der Synagoge des Satans von denen, die sagen,
sie seien Juden, und sind es nicht, sondern lügen; siehe, ich werde sie
zwingen, dass sie kommen und huldigen vor deinen Füßen und erkennen, dass ich
dich geliebt habe. Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, werde auch
ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis
kommen wird, um die zu versuchen, die auf der Erde wohnen. Ich komme bald;
halte fest, was du hast, damit niemand deine Krone nehme! Wer überwindet, den
werde ich zu einer Säule machen im Tempel meines Gottes, und er wird nie mehr
hinausgehen; und ich werde auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den
Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalem, das aus dem Himmel
herniederkommt von meinem Gott, und meinen neuen Namen.
Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden
sagt!”
Philadelphia ist die zweite der sieben Gemeinden,
die keinerlei Tadel, sondern nur Lob und Zuspruch bekommt. Was ist an
Philadelphia so löblich? Es werden im einleitenden Satz drei Dinge genannt:
Die Gemeinde hat eine kleine Kraft, hat das Wort Gottes treu bewahrt und hat
den Namen des Herrn nicht verleugnet. Das sind Merkmale der verschiedenen
geistlichen Bewegungen gewesen, die als Reaktion auf die teilweise
unvollendete Reformation und auf eine erstarrte protestantische Orthodoxie an
verschiedenen Orten die evangelische Welt heimsuchten. Es sind gleichzeitig
die Merkmale einer jeden von Gott gewirkten Erweckung.
Zunächst sind wir überrascht, dass der Herr lobend
erwähnt, die Gemeinde habe “eine kleine Kraft”, wo man doch heute eher “große
Kraft” und “Vollmacht” und anderes begehrt. Im Bewusstsein der kleinen Kraft
nun klammert sich Philadelphia an das Wort Gottes. Sie stützt sich damit
einzig und allein auf die Kraft, Weisheit und Führung des Herrn selbst. Darin
liegt ihre wahre Kraft verborgen. Paulus sagt: “Wenn ich schwach bin, bin ich
stark” (2Kor 12,10; Spr 3,5-7). Die
Gemeinde der wirklich Glaubenden hat auch in einem anderen Sinn nur kleine
Kraft: Sie ist gegenüber den (meist staatlich) organisierten Großkirchen eine
kleine Minderheit, die im öffentlichen Urteil kaum zählt.
Aber sie hält fest am Wort Gottes, an dessen
absoluter Zuverlässigkeit, gerade wo sich im Protestantismus Bibelkritik
nahezu vollständig unwidersprochen durchgesetzt hat. Und sie verleugnet den
Namen des Herrn Jesus Christus nicht, das heißt, sie bekennt und glaubt, was
in diesem Namen enthalten ist: Seine wahre Menschheit und Gottheit, Seine
göttliche Sendung, Seine Zeugung durch den Heiligen Geist und Seine Geburt von
einer Jungfrau, Sein sündloses Leben,
Seinen Tod und Seine Auferstehung und Sein Kommen, um als Messias Israels und
König aller Könige über die ganze Schöpfung zu herrschen; und schließlich, was
keinesfalls vergessen werden darf: Seine Einzigartigkeit, Ausschließlichkeit
und absolute Allgenügsamkeit, die neben sich keine anderen Helfer, Mittler,
Heilsvermittler duldet.
Dafür wird Philadelphia wie schon Smyrna von denen,
die sich Juden nennen, es aber nicht sind, gehasst. Wer hasst die
bibelgläubigen Christen mehr als die in offiziellen Ehren stehenden und von
Staates wegen bestallten Lehrer der Kirche? Denken wir in diesem Zusammenhang
daran, was der Name Philadelphia
bedeutet: Bruderliebe. Wo die religiöse Welt uns hasst, freuen wir uns um so
mehr an der Liebe untereinander. Zudem ist die Bruderliebe das Zeichen echter
Jünger (Joh 13,34.35). Und beachten
wir auch, dass es diese Bruderliebe nur in der Wahrheit geben kann, dort also,
wo man sich vorbehaltlos dem Wort Gottes beugt. Das sagt uns unter anderen der
Apostel Petrus: “Da ihre eure Seelen gereinigt habt durch den
Gehorsam gegen die Wahrheit zu ungeheuchelter Bruderliebe...” (1Pet
1,22).
Der Herr gab Philadelphia “eine geöffnete Tür”; das
ist ein Hinweis auf die Verbreitung des Evangeliums (1Kor 16,8.9; Kol 4,3).
Die Erweckungsbewegungen, die als Reaktion auf die protestantische Orthodoxie
England, Deutschland, Amerika, Skandinavien ergriffen, waren von einem
Aufbruch in die Weltmission charakterisiert: Georg Whitefield begann an allen
Hecken und Zäunen zu den Menschen zu predigen, die Herrnhuter trugen das
Evangelium in alle Kontinente, William Carey fuhr nach Indien, Hudson Taylor
drang in das Innere Chinas vor, Livingstone ins Innere Afrikas. Lernen wir aus
dem Zusammenhang von Bibeltreue und einer geöffneten Tür nicht, dass das
Evangelium sich dann besonders ausbreitet, wenn man sich ohne Abstriche zum
Wort Gottes hält? und dass umgekehrt alle Verwässerung der biblischen
Botschaft ihre Durchschlagskraft schwächt?
“Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast,
werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung.” Wer das Wort
Gottes bewahrt hat, wird auch von Gott bewahrt werden. Wir müssen den
griechischen Wortlaut gut beachten. Der Herr sagt nicht, Er werde ”in” (das
wäre Griechisch en) der Stunde, oder
”durch” (das wäre Griechisch dia)
die Stunde der Versuchung, sondern ”vor”, Griechisch
ek, wörtlich ”aus” der Stunde der
Versuchung bewahren. Das heißt, Er wird die gläubige Gemeinde ganz
heraushalten.[1]
Denken wir aber daran, dass der Herr hier nicht
umsonst vom “Wort Seines Ausharrens” spricht: Es bedarf je länger je mehr des
entschiedenen Festhaltens, um dem wachsenden Druck zur Aufweichung und
Verwässerung nicht nachzugeben. Die Versuchung wird immer größer werden, die
Position des bedingungslosen Vertrauens in die Vollkommenheit des Wortes
Gottes aufzugeben.
Bevor die in diesem Buch geschriebenen Gerichte
über die Erde hereinbrechen - denn das ist mit der “Stunde der Versuchung”
gemeint -‘ wird der Herr Seine Gemeinde zu sich nehmen. Auch zu dieser
Gemeinde spricht der Herr von Seinem Kommen. Es ist dem Gläubigen Ansporn, an
Seinem Wort unbeirrt festzuhalten; denn der Herr wird ihn für die Treue
belohnen. Wie zur Gemeinde in Smyrna spricht Er auch von einer “Krone”. Das
ist Lohn für Treue im Dienst. Und die Verheißung für die Überwinder ist
besonders kostbar: Sie, die sich damit begnügten, “eine kleine Kraft” zu
haben, die in den Augen der Welt kein Gewicht hatten, die man als
Unverbesserliche und Sonderlinge abtun konnte, werden einst zu einer “Säule im
Tempel Gottes”, das heißt, öffentlich gewürdigt als solche, die große Kraft
haben. Denn die Säule ist im Bau das Element, das große Stärke haben muss.
Zudem steht die Säule im Tempel Gottes. Damit rechtfertigt der Herr selbst vor
ihren Feinden und Hassern die an Ihn Glaubenden, die ihrer Überzeugungen wegen
von den Vertretern der angemaßten allein wahren Kirche Christi (der “Synagoge
Satans”) verachtet und gehöhnt worden waren. Nicht jene, sondern die an Ihn
Glaubenden waren während der Zeit Seiner Abwesenheit Tempel und Wohnstätte
Gottes gewesen. Dreimal steht in der Verheißung das Wort “Name”: Weil die
Treuen den Namen des Herrn nicht verleugnet hatten, wird ihnen der Name
Gottes, der Name der Stadt Gottes und der neue Name des Herrn Jesus öffentlich
eingeprägt (vgl. 14,1). So ehrt der Herr alle, die Ihn in dieser Welt durch
Festhalten an Seinem Namen geehrt hatten (vgl. Mt 10,32.33).
Das Sendschreiben an die Gemeinde in Laodizäa
(3,14-22)
“Und dem
Engel der Gemeinde in Laodizäa schreibe: Dieses sagt der Amen, der treue und
wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes:
Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm
bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! Also, weil du lau bist und weder
kalt noch warm, so werde ich dich ausspeien aus meinem Mund. Weil du sagst:
Ich bin reich und bin reich geworden und bedarf nichts und weißt nicht, dass
du der Elende und der Jämmerliche und blind und bloß bist. Ich rate dir, Gold
von mir zu kaufen, geläutert im Feuer, damit du reich werdest; und weiße
Kleider, damit du bekleidet werdest, und die Schande deiner Blöße nicht
offenbar werde; und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest.
Ich überführe und züchtige, so viele ich liebe. Sei nun eifrig und tue Buße!
Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an; wenn jemand meine Stimme hört und
die Tür auftut, zu dem werde ich eingehen und das Abendbrot mit ihm essen, und
er mit mir. Wer überwindet, dem werde ich geben, mit mir auf meinem Thron zu
sitzen, wie auch ich überwunden und mich mit meinem Vater gesetzt habe auf
seinen Thron.
Wer ein Ohr hat, höre, was der Geist den Gemeinden
sagt!”
Das letzte der sieben Sendschreiben ist an eine
Gemeinde gerichtet, die schon im ersten Jahrhundert die Kennzeichen der
christlichen Gemeinde am Ende ihres Ganges durch die Jahrhunderte trägt. Darum
stellt sich der Herr als der vor, der am Anfang war, der der Urheber aller
Werke Gottes ist (Joh 1,1-3). Wenn wir uns an dem messen, was der Herr selbst
wirkte und was Er durch Seine
Apostel am Anfang lehrte und einsetzte, erkennen wir, wie weit wir abgewichen
sind. Dabei ruft der Herr uns in Erinnerung, dass Er “der treue und
wahrhaftige Zeuge” ist. Er hat alles, was Er gesagt hat, genau so gemeint, wie
Er es sagte. Er wird entsprechend der Treue oder Untreue zu Seinen ewig
gültigen Weisungen belohnen oder bestrafen.
Das besondere Kennzeichen der Gemeinde in Laodizäa
ist, dass sie sich Seinem Wort nicht stellt, Ihn nicht ernstnimmt als den
treuen Zeugen; denn sie wird “lau” genannt. Sie sagt ja zur Bibel und zu den
Meinungen der Welt, zur Lehre der Apostel und zu den Überlieferungen der
Menschen, sie will sich nirgends festlegen, überall mitreden und allerorts
anerkannt oder doch zumindest nicht unangenehm bekannt sein. Sie ist eine
Gemeinde ohne Grundsätze; sie will auf allen Hochzeiten tanzen, sie vermischt
sich mit der Welt. Sie ist lau, wie eben laues Wasser dadurch entsteht, dass
man kaltes mit warmem mischt. Vermischung von Licht und Finsternis, Wahrheit
und Lüge, Gemeinde und Welt ist das Kennzeichen der Christenheit des Endes.
Vermischung nennt man etwas vornehmer auch
Synkretismus. Auf dem Weg des
Synkretismus ist sie in ihren eigenen Augen - das beweist, wie blind sie ist-
sehr reich geworden. Endlich hat sie die altmodische Enge und
Ausschließlichkeit des Christentums abgestreift. Sie hat für alles und jedes
Platz. Allein, ein fataler Mangel enthüllt mit einem Schlag ihre vollständige
Verarmung: Sie hat den Christus Gottes nicht mehr; denn der Herr steht vor der
Tür (Vers 20).
Wie ist Lauheit dem Herrn, der selbst die Wahrheit
heißt (Joh 14,6), zuwider. Es ekelt Ihn, der selbst bei der Schöpfung Licht
und Finsternis schied, der Seine Priester im Alten Bund anwies, zwischen rein
und unrein zu scheiden (3. Mose 10,10), der selbst “abgesondert von den
Sündern” (Heb 7,26) war. Es ist Seinem Wesen so zuwider, dass Er eine solche
Gemeinde ausspeit. Damit wird deutlich, dass auf ihre Weise die Christenheit
das gleiche Ende finden wird wie das alte Israel vor dem ersten, dem
babylonischen Exil. Diesem war angekündigt worden, dass es aus dem Land der
Verheißung ausgespieen würde, wenn es sich mit den heidnischen Völkern
vermischen und deren Ansichten und
Praktiken mit den Weisungen des Gesetzes vermengen sollte (3Mo 18,28). Und die
endzeitliche Christenheit wird auch den Juden kurz vor ihrem zweiten, den nun
fast zweitausend Jahre dauernden Exil gleichen. Es war damals zu einem leeren
Haus geworden (Mt 12,43–45); ihr Gottesdienst war eine leere Schau; der Herr
verließ ihren Tempel und ließ ihn als bloße Hülse zurück (Mt 23,38). So endet
auch die Christenheit. Sie ist eine leere Organisation und hohle Religion
geworden, die für alle offen ist, nur nicht für den Christus Gottes. Er Selbst
hat sie verlassen und steht nun draußen vor der Tür. Daher hat die christliche
Kirche keinerlei berechtigten Anlass, mit dem Finger auf das untreue Israel zu
zeigen. Sie hat sich um nichts treuer erzeigt. Wir müssen sogar sagen, im
Gegenteil: Die Christenheit hat höhere Segnungen und eine erhabenere Botschaft
verschmäht. Sie hat die Gnade Gottes in Ausschweifung verkehrt (Jud 4).
Wer nun innewird, dass Christus längst ausgeladen
worden ist, deshalb umkehrt und auf Seine Stimme hört, zu dem wird der Herr
kommen und Gemeinschaft mit ihm pflegen. Solange die Gnadenzeit noch dauert,
kann jeder, aller Untreue der Christenheit zum Trotz, noch den Sohn Gottes in
sein Leben aufnehmen und damit alle Verheißungen der Überwinder erlangen: Er
wird, während das Gros der Christenheit “ausgespieen” wird, von Jesus Christus
erhöht werden. Wenn die christliche Kirche nicht zwischen Draußen und Drinnen
geschieden hat, wird der Herr selbst scheiden, wenn Er kommt. Wer Ihn
aufgenommen hat, den wird Er zu sich nehmen, erhöhen (Vers 21). Wer Ihn nie
aufgenommen hat, wird auf die Erde “gespieen”, also zurückgelassen werden, um
mitsamt der Welt in der dann anbrechenden Drangsalszeit gerichtet zu werden.
Teil III: “Was sein wird nach diesem” -
Kapitel 4–22
Mit dem
Kapitel 4 kommen wir zum dritten und damit zum umfangreichsten Teil unseres
Buches.
Die Kapitel
4 und 5 gehören zusammen, indem sie uns die beiden Hauptursachen aller später
in diesem Buch beschriebenen Gerichte und die Gewissheit der Errettung,
Bewahrung und Vollendung aller zum Leben Erwählten nennt. Bevor auch nur ein
einziges Gericht beschrieben wird, gewährt uns Gott einen Blick in den Himmel.
Wir sollen wissen, warum Gott die Welt richten muss. Der erste Grund ist der, dass Gott der
Schöpfer ist (Kap 4), der zweite Grund ist der, dass Gott der Erlöser ist (Kap
5). Weil sich der Mensch dem Willen seines Schöpfers widersetzt, ist er
schuldig. Weil er dazu die Gnade des Erlösers schmäht, ist er doppelt
schuldig. Der Inhalt der beiden Kapitel lässt sich wie folgt gliedern und
zusammenfassen:
1. Gewissheit und
Notwendigkeit: ”was geschehen muss”
4,1
2. Die Herkunft aller
Gerichte und Errettungen: der Thron 4,2–8
3. Die gerechte
Ursache: ”Du hast alles erschaffen”
4,9–11
4. Das Programm aller
Gerichte: das Buch 5,1
5. Wer hat das Recht
und die Macht zu richten? 5,2–5
6. Die gerechte
Ursache: ”Du bist geschlachtet worden” 5,6–10
7. Das Ergebnis aller
Gerichte: Alle Schöpfung verherrlicht Gott
5,11–14
Kapitel 4
Der
Schöpfer auf Seinem Thron
Gewissheit und Notwendigkeit 4,1
“Nach diesem sah ich: und siehe, eine Tür war
aufgetan im Himmel, und die erste Stimme, die ich gehört hatte wie die einer
Posaune mit mir reden, sprach: Komm hier herauf, und ich werde dir zeigen, was
nach diesem geschehen muss.”
Der Abschnitt beginnt mit der Wendung, der wir
bereits in 1,19 begegnet waren. Dort hatte der Herr den Apostel angewiesen,
zuerst zu schreiben, was er gesehen hatte, dann das, was ist, und als drittes,
was “nach diesem” geschehen sollte. Hier wird genau dieser Ausdruck wieder
aufgenommen und an die Spitze aller Darlegungen gestellt, die das Zukünftige
betreffen. Es wird in der Folge bis zum Schluss des Buches um Dinge gehen, die
nach der Gemeindezeit geschehen. Die entrückte Gemeinde befindet sich im
Himmel, während Gott Sein altes Bundesvolk Israel durch eine Zeit
schrecklicher Not, der “Drangsal Jakobs” (Jer 30,7), zu sich führt, um es dann
allen Anfeindungen zum Trotz ans Ziel zu bringen.
Nun wird oft eingewendet, es könne doch nicht sein,
dass ab Kapitel 4 in diesem Buch nur Dinge stehen, welche die christliche
Gemeinde nicht direkt betreffen, denn Gott würde der Gemeinde doch nicht ein
biblisches Buch geben, das zum größten Teil die Gemeinde selbst nicht
betrifft. Also müsse die Gemeinde ganz sicher durch die Drangsalszeit gehen.
Das Argument hat kein Gewicht; es ist sogar ausgesprochen schwach. Gott hat
uns Menschen so geschaffen, dass wir uns in der Zeit vorwärts und rückwärts
orientieren, dass wir mit Blick auf die Vergangenheit und auf die Zukunft
leben. Nur der Tor lebt in einem geschichts- und zukunftslosen Jetzt. Der
allergrößte Teil der ganzen Bibel handelt von Dingen, die uns nicht direkt
betreffen, weil sie längst vergangen sind. So etwa die Berufung der Erzväter,
die ganze Geschichte der erwählten Nation. Ist das alles deswegen für uns
gegenstandslos? Sicher nicht. Und Gott hat uns, wie in der Einleitung des
Buches bereits gesagt wurde, die Zukunft enthüllt, damit wir lernen, wie uns
auch das Alte Testament zur Belehrung gegeben wurde (1Kor 10,6.11).
In Joh 15,15 sagt der Herr zu den Jüngern: “Ich
nenne euch nicht mehr Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut.
Ich habe euch Freunde genannt, weil ich alles, was ich von meinem Vater
gehört, euch kundgetan habe.” Haben wir das gut verstanden? Weil wir
Freunde des Herrn sind, zieht Er uns ins Vertrauen und erzählt uns
von Seinen Absichten mit der Gemeinde, mit Israel und mit den Nationen. Das
gehört zur Stellung, zur Würde der Erlösten des Herrn.
Der Herr will uns als Seine Freunde lehren, Er will
uns erziehen, damit wir immer besser in Wort und Tat Seinen Gedanken
entsprechen. Dazu gehört, dass wir das Wesen der Welt verstehen. Und in diesem
Buch sagt uns der Herr, diese stehe unter dem Zorn Gottes. Warum? Der Grund
wird in den Kapiteln 4 und 5 gegeben, die jetzt vor uns liegen: Die Welt lehnt
sich gegen den Schöpfer auf, und sie verachtet den Erlöser. Wenn das aber das
Wesen der Welt ist, dann verstehen wir erstens, warum der Herr uns “aus diesem
gegenwärtigen, bösen Zeitlauf” herausgenommen hat (Gal 1,4), und zweitens
werden wir die Welt nicht lieben wollen (1Joh 2,15).
Die Stimme, die zu Johannes bereits wie mit einer
Posaune geredet hatte, sagt jetzt: “Komm hier herauf.” Wir dürfen
stellvertretend in Johannes sicher das sehen, was der Herr der ganzen Gemeinde
zurufen wird, wenn Er “mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme des Erzengels und
mit der Posaune Gottes herniederkommen” und die Gemeinde zu sich entrücken
wird (1Thes 4,16.17).
Der Herr zeigt Johannes, was ”geschehen muss nach
diesem”. Beachten wir besonders das Wörtlein ”muss”. Dieses Wort spricht von
Notwendigkeit. Was geschieht, geschieht nach Gottes Befehl; was geschieht,
geschieht mit göttlicher Notwendigkeit. Nicht der Zufall, nicht der Mensch und
nicht der Teufel bestimmen, was geschieht, sondern der Herr und Herrscher
aller Dinge.
Die Herkunft aller Gerichte: der Thron 4,2–8
“Alsbald war ich im Geist; und siehe, ein Thron
stand im Himmel, und auf dem Thron saß einer.”
Wie beim ersten Mal, da der Menschensohn zu
Johannes redete, ist Johannes “im Geist”. Das unterstreicht noch einmal, dass
hier eine neue Reihe von Mitteilungen beginnt. Das erste, was Johannes gezeigt
wird, ist Gottes Thron im Himmel. Um diesen Thron wird sich im ganzen Buch
alles drehen, besonders in den nächsten zwei Kapiteln. Insgesamt kommt das
Wort ”Thron” in diesem Buch über vierzigmal vor, das ist ein mehrfaches
häufiger als in allen übrigen Büchern des Neuen Testaments zusammengenommen[2]. Von Gottes
Thron aus wird alles verfügt, was auf der Erde geschieht; von ihm aus wird
alles gelenkt, was auf der Erde geschieht, und von ihm aus werde alle Gerichte
verhängt, die über die Erde kommen müssen. Diesem Thron muss sich am Ende
alles fügen in der ganzen Schöpfung. Es muss Johannes ein ungeheurer Trost
gewesen sein, diesen Thron zu sehen. Er saß auf der Insel Patmos in der
Verbannung, weil der höchste Thron auf der Erde, der Thron des römischen
Kaisers, es so verordnet hatte. Nun sah er den Thron Gottes, der über den
irdischen Thronen ist. So wusste Johannes, dass er in der Verbannung war, weil
Gott es so gewollt hatte. Und auf dem Thron sah er jemanden sitzen. Diesen
einen kannte Er; es war Sein Herr und Gott. Nun sah er, wie alles, sein
Ergehen, das Ergehen der Gemeinden, der Fortgang des Evangeliums in der Welt
gegen allen Widerstand und das Schicksal des Volkes Israel in den besten
Händen waren. Was macht er sich da noch Sorgen?
Mit Gottes Thron hängt aufs engste zusammen, warum
Gott die Welt richten muss. Der Thron ist der Inbegriff der Herrschaft Gottes
über Seine Schöpfung. Weil Er nach Seinem souveränen Willen alles geschaffen
hat, hat Er ein Anrecht darauf, dass alle Schöpfung Ihm dient (4,11). Wenn nun
der Mensch als Geschöpf Gottes dem Schöpfer diesen Dienst verweigert, muss Er
ihn richten. Das ist der erste Grund, warum die in diesem Buch beschriebenen
Gerichte fallen.
Und schließlich beachten wir, dass Johannes den
Thron ”im Himmel” sieht, nicht auf der Erde. Das erklärt, warum in dieser Welt
die Gerechten noch leiden und warum die Gottlosen noch Macht haben über sie.
Gott lenkt alles vom Himmel her in Seiner Vorsehung; Er lässt das Böse noch in
der Welt seinen Lauf gehen. In Seiner Weisheit lenkt Er es so, dass es Seinen
Absichten dienen muss, so dass alles, was uns an Widerwärtigem befallen mag,
zum Guten zusammenwirken muss (Röm 8,29). Erst wenn Christus wieder kommt und
Seinen Thron auf der Erde aufrichtet, werden die Bösen niedergeworfen und wird
das Böse aus der Schöpfung verbannt sein (19,11–20,3); erst dann, vorher
nicht.
“Und der da saß war von Ansehen gleich einem
Jaspisstein und einem Sardis, und ein Regenbogen war rings um den Thron, von
Ansehen gleich einem Smaragd.”
Bevor wir von Gerichten lesen, werden wir in diesem
Gesicht daran erinnert, dass Gottes Gnade alle über die Erde verhängten
Gerichte begrenzt hat: Der Regenbogen um den Thron ist das Zeichen, das Gott
nach der Sintflut in die Wolken setzte, um daran zu erinnern, dass er nach den
notwendigen Gerichten segnen werde (1Mo 9,13-16), dass er “inmitten des Zornes
des Erbarmens” gedenkt, wie einst Habakuk gebetet hatte (3,2). So sehr die
Offenbarung ein Buch der Gerichte ist, ist es auch ein Buch der Bewahrung und
Errettung. Vom Thron Gottes gehen wohl “Blitze und Stimmen und Donner” (Vers
5), alles Zeichen des Zornes Gottes
(Ps 18,13-15; 2 Mo 9,23; 1Sam 2,10) hervor; aber um den Thron ist auch der
Regenbogen.
Der Bogen war das Zeichen der Gnade, die Gott dem Menschen nach der
Flut gewährte. Dieses Zeichen erscheint nach 1Mo 9 noch dreimal im
Zusammenhang mit Gottes Handeln im Gericht, in Hesekiel 1,28 und in
Offenbarung 4,3 und 10,1. In beiden Büchern sehen die Propheten im Geist das
Kommen Gottes im Zorn, aber sie sehen und hören auch, dass Sein Kommen Gnade
ist. Er kommt, um uralte Verheißungen des Heils zu erfüllen.
Der erste Bund, den Gott mit dem Menschen schloss, der Bund mit Noah,
enthielt alle Merkmale späterer Gnadenbündnisse. Wohl war die Errettung, die
jener Bund zusicherte, nur auf das irdische Leben beschränkt, aber die
verheißene Errettung war absolut gewiss. Im Neuen Bund macht Gott größere
Verheißungen. Er verheißt eine Errettung, die über das irdische Leben und über
die gegenwärtige Schöpfung hinausgeht. Hat Gott die Verheißungen des Bundes
nach dem Gericht der Flut bis zum heutigen Tag gehalten, dann wird Gott die
Verheißungen des Bundes nach dem Gericht der Sünde auf Golgatha ebenso halten.
So wie die Errettung des ersten Bundes bedingungslos war, so ist auch die
Errettung des neuen Bundes an keine menschliche Bedingung geknüpft. Das ist
der entscheidende Punkt am Gnadenbund. Daran liegt, dass der Bund nicht
fehlschlagen kann. Darum müssen die im Buch der Offenbarung beschriebenen
Gerichte die Errettung der Erwählten Gottes zum Ziel haben. Er hatte Abraham
bedingungslose Verheißungen gegeben; diese werden sich an seinen Nachkommen
unfehlbar erfüllen.
“Und rings um den Thron waren vierundzwanzig
Throne, und auf den Thronen saßen vierundzwanzig Älteste, bekleidet mit weißen
Kleidern, und auf ihren Häuptern goldene Kronen.”
Diese Ältesten stellen wohl alle entrückten
Erlösten dar. Sie tragen weiße Kleider, denn der Herr hat sie in Seinem Blut
reingewaschen (1,5.6 und 22,14); denn sie sind Priester; und sie tragen
Kronen, denn sie sind Könige (vgl. 1,5.6) und Überwinder (2,10; 3,11). Wie
kommt es, dass sie auf Thronen sitzen? Weil sie sich einst unter Gottes
mächtige Hand gedemütigt haben, hat Gott sie erhöht (Mt 23,12; 1Pet 5,6). Sie
sitzen auf Thronen, weil sie sich Gottes Thron unterwerfen (Verse 10 u. 11).
Das hatte auch der Herr den Überwindern der Gemeinde in Thyatira (2,26; 3,21)
und in Laodizäa verheißen. Damit leitet gerade das letzte Sendschreiben mit
seiner besonderen Verheißung ganz organisch zu dieser Schau in den Himmel
über: Hier sehen wir die Überwinder auf den Thron erhöht, wie der Herr gesagt
hatte.
Warum sind es gerade vierundzwanzig? Wahrscheinlich
hängt das mit den 24 Ordnungen zusammen, die als Priester im Tempel dienten.
Wir lesen in 1Chr 24 und 25, dass David die Priester in 24 Gruppen oder
Ordnungen einteilte, die der Reihe nach den Dienst versahen (vgl. Lk 1,5.8.9).
“Und aus dem Throne gehen hervor Blitze und Stimmen
und Donner; und sieben Feuerfackeln brannten vor dem Throne, welche die sieben
Geister Gottes sind. Und vor dem Throne wie ein gläsernes Meer, gleich
Kristall; und inmitten des Thrones und um den Thron her vier lebendige Wesen,
voller Augen vorn und hinten. Und das erste lebendige Wesen war gleich einem
Löwen, und das zweite lebendige Wesen gleich einem Kalb, und das dritte
lebendige Wesen hatte das Angesicht eines Menschen, und das vierte lebendige
Wesen war gleich einem fliegenden Adler. Und die vier lebendigen Wesen hatten,
ein jedes von ihnen für sich, je sechs Flügel, ringsum und inwendig sind sie
voller Augen, und sie hören Tag und Nacht nicht auf zu sagen: Heilig, heilig,
heilig, Herr, Gott, Allmächtiger, der da war und der da ist und der da kommt!”
Alles, was um den Thron Gottes ist und was vom
Thron Gottes ausgeht, gibt Ihm Ehre. Der Psalmist sagt das mit etwas anderen
Worten: “Preiset den Herrn alle seine Werke an allen Orten seiner Herrschaft”
(103,22). Das will uns diese Schau in den Himmel sagen. Und wenn wir nur das
verstanden haben und daraus in unserem Leben die entsprechenden Schlüsse
ziehen, dann haben wir das Entscheidende begriffen, auch wenn wir Mühe haben
zu verstehen, was die Ältesten, die Fackeln Und die lebendigen Wesen genau bedeuten.
Schon zum dritten Mal (nach 1,4 und 2,1) lesen wir
von den ”sieben Geistern Gottes”. Diesmal werden sie als ”Feuerfackeln”
gesehen. Feuer spricht von Gericht. Wir haben hier einen Hinweis auf den Geist
Gottes, der die Welt überführt von Sünde, von Gerechtigkeit und von Gericht
(Joh 16,8–11). Er hat in den Herzen der Menschen das Evangelium bestätigt; er
hat zu allen Worten der Bibel stets ”Ja und Amen” (2Kor 1,) gesagt. Nun ist
Gott daran, alle Worte vom kommenden Gericht zu erfüllen. Daher gehen vom
Thron ”Blitze und Stimmen und Donner” hervor, samt und sonders Zeichen des
herannahenden Zornes Gottes (siehe Ps 18,14.15; 29,3.7). Vergessen wir nicht,
was das heißt, dass sie ”aus dem Thron hervorgehen”! Der allmächtige, der auf
dem Thron sitzt, hat Gericht befohlen. Wer will Ihn aufhalten, wenn Er im Zorn
herniederfährt, um die Erde heimzusuchen?
Die lebendigen Wesen sind sie mit dem Thron Gottes
untrennbar verbunden. Sie stellen in symbolischer Gestalt also irgendwie Seine
vollkommene Herrschaft und besonders Seine Regierungswege dar, die am Ende
dazu führen, dass alle Schöpfung Ihm Ehre geben muss. Die vier lebendigen
Wesen symbolisieren also Gottes
indirekte Regierung in der Vorsehung, Seine Herrschaft über alle
Schöpfung, bevor Er Seinen Thron in Zion, das heißt auf dieser Erde,
aufrichten wird. An den vier lebendigen Wesen wird deutlich, wie der Herr in
Seinen Regierungswegen in der Vorsehung handelt. Er ist der Regent der ganzen
Schöpfung, Herr auch aller menschlichen Geschichte, obgleich er nicht gesehen
wird. Der Thron wird daher im Gesicht im Himmel, noch nicht auf der Erde,
gesehen.
Die vier lebendigen Wesen symbolisieren mithin vier
grundlegende Eigenschaften der Regierungswege Gottes. An ihnen erkennen wir,
wie Gott in der Vorsehung handelt,
und wir begreifen, dass durch alles, was geschieht, Sein Name geheiligt wird;
denn Er hat alles verfügt. Der Himmel ruft unablässig ”Heilig, heilig,
heilig!”, während der Mensch auf der Erde Gott vielfach lästert wegen
verschiedener Enttäuschungen und scheinbaren oder wirklichen
Ungerechtigkeiten. Wir als Kinder Gottes dürfen und sollen in allem Gottes
vollkommenes Regiment sehen und daher lernen, mit den vier lebendigen Wesen:
“Heilig, heilig, heilig” dem zu rufen, der da ist, der da war und der da
kommt.
Alle vier Wesen sind “voller Augen vorn und
hinten”. Das zeigt uns, dass Gott mit vollkommener Kenntnis aller Umstände,
aller Ursachen und aller Folgen handelt. Er sieht in die Zukunft; Er weiß
alles, was noch geschehen wird. Er sieht in die Vergangenheit; Er weiß alles,
was schon geschehen ist. Wir hingegen wissen so wenig. Was zukünftig ist,
sehen wir gar nicht; und was geschehen ist, wissen wir nur zum Teil. Vieles
haben wir vergessen, anderes gar nicht gemerkt, als es geschah, und was wir
vom Verflossenen noch wissen, beurteilen wir falsch. Unsere Wahrnehmung ist so
ungeheuer begrenzt, dass wir fast nichts wissen. Deshalb erscheint uns so
vieles, was auf der Erde geschieht, rätselhaft. Wüssten wir alles, was in der
Vergangenheit passiert ist, erschiene uns manches, was heute geschieht, ganz
verständlich. Und wüssten wir erst noch, was morgen geschehen wird, könnten
wir auch verstehen, warum heute Dinge passieren müssen, die uns noch ganz
sinnlos erscheinen.
Lasst uns aber unserem Schöpfer und Erlöser
vertrauen, dass Er in vollkommener Weisheit über allem wacht und alles so
lenkt und so ordnet, dass am Ende die Seinen vollendet werden und Er
verherrlicht wird.
Das erste Wesen war gleich einem Löwen. Dieser ist
“der Held unter den Tieren, der vor nichts zurückweicht” (Spr 30,30), dem
niemand zu widerstehen vermag. So rennt der Mensch vergeblich gegen Gottes
Absichten an. Diesen kann niemand trotzen. Gottes Ratschlüsse erfüllen sich.
Nichts kann den Herrn von Seinen Wegen, die am Ende Leben und Frieden bedeuten
(Jer 29,11), abbringen.
Das zweite Wesen ist gleich einem Kalb. Dieses Wort
kommt außer hier nur noch an drei Stellen vor (Lk 15,23; Heb 9,12.19), und
dort steht es das Wort jedesmal für ein Tier, das geschlachtet wird. In Lk 15
ist es ein Hinweis auf das Opfer Christi, in heb 9 ebenso. Gott tut den
Menschen in Seiner Vorsehung so viel Gutes (Apg 14,16.17), das sie nicht
verdient haben. Weil wir in die Sünde gegangen sind, haben wir Fluch und Tod
verdient, und doch ist Gott geduldig und freundlich und hat lange, lange
Nachsicht mit unseren Sünden (Röm 3,25; 1Pet 3,20) und richtet uns nicht
sofort. Er kann das nur, weil der Sohn Gottes in der Fülle der Zeit zum
Opferlamm wurde, das in Seinem Tod die Sünde der Welt wegnahm (Joh 1,29) und
so die ganze Welt mit Gott versöhnte (2Kor 5,20).
Das dritte Wesen hatte das Angesicht eines
Menschen, des einzigen zur Gottesfurcht berufenen Geschöpfes auf der Erde. Die
Gottesfurcht ist die Substanz aller Weisheit (Spr 9,10); so spricht denn das
Angesicht eines Menschen von der Weisheit (Jes 28,23-29; Röm 11,33; Eph 3,10),
mit der Gott in einer jahrtausendelangen Geschichte auf Seine Ziele hin
arbeitet.
Das vierte Wesen gleicht einem Adler, dem Tier, das
daran erinnert, dass, obgleich von ferne kommend (5Mo 28,49; Jes 46,9–11), da
von jeher beschlossen, Gottes Gerichte schnell fallen werden (Mt 24,28).
Gleichzeitig aber wird Gott in Seiner Vorsehung gleich einem Adler die Seinen
in der Zeit bewahren (5Mo 32,11.12) und durch die Zeit hindurchtragen (2Mo
19,4).
Die gerechte Ursache aller Gerichte 4,9–11
Und wenn
die lebendigen Wesen Herrlichkeit und Ehre und Danksagung geben werden dem,
der auf dem Thron sitzt, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, so werden die
vierundzwanzig Ältesten niederfallen vor dem, der auf dem Throne sitzt, und
den anbeten, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, und werden ihre Kronen
niederwerfen vor dem Thron und sagen: Du bist würdig, unser Herr und unser
Gott, zu nehmen die Herrlichkeit und die Ehre und die Macht; denn du hast alle
Dinge erschaffen, und deines Willens wegen waren sie und sind sie erschaffen
worden.”
Alles, was irgend geschieht, muss Ihm und Seinen
Zielen dienen. Und der Mensch ist dazu geschaffen, darüber seinen Gott und
Schöpfer vertrauensvoll anzubeten, wie es die vierundzwanzig Ältesten in. Nur
die erlöste Gemeinde kann das jetzt. Während der Ungläubige hadert und sich
gegen seine Umstände auflehnt, weiß das Kind Gottes in “allem Dank zu sagen;
denn das ist er Wille Gottes in Christus Jesus” (1Thes 5,18). Wer das vermag, weil er geglaubt und
erkannt hat, dass “Seines Willens wegen” alles geschieht, ist ein wahrhaft
glücklicher Mensch. Ihm fehlt nichts.
Wenn endlich die Ältesten ihre Kronen niederwerfen,
bekennen je damit, dass sie alle Ehre, alle Herrlichkeit, zu der ihr Schöpfer
und Erlöser sie erhöht hat, diesem selbst verdanken; denn Er hat je in Seinem
Blut gewaschen und zu einem Königtum gemacht (1,6). Wenn die Kronen auch an
den Lohn erinnern (Kapitel 2,10; 3‘11), den uns der Herr für Treue im Dienst
geben wird, dann verstehen wir: Wir verdanken es Ihm, dass wir überhaupt an
Ihn glauben und Ihm dienen konnten. Alles ist Seine Gnade (1Kor 15,10). Und
alle Dinge sind nach Gottes Willen und für Gottes Willen erschaffen. Darum ist
es recht, dass Gott den Menschen richtet, der sich Gottes Willen widersetzt
und sich weigert, Ihm die Ehre zu geben, die Ihm als Schöpfer zusteht (siehe
Röm 1,18–32).
Kapitel 5
Der
Erlöser mitten im Thron
Das Programm aller Gerichte 5,1
“Und ich
sah in der Rechten dessen, der auf dem Throne saß, ein Buch, beschrieben
inwendig und auswendig, mit sieben Siegeln versiegelt.”
Der auf dem
Thron sitzt, hat ein Buch in der Hand. Wenn das Buch geöffnet wird, fallen die
göttlichen Gerichte auf die Erde, wie dann in Kapitel 6 deutlich wird.
Was könnte die Tatsache göttlicher Souveränität in
Seiner Regierung eindringlicher vor das Auge stellen als dies? Der Thron
dessen, dem alles unterworfen ist und der alles lenkt, dabei aber alles so
lenkt, wie es längst verordnet und im Buch verzeichnet ist. Welchen Platz hat
hier noch der geringste Gedanke an Zufall? Keinen; es geschieht alles nach
Vorsatz. Das Buch der Offenbarung ist das Buch der Vollendung der Wege Gottes,
das Buch, das lauter als jedes andere die Unumschränktheit dessen Proklamiert,
der nicht allein war und kommt, sondern der auch allezeit
ist (1,8), dem nichts entgeht, der die Haare auf dem Haupt eines
jeden der Seinen gezählt, der in der Finsternis einen Weg gebahnt, den diese
zu ihrer ewigen Glückseligkeit gehen werden. Der alles – das Böse, den Bösen
und die Bösen – so lenkt, dass ihr Wüten Ihn verherrlichen und den Seinigen
zum ewigen Glück dienen muss (Ps 76,11). Das Buch der Gerichte Gottes sind die
Kapitel 6 bis 19 der Offenbarung. Alle dort beschriebenen zukünftigen
Ereignisse sind in diesem Buch verzeichnet, das in der Rechten Gottes ist.
Nichts in dieser allerdunkelsten Zeit, der Zeit der Regierung der beiden
Tiere, ist dem Zufall überlassen; alles geschieht so, wie es sich der auf dem
Thron sitzende ewige Gott vorgesetzt hat. Wie kostbar ist dem Heiligen, der
vor Gottes Thron niedergefallen ist, dieses Wissen! Bücher spielen in diesem
letzten Buch der Bibel eine wichtige Rolle: das Büchlein von Kap 10; das Buch
des Lebens des Lammes (Kap 13 und 17), die Bücher der Werke der Menschen (Kap
20). Ein jedes dieser Bücher will uns sagen, dass Geschichte, Erlösung und
Gericht in Gottes Hand sind.
Wer hat das Recht und die Macht zu richten? 5,2–5
”Und ich
sah einen starken Engel, der mit lauter Stimme ausrief: Wer ist würdig, das
Buch zu öffnen und seine Siegel zu brechen? Und niemand in dem Himmel noch auf
der Erde, noch unter der Erde vermochte das Buch zu öffnen noch es
anzublicken. Und ich weinte sehr, weil niemand würdig erfunden wurde, das Buch
zu öffnen noch es anzublicken. Und einer von den Ältesten spricht zu mir:
Weine nicht! Siehe, es hat überwunden der Löwe, der aus dem Stamme Juda ist,
die Wurzel Davids, das Buch zu öffnen und seine sieben Siegel.”
Wenn hier die Frage gestellt wird, wer würdig
sei, die Siegel zu öffnen, dann wird damit gefragt: Wer ist würdig, wer hat
das Recht zu richten? Kein Mensch, kein Geschaffenes, ist würdig zu richten,
sondern nur Gott selbst. Gott, der Schöpfer, das sahen wir in Kapitel 4; Gott,
der Erlöser zeigt uns dieses Kapitel. Nun aber sagt uns Jesus Christus in
Johannes 5,27: “Er (der Vater) hat ihm Gewalt gegeben, Gericht zu halten, weil
er des Menschen Sohn ist.” Ist Christus würdig zu richten, dann muss Er der
Schöpfer Sein. So ist denn die Tatsache, dass Er das Gericht ausführen darf
und kann ein deutliches Bekenntnis zu Seiner Gottheit. Der Menschensohn ist
Richter, wie wir in Kap 1 gesehen haben. Ist Er aber Richter, ist Er auch
Gott. Er ist wahrer Mensch und wahrer Gott in einer Person.
Johannes weint zunächst, da niemand gefunden wird,
der würdig ist, die Gerichte über die Erde zu verhängen. Warum das? Ist er ein
so schadenfroher Mensch, dass er wie einst ein Jona am Stadtrand von Ninive
über die Maßen enttäuscht ist, dass das Gericht ausbleibt (Jona 4,1)? Johannes
weint, weil es ihm ein unerträglicher Gedanke ist, dass das Böse ewig regieren
und nie gerichtet werden soll. Wie entsetzlich wäre das, wenn Unrecht nie
bestraft würde; denn dann wäre die Erde ein ewiges Tränental, dann gäbe es nie
und für niemand Befreiung von der Willkür des Bösen. Wie dankbar sind wir
daher, dass Gott das Böse eines Tages richten und schließlich ganz aus Seiner
Schöpfung verbannen wird. Darum zeugt es nur von vollständiger Blindheit, wenn
Menschen ganz entrüstet jeden Gedanken von sich weisen, dass es einen Gott des
Gerichts geben soll. Richtete Gott das Böse nicht, würde Willkür, Bosheit,
Lüge, Quälerei, Hinterlist und Tücke am Ende das Universum regieren und uns
ewig schinden und quälen. Wer kann denn so etwas wollen? Nur der Widersacher
Gottes und der von ihm verblendete und in der Sünde gefangene Mensch.
Johannes muss nicht weinen, denn der Löwe von Juda
hat überwunden. Ein Mächtigerer wird die Mächtigen niederwerfen; der
Allmächtige wird die Gesetzlosen wegfegen. Der Löwe von Juda (sieh 1Mo 49,9;
Jes 31,4) ist Jesus von Nazareth.
Der Löwe von Juda heißt auch ”die Wurzel Davids”.
Aus der Wurzel wächst der Trieb und wird der Baum mit seinen Früchten. Der
Sohn Gottes ist der Ursprung Davids und seines Reiches Der Sohn Gottes ist
auch Nachfahre Davids und Erbe und Vollender seines Reiches: ”Ich bin die
Wurzel und das Geschlecht Davids” (Off 22,16). Er ist, wie wir aus Ps 110
verstehen, gleichzeitig der Sohn und der Herr Davids (siehe auch Mt 22,41–45);
Er ist wahrlich Alpha und Omega, der Anfang und das Ende, der Erste und der
Letzte. Er ist der Allmächtige, der da war, der da ist und der da kommt.
Das Lamm inmitten des Thrones (5,6-10)
In diesen
Versen wird das ganze Drama der Schöpfung, Erlösung und Vollendung in wenigen
Worten zusammengefasst. Hier findet sich in konzentriertester Form die Summe
der ganzen Heilsgeschichte. Alle Ratschlüsse Gottes sind in Gottes Hand; die
Erfüllung aller Ratschlüsse Gottes geschehen durch Christus, durch Christus
allein. Damit sie zum Wohl des Menschen und zur Ehre Gottes erfüllt werden
konnten, musste Er zum Lamm werden und als Lamm den Tod erleiden. Ehemalige
Sünder und Gotteslästerer sind Anbeter, Sklaven sind zu Herrschern geworden.
Ist es ein Wunder, das sich um das Lamm alle Erlösten scharen, und sich über
dem Lamm und der anbetenden Menge der Erlösten die Heerscharen der Myriaden
über Myriaden von Engeln wölben und mit gewaltiger Stimme dem, der auf dem
Throne sitzt und dem Lamm die Macht, die Ehre und den Ruhm zuschreiben?
“Und ich
sah inmitten des Thrones und der vier lebendigen Wesen und inmitten der
Ältesten ein Lamm stehen wie geschlachtet, das sieben Hörner hatte und sieben
Augen, welche die sieben Geister Gottes sind, die gesandt sind über die ganze
Erde. Und es kam und nahm das Buch aus der Rechten dessen, der auf dem Throne
saß. Und als es das Buch nahm, fielen die lebendigen Wesen und die
vierundzwanzig Ältesten nieder vor dem Lamme, und sie hatten ein jeder eine
Harfe und goldene Schalen voll Räucherwerk, welches die Gebete der Heiligen
sind. Und sie singen ein neues Lied: Du bist würdig, das Buch zu nehmen und
seine Siegel zu öffnen; denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott
erkauft durch dein Blut aus jedem Stamm und Sprache und Volk und Nation und
hast sie unserem Gott zu Königen und Priestern gemacht, und sie werden über
die Erde herrschen!”
Beachten wir zuerst, wer das Buch der Gerichte
entgegennimmt, um die Siegel zu öffnen. Es ist das “Lamm wie geschlachtet”.
Bevor Er die Welt richtet, hat Er selbst “in seinem Leib auf dem Holz” (1Pet
2,24) das ganze Gericht eines heiligen Gottes getragen. Daher ist er doppelt
“würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen” (Vers 9). Bedenken
wir: Zuerst hat Er uns erschaffen, hat also daher bereits einen gerechten
Anspruch darauf, dass wir Ihm dienen; dann hat Er uns erlöst. Und auf was für
einem Weg! Indem Er das Gericht, das uns alle wegen unserer Auflehnung gegen
den Schöpfer hätte treffen müssen, auf
sich selbst genommen hat! In Seinem Tod hat Er, so Du ein Gläubiger bist,
für Dich bezahlt. Damit hat Er doppeltes Anrecht darauf, dass wir Ihm dienen,
Ihm gehorchen, uns Seinem Willen bedingungslos beugen. Darum singen die
Erlösten: “Du bist würdig, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen;
denn du bist geschlachtet worden und
hast für Gott erkauft durch dein Blut...” (Vers 9).
Der Seher Johannes sieht das geschlachtete Lamm
“inmitten des Thrones” (Vers 6). Wir stellten bereits fest, dass der Thron
Gottes von Gottes Regierung spricht, der gegenwärtigen indirekten durch Seine
Vorsehung wie auch von der zukünftigen direkten, wenn Er als König in Zion
regieren wird. Die Mitte aller Regierung Gottes, die Mitte aller Wege, die
Gott mit dem Menschen geht, ist das
geschlachtete Lamm. So ist Gott. Seine Regierung vereint in sich
unbeugsame Gerechtigkeit:
Gott musste die Sünde richten, das Lamm musste
geschlachtet werden (Sach. 13,7); und unfassbare Liebe: Gott legte das Gericht
nicht auf uns, die es verdient hätten, sondern auf Seinen Sohn. Auf dieser
Grundlage wird Gott Seine segensreiche Regierung über eine erlöste Menschheit
aufrichten. Darum ist das Lamm das Zentrum allen göttlichen Handelns. Zu Ihm
hin ist alles angelegt, von Ihm geht alles aus. Am Tod Jesu Christi
entscheidet sich und erklärt sich das Schicksal eines jeden Menschen und damit
der ganzen Menschheit. Wer Ihn verwirft, steht unter dem “Zorn des
Lammes” (6,16); wer Ihm glaubt, betet Ihn an für “eine so große
Errettung” (Heb 2,3). Letzteres lesen wir in den Versen 8-10: Die Erlösten
fallen vor Ihm nieder.
Ein stärkerer Kontrast lässt sich kaum denken. Gottes Thron ist der
Inbegriff der Allmacht und Unumschränktheit; das Lamm ist der Inbegriff der
Schwachheit; und das Lamm ist nicht allein schwach, es ist sogar geschlachtet.
Das ist vollständige, totale Schwachheit. Christus ist in Schwachheit
gekreuzigt worden (2Kor 13,4). Werden wir es je begreifen, dass im Herzen
Gottes, des Allmächtigen der in Schwachheit Gekreuzigte ist? So wenig wir es
fassen können, bewegt es uns doch, diesen großen Gott und Retter anzubeten.
”Sieben Hörner”, das bedeutet vollkommene und allumfassende Herrschaft,
und ”sieben Augen”, das bedeutet vollkommene und alles umfassende Erkenntnis.
Christus ist alle Gewalt gegeben, und Er wird Sein Regiment mit vollkommener
Erkenntnis führen (Jes 11,2–4).
Zum dritten Mal werden »die sieben Geister Gottes«
erwähnt (1:4 und 4:5). Anders als die beiden ersten Male heißt es hier nicht,
dass sie vor Gottes Thron sind, sondern dass sie ”gesandt sind über die ganze
Erde”. Gottes Geist ist in alle Welt gesandt, allen Menschen Zeugnis zu Geben
vom Leben und Sterben des Sohnes Gottes. Gott errichtet Seine Regierung unter
den Menschen auf der Grundlage der Gnade und der Vergebung. Was für ein Gott!
Wer sollte Ihn nicht fürchten und Ihm nicht vertrauen, Ihn nicht lieben und
sich Ihm nicht unterwerfen?
Das Ergebnis von Erlösung und Gericht (5,11–14)
Als Folge der Gerichte wird die ganze
Schöpfung Gott, dem Schöpfer und Erlöser, Ehre geben. Der Sündenfall hat die
Schöpfung so entstellt, dass sie die Herrlichkeit des Schöpfers nicht mehr
frei und voll widerstrahlt. Alles Grausame, alles Brutale, aller Zerfall, alle
Krankheit und jeder Tod scheinen einem gerechten und liebenden Urheber des
Universums zu widersprechen. So fand Lukrez in der Zerbrechlichkeit und
Unvollkommenheit der Geschöpfe ein starkes Argument für seinen Atheismus:
Nequaquam nobis divinitus esse paratam
Naturam rerum; tanta stat praedita culpa
(Hätte ein Gott die Welt entworfen, wäre die
Welt nicht so zerbrechlich und so fehlerhaft wie wir sie sehen).
Nachdem
aber Gott alles böse in der Schöpfung gerichtet und aus Seiner Schöpfung
verbannt haben wird, werden Himmel, Erde und Meer und alles, was in ihnen ist,
die Wesenheiten des Schöpfers voll und frei aufstrahlen lassen. Der Prophet
Jesaja hat das so ausgedrückt:
”Man wird
nicht übeltun noch verderbt handeln auf meinem ganzen heiligen Berg; denn die
Erde wird voll sein von der Erkenntnis der Herrlichkeit des HERRN, gleichwie
die Wasser den Meeresgrund bedecken” (Jes 11,9).
Erst nachdem die Kapitel 4 und 5 uns erklärt haben,
warum Gott die Welt richten muss, beginnen die Gerichte. Sind wir nicht
dankbar, dass uns Gott gesagt hat, warum Er richtet? Einmal, damit wir es für
uns wissen, aber auch damit wir es unserem Mitmenschen sagen können: “Wenn Du
dem Schöpfer trotztest, wird er Dich richten müssen; und wenn Du den Erlöser
geringachtest, der Sein Leben für Dich gegeben hat, wird Er Dich richten
müssen.”
Kapitel 6
Die ersten sechs Siegel werden geöffnet
Die Siegel
werden vom Lamm geöffnet, die vier Pferde mit ihrem Reiter werden durch den
Befehl eines der vier lebendigen Wesen in Bewegung gesetzt. Wenn diese für
Gottes Wirken in der Vorsehung stehen, dann sind die in diesem Kapitel
geschriebenen Gerichte indirekte, durch Gottes Vorsehung verhängte Gerichte.
Und zudem:
Wenn das Buch mit den sieben Siegeln das Buch der
direkten göttlichen Gerichtsschläge ist, dann beginnen diese erst damit, dass
die Buchrolle geöffnet ist. Mit jedem gebrochenen Siegel sind wir dem Öffnen
des Buches lediglich einen Schritt näher gekommen; aber erst das
siebte Siegel öffnet es. Daher
beginnen erst von da an (8,1) Gottes direkten Plagen. Die sechs in diesem
Kapitel beschriebenen Siegel bilden mithin vorbereitendes Handeln Gottes, ehe
Seine direkten Gerichtsschläge (die Posaunen in Kapitel 8 und die Schalen in
Kapitel 16) die Erde treffen.
Die in der Vorsehung verhängten Strafen erkennt
freilich der ungläubige Mensch nicht als solche. Für ihn erklären sich
politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und militärische Brüche und
Verschiebungen wie sie in den Siegelgerichten beschrieben werden, nur als
Folgen von innerweltlichen Geschehnissen. Er sieht in ihnen Folgen von mehr
oder weniger zufälligen Konstellationen von Ideen, Menschen und Mächten.
Hinter allem aber steht die unsichtbare Hand des Gottes, der alle Geschichte
lenkt. Er will durch den Wechsel von Frieden und Krieg, Wohlfahrt und Mangel,
durch den Sturz und durch die Erhöhung von Regierungen den Menschen zur
Erkenntnis Jesu Christi und zum Glauben an Ihn erziehen. Das lesen wir unter
anderem in Psalm 107, wo die Beschreibung der wechselvollen Geschichte des
Volkes Israel (Verse 1-32) mit den Versen beschlossen wird:
“Er macht Ströme zur Wüste und Wasserquellen zu
dürrem Lande, fruchtbares Land zur Salzsteppe, wegen der Bosheit der darin
Wohnenden. Er macht zum Wasserteich die Wüste, und dürres Land zu
Wasserquellen ... sie besäen Felder und pflanzen Weinberge, welche Frucht
bringen als Ertrag. Und er segnet sie, und sie mehren sich sehr ... und sie
vermindern sich und werden gebeugt durch Bedrückung, Unglück und Jammer. Er
schüttet Verachtung auf Fürsten ... und er hebt den Armen empor aus dem
Elend... Wer weise ist, der wird dieses beachten, und verstehen werden sie die
Beständigkeit des Herrn” (Verse 33-43; vgl. auch Hos 14,9).
Bevor wir uns den einzelnen Siegeln zuwenden, ein
knapper Überblick über die Ereignisse, die sie behandeln:
Die ersten sechs Siegel umfassen den Zeitraum
zwischen der Entrückung der Gemeinde und dem Aufsteigen des letzten
Weltherrschers zur totalen (und totalitären) Macht. Der Herr nennt diese
Periode in Seiner Endzeitrede “den Anfang der Wehen” (Mt 24,8). Nach der
Entrückung der Gemeinde wird eine Zeit des internationalen Ausgleichs, des
relativen Friedens und Wohlstandes einer gottlosen Menschheit ein Gefühl der
Sicherheit vermitteln. Davon spricht das erste Siegel. Dann aber wird Gott der
Erde den Friede nehmen. Die Folge werden Hunger und gesellschaftlicher Tod
sein (drittes und viertes Siegel). Man wird dabei aber die Heiligen verfolgen
(fünftes Siegel) und damit alle Lichter, die von Gott und vom Himmel zeugen,
ausstampfen. Gott übergibt darauf die Menschen der Gesetzlosigkeit (Mt 24,12)
und lässt die menschliche Zivilisation in vollständige Anarchie absinken. Das Chaos wird so total und so furchtbar sein, dass die
Menschen meinen, das Ende der Welt sei gekommen. Davon spricht das sechste
Siegel. Aus diesem totalen Chaos wird die letzte große Weltmacht mit ihrem
totalitären Herrscher an der Spitze aufsteigen, das Tier aus dem Abgrund.
Dessen Aufstieg leitet die zweite Hälfte der im Buch der Offenbarung
beschriebenen Gerichtszeit ein, die sogenannte “große Drangsal” (Kapitel 7,14;
Mt 24,21).
Nachstehende Tabelle zeigt, wie die erste Hälfte der Endzeitrede vom Herrn und
Off 6 zusammenhängen.
Matthäus 24,4–15 |
Offenbarung 6 |
V.5: »viele werden unter meinem Namen kommen« |
1. Siegel: »ein weißes Pferd zog aus siegend« |
V. 6: »Kriege...« |
2. Siegel: »ein feuerrotes Pferd...ein Schwert« |
V. 7: »Hungersnöte...« |
3. Siegel: »ein schwarzes Pferd...eine Wage« |
V. 7: »Seuchen« |
4. Siegel: »ein fahles Pferd...Tod« |
V. 9: »sie werden euch töten«
|
5. Siegel: »die Seelen derer, die getötet worden
waren« |
V. 15: »der Greuel der Verwüstung«
|
6. Siegel: »der Himmel entwich« |
Das erste Siegel: Friede und Sicherheit (6,1.2)
“Und ich
sah, als das Lamm eines von den sieben Siegeln öffnete, und ich hörte eines
von den vier lebendigen Wesen wie eine Donnerstimme sagen: Komm! Und ich sah,
und siehe, ein weißes Pferd, und der darauf saß hatte einen Bogen; und eine
Krone wurde ihm gegeben, und er zog aus, siegend und auf dass er siegte.”
Was können wir aus den Siegelgerichten lernen?
Inwiefern sind die hier beschriebenen Dinge Erweise der gerechten Wege Gottes,
die der Erziehung des Menschen dienen? Das Brechen des ersten Siegels lässt
ein weißes Pferd ausziehen. Weiß
steht in der Bibel häufig für Gerechtigkeit, so auch in diesem Buch (2,4;
6,11; 7,9; 19,8). Sind aber die nachfolgenden Pferde mit ihren Reitern
Hinweise auf Unheil, das Gott als Antwort auf Sünde und Auflehnung sendet,
dann steht auch das erste Pferd nicht für göttliche und damit segenspendende,
sondern viel eher für menschliche
Gerechtigkeit, oder besser: Selbstgerechtigkeit. Nach der Entrückung der
christlichen Gemeinde von der Erde wird gemäß prophetischem Wort eine kurze
Zeit des Friedens, des Wohlstandes, des Gefühls der Sicherheit einkehren
(1Thes 5,3). Eine “gerechte” Weltordnung scheint sich endlich durchgesetzt zu
haben. Bemerkenswert ist, dass die endzeitliche Gemeinde
Laodizäa, die “Volksgerechte”,
heißt. Die Forderung nach Recht für den Menschen verdrängt in unserer Zeit
fast vollständig die Frage nach dem, was
vor Gott gerecht ist. Nach der Entrückung der Gläubigen wird auch
die ganze Christenheit nur noch um zwischenmenschliche Gerechtigkeit besorgt
sein. Und für eine kurze Zeit wird Gott es fügen, dass eine Menschheit, die
den Schöpfer und dessen gerechten Forderungen unter den Tisch gekehrt hat,
erfolgreich sein wird. Der Reiter zog aus “siegend, und damit er siegte”.
Dabei hält er lediglich einen Bogen, aber keine Pfeile in der Hand, also eine
entschärfte Waffe. Vielleicht ist das ein Hinweis auf die Bemühungen um
Abrüstung zur Sicherung von “Friede
und Sicherheit” (1Thes 5,3).
Die Krone
”wurde ihm gegeben”. Gott lenkt alles, niemand kann etwas tun, wenn es ihm
nicht von Gott zu tun gegeben wird. Alle Akteure in diesem großen Weltdrama
können nur das tun, was Gott ihnen zu tun gibt. Siehe V. 4 und 11:3; 13:5,7.
Das zweite Siegel: Krieg (6,3.4)
“Und als es
das zweite Siegel öffnete, hörte ich das zweite lebendige Wesen sagen: Komm!
Und es zog aus ein anderes, feuerrotes Pferd; und dem, der darauf saß, ihm
wurde gegeben, den Frieden von der Erde zu nehmen, und dass sie einander
schlachteten; und ein großes Schwert wurde ihm gegeben.”
Das zweite Siegel zeigt, dass offiziell betriebene
Abrüstung weder die Waffen noch den Krieg von der Welt schaffen können. Das
“feuerrote Pferd” spricht von Krieg: von Feuer und Blutvergießen. Friede ist
eine Gabe Gottes, der Mensch kann ihn nicht schaffen, auch nicht “ohne Waffen”[3]; nein, Gott ist
es, “der Frieden stellt in deine Grenzen” (Ps 147,14). Frieden ist eine Folge
der Unterordnung des Menschen unter die Regierung Gottes. Das zeigt, dass nur
dann Friede ist, wenn Gott Frieden gewährt, und dass der Friede aufhört,
sobald Gott den Frieden entzieht. Das gilt für alle Ordnung, die unser
gesellschaftliches Leben zusammenhält. Gott muss nicht etwa die Ordnung
umstoßen, damit sie zusammenbreche. Er muss nur Seine Hand zurückziehen, die
alle Ordnung wirkt und erhält. Dann bricht alles von selbst ein. Wir sind in
allem vollständig auf die Güte und auf die Macht eines freundlichen Schöpfers
angewiesen. Weil der Mensch das nicht glaubt, übergibt Gott die Menschen, dass
sie übereinander herfallen, damit der eine oder andere es zu Herzen nehme,
glaube und sich vor Gott demütige.
Das dritte Siegel: Hunger (6,5.6)
“Und als es
das dritte Siegel öffnete, hörte ich das dritte lebendige Wesen sagen: Komm!
Und ich sah: und siehe, ein schwarzes Pferd, und der darauf saß hatte eine
Waage in seiner Hand. Und ich hörte wie eine Stimme inmitten der vier
lebendigen Wesen, die sagte: Ein Chönix Weizen für einen Denar, und drei
Chönix Gerste für einen Denar; und das Öl und den Wein beschädige nicht.”
Bereits vor dreieinhalbtausend Jahren hat der Herr
uns gesagt: “Hüte dich, dass du des Herrn deines Gottes nicht vergessest dass
dein Herz sich erhebe ... und du in deinem Herzen sprechest: Meine Kraft und
die Stärke meiner Hand hat mir dieses Vermögen geschafft! Sondern du sollst
des Herrn, deines Gottes, gedenken, dass er es ist, der dir Kraft gibt,
Vermögen zu schaffen...” (5Mo 8,11-18). Weil der Mensch auch das nicht
anerkennen will, nimmt ihm Gott den Wohlstand. Das schwarze Pferd mit seinem
Reiter spricht von Mangel und Hunger. Ein Chönix Weizen, das ist ungefähr ein
Kilogramm, kostet einen Tageslohn
(vgl. Mt 20,2). Man stelle sich vor, wenn von heute auf morgen die satten
Schweizer mit ihrem dicken Portemonnaie einen Tageslohn für ein Kilo Brot
hinblättern müssten! Wenn es der Überfluss nicht vermochte, dann will der
Mangel dem Menschen sagen, dass er nichts ist und nichts hat ohne den
Schöpfer. Dazu sendet Gott beim Brechen des dritten Siegels teure Zeit.
Das vierte Siegel: Pestilenz (6,7.8)
“Und als es
das vierte Siegel öffnete, hörte ich die Stimme des vierten lebendigen Wesens
sagen: Komm! Und ich sah und siehe, ein fahles Pferd, und der darauf saß, sein
Name war Tod; und der Hades folgte ihm. Und ihm wurde Gewalt gegeben über den
vierten Teil der Erde, zu töten mit dem Schwert und mit Hunger und mit Tod und
durch die wilden Tiere.”
Gott ist Quell und Urheber des Lebens (Ps 36,10;
Apg 3,15). Wird er verleugnet, sendet Gott Tod: Zerfall aller
gesellschaftlichen Beziehungen, aller Ordnung und Harmonie, Zerrüttung auch
der einzelnen Person. Mit “Tod” ist hier gewiss mehr als der bloße leibliche
Tod gemeint; denn dieser hat seit der Vertreibung aus dem Paradies geherrscht,
stellt also gewiss nichts Neues dar, das erst als zukünftiges Gericht die Erde
heimsuchen wird. Nein, mit Tod ist hier die Auflösung der sittlichen, die
Gesellschaft zusammenhaltenden Kräfte gemeint. Die Folge ist zunehmende
Anarchie. Wilde Tiere sind böse Menschen (Tit 1,12; 1Kor 15,32; Off 13,1), die
ihre Mitmenschen terrorisieren. Gott wird es so fügen, dass in gewissen Teilen
der Erde - es wird nur der “vierte Teil” derselben befallen - ruchlose
Menschen die Herrschaft an sich reißen. Gerade im vergangenen und im
gegenwärtigen Jahrhundert haben wir einen Vorgeschmack davon erhalten, als
blutrünstige Tyrannen wie ein Lenin, Stalin, Hitler, Ayatullah Khomeini,
Saddam Hussein oder Mullah Omar für eine Zeit ihr Schreckensregiment führten.
Das fünfte Siegel: Märtyrer (6,9-11)
“Und als es
das fünfte Siegel öffnete, sah ich unter dem Altar die Seelen derer, welche
geschlachtet worden waren um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses willen,
das sie hatten. Und sie riefen mit lauter Stimme und sprachen: Bis wann, o
Herrscher, der du heilig und wahrhaftig bist, richtest und rächst du nicht
unser Blut an denen, die auf der Erde wohnen? Und es wurde ihnen, einem jeden,
ein weißes Gewand gegeben; und es wurde ihnen gesagt, dass sie noch eine
kleine Zeit ruhen sollten, bis auch ihre Mitknechte und ihre Brüder vollendet
sein würden, die ebenso wie sie getötet werden würden.”
Es liegt in der Natur der Sache begründet, dass
eine Menschheit, die sittlich verkommen und deren Zivilisation degeneriert,
die Glaubenden bis aufs Blut verfolgt. Viele Erlöste werden erbarmungslos
umgebracht werden, weil sie mit ihren Überzeugungen und mit ihrem Leben einem
Noah gleich die Welt verurteilen (Heb 11,7). Das 20. Jahrhundert ist bereits
das Jahrhundert der Verfolgungen gewesen, wenn wir an das
stalinistische Sowjetimperium, an das maoistische China, an das
nationalsozialistische Deutschland, und an die vielen islamischen Länder wie
Persien, Irak, Saudiarabien, Pakistan und Sudan denken. Es wird aber noch schlimmer kommen. Die “Seelen unter
dem Altar” sind Märtyrer der ersten Zeit der Wehen (Mt 24,9). Es werden ihnen
noch zahlreiche ihrer Brüder in der weit schrecklicheren letzten Zeit der
Wehen folgen (11,7; 12,17; 13,7).
Die Ermordung der Gläubigen ist einmal Symptom
einer verkommenen Zivilisation; sie ist aber auch Ursache eines noch größeren
Chaos. Werden das Licht und das Salz aus dem menschlichen Gemeinwesen
ausgelöscht und verstoßen, muss dieses in sich zusammenbrechen[4]. Davon spricht
das sechste Siegel:
Das sechste Siegel: Umsturz und Anarchie (6,12-17)
“Und ich
sah, als es das sechste Siegel öffnete, und es geschah ein großes Erdbeben;
und die Sonne wurde schwarz wie ein härener Sack, und der ganze Mond wurde wie
Blut, und die Sterne des Himmels fielen auf die Erde, wie ein Feigenbaum,
geschüttelt von einem starken Winde, seine unreifen Feigen abwirft. Und der
Himmel entwich wie ein Buch, das aufgerollt wird, und jeder Berg und jede
Insel wurden aus ihren Stellen gerückt. Und die Könige der Erde und die Großen
und die Obersten und die Reichen und die Starken und jeder Knecht und Freie
verbargen sich in die Höhlen und in die Felsen der Berge; und sie sagen zu den
Bergen und zu den Felsen: Fallt auf uns und verbergt uns vor dem Angesicht
dessen, der auf dem Thron sitzt und vor dem Zorn des Lammes; denn gekommen ist
der große Tag seines Zornes, und wer vermag zu bestehen?”
Vergessen wir gerade bei dieser Schilderung nicht,
dass Gott zum Apostel in Zeichen
spricht. Das stand in der Vorrede des Buches: “... durch seinen Engel sendend
hat er es seinem Knechte Johannes durch
Zeichen kundgetan”; denn so müsste man den Ausdruck “gezeigt” sinngemäß
korrekt wiedergeben[5] (1,1). Die im
Gesicht wahrgenommenen kosmischen Umwälzungen sind also Zeichen, Symbole für
sittliche, politische und gesellschaftliche Umwälzungen. Ein Detail schon
zeigt, dass es unmöglich buchstäblich aufgefasst werden kann: Die Sterne des
Himmels können nicht im wörtlichen Sinn auf die Erde fallen; täten sie es,
bliebe keine Erde, blieben keine Menschen mehr zurück, die sich aus Angst vor
dem kommenden Gericht in Höhlen und Klüfte verbergen wollen. Wovon sprechen
dann die Symbole?
Das Erdbeben will wohl besagen, dass alles, was im
menschlichen Zusammenleben bisher fest war, weicht. Normalerweise ist der
Boden unter den Füßen das Sicherste im Leben. Daher muss das ein so
schreckliches Erleben sein, wenn mit einemmal der Boden unter den Füßen
nachgibt. Das bezeugen solche, die ein Erdbeben schon durchgestanden haben.
Wenn im Zusammenleben der Menschen plötzlich das Zuverlässigste und
Selbstverständlichste , womit man bisher gelebt hat - durch Recht geschützte
öffentliche Ordnung - nicht mehr hält, dann stürzt man in bodenlose Angst.
Die Himmelskörper sind ein Symbol für
Regierungsgewalten. Das zeigt uns ein Blick in den Schöpfungsbericht. Die
Sonne und der Mond wurden erschaffen, um über den Tag und über die Nacht zu
“herrschen” (1Mo 1,18; Ps 136,8). Die Sonne, “das große Licht”, ist ein Bild
auf die höchste Regierungsgewalt. Das Bild wird auch auf den Messias
angewendet. Wenn er kommt, um seine heil- und segenbringende Herrschaft
aufzurichten, wird er “Sonne der Gerechtigkeit” (Mal 3,20 bzw. 4,2) genannt.
Wird nun beim sechsten Siegel die Sonne “schwarz wie ein härener Sack”, dann
heißt das ganz einfach, dass sie ihre Funktion nicht mehr erfüllen kann: Die
bisherige oberste Regierungsautorität verliert ihre Macht.
Der Mond wird rot wie Blut. Regierungen sind von
Gott eingesetzt, um das Böse zu strafen und das Gute zu schützen (Röm 13,3.4),
kurz: um das Leben zu erhalten und zu fördern, Hier geschieht das Gegenteil.
Gewalten werden benutzt, um das Leben zu hindern und zu nehmen. Das beginnt
sich bereits in unseren Tagen abzuzeichnen. Was ein gewissenloser
Alleinherrscher wie Adolf Hitler bereits tat - Ausmerzung von sogenannt
“lebensunwertem Leben” - tun seit einigen Jahren auch Institutionen
demokratisch regierter Länder: Staatlich finanziert und gefördert wird als
lebensunwert beurteiltes Leben ausgemerzt. Kinder, die man als wirtschaftliche
und soziale Last empfinden würde, werden getötet, bevor sie geboren sind. Was
die Menschen heute als ihr Recht einfordern - auf Wunsch auch töten zu dürfen
- wird bald mit potenzierter Gewalt auf sie zurückfallen.
Die Sterne sind zur Orientierung in Zeit und Raum
ans Firmament gesetzt worden (1Mo 1,14). Die Sterne in diesem Gesicht sind
selbstverständlich keine buchstäblichen Sterne; denn wenn dies der Fall wäre,
müsste das auch an den anderen Stellen der Fall sein, wo in den Visionen der
kommenden Gerichte Sterne vorkommen. Besonders deutlich erkennen wir in 9,1
und in 12,4, dass unmöglich buchstäbliche Sterne gemeint sein können. Hier wie
dort sind die Sterne, die vom Himmel fallen, geistige und sittliche
Autoritäten. Sie fallen vom Himmel: Das bedeutet, dass sie ihre Funktion
verlieren. Sie werden von niemandem mehr gesehen und gehört und können damit
auch niemandem mehr Orientierung geben. In 12,4 werden sie durch den Schwanz
des Drachen vom Himmel gefegt: Die sittlichen Autoritäten geraten vollständig
unter die Macht Satans. Wenn wir bei den Sternen an 4Mo 24,17 und Mt 2,2
denken, dann können wir in den Sternen geradezu Könige, auf alle Fälle
Herrscher sehen. Fallen diese vom Himmel, so bedeutet das ebenfalls, dass sie
ihren Einfluss einbüßen: Der Mensch verliert jede sittliche Orientierung. Der
Himmel, der wie eine Buchrolle aufgerollt wird, spricht von jeglicher von Gott
eingesetzten menschlichen Regierung - Daniel sagt, dass durch die von Gott
eingesetzten Regenten “die Himmel herrschen” (4,26) -, die beiseite gesetzt
wird. Wenn nun der Himmel weicht, dann bedeutet das soviel, dass jede vom
Himmel eingesetzte Regierung verschwindet. Nach dem Zusammensturz aller
öffentlichen Ordnung wird eine Regierung emporkommen, der Satan seine Gewalt
geben wird: Das Tier steigt “aus dem Abgrund” herauf (11,7); und “der Drache
gab ihm seinen Thron” (13,2).
Der vollständige Zusammenbruch jeglicher
menschlichen Regierung löst Panik unter den Menschen aus. Ihr seit Jahren
abgestumpftes Gewissen wird sie plötzlich schrecken: Sie meinen, jetzt sei der
Zorn dessen, den sie immer verdrängt oder verhöhnt hatten, plötzlich über sie
gekommen (vgl. Spr 10,24). Daher schreien sie:
“Gekommen ist der große Tag seines Zornes” (Vers
17). Die Reaktion zeigt, dass auch der ungläubige Mensch in seinem Innersten
weiß, dass ein Gott ist, der eines Tages als Richter die menschliche
Geschichte zum Abschluss bringen wird. Zudem wissen sie, dass es ein Lamm
Gottes und einen Tag seines Zornes gibt. Daraus können wir schließen, dass
diese Katastrophen den Teil der Welt heimsuchen werden, die einst
christianisiert wurden.
Hier ist freilich Ende noch nicht gekommen. Im
Gegensatz zu 10,7 und 11,15-18 und 12,10 und 19,1.6, wo jedesmal
der Himmel das Ende bezeugt, sagen es hier nur die aufgeschreckten
Menschen. Nein, mit dem sechsten
Siegel kann das Ende nicht gekommen sein; das Buch der Gerichte ist ja noch
nicht einmal geöffnet. Es stehen noch weit schlimmere Gerichte aus; aber dann,
wenn der Zorn des Lammes wirklich fällt, werden die Menschen nur noch lästern
können (16,9.11).
Aus diesem Chaos wird das Tier zur absoluten
Herrschaft aufsteigen. Daher wird dieser Einsturz wohl die Zeit des “Anfangs
der Wehen” abschließen und die zweite Hälfte der Gerichtszeit, die sogenannte
“Große Drangsal” (7,14) einleiten.
Kapitel 7
Ein Zwischenspiel der Gnade
Bevor im
achten Kapitel das siebte Siegel gebrochen wird und damit die Gerichtsschläge
Gottes fallen, zeigt uns das vorliegende Kapitel, wie Gott dafür sorgt, dass
durch alle Gerichte hindurch Seine Erwählten bewahrt und viele Seelen durch
Glauben gerettet werden. Johannes hatte einen Regenbogen rings um den Thron
des Gerichts gesehen. Dieser zeigt an, dass Gott beständig an Seinen
Gnadenbund denkt. Hier haben wir einen ersten Beleg dafür. Inmitten des Zornes
gedenkt Gott des Erbarmens (siehe Hab 3,2). Er rettet Menschen aus Israel und
aus den Nationen. Das Gebet Habakuks (3,2)
wird erhört.
1. Versiegelte und Gezählte aus Israel 7,1–8
2. Nicht Versiegelte und Ungezählte aus allen Nationen
7,9–12
3. ”Woher kommen diese?”
7,13–17
Die zwei Abschnitte sprechen von Geretteten
aus der Zeit der kommenden Drangsal. Zuerst wird uns vor Augen gestellt, wie
abhängig wir von Gott sind. Er muss durch Seine Engel dafür sorgen, dass
Stille ist; denn Seine Erwählten müssen versiegelt, das heißt zur Bewahrung
und Errettung ausgesondert werden.
Zuerst werden uns die Stämme Israels als der
Gegenstand göttlicher Erwählung in ihrer Vollzahl gesehen: Zwölfmal
zwölftausend. Diese Zahl zeigt, dass die Vollzahl dieser Erretteten Gott nicht
allein bekannt, sondern auch von Ihm verfügt ist (vgl. Röm 11,25). Dann werden
all jene Nichtisraeliten gezeigt, die in der Drangsal gerettet werden. Diese
sind so zahlreich, dass kein Mensch sie zählen kann, und sie kommen aus jedem
Volk, Stamm und Sprache.
Die deutliche Unterscheidung in Gottes Handeln mit
seinem alten Bundesvolk Israel (V. 1–8) und mit den Heidenvölkern (V. 9–17)
ist ein unübersehbarer Hinweis darauf, dass die Gemeindezeit abgeschlossen und
mithin die Gemeinde nicht mehr auf der Erde ist; denn für die Gemeindezeit
gilt, dass Gott keinen Unterschied
zwischen Juden und Heiden macht. Wir lesen in Galater 3,28: “Da ist nicht
Jude noch Grieche ... denn ihr alle seid
einer in Christus Jesus.” (Man vergleiche auch Kol 3,11.)
Versiegelte und Gezählte aus Israel (7,1-8)
“Nach
diesem sah ich vier Engel auf den vier Ecken der Erde stehen, welche die vier
Winde der Erde festhielten, auf dass kein Wind wehe auf der Erde, noch auf dem
Meere, noch über irgend einen Baum. Und ich sah einen anderen Engel von
Sonnenaufgang heraufsteigen, welcher das Siegel des lebendigen Gottes hatte;
und er rief mit lauter Stimme den vier Engeln, welchen gegeben worden war, die
Erde und das Meer zu beschädigen, und sagte: Beschädigt nicht die Erde, noch
das Meer, noch die Bäume, bis wir die Knechte unseres Gottes an ihren Stirnen
versiegelt haben. Und ich hörte die Zahl der Versiegelten:
Hundertvierundvierzigtausend Versiegelte. Aus jedem Stamm der Söhne
Israels...”
Gott erfüllt Seine durch Jakob (1Mo 49), durch Mose
(5Mo 33) und durch die Propheten (Jes 54; Jer 33; Hes 47.48; Hos 13,4-7; Joel
3; Am 9,11-15 etc.) an den Samen Abrahams gegebenen Verheißungen. Die zwölf
Stämme werden gerettet und wieder zusammengeführt werden, um das den Vätern
verheißene Land zu erben und auf immer zu besitzen (Hes 48). Er sorgt dafür,
dass die von Ihm dazu Erwählten durch nichts und niemand geschädigt werden
können, so dass sie wie einst Noah durch die Wasserflut durch die Jahre
schrecklicher Plagen hindurchgetragen (Jes 43,1.2) und in den ersehnten Hafen
des Heils (vgl Ps 107,30) geführt werden: Sie werden “versiegelt”, das heißt
unter Gottes Schutz gestellt und als Gottes Besitz ausgesondert. Man hat schon
versucht, den Ausdruck “Versiegelte aus jedem Stamm der Söhne Israels” als
eine metaphorische Redensart zu verstehen, die für alle erlösten Menschen
steht, gleichgültig aus welcher Nation sie sind. Das ist eine falsche
Vorstellung; denn gerade in den sich anschließenden Versen wird im Gegensatz
zu hier von Nationen, Stämmen und Sprachen geredet. Dieser Gegensatz macht
deutlich, dass die Versiegelten ganz buchstäblich Israeliten sind und sonst
niemand.
Die Zahl
und der Name der Versiegelten werden genannt. Gott rettet Seine Erwählten, die
Er zuvor erkannt hat, und die Er mit Namen ruft. Das Buch der Errettung unter
den Mosebüchern beginnt daher mit den Namen und der Anzahl der Söhne Jakobs,
die nach Ägypten kamen (2Mo 1,1–5); und das Buch der Errettung unter den
Prophetenbüchern sagt es wiederholt und sagt es ausdrücklich, dass Gott mit
Namen ruft und die Berufenen gezählt hat (Jes 40,26; 43,1). Die Anzahl der
Erretteten ist Gott bekannt; und sie ist deshalb bekannt, weil sie von Ihm
bestimmt ist. Die Idee, dass Gott ein Werk der Errettung in ihrem Umfang
vorher wissen und dieses Werk dann eigenhändig ausführen sollte – was jeder
Evangelikale glaubt – , ohne es selbst vorher verordnet zu haben, ist
natürlich vollständig abwegig. Darum muss Gott alle, die Er zuvor erkannt hat,
auch zuvor zu dem, was Er erkennt, verordnet und ausgesondert haben. Wie
sollte Gott in Seinem ureigensten Werk, im Werk der ewigen Errettung, der bloß
passive Betrachter und Wisser sein? Nein, wir glauben nicht an den passiven
Gott des Aristoteles und der sonstigen Philosphen. Wir glauben an den
lebendigen Gott der hebräischen Propheten, wir glauben an den starken und
Rettung wirkenden – nicht bloß
Rettung als Möglichkeit anbietenden – Gott der Apostel des Lammes. Wir glauben
an den Gott, der war und darum von
Anfang an alles verordnet hat, und der allezeit und überall
ist (Off 1,4) und darum alles beständig wirkt nach dem Rat Seines
Willens (Eph 1,11), und der kommen wird
und damit alles vollendet, was Er von Anfang an bestimmt hat und jetzt wirkt.
Wir glauben an den Allmächtigen, griechisch Pantokrator, den Allesbeherscher,
Alleshalter, Alleswirker (Off 1,8).
Die Versiegelten sind Juden, in denen Gott Glauben
an Jesus als den Messias wecken wird. Sie werden versiegelt, um durch die Zeit
der kommenden Gerichte hindurch bewahrt zu werden; denn sie müssen in dieser
schlimmen Zeit allen Menschen die frohe Botschaft verkündigen, dass Jesus, der
Messias, schon hier war, allen, die an Ihn glauben Erlösung gewirkt hat, und
dass er bald wiederkommen wird, um Sein Reich der Gerechtigkeit und des
Friedens aufzurichten. Durch ihr Zeugnis werden die unzähligen Menschenseelen,
die wir im nächsten Gesicht sehen, gerettet werden.
Bevor wir
zum nächsten Gesicht kommen, noch zu Vers 1. Die “vier Engel, die an den vier
Ecken der Erde stehen”, halten die “vier Winde der Erde fest”. Das erinnert
uns an ein Gesicht Daniels. Wir lesen in Daniel 7,2.3:
“Ich schaute in meinem Gesicht bei der Nacht, und
siehe, die vier Winde des Himmels brachen los auf das große Meer. Und vier
große Tiere stiegen aus dem Meere herauf...”
Wenn die vier Winde des Himmel wehen, werden die
Tiere, das sind Herrscher und ihre Reiche, aus dem (Völker)Meer emporgehoben.
Das letzte dieser Tiere wird in Offenbarung 13 beschrieben. Heißt es nun in
Offenbarung 7,1, dass Gott die Winde zurückhält, dann will Er uns damit sagen,
dass alle Mächte und Kräfte, die am Ende das antichristliche Weltreich
zuoberst hinauftragen, von Gott gehalten und überwacht werden, so dass sie
nicht gegen Seinen Willen Seine Erwählten antasten können. Wie groß ist unser
Gott! Er ist “der Hüter Israels, der nicht schlummert noch schläft” (Ps 121,4)
und der den Gewaltigen dieser Welt gebietet: “Tastet meine Gesalbten nicht an,
und meinen Propheten tut nichts Übles” (Ps 105,15).
Ungezählte Errettete aus den Nationen (7,9-12)
“Nach
diesem sah ich: und siehe, eine große Volksmenge, die niemand zählen konnte,
aus jeder Nation und aus Stämmen und Völkern und Sprachen, und sie standen vor
dem Thron und vor dem Lamm, bekleidet mit weißen Gewändern, und Palmen waren
in ihren Händen. Und sie rufen mit lauter Stimme und sagen: Das Heil unserem
Gott, der auf dem Throne sitzt, und dem Lamm! Und alle Engel standen um den
Thron her und um die Ältesten und die vier lebendigen Wesen, und sie fielen
vor dem Thron auf ihr Angesicht und beteten Gott an und sagten: Amen! die
Segnung und die Herrlichkeit und die Weisheit und die Danksagung und die Ehre
und die Macht und die Stärke unserem Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.”
Der Gegensatz zu den Versiegelten ist hier
augenfällig: Es sind Gerettete aus allen
Völkern und Stämmen, nicht lediglich aus den zwölf Stämmen der Söhne
Israels. Sodann ist ihre Menge so groß, dass man sie, anders als die
Versiegelten, nicht zählen kann. Unzählige Heiden werden in den Jahren der
Drangsal durch die Drangsal zur Besinnung kommen. Sie werden die frohem
Botschaft vom Lamm und von seinem kommenden Reich (Mt 24,14) hören, glauben
und so gerettet werden.
Sie werden an Jesus als den kommenden Messias und
König glauben. Daher haben sie Palmen
in den Händen, das Zeichen derer, die den König empfangen (Joh 12,13);
daher stehen sie auch vor dem Thron: Sie anerkennen Seine Regierung. Und sie
haben weiße Gewänder: Sie sind durch Glauben gerecht geworden.
Sie sind so
zahlreich, dass sie ”niemand sie zählen konnte”. Abraham konnte die Sterne
nicht zählen; denn seine Nachkommenschaft war zu groß (1Mo 15,5). . Das heißt
aber nicht, dass Gott nicht einen jeden Stern mit Namen benannt und gezählt
hätte (Jes 40,26). Die Menge der Erretteten vor dem Thron sind für uns eine
unübersehbare Menge; aber ein jeder von ihnen ist von Gott zuvorerkannt, von
Ewigkeit her geliebt (Jer 31,3), mit Namen gerufen und zum Seinem bleibenden
Eigentum gemacht. Darum rufen sie alle ”mit lauter Stimme”. Sie können nicht
schweigen; sie müssen es laut bekennen: ”Das Heil unserem Gott.” Gott hat das
Heil gewirkt. Die Errettung ist ganz Sein Werk. Als Jona im Buch des Fisches
war, da wusste er, dass er sich die Errettung weder verdienen noch erarbeiten
konnte. Da, wo er war, blieb ihm nicht viel Raum für irgendwelche Leistungen.
So bekennt er denn: ”Die Errettung ist des HERRN” (Jona 2,10). Darum muss Ihm
allein alle Ehre dafür gegeben werden. ”und dem Lamm”: Das Lamm hat das Werk
ausgeführt. Er hat für Sünder gelebt, gelitten und Sein Leben gelassen. Er hat
alles vollbracht, was Gott, der Vater, Ihm aufgetragen hat. Darum gehört Ihm
die gleiche Ehre wie dem, der auf dem Thron sitzt.
”Woher kommen diese?” (7,13–17)
“Und einer
von den Ältesten hob an und sprach zu mir: Diese, die mit weißen Gewändern
bekleidet sind, wer sind sie, und woher sind sie gekommen? Und ich sprach zu
ihm: Mein Herr, du weißt es. Und er sprach zu mir: Dies sind die, welche aus
der großen Drangsal kommen, und sie haben ihre Gewänder gewaschen und haben
sie weiß gemacht in dem Blute des Lammes. Darum sind sie vor dem Throne Gottes
und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel, und der auf dem Throne sitzt
wird sein Zelt über ihnen errichten. Sie werden nicht mehr hungern, auch
werden sie nicht mehr dürsten, noch wird je die Sonne auf sie fallen noch
irgend eine Glut; denn das Lamm, das in der Mitte des Thrones ist, wird sie
weiden und sie leiten zu Quellen der Wasser des Lebens, und Gott wird jede
Träne abwischen von ihren Augen.”
Hier wird nun ausdrücklich gesagt, dass die
unzählbaren Geretteten “aus der großen Drangsal” kommen, eben in jener Zeit
zum Glauben und zum Heil fanden. Das ist am Artikel “der” erkenntlich, denn
dieser verweist darauf, dass von einer anderweitig bekannten Drangsal die Rede
ist. Es steht ja nicht “aus großer Drangsal”, also ganz allgemein aus irgend
großer Not. Auf welches Bekannte
bezieht sich nun der Ausdruck? Mindestens zwei alttestamentliche Propheten
sprechen von einer ganz bestimmen Drangsal, und auf die bezieht sich unsere
Stelle: Jeremia 30,7 und Daniel 12,1. Sodann spricht auch der Herr in
Anlehnung an die Worte Daniels von einer Zeit der Not, die so schlimm sein
wird, wie noch nie Not gewesen ist (Mt 24,21).
Warum ”sind sie vor dem Thron Gottes und
dienen ihm”? Weil sie durch das
Blut des Lammes erlöst worden sind. Daher stellen sie sich unter die
Herrschaft ihres Gottes und Retters, und darum dienen sie fortan Ihm. Das wird
uns in der Bibel wiederholt als das logisch zwingende Ergebnis der Errettung
gezeigt, so in 2Mo 13,1.2; 15,18; so auch in Römer 12,1.2; 14,7–9.
Ein zweites Ergebnis der Erlösung: Gott spannt üben
den Seinen Sein Zelt auf. Aber beachten wir: Er ist der Herr auf dem Thron,
der Sein Zelt über ihnen spannt. Er ist zuerst unser Herrscher, und als Folge
davon ist Er unser Wohltäter. Wir können das eine nicht ohne das andere haben.
Ist Gott nicht unser Herrscher ist Er auch nicht unser Wohltäter. Haben wir
uns Seinem Thron nicht unterworfen, wohnt Er nicht unter uns. Ganz analog dazu
heißt es: ”Das Lamm, das in der Mitte des Thrones ist, wird sie weiden”: Er,
der uns zu Gott gebracht hat; Er, der um der Gerechtigkeit und der Herrschaft
Gottes willen geschlachtet wurde (Off 5,6), Er ist es, der uns führt. Er führt
uns so, wie es der Thron Gottes verfügt hat. Alle Segnungen, die uns durch das
Lamm zukommen, gehen vom Thron aus und führen daher zum Thron zurück. Das
Lamm, das inmitten des Thrones ist, »führt sie zu Quellen des Wassers des
Lebens«. Hier sehen wir zum ersten Mal, wie der Strom des Lebenswassers mit
dem Thron verbunden ist. Im letzten Kapitel sieht Johannes den Strom, wie er
vom Thron Gottes und des Lammes ausgeht (22,1).
Kapitel 8 und 9
Die Kapitel
8 und 9 gehören zusammen, indem sie die sechs ersten der insgesamt sieben
Posaunen beschreiben. Auf die sechste Posaune folgt wie auf das sechste Siegel
ein Einschub (Kap 10 und 11), der uns wiederum zeigt, wie Gott während der
Zeit dieser Gerichte Seine Absichten des Heils verwirklicht.
1. Das Schweigen im
Himmel 8,1–5
2. Gott schlägt den
Lebensraum und die Lebensquellen des Menschen 8,6–11
3. Gott schlägt den
Menschen selbst 9
Der Aufbau
der beiden Kapitel ist einfach. Er nennt uns zuerst die Herkunft und damit die
Ursache des Zornes: Das Feuer fällt vom Altar. Dann sehen wir, wie Gott im
Zorn dem Menschen zuerst seinen Lebensraum (teilweise) entzieht, und
schließlich trifft Sein Zorn den Menschen selbst.
Das siebte Siegel wird geöffnet (8,1–5)
“Und als es
das siebente Siegel öffnete, entstand ein Schweigen in dem Himmel bei einer
halben Stunde. Und ich sah die sieben Engel, welche vor Gott stehen; und es
wurden ihnen sieben Posaunen gegeben. Und ein anderer Engel kam und stellte
sich an den Altar, und er hatte ein goldenes Räucherfass; und es wurde ihm
viel Räucherwerk gegeben, auf dass er Kraft gebe den Gebeten aller Heiligen
auf dem goldenen Altar, der vor dem Throne ist. Und der Rauch des Räucherwerks
stieg mit den Gebeten der Heiligen auf aus der Hand des Engels vor Gott. Und
der Engel nahm das Räucherfass und füllte es von dem Feuer des Altars und warf
es auf die Erde; und es geschahen Stimmen und Donner und Blitze und ein
Erdbeben.”
Erst wenn das siebte Siegel gebrochen wird, wird
das Buch aufgerollt, und die in ihm geschriebenen Gerichte fallen. Doch zuvor
schweigt der Himmel eine halbe Stunde. Vielleicht ist es auch ein Hinweis
darauf, dass Gott nur zögernd zum Gericht greift. Wir lesen in Psalm 103,8,
dass Gott langsam zum Zorn und groß an Güte ist.
Die halbe Stunde Stille im Himmel ist etwas ganz
Außergewöhnliches; denn wir lesen in 4, 8 dass die vier lebendigen Wesen nie
ruhen, sondern beständig rufen: ”Heilig, heilig, heilig!” Diese
außergewöhnliche Ruhe markiert ein außergewöhnliches Geschehen. In Jesaja
28,21 lesen wir die bemerkenswerten Sätze:
“Denn der Herr wird sich aufmachen wie bei dem
Berge Perazin, wie im Tale zu Gibeon wird er zürnen: um sein Werk zu tun -
befremdend ist sein Werk, und um seine Arbeit zu tun -
außergewöhnlich ist seine Arbeit.”
Dieser Vers macht es nun ganz deutlich, dass Gott
eigentlich nicht richten will; dass
Er nur richtet, weil Er richten muss, weil Sünde Seine Heiligkeit
herausfordert. Jeremia sagt: “Nicht von Herzen plagt und betrübt er die
Menschenkinder” (Klag 3,33). Denn Gott ist der Quell des Lebens, und Er ist
Liebe. Seine eigentlichen Werke entfalten daher Seine Liebe und Sein Leben.
Das wird im Gesicht auch darin bestätigt, dass der Engel vom Feuer - stets ein
Bild auf Gericht - des Altars nimmt
und auf die Erde wirft. Die begleitenden Zeichen sind uns bereits in 4,5
begegnet. Was bedeutet es, dass das Feuer vom
Altar genommen wird? Am Altar trug das Opfer stellvertretend das
Gericht für die Sünde. Jesus Christus trug am Kreuz den Zorn Gottes. Gott
richtete aus Liebe zum Menschen,
weil Er ihn erlösen will - das ist Gottes
eigentliches Verlangen (1Tim 2,4) -
die Sünde zuerst in Seinem Sohn. Nur wer sich nicht beim geschlachteten Lamm
geborgen hat, wird den Zorn eines gerechten Gottes über die Sünde selbst
tragen müssen. Der Gedanke ist erschütternd.
Beachten wir noch, dass das Gericht als
Antwort auf die Gebete der Heiligen fällt. In der Zeit der Drangsal
werden die Glaubenden zum “Gott der Rache” (Psalm 94,1) beten, dass Er doch
eingreifen, die Gottlosen richten und sie retten möchte. Ihre Gebete finden
sich in zahlreichen Psalmen (54; 55; 56; 57; 58; etc.), die dann wieder ganz
in ihrem wörtlichen Sinn gebetet werden.
Das ist im übrigen ein weiterer Hinweis darauf,
dass die christliche Gemeinde nicht mehr auf der Erde ist, denn diese hat
nicht die Weisung, um Rache für Verfolger zu beten, sondern im Gegenteil: Der
Herr hat uns gelehrt, solche zu segnen, die uns fluchen, denen Gutes zu
wünschen, die uns verfolgen (Mt 5,44). Ähnlich sehen wir auch Stephanus gleich
seinem Herrn für seine Peiniger beten: “Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht
zu!” (Apg 7,60).
Gott entzieht dem Menschen den Lebensraum (8,6-13)
“Und die
sieben Engel, welche die sieben Posaunen hatten, bereiteten sich, auf dass sie
posaunten.”
Was hat es zu bedeuten, dass jeweils Posaunen
ertönen, bevor das Gericht fällt? Posaunen künden das Gericht an, das heißt
sie warnen. Sie geben ein Signal, das dem Menschen die Gelegenheit gibt, dem
Gericht zu entgehen. Denken wir an das Buch Josua: Bevor auch nur ein
Schwertstreich im Land Kanaan fiel, ließ Gott sieben Tage lang Posaunen
ertönen. Diese kündigten den Bewohnern der Stadt Jericho an, dass die Stadt
bald gerichtet werden sollte. Im Buch der Offenbarung haben wir eine ganz
ähnliche Situation: Der wahre Josua steht im Begriff, die ganze Erde in Besitz
zu nehmen. Bevor er aber jeden Widerstand in sich zusammenstürzen lässt,
kündigt er durch Posaunen die herannahenden Gerichte an (Zeph 1,14-16), damit
der Mensch sich besinne, sich vor seinem Schöpfer demütige (14,7) und sich bei
Ihm als Retter berge, bevor Er richtet (Jes 27,4.5; Ps 2,12; Hes 33,2.3).
Aber einmal fällt das Gericht doch. Und beachten
wir, wie Gott durch Seine Gerichte
redet. Oder hatten wir nicht gelesen, dass vom Thron Gottes Blitze, Donner
und Stimmen ausgehen? Der Tor
spricht in seinem Herzen: Es ist kein Gott (Ps 14,1). Er redet sich ein, die
mit den Sinnen wahrnehmbare Welt sei die einzige, er lebe in einem
geschlossenen System, dessen ihm innewohnenden Kräfte allein für das Leben,
die Lebensformen und für die menschliche Existenz verantwortlich seien. Einen
jenseitigen Gott will er nicht anerkennen, einen Himmel, eine jenseitige Welt,
ein ewiges Leben. Das ist ihm alles Mumpitz. In seiner Welt will der Mensch
König sein, er lässt sich von keinem Gott dreinreden, was er zu tun oder
zulassen habe. Eines Tages aber wird Gott reden, wird der Himmel, die
jenseitige Welt, in diese Welt eingreifen: ”Dann wird er zu ihnen reden in
seinem Zorn und in seiner Zornglut sie schrecken” (Ps 2,5)
Die erste Posaune (8,7)
”Und der erste posaunte: und es kam Hagel und Feuer, mit Blut
vermischt, und wurde auf die Erde geworfen. Und der dritte Teil der Erde
verbrannte, und der dritte Teil der Bäume verbrannte, und alles grüne Gras
verbrannte.”
Wie wird der Himmel reden? Er wird mit “Hagel und
Feuer”, Zerstörung und Zorn auf die Weigerung des Menschen antworten, über
sich den jenseitigen, den unsichtbaren Gott anzuerkennen. Dabei hatte der
Himmel dem Menschen nur Gutes bereitet (Apg 14,17), hatte ihm nur Gutes geben
wollen, wie Er in der Sendung des Sohnes Gottes zum Heil der Welt bewiesen
hatte. Der Unglaube verdirbt dem Menschen alles. Anstatt Segen zieht sich der
Mensch damit den Fluch herab. Es fällt mit dem Hagel auch Blut auf die Erde.
Ausgeflossenes Blut ist das Zeugnis von Tod; nur wenn Blut in den Adern ist,
bedeutet es Leben. Wer Gott und Sein Wort hasst, liebt den Tod. Das hatte
bereits der weise Salomo gesagt (Spr 8,36).
Die zweite Posaune (8,8.9)
“Und der
zweite Engel posaunte: und wie ein großer mit Feuer brennender Berg wurde ins
Meer geworfen; und der dritte Teil des Meeres wurde zu Blut. Und es starb der
dritte Teil der Geschöpfe, die im Meer waren, die Leben hatten, und der dritte
Teil der Schiffe wurde zerstört.”
Das Meer wird zu Blut; also wiederum Tod, der
diesmal nicht die Erde, sondern den zweiten Lebensraum, das Meer, trifft. Die
Schiffe stehen für den Verkehr der Völker untereinander. Dieser wird zum Teil
zerstört. Auch abgeschnittene Kommunikation ist eine Form des Todes. Der “mit
Feuer brennende Berg” ist ein Bild für eine Großmacht, die untergeht. Das
lernen wir aus Jeremia 51,25, wo das untergehende babylonische Reich mit einem
hinabgestürzten verbrannten Berg verglichen wird. Der Psalm 46, der von den
tumultartigen Wirren und der Feindschaft der irdischen Könige gegen die
Heiligen Gottes spricht, kündigt an, dass “Berge ins Herz des Meeres taumeln”
(V. 3). Damit ist gewiss auch gemeint, dass verschiedene Reiche untergehen
werden, während andere emporkommen.
Die dritte Posaune (8,10.11)
“Und der
dritte Engel posaunte: und es fiel vom Himmel ein großer Stern, brennend wie
eine Fackel, und er fiel auf den dritten Teil der Ströme und auf die
Wasserquellen. Und der Name des Sternes heißt Wermut; und der dritte Teil der
Wasser wurde zu Wermut, und viele Menschen starben von den Wassern, weil sie
bitter gemacht waren.”
Nachdem in den beiden ersten Posaunen die
Lebensräume Erde und Meer befallen worden waren, werden hier die
Ströme und Wasserquellen, das sind
Lebensquellen heimgesucht.
Der vom Himmel gefallene Stern steht symbolisch für
einen Herrscher, der seine Macht verliert, wie uns Jesaja 14,12 zeigt. Der
Stern brennt wie eine Fackel. In diesem Buch werden die sieben Geister Gottes
mit brennenden Fackeln verglichen (4,5).
So geht es bei diesem Stern wohl um eine geistliche Macht. So wie der
Heilige Geist die Wahrheit lehrt und erleuchtet, so muss es sich hier um eine
geistliche Macht handeln, die Lüge und Finsternis verbreitet, also das
Gegenteil. Als Gericht Gottes werden geistliche Mächte der Lüge,
”betrügerische Geister und Lehren der Dämonen” (1Tim 4,1) alle Quellen und
Ströme vergiften. Was bisher eine Quelle der Erquickung, des Lebens gewesen
ist, wird jetzt zu einer Quelle des Todes, der Zersetzung.
Das lässt sich sehr allgemein anwenden. Nehmen wir
als Beispiel die Ehe, das Zusammenleben in der Familie, etwas, das Gott dem
Menschen als Hort des Glücks und des Lebens gegeben hat. Von Gott losgelöst
wird das, was eine Quelle des Segens wäre, zu einer Quelle des Unheils. Es
gibt kaum irgendwo so schlimmes Leid, so brutale Knechtung und Quälerei von
Menschen wie in zerstörten Familien.
Oder ein anderes Beispiel: Normalerweise müsste ja
der Mutterleib eine Quelle des Lebens sein. Heute ist er der mit Abstand
häufigste Ort der Tötung von Leben: Die Wasser sind “bitter” geworden. Anstatt
Süßigkeit, Wonne und Freude - und was ist das anderes als Leben -‘ spenden sie
die “Bitterkeit des Todes” (1Sam 15,32).
Die vierte Posaune (8,12)
“Und der
vierte Engel posaunte: und es wurde geschlagen der dritte Teil der Sonne und
der dritte Teil des Mondes und der dritte Teil der Sterne, damit der dritte
Teil derselben verfinstert würde, und der Tag nicht schiene seinen dritten
Teil und die Nacht gleicherweise.”
Hier besteht die Strafe im Entzug des Lichts. Damit
treffen die vierte wie bereits die dritte Posaune eine
Lebensquelle, denn ohne Licht kann
kein Leben wachsen und gedeihen. So können wir sagen, dass die
Posaunengerichte Schritt für Schritt der Menschheit das Leben entziehen und
sie den Mächten und Kräften des Todes preisgeben. Das ist die Antwort des
Himmels auf die Verschmähung der Gabe des wahren Lebens (vgl. Joh 4,10.14).
Wenn wir anfangs festhielten, dass Gott langsam zum
Zorn und groß an Güte ist, dann wird das an noch einem Detail der vier
Posaunen deutlich. Es wird jedesmal nur “der dritte Teil” der Erde oder des
Meeres oder der Wasserquellen oder des Lichtes befallen. Im Umfang geht das
Gericht also noch nicht bis zum äußersten. So gibt Gott hier deutliche Zeichen
Seines Zornes, lässt aber weite Bereiche noch ausgespart, lässt so auch Raum
und Zeit zur Buße, bevor die Gerichte allumfassend werden. Dass Gott richtet,
ist gerecht; dass Er einen großen Teil schont, ist ein Ausdruck Seiner
unverdienten Güte.
Das ist darum auffällig, weil in Kapitel 16 die
letzten Plagen, die sieben
Zornesschalen, beschrieben werden. Dort sind Umfang und Ausmaß des Gerichts
total. Zudem warnt Gott dort nicht mehr, bevor die Plagen den Menschen
treffen. So erkennen wir, wie Gott sich schrittweise auf das Ende zu bewegt
und durch dieses graduelle Zunehmen der Schwere der Gerichte zum Menschen
redet. Wie wir in Kapitel 7,9.10 sahen, werden tatsächlich zahllose Menschen
in dieser Zeit Gottes Reden vernehmen, umkehren und gerettet werden.
Kapitel 9
Gott schlägt den Menschen selbst: Die zwei ersten
Wehe
Die drei
Wehen werden in 8,13 angekündigt:
“Und ich sah und ich hörte einen Adler fliegen
inmitten des Himmels und mit lauter Stimme sagen: Wehe, wehe, wehe denen, die
auf der Erde wohnen, wegen der übrigen Stimmen der Posaune der drei Engel, die
posaunen werden!”
Es kommt zu einer Verschärfung der Gerichtsplagen,
weshalb die nächsten drei Posaunen “Wehe” genannt werden. Die Verschärfung
besteht darin, dass die Plagen nicht mehr
die Lebensumstände des Menschen,
sondern den Menschen selbst treffen
werden. Von den drei Wehen befällt das erste die nicht versiegelten Juden und
das zweite die christuslose Christenheit.
Das erste Wehe (9,1-12)
“Und der
fünfte Engel posaunte: und ich sah einen Stern, der vom Himmel auf die Erde
gefallen war[6]; und es wurde
ihm der Schlüssel zum Schlund des Abgrundes gegeben. Und er öffnete den
Schlund des Abgrundes; und ein Rauch stieg auf aus dem Schlund, wie der Rauch
eines großen Ofens, und die Sonne und die Luft wurde verfinstert vom Rauch des
Schlundes. Und aus dem Rauch kamen Heuschrecken hervor auf die Erde, und es
wurde ihnen Gewalt gegeben, wie die Skorpione der Erde Gewalt haben. Und es
wurde ihnen gesagt, dass sie nicht beschädigen sollten das Gras der Erde, noch
irgend etwas Grünes, noch irgendeinen Baum, sondern die Menschen, die nicht
das Siegel Gottes an ihren Stirnen haben.”
Wen betrifft diese Plage? Nicht alle Menschen,
sondern nur jene, die nicht das Siegel Gottes an ihren Stirnen hatten. Damit
könnten zwar alle nicht versiegelten Menschen gemeint sein; aber es ist eher
anzunehmen, dass es ausschließlich um
nicht versiegelte Juden geht. Hier handelt Gott mit dem nicht gläubigen
Teil Israels. Wir verstehen auch, warum Gott mit den Juden besonders umgeht,
und warum Er sie schwerer straft als andere Menschen. Sie wussten mehr als
etwa Buddhisten oder Hindus oder Moslems. Und weil sie mehr wussten, aber
nicht danach taten, werden sie schwerer bestraft. Das ist ein biblisches
Prinzip, wie wir in Lukas 12,47 lesen können. Die Plage besteht darin, dass
die Macht des Abgrundes auf sie losgelassen wird. Der Abgrund wird geöffnet
und Rauch steigt auf und verfinstert die Luft. Geistliche und sittliche
Verfinsterung breiten sich aus. In solcher Atmosphäre gedeihen Mächte, die wie
Heuschrecken alles Leben vertilgen, und die wie Skorpione den Menschen plagen
können. Das Gift des Skorpions wirkt wie Nervengift, wie ich aus eigener
schmerzhafter Erfahrung weiß. Wenn der Mensch von einem Skorpion gestochen
worden ist, wird er, solange das Gift wirkt, vollkommen rastlos, er meint
wahnsinnig zu werden. Wahnsinn und Rastlosigkeit sind nun genau die von Gott
den Juden angekündigte Strafe für ihre Verwerfung der Wahrheit, des Lichts
(5Mo 28,28.65). Die Heuschrecken sind gewiss nicht buchstäblich zu verstehen,
denn es gibt keine Heuschrecken, die wie Skorpione stechen. Gemeint sind also
Dämonen (siehe Luk 10,19), die die Menschen quälen. Nun hatte der von den
Juden verworfene Messias angekündigt, dass ihre Nation von dämonischen Mächten
befallen werden würde, weil sie Ihn, ihren Messias und Retter, verwarf (Mt
12,43-45). Das erfüllt sich hier in der äußersten Form.
“Und es wurde ihnen gegeben, dass sie nicht
töteten, sondern dass sie gequält würden fünf Monate; und ihre Qual war wie
die Qual eines Skorpions, wenn er einen Menschen schlägt. Und in jenen Tagen
werden die Menschen den Tod suchen und werden ihn nicht finden, und werden zu
sterben begehren, und der Tod flieht vor ihnen.”
Die Verzweiflung der geplagten Menschen wird so
groß sein, dass sie in ihrer Seelenpein zu sterben begehren und es nicht
können (Jer 3,21; vgl. Hi 3,21). Das wird die Verzweiflung ins unerträgliche
steigern.
“Und die Gestalten der Heuschrecken waren gleich
zum Kampfe gerüsteten Pferden, und auf ihren Köpfen wie Kronen gleich Gold,
und ihre Angesichter wie Menschenangesichter; und sie hatten Haare wie
Weiberhaare, und ihre Zähne waren wie die der Löwen. Und sie hatten Panzer wie
eiserne Panzer, und das Geräusch ihrer Flügel war wie das Geräusch von Wagen
mit vielen Pferden, die in den Kampf laufen; und sie haben Schwänze gleich
Skorpionen und Stacheln, und ihre Gewalt ist in ihren Schwänzen, die Menschen
zu beschädigen fünf Monate. Sie haben über sich einen König, den Engel des
Abgrundes; sein Name ist auf hebräisch Abaddon, und im Griechischen hat er den
Namen Apollyon. Das eine Wehe ist vorüber; siehe, es kommen noch zwei Wehe
nach diesen Dingen.”
Diese dämonischen Mächte sind wie zum Kampf
gerüstete Pferde, das heißt, sie rennen jeden Widerstand nieder. Sie haben
Gesichter wie Menschen. Man beachte hier einen wichtigen Unterschied zu den
vier lebendigen Wesen. Eines von ihnen ”hatte das Angesicht eines Menschen”
(4,7), nicht nur ”wie ein Mensch”. Gottes Regierung ist von wahrer
Menschlichkeit, d. h. sie lehrt uns Gotteserkenntnis und Gottesfurcht (denn
diese beiden Dinge machen den Menschen aus). Die von diesen dämonischen
Geistern verbreiteten falschen Lehren (siehe 1Tim 4,1) werden offenkundig sehr
human wirken. Und werden nicht im Namen der Menschlichkeit den Menschen
knechtende und am Ende zerstörende Ideologien und Sitten heute immer
ausschließlicher propagiert. Laufen die die Schlagworte der Menschenrechte,
der Rechte der Frau, der Rechte des Kindes, der sittlichen und religiösen
”Toleranz” etc. nicht letztlich darauf hinaus, Gott zu entthronen? Die Haare
der Heuschrecken machen sie feminin, sanft, attraktiv wie Frauen, ist doch
“Frauenhaar” nach 1Kor 11,15 der besondere
Schmuck der Frau. Hinter der so menschlich und anziehend wirkenden
Maske aber enthüllt sich das wahre Wesen dieser Mächte:
Sie haben Zähne wie Löwen. Wie mancher wird durch
so human wirkende Ideologien und anziehende Theorien angelockt, um dadurch in
die Fänge des Verderbers zu geraten. Dazu haben diese Mächte eiserne Panzer.
Sie sind hart, herzlos, unerbittlich. Die Gewalt ist in den Schwänzen, womit
falsche Lehren gemeint sein könnten, was sich aus Jesaja 9,15 ergäbe: “Der Prophet, der Lüge lehrt, er ist der Schwanz.” Auf alle
Fälle sind diese Mächte von Satan angeführt, der hier mit dem hebräischen
Namen Abaddon und dem griechischen
Namen Apollyon bezeichnet wird. Das
hebräische Wort bedeutet “Verderben”, das griechische “Verderber”.
Das zweite Wehe (9,13-21)
“Und der
sechste Engel posaunte: und ich hörte eine Stimme aus den vier Hörnern des
goldenen Altars, der vor Gott ist, zu dem sechsten Engel, der die Posaune
hatte, sagen: Löse die vier Engel, die am großen Strom Euphrat gebunden sind.
Und die vier Engel wurden gelöst, die bereitet waren auf Stunde und Tag und
Monat und Jahr, damit sie den dritten Teil der Menschen töteten. Und die Zahl
der Kriegsheere zu Ross war zweimal zehntausend mal zehntausend; ich hörte
ihre Zahl.”
Hier scheint es sich um ein Gericht zu handeln, das
die ehemals christlichen Völker, das ist zur Hauptsache Europa, trifft. Woran
lässt sich das erkennen? Zwei Hinweise sind uns gegeben: Wenn das erste Wehe,
die abtrünnige Judenheit traf, dann ist es sehr naheliegend, dass ein
besonderes Wehe auch die christuslose Christenheit befällt. Von der gilt
genauso, dass sie mehr wusste als die nichtchristlichen Völker, häufigere und
bessere Gelegenheit hatte, zu glauben und gerettet zu werden, und daher wegen
ihres Unglaubens ein “schwereres Gericht” empfangen wird (Mk 12,40).
Als zweites wird hier vom Euphrat gesprochen.
Dieser war die äußerste östliche Grenze des Römischen Reiches Wenn es nun
heißt, von jenseits des Euphrat kommen Heere und richten Verderben an, dann
scheint es zu bedeuten, dass dieses Gericht besonders dem
wiedererstandenen Römischen Reich
gilt, und das ist das wiedererstarkte Europa, der kulturelle Erbe Roms (Dazu werde ich mehr sagen in den
Erörterungen zum Kap 13).
In der Bibel ist der Euphrat die äußerste Grenze
des gelobten Landes (Jos 1,4). Die symbolische Bedeutung wäre dann die, dass
Gott das Volk, das sich zu Recht nach Seinem Namen genannt hat, aber
inzwischen vollkommen vom Glauben abgefallen ist, die Christenheit also,
grausamen Peinigern preisgibt.
Wenn der Befehl von “den Hörnern des goldenen
Altars” ausgeht, dann ist dieses Gericht wiederum Antwort auf Gebet; denn
dafür steht der Räucheralter des Heiligtums (Ps 141,2). Es sind wiederum die
Gebete der bedrängten Heiligen, die Gottes Arm zum Gericht bewegen.
Die Tatsache, dass sie gelöst werden müssen, zeigt,
dass es böse Engel sind. Gott hat sie in Seiner Regierung bis auf den
bestimmten Tag vom Ausüben ihrer Lust zur Zerstörung zurückgehalten. Nun
werden sie losgelassen, um ihr Werk der Zerstörung zu tun.
“Und so sah ich die Rosse in dem Gesicht und die
auf ihnen saßen, und sie hatten feurige und hyazinthene und schwefelgelbe
Panzer; und die Köpfe der Rosse waren wie Löwenköpfe, und aus ihren Mäulern
geht Feuer und Rauch und Schwefel hervor. Von diesen drei Plagen wurde der
dritte Teil der Menschen getötet, von dem Feuer und dem Rauch und dem
Schwefel, die aus ihren Mäulern hervorgehen. Denn die Gewalt dieser Rosse ist
in ihrem Maul und in ihren Schwänzen; denn ihre Schwänze sind gleich Schlangen
und haben Köpfe, und mit ihnen beschädigen sie.”
Die besondere Plage, die über die Christenheit
kommt, wird eher als die seelische und geistige Pein der Judenheit in
physischer Zerstörung bestehen. Beim ersten Wehe flieht der Tod den Menschen,
beim zweiten Wehe rafft der Tod Milliarden dahin. Das ist ein unvorstellbares
Ausmaß an Zerstörung. “Feuer, Rauch und Schwefel” sind alle drei Bestandteile
der ewigen Pein, der Höllenqual (14,11; 20,10). Es wird also auch mehr als nur
körperlicher Tod und leibliche Pein sein. Darauf verweist die Macht, die in
den Schwänzen ist, die offenkundig ein Hinweis auf die Macht satanischer Lüge
ist; denn “ihre Schwänze sind gleich Schlangen”. Paulus hat in 2Thes 2
angekündigt, dass in der Christenheit “die Lüge” triumphieren wird, weil man
die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen hatte, um gerettet zu werden (Verse
10-12).
Und was ist mit den übrigen zwei Dritteln der
Menschen?
“Und die übrigen Menschen, die durch diese Plagen
nicht getötet wurden, taten nicht Buße von den Werken ihrer Hände, dass sie
nicht anbeteten die Dämonen und die goldenen und die silbernen und die ehernen
und die steinernen und die hölzernen Götzenbilder, die weder sehen noch hören
noch wandeln können. Und sie taten nicht Buße von ihren Mordtaten, noch von
ihren Zaubereien, noch von ihrer Hurerei, noch von ihren Diebstählen.”
Sie taten
nicht Buße. Die ehemals christlichen Nationen werden in der Zeit der
Gerichte offensichtlich nicht mehr Buße tun können. Zu lange haben sie die
Wahrheit gekannt und doch nicht annehmen wollen. Licht, das verworfen wird,
wird zu Finsternis. Es werden wohl sehr viele Menschen noch Buße tun (Kap 7),
auch in der Gerichtszeit; aber das wird weniger in den christianisierten als
vielmehr in den nichtchristlichen Völkern geschehen.
Man will nicht davon ablassen, die Werke der
eigenen Hände, seine kulturellen, technischen, medizinischen Errungenschaften
zu bewundern, während man sich weigert anzuerkennen, dass man alles, was man
ist und hat, dem ewigen Gott verdankt. Zudem will man nicht davon lassen,
seinen Trieben zu dienen: dem Hass, das ist Mord, der Ausschweifung, der
Rücksichtslosigkeit und dem Egoismus, das ist Diebstahl. Lüge und Mord, die
beiden Eigenschaften Satans (Joh 8,44), werden am Ende den gegen den Himmel
rebellierenden Menschen vollständig dominieren.
Kapitel 10 und 11
Heil inmitten des Gerichts
Wie
zwischen das sechste und siebte Siegel hat Johannes einen Abschnitt zwischen
die sechste und siebte Posaune eingeschoben. Beide Einschübe zeigen, wie Gott
inmitten des Gerichts Seine Absichten des Heils erfüllt:
1. Der Messias Israels
nimmt die Erde in Besitzt 10,1–4
2. Der Messias erfüllt
alle Verheißungen 10,5–7
3. Das Ziel ist süß,
der Weg dahin ist bitter 10,8–11
4. Treue Zeugen gegen
satanischen Widerstand 11,1–6
5. Scheinbare
Niederlage und vollkommener Triumph 11,7–13
6. Die letzte Posaune =
das dritte Wehe 11,14–18
Kapitel 10
Der Messias Israels nimmt die Erde in Besitz (10,1–4)
“Und ich
sah einen anderen starken Engel aus dem Himmel herniederkommen, bekleidet mit
einer Wolke, und der Regenbogen war auf seinem Haupt, und sein Angesicht war
wie die Sonne, und seine Füße wie Feuersäulen; und er hatte in seiner Hand ein
geöffnetes Büchlein. Und er stellte seinen rechten Fuß auf das Meer, den
linken aber auf die Erde; und er rief mit lauter Stimme, wie ein Löwe brüllt.
Und als er rief, redeten die sieben Donner ihre Stimmen. Und als die sieben
Donner redeten, wollte ich schreiben; und ich hörte eine Stimme aus dem Himmel
sagen: Versiegle, was die sieben Donner geredet haben, und schreibe dieses
nicht.”
Es ist bereits das dritte Mal, dass wir in diesem
Buch von einem “anderen Engel” (siehe 7,2 und 8,3) lesen. Hier ist damit
sicher der Sohn Gottes selbst gemeint. Er wird auch im Alten Testament oft
“Engel des Herrn” genannt (1Mo 22,11; Ri 6,11.22). Die entsprechenden
hebräischen und griechischen Ausdrücke
(mal'âk; angelos) bedeuten ja soviel wie “Bote, Gesandter”. Er brüllt wie
ein Löwe, denn es ist der Löwe von Juda (5,5), der sich duckt und zum Sprung
ansetzt (1Mo 49,9), um gegen den Widerstand Seiner Feinde Sein Erbe
beansprucht (vgl. Jes 31,4.5; Jer 25,30.31; Joel 3,16 bzw. 4,16; Am 1,2). Er
hat einen Fuß auf das Meer, den andern auf die Erde gestellt. Er kommt, um
Seine Schöpfung, die Erde und das Meer, Besitz zu nehmen (vgl. Jos 1,3).
Wieder begegnen wir dem Regenbogen wie in Kapitel 4. Es ist das Zeichen von
Gottes Gnadenbund. Die Gnadengaben und die Berufung Gottes können Ihn nicht
reuen (Röm 11,29). Und darum geht es in diesem Kapitel: Gemäß der Verheißung
des Bundes erfüllt Er Seine Heilsabsichten mit Israel. Das ist der Grund,
warum der Engel ein geöffnetes
Büchlein in der Hand hat, das einen offenkundigen Gegensatz zum
versiegelten Buch von Kapitel 5,1
bildet: Es erfüllen sich seit alters bekannte, von Gott offen ausgesprochene
Dinge (siehe Apg 3,21). Es werden dann in Kapitel 11 tatsächlich Dinge
beschrieben, die wir aus den alttestamentlichen Propheten, etwa Jesaja, Daniel
oder Sacharja, bereits wissen. Sodann ist es ein
Büchlein (biblaridion), nicht wie in 5,1 ein Buch
(biblion): Der geographische Umfang
des darin beschriebenen Geschehens ist gegenüber den Gerichten von Kapitel 6;
8; 9 u. 16 begrenzt: Es geht um Ereignisse in und um Jerusalem, der “Stadt des
großen Königs” (Ps 48,1).
Der Messias Israels erfüllt alle Verheißungen 10,5–7
“Und der Engel, den ich auf dem Meere und auf der
Erde stehen sah, erhob seine rechte Hand zum Himmel und schwur bei dem, der da
lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, welcher den Himmel erschuf und was in ihm ist,
und die Erde und was auf ihr ist, und das Meer und was in ihm ist, dass keine
Frist mehr sein wird, sondern in den Tagen der Stimme des siebenten Engels,
wenn er posaunen wird, wird auch das Geheimnis Gottes vollendet sein, wie er
seinen eigenen Knechten, den Propheten, die frohe Botschaft verkündigt hat.”
Die “frohe Botschaft” ist nun eben die, dass der
König kommt, der Himmel und Erde erschaffen hat, um die Erde endlich in Besitz
zu nehmen und in Zion zu regieren, Gott zur Ehre und den Menschen zur
unaussprechlichen Glückseligkeit.
In Kapitel 11 werden wir sehen, dass der Weg dahin
durch Anfeindung, Verfolgung und Tod geht. Das kann aber nichts daran ändern,
dass die Erlösten am Ziel ankommen. Das ist ein Charakteristikum eben des
Evangeliums. Gott hat uns in diesem das Ziel bereits genannt und uns gezeigt,
dass wir in einem gewissen Sinn bereits dort sind (Eph 2,6; Kol 3,1). Und dann
zeigt Er uns, dass unser Weg dahin “durch viele Trübsale” geht (Apg 14,22).
Aber Er sorgt durch Seine Macht (1Pet 1,5) dafür, dass wir das Ziel erreichen.
Wenn der Herr kommt, wird er das Böse und die Bösen
richten. Damit haben wir einen Fingerzeig, was hier mit dem “Geheimnis Gottes”
gemeint ist. Es ist das Leiden der Gerechten in der Zeit, da die Gottlosigkeit
auf der Erde regierte. Das war seit dem Sündenfall schon so, weshalb ein Abel
schon von einem Kain erschlagen wurde; und es wird in der letzten Zeit in
besonders ausgeprägter Weise der Fall sein (Mt 24,12). Dieses Triumphieren des
Bösen über die Gerechten ist den Heiligen immer unbegreiflich gewesen (Ps 73).
Nun aber kommt der Menschensohn und richtet das Böse. Er wird wie ein
Feuerofen sein am Tag Seines Kommens (Mal 4,1.2; bzw. 3,19.20). Die Gerechten
werden dem HERRN ”zum Eigentum
sein an dem Tage, den ich machen werde; und ich werde ihrer schonen, wie ein
Mann seines Sohnes schont, der ihm dient. Und ihr werdet wiederum den
Unterschied sehen zwischen dem Gerechten und dem Gesetzlosen, zwischen dem,
der Gott dient, und dem, der ihm nicht dient.” (Mal 3,17.18). Dann wird das,
was uns unerklärbar war, erklärt sein; dann wird das Böse nicht mehr über die
Gerechten obsiegen dürfen. Dann werden die Gerechten erhöht und verherrlicht
und die Gottlosen erniedrigt werden.
“Warum lässt Gott es zu?” ist eine der häufigsten
gestellten Fragen über Gott und die Welt. Darüber können sich noch so
gescheite Menschen den Kopf zerbrechen; ohne Gottes Enthüllung können wir es
nicht wissen. Gott hat aber Seinen Knechten, den Propheten das Geheimnis
enthüllt (z.B. im Buch Hiob oder im Psalm 73), so dass wir es in der Bibel
nachlesen können: Wir wissen dann, woher das Böse kommt; und wir wissen vor
allem, dass es nicht immer so bleiben wird, dass das Böse triumphiert,
obgleich es gerade in der letzten Zeit unangefochten “überhandnehmen” wird (Mt
24,12). Wenn der König kommt, wird Er die Gesetzlosen richten und die
Gerechten erhöhen (Ps 75,8). Im Licht ewiger Belohnung beziehungsweise ewiger
Bestrafung wird auch offenbar werden, dass Gottes Wege in der Vorsehung
entgegen allem Schein vollkommen gerecht waren.
Das Ziel ist süß, der Weg ist bitter (10,8–11)
In den
folgenden Versen muss der Seher Johannes die Botschaft entgegennehmen, die den
Weg beschreibt, der zum herrlichen Ziel führt:
“Und die Stimme, die ich aus dem Himmel hörte,
redete wiederum mit mir und sprach: Gehe hin, nimm das geöffnete Büchlein in
der Hand des Engels, der auf dem Meere und auf der Erde steht. Und ich ging zu
dem Engel und sagte ihm, er möge mir das Büchlein geben. Und er spricht zu
mir: Nimm es und iss es auf; und es wird deinen Bauch bitter machen, aber in
deinem Munde wird es süß sein wie Honig. Und ich nahm das Büchlein aus der
Hand des Engels und aß es auf; und es war in meinem Munde süß wie Honig, und
als ich es gegessen hatte, wurde mein Bauch bitter gemacht. Und es wurde mir
gesagt: Du musst wiederum weissagen über Völker und Nationen und Sprachen und
viele Könige.”
Wie einst Jeremia, “isst” Johannes die Worte Gottes
(Jer 15,16), will sagen: Er nimmt sie auf und macht sie zu einem festen
Bestandteil seines Denkens und Trachtens. Weil das Ziel herrlich ist, schmeckt
die Botschaft süß. Aber der Weg dahin ist schrecklich, darum bitter, und darum
verursacht die Botschaft auch Bauchgrimmen. Es ist herrlich zu wissen: Der
König kommt und wird regieren; aber gleichzeitig schmerzt uns der Gedanke,
dass viele Menschen sich dem König widersetzen und in schrecklichen Gerichten
untergehen. Johannes muss es besonders geschmerzt haben zu sehen, dass der
Messias zwar kommt, um im alten Bundesvolk Israel zu regieren, dass aber ein
Großteil der Israeliten durch Unglauben zugrunde gehen wird.
Kapitel 11
In diesem Kapitel bschreibt Johannes nicht Dinge, die er sieht, sondern er schreibt auf, was ihm gesagt wird. Das bedeutet, dass wir hier nicht Symbole vor uns haben, die wir entsprechend deuten müssen, sondern dass wir die Angaben wörtlich verstehen müssen. In 5,6 sagt Johannes, dass er ein Lamm wie geschlachtet sieht. Das ist Symbolsprache; in 11,8 wird das gleiche in direkter Sprache ausgedrückt: ”ihr Herr wurde gekreuzigt”.
Es handelt sich also um einen materiellen Tempel, der
in Jerusalem stehen wird, buchstäblich um zwei Zeugen, die 1260 Tage
weissagen, vom Tier aus dem Abgrund getötet werden, drei Tage tot auf der
Gasse in Jerusalem liegen, auferweckt und erhöht werden. Es wird in jener
Stadt ein Erdbeben geben, bei der ein Zehntel der Stadt zerstört wird und
siebentausend Menschen umkommen, während die übrigen Bewohner der Stadt Gott
die Ehre geben werden.
Die zwei Zeugen (11,1-6)
“Und es
wurde mir ein Rohr, gleich einem Stab, gegeben und gesagt: Stehe auf und miss
den Tempel Gottes und den Altar, und die darin anbeten. Und den Hof, der
außerhalb des Tempels ist, wirf hinaus und miss ihn nicht; denn er ist den
Nationen gegeben worden, und sie werden die heilige Stadt zertreten 42 Monate.
Und ich werde meinen zwei Zeugen Kraft geben, und sie werden weissagen 1260
Tage, mit Sacktuch bekleidet. Diese sind die zwei Ölbäume und die zwei
Leuchter, die vor dem Herrn der Erde stehen. Und wenn jemand sie beschädigen
will, so geht Feuer aus ihrem Munde und verzehrt ihre Feinde; und wenn jemand
sie beschädigen will, so muss er also getötet werden. Diese haben die Gewalt,
den Himmel zu verschließen, auf dass während ihrer Tage der Weissagung kein
Regen falle; und sie haben Gewalt über die Wasser, sie in Blut zu verwandeln,
und die Erde zu schlagen mit jeder Plage, so oft wie sie wollen.”
Hier wird vom ”Tempel Gottes” gesprochen. Aus
Daniel 9,27 und Mt 24,15 müssen wir folgern, dass ein Tempel wieder in
Jerusalem stehen wird, nachdem seit dem Jahre 70 n. Chr. keiner mehr dort
gestanden ist. Im letzten Vers des Kapitel wird in auffälliger Weise vom
”Tempel Gottes im Himmel” gesprochen. Das ist ein bewusst gesetzter Kontrast
zum Tempel auf der Erde. Der irdische, den die Juden bald in Jerusalem bauen
werden, ist ein Menschenwerk und er hat keinen Bestand. Der himmlische ist
ewig, und was im Himmel befestigt ist, bleibt ewig.
Wir lesen zweimal von einer Zeitangabe: 42 Monate
und 1260 Tage. Es sind dies die letzten dreieinhalb Jahre der Weissagung des
Endes, welche uns der Prophet Daniel im 9. Kapitel seines Buches gegeben hat:
“Und er wird einen festen Bund mit den vielen
schließen für eine Woche; und zur Hälfte der Woche wird er Speisopfer und
Schlachtopfer aufhören lassen, und wegen der Beschirmung der Greuel wird ein
Verwüster kommen, und zwar bis Vernichtung und Festbeschlossenes über das
Verwüstete ausgegossen werde” (Vers 27).
Die “Woche”, die in diesem Vers genannt wird, ist
eine sogenannte Jahrwoche, dauert
also nicht sieben Tage, sondern sieben
Jahre. In der Hälfte dieser siebenjährigen Periode wird mit dem
Gottesdienst etwas geschehen: Er wird offenkundig so verunreinigt
werden, dass Gott sagt, was sich nur äußerlich zum israelitischen Kult hält,
also nur im “Vorhof” ist, den Gott Israels aber nicht kennt, nicht an Ihn
glaubt und nicht auf Seinen Messias wartet, “hinausgeworfen” werden muss (Vers
2). Der ganze noch äußerlich betriebene Gottesdienst wird dadurch Gott zum
Greuel (man vergleiche Jesaja 66,1-4, das eine Schilderung jener Zeit ist),
dass der Antichrist sich in den Tempel setzt und sich als Gott verehren lässt
(2Thes 2,4). Der unreine Geist des Götzendienstes ist am Ende mit siebenfacher
Gewalt in das seit der Verwerfung des Messias leer gebliebene Haus Israel
zurückgekehrt (Mt 12,43-45). Als Strafe für diesen Frevel wird die Stadt 42
Monate lang von heidnischen Heeren heimgesucht und zertreten werden (Jes
28,14-19).
Während dieser gleichen Zeit, 1260 Tage nämlich,
werden die an den Messias glaubenden und auf Ihn harrenden Juden dessen
baldiges Kommen bezeugen. Sie werden die Botschaft auch des zweiten Psalms,
der eben von der letzten, eitlen Rebellion menschlicher Herrschaft gegen den
Himmel handelt (2,1-4) an ihre Zeitgenossen richten; mit Bestimmtheit werden
sie verkündigen, dass Gott Seinen Sohn zum Herrscher in Zion ausersehen hat
(2,6) und daher warnen:
“Küsst den Sohn, dass er nicht zürne, und ihr
umkommt auf dem Weg; denn gar bald wird sein Zorn entbrennen!” (V. 12)
Dieses Zeugnis ist eine offene Herausforderung an
den falschen Messias, der sich im Tempel verehren lässt. Er wird dazu nicht
schweigen, sondern anfangen, alle, die sich ihm nicht beugen, zu verfolgen und
umzubringen (siehe Kapitel 12,13.17 und 13,15). Der Druck, unter dem die
Glaubenden ihr Zeugnis aufrecht erhalten, wird so groß sein, dass sie die Tage
einzeln zählen (Dan. 12,12.13). Daher wird die Dauer ihres Zeugnisses nicht in
Jahren (wie in 12,6) oder in Monaten (wie in 11,2), sondern in Tagen
angegeben. Aber wir lesen, dass Gott seinen Zeugen “Kraft geben” wird. Das
werden sie brauchen; das braucht es auch heute, wenn man gegen die Ambitionen
und Ideale des Zeitgeistes den Glauben an Jesus Christus bezeugt.
Gott aber wird dann das Zeugnis durch Zeichen und
Wunder, wie sie einst Mose und Elia taten, bestätigen (vgl. Heb 2,4). Beachten
wir, dass diese Zeichen samt und sonders
zum Gericht, nicht zum Heil sind. Als der Sohn Gottes auf Erden war, tat
Er Zeichen, die mit Ausnahme eines einzigen - die Verfluchung des Feigenbaumes
-‘stets zum Wohl und zum Heil der Menschen waren. Blinde wurden sehend,
Aussätzige gereinigt, Tote auferweckt. Für das Ende spricht die Bibel aber nur
von Zeichen, die Gott als Ausdruck Seines Zornes wirkt. Das sollten wir uns
gerade bei der Beurteilung der gegenwärtig wachsenden Zeichen- und Wundersucht
gut merken, dies um so mehr, als die endzeitliche Verführung
durch Zeichen und Wunder begleitet
sein wird (Kapitel 13,3.14; 16,14; Mt 24,24)
Die in 11,6 genannten Zeichen sind die gleichen,
die Mose und Elia einst taten. Die erste Gerichtsplage, die Gott über Ägypten
verhängte, war die Verwandlung von Wasser - der Lebensquelle Ägyptens - in
Blut (2Mo 7), wie denn stets Unglaube Segen in Fluch (Mal. 2,2), Leben in Tod
verkehrt. Und Elia betete, worauf Feuer vom Himmel fiel und seine Verfolger
verzehrte (2Kön 1) und dass der Himmel keinen Regen gab (1Kön 17). Es werden
sich die Zeichen des Mose und des Elia deshalb wiederholen, weil Israel sich
in einer ähnlichen Lage befinden wird wie bereits vor Jahrtausenden. Es wird
wiederum wie damals von Pharao von einem Tyrannen, der jedem Anspruch Gottes
trotzt, beherrscht werden, und Israel wird wie in den Tagen Elias abgefallen
sein und den Götzen dienen. Daher wird auch seine Hauptstadt Jerusalem
Sodom, ein Ort des Götzendienstes
und der Greuel, und Ägypten (Vers 8), Stätte der Versklavung, genannt.
Gott wird Seine Zeugen übernatürlich bewahren, bis
ihr Zeugnis erfüllt ist.[7]Als Folge dieses
treuen Bekenntnisses werden “viele sich reinigen und weiß machen und läutern;
aber die Gottlosen werden gottlos handeln” (Dan. 12,10).
Scheinbare Niederlage und vollkommener Triumph
11,7–13
“Und wenn sie ihr Zeugnis vollendet haben werden,
so wird das Tier, das aus dem Abgrund heraufsteigt, Krieg mit ihnen führen,
und wird sie überwinden und sie töten. Und ihr Leichnam wird auf der Straße
der großen Stadt liegen, welche geistlicherweise Sodom und Ägypten heißt, wo
auch ihr Herr gekreuzigt wurde. Und viele aus den Völkern und Stämmen und
Sprachen und Nationen sehen ihren Leichnam drei Tage und einen halben und
erlauben nicht, ihre Leichname ins Grab zu legen. Und die auf der Erde wohnen
freuen sich über sie und frohlocken und werden einander Geschenke senden, weil
diese, die zwei Propheten, die quälten, welche auf der Erde wohnen. Und nach
den drei Tagen und einem halben kam der Geist des Lebens aus Gott in sie, und
sie standen auf ihren Füßen; und große Furcht fiel auf die, welche sie
schauten. Und ich hörte eine laute Stimme aus dem Himmel zu ihnen sagen:
Steigt hier herauf! Und sie stiegen in den Himmel hinauf in der Wolke, und es
schauten sie ihre Feinde. Und in jener Stunde geschah ein großes Erdbeben, und
der zehnte Teil der Stadt fiel, und siebentausend Menschen kamen in dem
Erdbeben um; und die übrigen wurden voll Furcht und gaben dem Gott des Himmels
Ehre.”
Erst “wenn sie ihr Zeugnis vollendet” haben, lässt
Gott es zu, dass das Tier aus dem Abgrund, der Herrscher des wiedererstandenen
Römischen Reiches, der sich mit dem in Jerusalem regierenden falschen Messias,
dem Antichristen, verbündet haben wird (Jes 28,15; Dan. 9,27), die Zeugen
umbringt. Endlich sind diese das Gewissen der Menschen quälenden Stimmen
verstummt; endlich sind diese lästigen Mahner beseitigt, die mit ihrer
Gerichtsbotschaft den Optimismus der Zeit nur störten! Der Mord an den Zeugen
des Messias wird von den Menschen nicht lediglich stillschweigend hingenommen,
sondern mit Beifall bedacht. Der Totalitarismus des letzten menschlichen
Großreiches wird schlimmer sein als alles bisher Dagewesene. Die Greuel der
Nationalsozialisten, der Judenmord, wurden vor fünfzig Jahren schweigend
hingenommen - und das war schlimm genug -‘ aber nicht offen bejubelt. Der
überwunden geglaubte Totalitarismus wird dann, wenn das Tier aus dem Abgrund
steigt, in noch schlimmerer Form wieder erstehen. Selbstverständlich wird das
nur möglich sein, weil der entsprechende Nährboden in den Jahren und
Jahrzehnten davor durch systematische Gehirnwäsche bereitet worden ist. Wie
denn diese Gehirnwäsche vor sich gehe, wollen viele wissen, die in unserer
permissiven und liberalen Gesellschaft nichts dergleichen vermuten können. Zur
Hauptsache durch die Massenmedien mit ihrer - was die antichristliche
Sittlichkeit betrifft - weitgehend gleichgeschalteten Botschaft. Wir sehen
heute die erste Generation heranwachsen, die nicht durch die Eltern, sondern
durch die Medien erzogen wird. Der Gedanke daran, wofür und wozu sie damit
bereitet werden, lässt erschaudern.
Man wird die Glaubenden dann nicht allein
umbringen, sondern sie auch noch öffentlich der Schande und dem Hohn ihrer
Hasser preisgeben: Die Leichname der beiden Zeugen dürfen nicht beerdigt
werden. Ps 79,1-3 hat das in Offenbarung 11 Geschilderte bereits
vorweggenommen:
“Gott, die Nationen sind in dein Erbteil gekommen,
haben deinen heiligen Tempel verunreinigt, haben Jerusalem zu Trümmerhaufen
gemacht, die Leichen deiner Knechte haben sie den Vögeln des Himmels zur
Speise gegeben, das Fleisch deiner Frommen den wilden Tieren der Erde. Sie
haben ihr Blut wie Wasser vergossen rings um Jerusalem, und
niemand war da, der begrub.”
Aber dann handelt Gott. Es
steht bereits im 1. Buch Samuel: “Die mich ehren, werde ich ehren, und die
mich verachten, werden gering geachtet werden” (2,30). Er sorgt dafür, dass
Seine treuen Knechte gerade dort öffentlich von Ihm geehrt werden, wo sie um
Seinetwillen öffentlich geschändet wurden. Und ihre Feinde müssen das mit
eigenen Augen sehen: “Sie stiegen in den Himmel hinauf in der Wolke, und es
schauten sie ihre Feinde.” (Man vergleiche Ps 112,10.) Die Wolke ist der
sichtbare Ausdruck der Gegenwart Gottes, wie uns die auf der Stiftshütte
ruhende Wolke lehrt (2Mos 40,34) wie auch die Wolke, in die der Herr
aufgenommen wurde, bestätigt (Apg 1,9). So werden die Feinde der Boten des
Kommenden begreifen: Sie sind gleich ihrem Meister in Gottes Gegenwart
eingegangen (vgl. Lk 24,26). Dies, und das göttliche Gerichtszeichen (das
Erdbeben), wird viele zur Umkehr bringen.
Die siebente Posaune = das dritte Wehe (11,14-18)
“Das zweite
Wehe ist vorüber; siehe, das dritte Wehe kommt bald. Und der siebte Engel
posaunte: und es geschahen laute Stimmen im Himmel, die sprachen: Das Reich
der Welt unseres Herrn und seines Christus ist gekommen, und er wird herrschen
von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und die vierundzwanzig Ältesten, die vor Gott auf
ihren Thronen sitzen, fielen auf ihr Angesicht und beteten Gott an und
sprachen: Wir danken dir, Herr, Gott, Allmächtiger, der da ist und der da war,
dass du angenommen hast deine große Macht und angetreten deine Herrschaft! Und
die Nationen sind zornig gewesen, und dein Zorn ist gekommen und die Zeit der
Toten, um gerichtet zu werden, und den Lohn zu geben deinen Knechten, den
Propheten, und den Heiligen und denen, die deinen Namen fürchten, den Kleinen
und den Großen, und die zu verderben, welche die Erde verderben.”
Der Himmel betet angesichts der Ergebnisse der
siebten Posaune an; denn diese bringt Gottes Gerichte an ihr Ende und führt
die Aufrichtung der Regierung des Messias herbei. Erneut sehen wir (wie
bereits in Kapitel 5), dass die Gerichte nicht ein Selbstzweck sind. sondern
dass sie lediglich der Weg und das Mittel sind, um dem Reich des Christus
Platz zu machen.
Worin besteht denn die siebte Posaune? Sie besteht
in den sieben Zornesschalen, den
letzten Plagen Gottes, die durch diese ausgelöst werden. Wir hatten gesehen,
dass das siebte Siegel die sieben Posaunen auslöste. Ebenso gibt ist die
siebte Posaune das Signal für den nächsten Zyklus von göttlichen
Gerichtsschlägen. Von diesen handelt das Kapitel 16. Der zeitliche Rahmen der
Ereignisse zeigt, dass die sieben letzten Schläge Gottes in dichter Folge
aufeinander fallen; denn die von Daniel angekündigten sieben letzten Jahre der
Geschichte der erwählten Nation sind, wie wir bereits gesehen haben, mit dem
abgeschlossenen Zeugnis der beiden Zeugen, nahezu abgelaufen. Es kann sich
also nur noch um Wochen handeln. Wir haben einen Hinweis zur noch
verbleibenden Dauer im letzten Kapitel des Propheten Daniel:
“Und von der Zeit an, da das beständige Opfer
abgeschafft wird - das geschieht in der Mitte der letzten Jahrwoche, Dan. 9,27
- und zwar, um den verwüstenden Greuel aufzustellen, sind 1290 Tage” (12,11).
Das sind 30 Tage über das Zeugnis der beiden Zeugen hinaus. Dann heißt es in
Daniel 12,12:
“Glückselig der, welcher harrt und 1335 Tage
erreicht!” Es schließen sich noch weitere 45 Tage an, bis man das Ziel der
Glückseligen endlich erreicht hat. In den 75 Tagen, die sich damit als
Zeitspanne zwischen der Ermordung der Zeugen und der Wiederkunft des Messias
ergeben, fallen die letzten Gerichte.
Beachten wir hier den Zusammenhang, der zwischen
der Zerstörung der Erde und dem Gericht besteht. Gott hat dem Menschen die
Erde zur Verwaltung unterstellt; er soll sie bebauen und bewahren. Die Sünde
des Menschen lässt ihn in gottvergessener Ichsucht die Erde aussaugen. Dieser
Sünde wegen schlägt Gott zunächst den Lebensraum des Menschen (Ps 107,33.34;
Jes 24,1-6; Hos. 4,1-3) und damit indirekt natürlich auch den Menschen. Im
Gericht wird Er ihn der gottlosen Ausbeutung der Erde wegen schließlich direkt
strafen. Dieser ganze Zusammenhang wird von Umweltschützern vollständig
ausgeklammert; sie machen aus der Schöpfung alles, aus dem Schöpfer nichts,
verurteilen Wirtschaftssysteme, beugen sich aber nicht unter ihre eigene
Sünde. Ihre Programme und Bemühungen götzendienerisch und darum nichtig.
Wir sind aber im Kapitel 11 noch nicht am Ende
unseres Buches angelangt, obwohl hier schon vom Regierungsantritt des Messias
gesprochen wird. In den nächsten Kapiteln wird der Seher zeitlich wieder
zurückgehen und sich eines ganz besonderen Themas annehmen, um es ausführlich
zu beleuchten. Worum es gehen wird, kündigt der Vers 19 dieses Kapitels an,
der eigentlich der erste Vers des nachfolgenden Kapitels sein sollte.
Kapitel 12–14
1. Gottes Gnadenbund
mit Israel 11,19
2. Die Bestimmung
Israels 12,1.2
3. Die Feindschaft
Satans gegen den Samen des Weibes 12,3-6
4. Satan wird aus dem
Himmel geworfen 12,7–12
5. Satan wütet auf der
Erde 12,13–18
6. Das Tier aus dem
Meer – das letzte Weltreich 13,1–10
7. Das Tier auf der
Erde – der falsche König der Juden 13,11–18
8. Das Lamm auf dem
Berg Zion und seine Nachfolger 14,1–5
9. Drei himmlische
Boten 14,6–13
10. Zwei irdische
Gerichte 14,14–20
Die Kapitel
12 bis 14 behandeln ausführlich einen besonderen Gegenstand der Weissagungen
des Johannes. Wir werden zu Beginn an den Gnadenbund und dann an die Berufung
und Bestimmung Israels erinnert. Diese ist untrennbar verbunden mit dem
Messias, der aus diesem Volk und für dieses Volk kam. Am Messias entscheidet
sich das Schicksal Israels. Darum wird in Kapitel 12 an Seine Geburt erinnert;
und darum handelt das 13. Kapitel vom falschen Messias, dem Antichristus. Wer
aus Israel dem falschen Messias folgt, geht verloren; wer dem wahren Messias
vertraut, wird errettet. Das Kapitel 14 endet mit dem Gericht, das scheidend
durch dieses Volk gehen wird.
Israel und der Neue Bund (11,19)
“Und der
Tempel Gottes im Himmel wurde geöffnet, und die Lade seines Bundes wurde in
seinem Tempel gesehen; und es geschahen Blitze und Stimmen und Donner und ein
Erdbeben und ein großer Hagel.”
Dieser Vers ist der Vorspann zu dem in den Kapiteln
12-14 behandelten Thema, wo uns gezeigt wird, unter welchen Umständen Israel
in den Neuen Bund eingehen wird. Darum wird der Ausdruck ”Lade
des Bundes” verwendet, und nicht “Lade des Zeugnisses”, was ja eine
häufige Bezeichnung dafür ist (2Mo 25,22; Jos 4,16 etc.). Wenn hier wiederum
Blitze, Donner und Stimmen geschehen, dann besagt das einmal mehr, dass
göttliche Gerichte Israels Weg in den langersehnten Hafen (vgl. Ps
107,30)begleiten werden. Wenn aber die Lade “im Himmel” gesehen wird, dann ist
das die Gewähr dafür, dass der Bund gewiss ist. Gegen allen Widerstand werden
sich die himmlischen Ratschlüsse mit dem irdischen Gottesvolk Israel erfüllen.
Hatte der Herr den Jüngern nicht verheißen, dass wohl Himmel und Erde (das ist
die Schöpfung) vergehen mögen, nicht aber Sein Wort und daher auch nicht Sein
Volk (Mt 24,34.35)?
Die Lade, die damals
auf der Erde war und als der
Ausdruck der Gegenwart Gottes in Seinem Volk galt (siehe 4 Mo 10,33-36; Ps
80,2), ging während der babylonischen Gefangenschaft verloren. Der Bund selbst
war wie das Unterpfand des Bundes - die Lade -menschlicher Verantwortung unterstellt
gewesen. Daher musste der Bund in die Brüche, musste die Lade verloren gehen.
Die Lade im Himmel aber ist
vollkommen in Gottes Hand. Der entsprechende Bund ebenso, weshalb er im
Gegensatz zum Alten nie wird gebrochen
werden können (vgl. Jer 31,31-34).
Israels Bestimmung (12,1.2)
“Und ein
großes Zeichen erschien in dem Himmel: Eine Frau, bekleidet mit der Sonne, und
der Mond unter ihren Füßen, und auf ihrem Haupte eine Krone von zwölf Sternen.
Und sie ist schwanger und schreit in Geburtswehen und in Schmerzen zu
gebären.”
Beachten wir, dass Johannes “ein Zeichen” sieht,
die Frau ist also ein Symbol und
nicht eine wirkliche Person. Daher kann die Frau unmöglich die Jungfrau Maria
sein, wie einige meinen. Dann hätte stehen müssen, dass er “im Gesicht eine
Frau sah” oder so ähnlich. Was aber bedeutet das “Zeichen”? Es ist, wie so oft
im Alten wie im Neuen Testament, ein Symbol für das
Volk Gottes. Israel wird
Braut (Jer 2,2) und auch
Ehefrau des Herrn genannt (Jes
54,6), als untreues Volk heißt es
Ehebrecherin (Hes 16,38), als vom
Herrn Verstoßene schließlich
Witwe oder
Vereinsamte (Jes 54,1).
Das Zeichen wird “im Himmel” gesehen. Das bedeutet,
dass hier gezeigt wird, was sich der Himmel für Israel vorgesetzt hat, was
Israel nach Gottes Gedanken sein
soll und einst sein wird. Was sind denn die Absichten Gottes mit dieser
Nation? Er will sie zur höchsten der
Nationen machen (5Mo 26,19; 28,1.13). Das finden viele empörend, besonders
in einer Zeit, da egalitäre Postulate den Rang ewiggültiger göttlicher Orakel
angenommen haben. Dennoch bleibt Gottes Verheißung für dieses Volk wahr. Er
hat es vor allen anderen Völkern ausgesondert (2Mo 19,5), um es zum Haupt der Nationen zu machen
(5Mo 28,13). Das nämlich bedeutet die Sonne, mit der die Frau bekleidet ist:
Israel ist eingekleidet mit höchster Autorität. Der Mond steht für
untergeordnete Autoritäten. Diese sind unter den Füßen der Frau. Im
Tausendjährigen Reich wird Israel Lehrer, Führer und Haupt über die Nationen
sein. Der Kranz von 12 Sternen spricht von der vollkommenen Verwaltung der
Erde - die Sterne sind von Gott eingesetzte Autoritäten - die von Israel
ausgehen wird.
Im Bild der schwangeren Frau, die in Schmerzen
schreit, sagt Gott, dass Israel nicht anders als durch Not und Drangsal diese
Bestimmung erreichen wird. Durch wieviel Not ist dieses Volk schon gegangen
(Jes 26,17.18; Mi 4,9.10)! Und doch stehen ihm die schlimmsten Wehen noch
bevor. Der Herr selbst hat gesagt, dass die Zeit vor Seinem zweiten Kommen für
Israel wie Geburtswehen sein werden (Mt 24,8; siehe auch Jer 30,6.7). Die
Drangsal ergibt sich aus der Bestimmung dieses Volkes, den Messias zur Welt zu
bringen; denn “das Heil ist aus den Juden” (Joh 4,22). Aus Israel ist “dem
Fleisch nach der Christus” (Röm 9,4). Und nur damit hängt die Einzigartigkeit
dieses Volkes zusammen. Das ist der Grund, warum Gott sich ein Volk erwählte,
um nämlich durch dieses Volk Seinen Messias in die Welt einzuführen. Durch
wieviel Leiden musste nicht Gott dieses Volk führen, um es für seine
einzigartige Aufgabe zu erziehen, nämlich Stammvater des Messias und Lehrer
der Nationen zu sein. Zu letzterem noch eine Frage: Woher wüssten wir, wer
Gott ist, was Seine Gedanken sind, wenn nicht durch die israelitischen
Propheten und jüdischen Apostel? Also ist Israel tatsächlich Lehrer gewesen;
es wird es wieder sein (Jes 66,19).
Die Feindschaft Satans gegen den Samen des Weibes
12,3-6
“Und es erschien ein anderes Zeichen in dem Himmel:
Und siehe, ein großer feuerroter Drache, der sieben Köpfe und zehn Hörner
hatte, und auf seinem Köpfen sieben Diademe; und sein Schwanz zieht den
dritten Teil der Sterne des Himmels mit sich fort; und er warf sie auf die
Erde. Und der Drache stand vor der Frau, die im Begriff war zu gebären, damit
er, wenn sie geboren hätte, ihr Kind verschlänge. Und sie gebar einen
männlichen Sohn, der alle Nationen weiden soll mit eiserner Rute; und ihr Kind
wurde entrückt zu Gott und zu seinem Thron. Und die Frau floh in die Wüste, wo
sie eine von Gott bereitete Stätte hat, damit man sie dort ernähre 1260 Tage.”
Das zweite Zeichen im Himmel zeigt uns die
Feindschaft Satans gegen die Frau. Der Satan hasst das Volk Israel einzig aus
diesem Grund, dass es den Retter und kommenden Herrscher der Welt
hervorgebracht hat. Der Drache zieht mit seinem Schwanz den dritten Teil der
Sterne auf die Erde herab: Wenn das Tier mit den sieben Köpfen als Satan in
Person gesehen wird, dann bedeutet das, dass ein Drittel der Engel, von Satan
verleitet, gefallen ist und ihm folgt und seinen Zwecken dient (vgl. Verse 7
und 9). Der Drache hat sieben Köpfe und zehn Hörner hat wie das Tier aus
Kapitel 13. Daher sollten wir das Zeichen eher so verstehen, dass der Satan
sich menschlicher Reiche und Herrscher bedient hat und bedienen wird in
seinem Ansinnen, das Volk Israel und damit den Messias zu vernichten. Beim
ersten Kommen Jesu versuchte der Drache durch das Römische Reich Ihn zu
verschlingen. Dieses gleiche Reich wird bei Seiner Wiederkunft Krieg gegen Ihn
führen (17,14). Die vom Himmel gefallenen Sterne stehen ähnlich wie in 6,13
für menschliche Gewalten.
Alle Versuche, dieses Volk auszurotten, sei es
durch den Pharao in Ägypten (2Mo 1), sei es durch Haman während der Zeit
persischer Oberhoheit (das Buch Esther), galten letztlich dem großen Sohn
dieses Volkes, der einst zur Welt kommen sollte. Und weil das Heil aus den
Juden gekommen ist, wurde das Volk der Juden seither und bis heute gehasst.
Aber Gottes Ratschlüsse können nicht vereitelt
werden: Der Drache kann das Kind nicht verschlingen; es wird zu Gott entrückt.
Im Gesicht werden Geburt und Himmelfahrt des Sohnes Gottes zusammengefasst,
obwohl wir wissen, dass ein dreißigjähriges Leben, dann Leiden und Sterben des
Messias dazwischenlagen. Vom zum Himmel entrückten Kind heißt es, dass es die
Völker weiden werde. Die altorientalischen Völker und auch die Griechen
nannten mit Vorliebe Könige und Herrscher “Hirten”. Das Alte Testament nun
sagt, dass der wahre Hirte der Völker der Gott Israels selbst ist, und das ist
niemand anders als der menschgewordene Gottessohn. Von Ihm hat der Prophet
Micha in einer Weissagung, die wie unser vorliegende Abschnitt von der Geburt
des Herrn bis zu Seiner messianischen Regierung geht, bereits gesagt:
“Und du, Bethlehem ... aus dir wird hervorkommen,
der Herrscher über Israel sein soll; und seine Ausgänge sind von der Urzeit,
von den Tagen der Ewigkeit her. Darum wird er sie dahingeben, bis zur Zeit,
da eine Gebärende geboren hat... Und
er wird dastehen und seine Herde weiden
in der Kraft des HERRN, in der Hoheit des Namens des HERRN, seines Gottes.
Und sie werden wohnen; denn nun wird er groß sein
bis an die Enden der Erde. Und
dieser wird Friede sein” (Mi. 5,1-4).
Micha übergeht wie Johannes Leben, Leiden und
Sterben des Herrn und fasst in einer großartigen Schau Geburt und kommende
Herrschaft des Messias zusammen.
Im nächsten Bild befinden wir uns, die wir in
diesen beiden Gesichten an den göttlichen
Ursprung zurückgeführt und an die
von Anfang an gegebene Bestimmung
Israels erinnert worden sind, wieder am
Ende der Zeit: Die Frau flieht in die Wüste. Es ist in prophetischen
Büchern nichts Außergewöhnliches, dass in einem Atemzug Dinge genannt werden,
die Jahrtausende auseinander liegen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist neben
dem bereits genannten auch Sacharja 9,9.10. Vers 9 spricht vom ersten Kommen
des Herrn, Vers 10 vom zweiten, das rund zweitausend Jahre später erfolgt.
Wenn weiter oben gesagt wurde, die einzigartige
Bedeutung Israels und die göttliche Bestimmung Israels lägen darin, dass es
den Messias hervorgebracht hat, dann müssen wir in unserem gegenwärtigen
Zusammenhang noch folgendes festhalten:
Das ganze Schicksal Israels entscheidet sich an seiner Stellung zu eben diesem
Messias. Glaubt es an Ihn, wird es in den von Gott verordneten Neuen Bund
eingeführt; glaubt es nicht an Ihn, geht es in den göttlichen Gerichten unter
(Joh 8,24). Die große Entscheidungsfrage wird daher im vorliegenden Abschnitt
(Kapitel 12-14) genau die sein: Wem folgt Israel, dem wahren oder dem falschen
Messias? Daher ist im Kapitel 13 die Rede vom falschen Messias, vom
Antichristus und seinem Anhang, in Kapitel 14 vom wahren Christus und Seinen
Nachfolgern.
Die Zeitangabe in Vers 6 zeigt, dass es sich um die
gleiche Zeit handelt, in der die beiden Zeugen in Jerusalem ihr Zeugnis
vollenden werden. Interessanterweise wird die Zeit auch hier in Tagen
angegeben. Was das für die in Jerusalem verbliebenen Zeugen des kommenden
Königs bedeutete, haben wir bereits gesehen. Hier flieht die Frau - gemeint
ist wohl ein Großteil des gläubigen Überrests Israels - vor der Verfolgung,
wozu der Herr sie ja auch in Seiner Endzeitrede aufgefordert hatte, und zwar
genau zu dem Zeitpunkt, da der Antichrist in der Hälfte der Woche den
Gottesdienst verderben und sich selbst als Gegenstand der Anbetung in den
Tempel setzen würde (Mt 24,15-22). Wie gerade Matthäus 24,22 zeigt, wird auch
den Flüchtigen die Zeit lang werden. Wie tröstlich zu wissen, dass Gott selbst
die Zeit verkürzen wird. Das heißt, dass Er durch Sein Eingreifen dafür sorgen
wird, dass die Schreckensherrschaft der beiden Tiere (siehe Off 13) nicht
endlos sein wird (vgl. Ps 125,3).
Jeder Tag ist gezählt, die Zeit des Ausharrens ist genau bemessen (vgl. auch
Kapitel 2,10). Auch dafür sorgt “der Gott des Maßes” (2Kor 10,13).
Satan wird aus dem Himmel geworfen (12,7–12)
“Und es entstand ein Kampf im Himmel: Michael und
seine Engel kämpften mit dem Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel;
und sie obsiegten nicht, auch wurde ihre Stätte nicht mehr im Himmel gefunden.
Und es wurde geworfen der große Drache, die alte Schlange, der Teufel und
Satan genannt wird, der den ganzen Erdkreis verführt, geworfen wurde er auf
die Erde, und seine Engel wurden mit ihm hinabgeworfen. Und ich hörte eine
laute Stimme im Himmel sagen: Nun ist das Heil und die Macht und das Reich
unseres Gottes und die Gewalt seines Christus gekommen[8]; denn
hinabgeworfen ist der Verkläger unserer Brüder, der sie Tag und Nacht vor
unserem Gott verklagte. Und sie haben ihn überwunden um des Blutes des Lammes
und um des Wortes ihres Zeugnisses willen, und sie haben ihr Leben nicht
geliebt bis zum Tod! Darum seid fröhlich, ihr Himmel und die ihr in ihnen
wohnt! Wehe der Erde und dem Meer! denn der Teufel ist zu euch hinabgekommen
und hat große Wut, da er weiß, dass er wenig Zeit hat.”
Dieser Blick in den Himmel erklärt, warum der
Drache das Kind nicht verschlingen und die Frau nicht vertilgen konnte: Er
hätte vorher den Himmel selbst besiegen müssen. Der Satan kann Gottes
Ratschlüsse nicht umwerfen; aber er widersetzt sich dennoch Gottes Willen und
Gottes Befehl mit aller Macht: Es entsteht ein Kampf im Himmel, in dem der
Satan mit seinem Gefolge von gefallenen Engeln gegen Michael und dessen Engel
kämpft. Das zeigt, dass der Angriff Satans auf das Volk Gottes in der letzten
Absicht der Versuch Satans ist, Gott selbst vom Thron zu stürzen. Ein
nichtiges Unterfangen! Es endet damit, dass der Satan selbst aus dem Himmel
gestürzt wird; denn “Wer ist wie Gott?”. Das ist die Bedeutung des Namens
Michael.
Emil Dönges schrieb vor etwa siebzig Jahren in
seiner Auslegung zum Buch der Offenbarung :
“Als Anführer der Engel Gottes in dem Kampf mit
Satan und seinen Engeln sehen wir den Erzengel Michael. Sein Name ist
bezeichnend: Er heißt ›Wer ist wie Gott?‹ Hatte Satan im Paradies auf Erden
den ersten Menschen bei der Verführung vorgelogen: ›Ihr werdet sein wie Gott‹,
so tritt ihm hier, wo die erlösten Menschenkinder ins himmlische Paradies
eingeführt werden, ein Erzengel entgegen, der da heißt: ›Wer ist wie Gott?‹
und wirft ihn hinaus, hinab auf die Erde.” (Emil Dönges: “Was bald geschehen
muss”, Seite 163).
Gott lässt Seine Engel gegen Satan und dessen Engel
kämpfen. Wir fragen uns, warum Gott den Satan nicht durch Seine Allmacht aus
dem Himmel wirft, sondern es auf diesem indirekten Weg tut. Wir können nichts
Sicheres darüber sagen, aber doch vermuten, dass es zur wirklichen
Erniedrigung und Niederlage des Teufel gehören muss, dass er, ein Engel, von
Engeln besiegt werden muss. Er hatte einen Teil der Engel als Verbündete
gewinnen können; aber da war ein anderer Teil, der Gott die Treue hielt. Das
ausgerechnete diese es sind, die ihn samt Anhang überwinden und aus dem Himmel
fegen, macht seine Niederlage um so bitterer.
Der Fall Satans fällt in die Mitte der siebzigsten
Jahrwoche Daniels. Er erklärt die vollständige Anarchie des sechsten Sigels,
und er ist dafür verantwortlich, dass im Tempel der Greuel der Verwüstung
aufgestellt wird und dass das Tier, das aus dem Abgrund (11,7) und aus dem
(Völker)Meer (13,1) kommt, zur unumschränkten Gewalt aufsteigt. Die “kurze
Zeit”, die in Vers 12 genannt wird, beträgt 42 Monate (11,2) oder 1260 Tage
(Vers 6) oder “eine Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit” (Vers 14), das sind
dreieinhalb Jahre. Es ist die Zeit der “großen Wut” Satans. Sie äußert sich in
drei Dingen: Er lästert den Himmel, er verfolgt und tötet die Gläubigen, und
er bindet die übrigen Menschen an den schlimmsten Götzendienst der gesamten
Menschheitsgeschichte. Davon wird in Kapitel 13 ausführlich die Rede sein.
Satan wütet auf der Erde (12,13–18)
“Und als der Drache sah, dass er auf die Erde
geworfen war, verfolgte er die Frau, die das männliche Kind geboren hatte. Und
es wurden der Frau die zwei Flügel des großen Adlers gegeben, damit sie in die
Wüste fliege, an ihre Stätte, wo sie ernährt wird eine Zeit und Zeiten und
eine halbe Zeit, fern vom Angesicht der Schlange. Und die Schlange warf aus
ihrem Mund Wasser, wie einen Strom, hinter der Frau her, damit sie mit dem
Strom fortrisse. Und die Erde half der Frau, und die Erde tat ihren Mund auf
und verschlang den Strom, den der Drache aus seinem Mund warf. Und der Drache
wurde zornig über die Frau und ging hin, Krieg zu führen mit den übrigen ihres
Samens, welche die Gebote Gottes halten und das Zeugnis Jesu haben.”
Der Frau wurden “die Flügel des großen Adlers”
gegeben, ein Bild, das uns wiederum an die Errettung Israels aus Ägypten
erinnert (2Mo 19,4; 5Mo 32,10.11), und auch damals zog das Volk “in die
Wüste”. Aus tödlicher Gefahr und Nachstellung wird Israel gerettet werden: Der
Strom, den die Schlange aus dem Mund wirft steht für die Verfolgung der
Gläubigen. Das lernen wir aus Ps 124. Wie David dort bereits gesungen hatte,
wird der Herr Seine Erlösten befreien und retten:
“Wenn nicht der Herr für uns gewesen wäre, als die
Menschen gegen uns aufstanden, dann hätten sie uns lebendig verschlungen, als
ihr Zorn gegen uns entbrannte; dann hätten uns
die Wasser überflutet, wäre
ein Strom über unsere Seelen
gegangen; dann wären über unsere Seele gegangen
die stolzen Wasser. Gepriesen sei
der Herr, der uns nicht zum Raub gab ihren Zähnen!” (Ps 124,2-6).
Der Herr wird Menschen verwenden, die “den Strom
verschlingen”: Die Gläubigen, die der Herr “die geringsten seiner Brüder” (Mt
25,40) nennt, werden vor ihren Häschern versteckt und versorgt werden (Mt
10,39-42; 25,34-40) wie einst die Kundschafter Josuas bei der Hure Rahab (Jos
2). Und wie damals Rahab ihres Glaubens wegen vor dem Untergang verschont
wurde (Heb 11,31), werden auch dann die Beschützer der Erlösten vom Gericht
verschont werden, um in das Reich des Menschensohnes einzugehen (Mt 25,34).
Der Zorn des Drachen richtet sich nunmehr gegen die
verbliebenen Erlösten, die nicht geflüchtet sind, und das sind u.a. die in
Kapitel 11 genannten Zeugen: Sie haben “das Zeugnis
Jesu”. Sie werden in der Stadt des
Antichristen selbst bezeugen, dass
Jesus, der Mensch Jesus von Nazareth, der wiederkommende Messias ist. Der
Drache führt Krieg gegen sie. Und tatsächlich wird es dem Tier, dem großen
Werkzeug des Zornes Satans, gelingen, viele Heilige zu überwinden und zu töten
(11,7; 13,7).
Kapitel 13
In diesem
Kapitel werden spielen zwei Tiere die Hauptrolle. Das erste Tier ist ein
heidnischer Herrscher und ein heidnisches Reich; denn es steigt aus dem Meer
auf. Das zweite Tier ist ein jüdischer Herrscher.
Das Tier aus dem Meer: Das letzte Weltreich und sein
Herrscher (13,1-10)
“Und ich
stand auf dem Sande des Meeres. Und ich sah aus dem Meer ein Tier aufsteigen,
das zehn Hörner und sieben Köpfe hatte, und auf seinen Hörnern zehn Diademe,
und auf seinen Köpfen Namen der Lästerung. Und das Tier, das ich sah, war
gleich einem Parder, und seine Füße wie die eines Bären, und sein Maul wie
eines Löwen Maul. Und der Drache gab ihm seine Macht und seinen Thron und
große Gewalt. Und ich sah einen seiner Köpfe wie zum Tod geschlachtet. Und
seine Todeswunde wurde geheilt, und die ganze Erde verwunderte sich über das
Tier. Und sie beteten den Drachen an, weil er dem Tier die Gewalt gab, und sie
beteten das Tier an und sagten: Wer ist dem Tier gleich? Und wer vermag mit
ihm zu kämpfen? Und es wurde ihm ein Mund gegeben, der große Dinge und
Lästerungen redete; und es wurde ihm Gewalt gegeben, zu wirken zweiundvierzig
Monate. Und es öffnete seinen Mund zu Lästerungen gegen Gott, seinen Namen zu
lästern und seine Hütte und die, welche ihre Hütte im Himmel haben. Und es
wurde ihm gegeben, mit den Heiligen Krieg zu führen und sie zu überwinden; und
es wurde ihm Gewalt gegeben über jeden Stamm und Volk und Sprache und Nation.
Und alle, die auf der Erde wohnen, werden es anbeten, ein jeder, dessen Name
nicht geschrieben ist im Buch des Lebens des geschlachteten Lammes von
Grundlegung der Welt an. Wenn jemand ein Ohr hat, so höre er! Wenn jemand in
Gefangenschaft führt, so geht er in Gefangenschaft; wenn jemand mit dem
Schwert töten wird, so muss er mit dem Schwert getötet werden. Hier ist das
Ausharren und der Glaube der Heiligen.”
Dieses Kapitel beschreibt uns, was Satan tun wird
in seiner Wut gegen Gott und in seinem Hass auf den Menschen. Das Regiment,
das hier beschrieben wird, ist das Werk von Satans großem Zorn (12,12), sein
letztes, ohnmächtiges Aufbegehren gegen die unabänderlichen Ratschlüsse
Gottes. Wenn Gott Sein Reich aus Liebe zum Menschen aufrichtet, dann der Satan
aus Hass auf die Menschen. Und Gott wird es fügen, dass am Ende der Zeit für
kurze Zeit ein Reich erstehen wird, das nun ganz so sein wird, wie es der
ungläubige Mensch in seinem innersten Herzen begehrt hat. Denn dieser hat den
Sohn Gottes und dessen Herrschaft von sich gewiesen (Lk 19,14) und stattdessen
das Regiment des Menschenmörders gewählt (Apg 3,14). Als die Menschen den Sohn
Gottes zur Hinrichtung abführten, sagte Er: “Dies ist
eure Stunde und die Gewalt der
Finsternis” (Lk 22,53). Merken wir, wie der Mensch, wenn er seine Stunde hat, den
Schöpfer und Erlöser über sich abweist und der
Gewalt der Finsternis verfällt? Gott ist freundlich und überlässt
den Menschen nicht ungehindert seinen Wünschen, weshalb ein einigermaßen
erträgliches Zusammenleben in Völkern und Staaten vielerorts noch möglich ist.
Am Ende aber wird Gott dem Menschen bis auf den Grund das gewähren, was er
will. Das Ergebnis ist das in diesem Kapitel beschriebene Terrorregiment, dem
keine tausend Thermidor, keine nationalsozialistischen Vernichtungslager, kein
stalinistischer Gulag, kein einziges aus der Unzahl islamischer Despotien auch
nur annähernd gleichkommen. Mord wird regieren und dazu die Lüge (Verse
11-18), die beiden Charakterzüge Satans (Joh 8,44).
Der Charakter dieses Reiches ist ein doppelter: Es
ist wie ein Tier[9], das anders als
der Mensch seinen Blick nie über den Horizont des Geschaffenen erhebt, nicht
die Zwiesprache und Gemeinschaft mit seinem Schöpfer begehrt. Das letzte
Weltreich wird den Schöpfer radikal leugnen (Vers 6) und aus dem Geschöpf
alles machen (Vers 12). Dieses Reich ist nicht irgend ein Tier, sondern ein
Raubtier. Es wird also mit roher Gewalt, mit Drohung, Zwang und Mord sein
Regiment führen (Verse 7.15.17). Gottlosigkeit und Gewalttat werden wie in den
Tagen vor der Flut überhandnehmen (1Mo 6,11).
Vergleichen wir die Beschreibung dieses Tieres mit
den Tieren von Daniel 7, stellen wir fest, dass es alle Wesenszüge der dort
genannten in sich vereint: Es ist wie ein Leopard, wie ein Bär und wie ein
Löwe. Mithin wird hier ein Reich beschrieben, das wie die Summe aller
vorangegangenen Weltreiche ist; es vereint in sich alle sündigen Merkmale der
heidnischen Großreiche. In einem Punkt unterscheidet es sich aber von allen
Weltreichen, die je existiert haben: Der
Drache gibt ihm seine Macht und seinen Thron. Noch nie hat der Satan einem
menschlichen Reich seine ganze Gewalt abgetreten, aber hier wird er es tun.
Erneut stellen wir fest, wie das Reich des Tieres
das Gegenteil vom Reich des Menschensohnes ist. Wir erinnern uns, dass der
Menschensohn sich weigerte, die Macht über die Welt aus der Hand Satans
entgegenzunehmen (Mt 4,8-10). Er empfing das Reich und die Macht aus der Hand
Gottes (Dan 7,13.14; Ps 2,8), und das hieß über den Weg des Gehorsams, der
Erniedrigung, des Kreuzestodes. Wie wunderbar ist es, einem solchen Herrn zu
dienen, der uns in Leiden und Tod vorangegangen ist. Wie freudig gehorchen wir
einem Herrscher, der sich zuerst zu unser aller Diener gemacht hat, und der
uns bis zum äußersten (Joh 13,1) geliebt hat. Wie bitter ist es hingegen,
einem grausamen und herzlosen Gewaltherrscher versklavt zu sein, jemandem, dem
man nur aus Angst dient, der sein Sklavenheer mit Drohung und Gewalt gefügig
halten muss und dabei einen jeden seiner Knechte verachtet,.
Zum Reich des Tieres gehört, dass ihm “ein Mund
gegeben wurde, der große Dinge redete”. Lüge und Propaganda begründen die
Macht des Tieres über die Menschenseelen. Heute stehen bereits alle Mittel
bereit, den Menschen zu indoktrinieren. Die Propaganda wird dann nur ein
letztes Ziel haben: Gott zu lästern. Das geschieht dadurch, dass wie im Garten
Eden Gottes Wort geleugnet, Gottes Gebote für nichtig erklärt werden. Beachten
wir, dass Johannes sagt: ”Es wurde ihm gegeben.” Das Tier kann nichts tun, was
Gott ihm nicht erlaubt.
Und schließlich tötet das Tier die Heiligen. Auch
das ”wurde ihm gegeben”. Wollte es Gott nicht, könnte das Tier nicht einen
einzigen Seiner Heiligen und Geliebten töten. Gott lässt den Gottlosen
gewähren, denn sein Wesen muss jetzt ganz offenbar werden. Es muss offenbar
werden, was der Mensch ohne Gott wirklich ist. Gottlosigkeit, Gewalttat und
Hass auf die Heiligen sind die Merkmale des letzten Weltreiches. Wenn wir uns
fragen, wie Gott den zulassen könne, dass Seine Geliebten getötet werden, dann
gibt uns 20,4 die Antwort. Die Märtyrer werden auferweckt und an der Regierung
des Messias über die ganze Schöpfung teilhaben. Damit, dass sie das Leben
verlieren, verlieren zwar den Eingang ins messianische Reich; aber der Herr
gibt ihnen etwas Besseres: Sie werden zu Regenten in diesem Reich.
Die Zeit ist von Gott bestimmt: zweiundvierzig
Monate. Das ist der gleiche Zeitraum, dem wir in 11,2.3 und in 12,6.14 schon
begegnet sind. Die Gewalt zu wirken wird ”ihm gegeben”. Nicht einmal der Böse
kann etwas tun ohne Gott, den Schöpfer und Herrscher aller Dinge. Gott gibt
dem Tier Zeit und Gewalt zu wirken. Dass er sie nur zum Bösen verwendet
offenbart seinen bösen Charakter und macht ihn schuldig.
Wer ist das Tier? Und was bedeutet es, dass es aus
dem Meer aufsteigt? Wie so oft in diesem Buch gibt uns der Prophet Daniel den
Schlüssel zum Verständnis. Wir lesen in Kapitel 7 seines Buches:
“Ich schaute in meinem Gesicht bei der Nacht, und
siehe, die vier Winde des Himmels brachen los auf das große Meer. Und vier
große Tiere stiegen aus dem Meere herauf, eines verschieden von dem anderen”
(Verse 2.3).
Daniel beschreibt
heidnische Reiche, die nach dem
Untergang Jerusalems im sechsten vorchristlichen Jahrhundert entstanden. Daher
steigen die Tiere aus dem Meer auf, dem bekannten, von den Propheten
verschiedentlich benutzten Bild für die Heidenvölker (Jes 17,12.13 ; Ps
65,8.9). Das Tier aus unserem Kapitel ist mithin ein
Weltreich, und zwar ein
heidnisches, das heißt
nichtisraelitisches Von Daniel lernen wir auch, dass das allerletzte Weltreich
das gleiche sein wird wie das vierte von ihm beschriebene, und das ist das
Römische (Kapitel 2,41.42; 7,7-11;
9,26). Jenes Reich, dass bei der Geburt des Herrn Ihn (durch einen seiner
vielen Vasallen) zu verschlingen suchte, wird auch bei zweiten Kommen des
Herrn die Welt beherrschen. Das Tier, das aus dem Meer steigt, ist folglich
das wieder erstandenen Römische Reich,
das am Ende der Tage zur absoluten Weltmacht werden wird. Ob das ganz
genau innerhalb der Grenzen des alten
Imperium Romanum liegen wird, wage ich zu bezweifeln; sicher aber wird es
nicht in Asien und nicht in Amerika, sondern in
Europa erstehen, ist doch Europa
eindeutig der kulturelle Erbe Roms. Bemerkenswert ist, wie das seit 1945
geschlagen darniederliegende Europa wirtschaftlich und politisch geeint, sich
wieder seiner Sendung und seiner Macht bewusst wird.
Die Wiedererstehung dieses Reiches wird der Welt
wie ein Wunder erscheinen, so dass es darob über die Maßen erstaunt das Tier
und dessen Macht anbeten wird (siehe auch 17,8). Offensichtlich werden die
Schwierigkeiten, Europa unter einer gemeinsamen Regierung zu einen,
unüberwindlich erscheinen, so dass der Mann, der sie doch überwinden kann,
einer dankbaren und verwunderten Menschheit wie ein Genie, ein Held, ein
Retter erscheinen wird. Man wird ihn wie einen Gott anbeten.
Und wer das Tier nicht vor lauter Bewunderung
freiwillig anbetet, wird es unter der Androhung der wirtschaftlichen
Ausgrenzung tun (V. 16.17). Es wird Glaubensmut brauchen, sich diesem Regime
zu verweigern; und diesen Glauben haben nur die Erwählten. Sie sind
eingeschrieben im Lebensbuch[10] des Lammes, das
von Grundlegung der Welt an geschlachtet wurde (V. 8), aber als Lamm
zuvorerkannt war ”vor Grundlegung der Welt” (1Pet 1,20). Das bedeutet auch,
dass sie Leben haben. Nur wer dieses Leben hat, kann dem Druck und den
Verlockungen des Tieres widerstehen.
Die Versuchung wird groß sein, mit Gewalt auf
Gewalt zu antworten. Der Herr sagt daher: “Hier ist die Geduld und das
Ausharren der Heiligen” (vgl. 1,9); mit anderen Worten: “Habt Geduld; rächt
nicht euch selbst; denn die euch jetzt ins Gefängnis schleppen, werden einst
selbst ins ewige Gefängnis geworfen werden, die euch jetzt töten, werden dem
zweiten, dem ewigen Tod übergeben werden.”
Das Tier aus der Erde: Der falsche Messias (13,11-18)
“Und ich
sah ein anderes Tier aus der Erde aufsteigen: Und es hatte zwei Hörner gleich
einem Lamm, und es redete wie ein Drache. Und die ganze Gewalt des ersten
Tieres übt es vor ihm aus, und es macht, dass die Erde und die auf ihr wohnen
das erste Tier anbeten, dessen Todeswunde geheilt wurde. Und es tut große
Zeichen, dass es selbst Feuer vom Himmel auf die Erde herabkommen lässt vor
den Menschen; und es verführt die auf der Erde wohnen wegen der Zeichen, die
vor dem Tier zu tun ihm gegeben wurde, indem es die auf der Erde wohnen,
auffordert, ein Bild zu machen vom Tier, das die Wunde des Schwertes hat und
lebte. Und es wurde ihm gegeben, dem Bild des Tieres Odem zu geben, damit das
Bild des Tieres auch redete und bewirkte, dass alle getötet wurden, die das
Bild des Tieres nicht anbeteten. Und es bringt alle dahin, die Kleinen und die
Großen, und die Reichen und die Armen, und die Freien und die Knechte, dass
sie ein Malzeichen annehmen an ihre rechte Hand oder an ihre Stirn; und dass
niemand kaufen oder verkaufen kann, als nur wer das Malzeichen hat, den Namen
des Tieres oder die Zahl seines Namens. Hier ist die Weisheit. Wer Verständnis
hat, berechne die Zahl des Tieres, denn es ist eines Menschen Zahl; und seine
Zahl ist sechshundertsechsundsechzig.”
Das zweite in diesem Kapitel genannte Tier ist der
unerlässliche Helfer, der unverzichtbare Verbündete des ersten Tieres.
Verkörpert das erste Tier die ökonomische, politische und militärische Kraft,
dann dieses zweite die religiöse. Der Mensch als religiöses Wesen braucht
Religion; auch die letzte, Gott und den Himmel offen lästernde Zivilisation
wird wie alle vorangegangenen Zivilisationen religiös sein. Den religiösen
Bedürfnissen einer ungläubigen Menschheit begegnet nun eben dieses zweite
Tier, der Antichrist. Das erste Tier steigt aus dem Meer, der Völkerwelt, auf,
das zweite aus der Erde, und das ist Israel, eben der Teil der Völkerfamilie,
der eine gesonderte Existenz und Berufung hat und daher nicht zum Völkermeer
zählt. Aus dem Judentum wird ein großer religiöser Führer aufsteigen. Der
Prophet Daniel hat ihn angekündigt (Dan 11,36.37) ebenso wie unser Herr (Joh
5,43).
Dieses Tier ist der
eigentliche, der endzeitliche
Antichrist, nachdem schon “viele Antichristen geworden sind” (1Joh 2,18). Er
sieht aus wie ein Lamm, ahmt also das Lamm Gottes, den Christus Gottes nach.
Aber er redet wie ein Drache. Die an den Messias glauben und Ihm gehören,
kennen Seine Stimme und werden daher dem falschen Propheten nicht folgen (Joh
10,5). Wer aber nicht aus der
Wahrheit ist und nicht Seine Stimme hört (Joh 18,37), wird sich vom Dunst
religiöser Verführung betören und ins Verderben ziehen lassen. Sie lassen sich
vom zweiten Tier unter die Herrschaft des ersten führen. Die beiden Tiere
arbeiten also zusammen. So hat auch der Prophet Jesaja vorhergesagt, dass
Israel, angeführt durch den falschen Messias, sich auf ein “Bündnis mit dem
Scheol” einlassen werde (28,11). Auch Daniel hat das gesagt (9,27).
Zwei Dinge geben dem falschen Messias Macht über
die Menschenseelen: Zeichen und Wunder und Einschüchterung durch angedrohte
Todesstrafe. Man beachte, welche Zeichen das Tier tut, um die Menschen zur
Anbetung eines Bildnisses zu bewegen; denn dass ausgerechnet die Juden ein
Bild anbeten sollten, nachdem sie seit dem babylonischen Exil vor
zweieinhalbtausend Jahren vom Götzendienst geheilt sind, hielte man zunächst
für vollkommen ausgeschlossen. Wir lesen in Vers 13, dass der falsche Prophet
“selbst Feuer vom Himmel auf die Erde herabkommen lässt”.
Selbst Feuer, das ist
bedeutungsvoll; denn genau das war einmal in der Geschichte der erwählten
Nation das Zeichen des wahren Propheten.
In 1. Könige 18 standen einander Elia, der Prophet des Gottes Israels und
die Diener des Baal gegenüber. Beide riefen ihren Gott an, und “der Gott, der
mit Feuer antworten wird, ist der wahre Gott” (Vers 24). Als nun der Herr auf
Elias Gebet hin Feuer auf das Brandopfer herabfallen ließ, fiel alles Volk
nieder und bekannte: “Der HERR ist Gott!” (Vers 39).
Wenn nun am Ende der Zeit jener vom Messias selbst
Angekündigte “in seinem eigenen Namen” (Joh 5,43), das heißt ohne Gottes
Auftrag und Sendung, kommt und ausgerechnet jenes Zeichen tut, das den
Propheten Jahwes legitimierte, dann begreifen wir, dass sehr viele Juden sich
durch das Zeichen blenden lassen.
Sie können sich sogar auf die Bibel berufen und
sagen: “Damals geschah dieses Zeichen, und es war von Gott; heute geschieht
es, und es muss von Gott sein.”
Und dann das zweite Zeichen, das die Verführung
besiegelt: Der falsche Prophet gibt dem Bilde
Odem, so dass es redet. Nun aber
galt für den Juden als unumstößliche Wahrheit, dass die Götzen der Heiden
stumm sind, dass nur der Gott Israels der lebendige Gott sei, der zu Seinem
Volk geredet habe. So sagt der Psalmist: “Unser Gott ist in den Himmeln;
alles, was ihm wohlgefällt, tut er. Ihre Götzen aber sind Silber und Gold, ein
Werk von Menschenhänden. Einen Mund haben sie
und reden nicht ... keinen Laut geben sie mit ihrer Kehle”
(115,3.5.7). Und: “Die Götzen der Nationen sind Silber und Gold ... auch ist
kein Odem in ihrem Munde” (135,17).
Wiederum wird sich der Jude auf die Bibel berufen
und behaupten können: “In diesem Fall ist das kein Götze, sondern eben doch
ein Bild Gottes selbst; denn es redet ja, was die Götzen definitionsgemäß
nicht können; und es hat Odem, was
Götzen gemäß der Bibel nie hatten. “
Wie soll sich der Mensch angesichts solcher Zeichen
vor Verführung schützen? Es ist ja so, als ob Gott in heimtückischer Weise
Dinge geschehen ließe, die den Menschen geradezu zwangsläufig in die Irre
leiten müssen. Wir finden die Erklärung in 2Thes 2,9-12:
“Ihn dessen Ankunft nach der Wirksamkeit des Satans
ist in aller Macht und allen Zeichen und
Wundern der Lüge und in allem Betrug der Ungerechtigkeit denen, die
verloren gehen, darum dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen, damit
sie errettet würden. Deshalb sendet ihnen Gott
eine wirksame Kraft des Irrwahns,
dass sie der Lüge glauben, damit
alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen
gefunden haben an der Ungerechtigkeit.”
Die Zeichen und Wunder des Tieres sind ein Gericht
Gottes über jahrhunderte-, ja, jahrtausendealten Unglauben, über die
Weigerung, an den Sohn Gottes zu glauben. Weil die Menschen nicht glauben
wollen, gibt sie Gott der Verführung preis. Das geschieht nicht ohne eine
entsprechende Vorgeschichte. Aber dann sendet
Gott diese Irrtümer. Wie ernst ist
das!
Gott hat in Seinem Wort Sein Volk bereits im Alten
Testament darauf vorbereitet, dass Er im Laufe ihrer Geschichte falsche
Propheten mit Zeichen und Wundern der Verführung senden würde. Daran würde
immer wieder offenbar werden, ob das Volk Gottes Gott und Sein Wort liebe oder
nicht. Liebt es Ihn und liebt es die Wahrheit nicht, würde es verführt werden
(5Mo 13,1-3). Das ist auch heute so. Wir leben zwar noch nicht in der Zeit der
großen Drangsal, aber bereits in unserer Zeit treten immer mehr Menschen im
Namen Christi auf, gehen in der christlichen Kirche ein und aus, tun Zeichen
und Wunder, und Gott lässt es geschehen. Wer nun nicht Gott und Seinem Wort
allein vertraut - ist Vertrauen etwas anderes als ein Ausdruck der Liebe? -‘
der wird sich von ihren Zeichen betören und verführen lassen.
Das Tier und der falsche Prophet wollen die
Menschen in ein sie vollständig knechtendes System integrieren. Wie wird diese
totale Integration erreicht? Interessanterweise durch
Religion. Es gibt offenkundig
nichts, das die Menschen so willfährig macht und sie stark eint wie Religion.
Diese ist das Mittel, das das zweite Tier benutzt, um den Menschen zum totalen
Sklaven des Wirtschaftslebens zu machen. Nur wer dem Tier die Anbetung
verweigert, bleibt davor bewahrt, freilich um einen hohen Preis: den
Ausschluss vom wirtschaftlichen System.
Religion ist
Perversion göttlicher Offenbarung. Das wird gerade an der Methode, deren
sich das zweite Tier zur totalen Integration bedient, sehr deutlich: Wer
teilhaben will an Kaufen und Verkaufen, wer weiterhin den Glanz und den Tand
der Warenhäuser und Supermärkte genießen will‘ muss sich an Hand oder Stirn
das Malzeichen des Tieres aufdrücken lassen. Das ist dem Wort Gottes
abgeguckt; denn wir lesen in 5Mo 6: “Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben
... und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollen auf deinem Herzen
sein... Und du sollst sie zum Zeichen
auf deine Hand binden, und sie sollen zu
Stirnbändern sein zwischen deinen Augen”
(Verse 5.6.8).
Etwas, das Gott gewiesen hat, kopiert und
pervertiert der Feind Gottes. Wir lernen aus dieser Sache folgendes: Wenn
nicht Gottes Wort und Seine darin geoffenbarten Gedanken unsere Hand und
unseren Blick lenken, wird es die Sünde und am Ende der Antichrist tun. Dienen
wir nicht Gott aus Liebe und Dankbarkeit, werden wir am Ende zu Knechten
Satans. Sind wir nicht von Gottes Wort geprägt, wird am Ende unser Handeln und
Denken vom Tier geprägt sein. Der in der Endzeit in seiner Sünde voll
ausgereifte Mensch wird ein getreues Abbild Satans, wird gleich dem
Antichristen auch ein “Mensch der Sünde” sein (2Thes 2,3). Genau das sagt der
letzte Vers des Kapitels: die Zahl des Tieres ist auch eines
Menschen Zahl. Der Mensch ist dem
Tiere gleich geworden. Wie entsetzlich ist das! Unser einziger Schutz davor
ist das Wort Gottes, das unser ganzes Handeln und Sinnen erfüllt.
Kapitel 14
Gottes Erbarmen inmitten des Zornes
Das Kapitel
13 hat uns jenes Regiment beschrieben, das ein Ausdruck der Wut Satans (12,12)
ist, eine Herrschaft, der sich niemand scheint entziehen zu können. Aber das
Kapitel 14 zeigt uns, dass während dieser gleichen Zeit Gott dennoch nicht
untätig ist. Die ganze Heilsgeschichte bestätigt es immer wieder: Dort, wo die
Sünde mächtig ist, ist die Gnade noch mächtiger (Röm 5,20). Gott wirkt auch in dieser
allerfinstersten Zeit der Willkür Satans und der Sünde des Menschen. Er redet
zu den Menschen, warnt sie, ruft sie zur Buße, und Er tröstet und bewahrt die
Glaubenden. Das wird uns in Kapitel 14 in verschiedenen Gesichten in sieben
Abschnitten gezeigt.
Das Lamm und die Seinen auf dem Berg Zion (14,1-5)
“Und ich
sah: Und siehe, das Lamm stand auf dem Berge Zion und mit ihm
hundertvierundvierzigtausend, welche seinen Namen und den Namen seines Vaters
an ihren Stirnen geschrieben trugen. Und ich hörte eine Stimme aus dem Himmel
wie das Rauschen vieler Wasser und wie das Rollen eines lauten Donners; und
die Stimme, welche ich hörte, war wie von Harfensängern, die auf ihren Harfen
spielen. Und sie singen ein neues Lied vor dem Throne und vor den vier
lebendigen Wesen und den Ältesten; und niemand konnte das Lied lernen als nur
die hundertvierundvierzigtausend, die von der Erde erkauft waren. Diese sind
es, die sich mit Frauen nicht befleckt haben, denn sie sind Jungfrauen; diese
sind es, die dem Lamme folgen, wohin irgend es geht. Diese sind aus den
Menschen erkauft worden als Erstlinge Gott und dem Lamme. Und in ihrem Munde
wurde kein Falsch gefunden; denn sie sind tadellos.”
Dieser Abschnitt bildet einen Gegensatz zum
düsteren Bild des vorhergehenden Kapitels. Hier sehen wir das Lamm - nicht ein
Tier, das nur aussieht wie ein Lamm. Ihm folgen Seine Erlösten. Es sind
solche, die nicht den Namen des Tieres, sondern den Namen des Lammes und
Seines Vaters an ihren Stirnen haben (vgl. 3,12). Dort, wo das Tier in aller
Öffentlichkeit Gott lästert, beten diese Gott an; und während sich alle Welt
dem Götzendienst, das ist der geistlichen Hurerei, ergeben hat, haben diese
sich von jeglicher Hurerei, das ist eben vom Götzendienst, reingehalten. Und
schließlich sind sie nicht von “der Lüge” (2Thes 2,9.11), sondern vom Wort der
Wahrheit geprägt: In ihrem Mund ist kein Falsch.
Drei himmlische Boten (14,6–14)
1. Ruf zur Umkehr
(14,6.7)
“Und ich
sah einen anderen Engel inmitten des Himmels fliegen, der das ewige Evangelium
hatte, um es denen zu verkündigen, die auf der Erde ansässig sind, und jeder
Nation und Stamm und Sprache und Volk, indem er mit lauter Stimme sprach:
Fürchtet Gott und gebt ihm die Ehre, denn die Stunde seines Gerichts ist
gekommen; und betet den an, der den Himmel gemacht hat und die Erde und das
Meer und die Wasserquellen.”
Während das Tier, wie wir in 13,7 lasen, Gewalt
ausübt über “jeden Stamm und Volk und Sprache und Nation”, sorgt Gott dafür,
dass sein ewiges Evangelium an “jede Nation und Stamm und Sprache und Volk”
verkündet wird. Der Engel ist hier natürlich nicht ein Engelwesen; denn Gott
hat es dem Menschen und sonst niemandem vorbehalten, das Evangelium zu
verkündigen. Im Gesicht wird ein “Engel”, das ist wörtlich “ein Bote” gesehen.
Das heißt ganz einfach, dass Gott durch menschliche Boten auf der Erde zu Buße
und Umkehr aufrufen wird. Während das Tier Gott lästert, sagen sie: “Fürchtet
Gott!”; und während es mit seinem großen Maul, seinem weltumspannenden
Propaganda-Apparat, verbreiten lässt, es gebe keinen jenseitigen Gott und
keine Ewigkeit (Ps 14,1), fordern die Boten des Herrn die Menschen auf, den
Schöpfer zu ehren.
2. Das Ende Babylons
angekündigt (14,8)
“Und ein
anderer Engel folgte und sprach: Gefallen, gefallen ist Babylon, die große,
die mit dem Wein der Wut ihrer Hurerei alle Nationen getränkt hat.”
Hier wird Babylon erstmals genannt; wer und was
damit gemeint ist, wird erst in den Kapiteln 17 und 18 erläutert. So viel
lernen wir aus diesem kurzen Abschnitt: In Zeiten religiöser Verführung - denn
das verkörpert Babylon - sorgt Gott dafür, dass die Menschen vor eben dieser
Verführung gewarnt werden. Seine Boten verkündigen, dass dieses ganze
prachtvolle, sich mit Pomp umgebende religiöse System im Gericht Gottes
untergehen wird. Man lasse sich darum nicht blenden und werfe sich der großen
Hure (17,5) nicht in die Arme!
3. Warnung vor der
Anbetung des Tieres (14,9-12)
“Und ein
anderer, dritter Engel folgte ihnen und sprach mit lauter Stimme: Wenn jemand
das Tier und sein Bild anbetet und ein Malzeichen annimmt an seine Stirn oder
an seine Hand, so wird auch er trinken vom Wein des Grimmes Gottes, der
unvermischt im Kelch seines Zornes bereitet ist; und er wird mit Feuer und
Schwefel gequält werden vor den heiligen Engeln und vor dem Lamm. Und der
Rauch ihrer Qual steigt auf von Ewigkeit zu Ewigkeit; und sie haben keine Ruhe
Tag und Nacht, die das Tier und sein Bild anbeten, und wenn jemand das
Malzeichen seines Namens annimmt. Hier ist das Ausharren[11] der Heiligen,
welche die Gebote Gottes halten und den Glauben an Jesus.”
Die Menschen werden davor gewarnt, das Tier
anzubeten. Wenn wir uns im letzten Kapitel fragten, wie denn Gott es zulassen
könne, dass solch tückische Verführung geschieht, dann verstehen wir aus
diesen Versen, dass Gott gleichzeitig durch treue Zeugen auch die Wahrheit
verkünden wird. Er lässt sich in Seiner Gnade trotz allem nicht unbezeugt. Die
Warnung vor der Anbetung des Tieres ist gleichzeitig eine Verurteilung des
Tieres, Es ist trotz Zeichen und Wundern nicht Gott. Darum soll man es nicht
anbeten, und man lasse sich durch den wirtschaftlichen Druck nicht dazu
verleiten, das Malzeichen des Tieres anzunehmen! Es ist besser, im Glauben an
das Kommen Jesu auszuharren und Mangel zu leiden als wie ein Esau seine
momentanen Gelüste zu stillen und dafür die Ewig Seligkeit zu verlieren.
Diese Warnung ist zugleich die Begründung, warum
Gott den Menschen der ewigen Verdammnis überantwortet: Weil er sich weigert,
Gott durch Glauben und Gehorsam zu verherrlichen.
Ein Trostwort für die
Verfolgten (14,13)
“Und ich
hörte eine Stimme aus dem Himmel sagen: Schreibe:
Glückselig die Toten, die im Herrn sterben, von nun
an! Ja, spricht der Geist, damit sie ruhen von ihren Arbeiten, denn ihre Werke
folgen ihnen nach.”
Hier wird eine Verheißung an die gerichtet, die
versucht sein werden, angesichts der Todesdrohung (vgl. 13,15) nachzugeben.
Der Herr erinnert sie daran, dass es besser ist, hier verfolgt und gejagt,
also rastlos zu sein, um dann in Ewigkeit zu “ruhen von den Arbeiten” (siehe
auch 2Thes 1,7)als hier vor den Verfolgern Ruhe zu haben, um dafür in alle
Ewigkeit Tag und Nacht keine Ruhe mehr zu finden (siehe Vers 11).
Zwei Gerichte auf der Erde (14,14–20)
1. Die Ernte der Erde:
Die Glaubenden gerettet (14,14-16)
“Und ich
sah: Und siehe, eine weiße Wolke, und auf der Wolke saß einer gleich dem Sohn
des Menschen, der auf seinem Haupt eine goldene Krone und in seiner Hand eine
scharfe Sichel hatte. Und ein anderer Engel kam aus dem Tempel hervor und rief
dem, der auf der Wolke saß, mit lauter Stimme zu: Schicke deine Sichel und
ernte; denn die Stunde des Erntens ist gekommen, denn die Ernte der Erde ist
überreif geworden. Und der auf der Wolke saß legte seine Sichel an die Erde,
und die Erde wurde geerntet.”
Bei der Ernte der Erde werden die Gläubigen von den
Ungläubigen geschieden. Der Menschensohn wird die Menschen wie Getreide
worfeln, um die Spreu vom Weizen zu scheiden. Der Weizen wird in die Scheune
des Messias gesammelt werden; die Spreu - das sind die Ungläubigen, die
lediglich eine leere Hülle formaler Religion besitzen, aber kein Leben aus
Gott -‘ wird mit Feuer verbrannt werden (Ps 1,4; Mt 3,12; Joel 3,13).
2. Die Kelter wird
getreten: Die Ungläubigen gerichtet (14,17-20)
“Und ein
anderer Engel kam aus dem Tempel hervor, der im Himmel ist, und auch er hatte
eine scharfe Sichel. Und ein anderer Engel, der Gewalt über das Feuer hatte,
kam aus dem Altar hervor, und er rief dem, der die scharfe Sichel hatte, mit
lautem Schrei zu und sprach: Schicke deine scharfe Sichel und lies die Trauben
des Weinstocks der Erde, denn seine Beeren sind reif geworden. Und der Engel
legte seine Sichel an die Erde und las die Trauben des Weinstocks der Erde und
warf sie in die große Kelter des Grimmes Gottes. Und die Kelter wurde
außerhalb der Stadt getreten, und Blut ging aus der Kelter hervor bis an die
Gebisse der Pferde, tausendsechshundert Stadien weit.”
Die Kelter des Zornes Gottes ist das Gericht über
die Lebendigen (vgl. 2Tim 4,1). Daher ist es ein Engel, “der Gewalt über das
Feuer hatte”, der zum Handeln aufruft. Feuer spricht vom Zorn Gottes (Heb
10,31; 12,29). Es ist der Menschensohn, der die Kelter tritt (Jes 63,3). Das
ist eine Umschreibung für das Gericht der Lebendigen, das Er bei seinem Kommen
ausführen wird (2Tim 4,1). Das Blut, das aus der Kelter fließt, spricht vom
Tod derer, die sich gegen das Lamm erhoben haben, um bei Seinem Erscheinen von
Ihm gerichtet zu werden (Kapitel 19,19-21).
Wenn es nun heißt, dass das Blut “bis an die
Gebisse der Pferde, 1600 Stadien weit” fließen werde, wird wieder einmal
deutlich, dass wir ein Bild vor uns haben, das wir entsprechend übersetzen
müssen; denn solche Mengen Blutes gibt es nicht. 1600 Stadien sind knapp 300
km, das entspricht gerade der Nord-Süd-Erstreckung Palästinas. So will dieses
Bild wohl sagen, dass Gott jene Bitte in furchtbarer Konsequenz erfüllen wird,
die die Juden einst an Pilatus gerichtet hatten: “Sein Blut komme über uns und
unsere Kinder” (Mt 27,25). Wenn wir dazu noch 4Mo 35,33 lesen, wird ein
Zusammenhang deutlich:
“Und ihr sollt das Land nicht entweihen, in dem ihr
seid; denn das Blut, das entweiht das Land; und für das Land kann keine
Sühnung getan werden wegen des Blutes, das darin vergossen worden ist, außer
durch das Blut dessen, der es vergossen hat.”
Gott richtet das Volk, das einst in Palästina den
Messias verworfen und das Land durch das Blut des Sohnes Gottes entweiht hat,
in eben diesem Land. Gott führt darum das Volk der Juden in ihr Land zurück,
um es dort in der schrecklichen “Drangsal Jakobs” (Jer 30,7) teils zu läutern
(Dan. 12,10; Sach. 13,9; Mal. 3,2.3), aber auch teils zu richten.
Das Gesagte gilt dem Grundsatz nach für alle
Menschen; und so will dieses Gesicht auch sagen: Gott richtet den Menschen
darum, weil er den Sohn Gottes verworfen hat. Weil er damit das Leben von sich
gewiesen hat, wird er dem Gericht des Todes preisgegeben. Das Blut Jesu
Christi, das den Glaubenden reinigt, klebt als Mörderblut an den Händen des
Ungläubigen und klagt ihn vor Gott an.
Das Kapitel 14 hat uns in sieben Gesichten gezeigt,
was Gott tut, während das Tier und
sein Prophet ihr Terrorregime auf der Erde führen: Er rettet, Er lässt Seine
Botschaft des Heils an alle Welt verkünden, Er ruft zur Buße und warnt vor den
Folgen der Verehrung des Tieres, Er tröstet die bedrängten Gläubigen, Er
rettet sie schließlich aus der Hand ihrer Bedränger, indem Er gleichzeitig
diese richtet. Das Letztgenannte geschieht, wenn der König der Könige
erscheint. Damit hat uns der größere zusammenhängende Abschnitt der Kapitel
12-14 einmal mehr bis an das Ende der Gerichte und bis zur Wiederkunft des
Messias gebracht. In den nächsten Kapiteln werden wir erneut zeitlich
zurückgehen.
Kapitel 14 und 15:
Die sieben Schalen vollenden Gottes Zorn
Wir können die beiden zusammengehörigen Kapitel wie folgt gliedern:
1. Das Vollmaß der
Gerichte 15,1
2. Die vom Zorn
Geretteten 15,2–3
3. Das Ergebnis der
sieben letzten Plagen 15,4
4. Die Herkunft der
Zornesschalen 15,5-8
5. Die sieben Schalen
des Zornes Gottes werden ausgegossen 16
Mit dem
Kapitel 15 nehmen wir den Faden wieder auf, den wir in Kapitel 11,15
liegengelassen hatten. Dort lasen wir von der 7. Posaune, welche die im
folgenden beschriebenen sieben Schalen auslöst. Dazwischen war als großer
Einschub die Frage behandelt worden: Was geschieht mit Israel, dem alten
Bundesvolk? Wie führt Gott es Seinen Verheißungen gemäß ans Ziel? Woran
entscheidet sich sein Schicksal?
Beachten wir, wie der ganze Einschub mit dem Satz:
“Ein großes Zeichen erschien in dem Himmel” anhebt (12,1). Wenn nun die beiden
Kapitel, die über die Zornesschalen berichten, mit “einem anderen Zeichen im
Himmel” beginnen, dann sind wir natürlich eingeladen, uns zu fragen, was der
Seher damit sagen wolle. Ich meine dies: Das Zeichen im Himmel von Kapitel 12
leitet die Darlegungen über das Ergehen Israels in der Drangsalszeit ein; das
“andere Zeichen im Himmel” leitet entsprechend Darlegungen über das Ergehen
der übrigen Menschheit ein.
Bevor die Handlung weitergeht und die sieben
Schalen beschrieben werden, zeigt uns das vorliegende Kapitel, was diese
für Gott und für die Erlösten
im Himmel bedeuten. In Kapitel 16 werden wir sehen, wie die Schalen
auf der Erde erlebt werden.
Kapitel 15
Das Vollmaß der Gerichte (15,1)
“Und ich
sah ein anderes Zeichen in dem Himmel, groß und wunderbar: Sieben Engel,
welche sieben Plagen hatten, die letzten; denn in ihnen ist der Grimm Gottes
vollendet.”
Mit den
sieben Zornesschalen ”ist der Grimm Gottes vollendet”. Gottes Grimm hat einen
Abschluss; denn Er wird nicht ewiglich zürnen (Ps 103,). Er hat ein Vollmaß denn Sein Zorn ist nicht willkürlich
und darum nicht maßlos. Gottes Seine Gerichte haben ein Ziel (V. 4). Sie gehen
von Gottes Thron aus (4,5), und sie geschehen so, wie sie zuvor im Buch der
Gerichte aufgezeichnet waren (5,1). Gott ist in allem der unveränderliche. Er
handelt mit Wissen; Er handelt gerecht; Er handelt unwiderstehlich. Was Er
sich vorgesetzt hat, geschieht. Was Er verordnet, trifft ein. Keine Sünde und
keine Torheit des Menschen und keine List und kein Toben des Widersachers kann
das verhindern. Im Gericht offenbart Gott Seine Gerechtigkeit und Seine Macht.
Die vom Zorn Geretteten (15,2–3)
“Und ich sah wie ein gläsernes Meer, mit Feuer
gemischt, und die Überwinder über das Tier und über sein Bild und über die
Zahl seines Namens an dem gläsernen Meere stehen, und sie hatten Harfen
Gottes. Und sie singen das Lied Moses, des Knechtes Gottes, und das Lied des
Lammes, und sagen: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, Gott,
Allmächtiger! gerecht und wahrhaftig deine Wege, o König der Nationen!
Es werden hier “Überwinder” genannt; das sind an
Christus Gläubige (Röm 8,37), die Er durch alle Verfolgungen und Nöte
hindurchgetragen hat (Röm 8,35.36). Es wird auch in der Drangsalszeit so sein,
dass einzig der Glaube an den Christus Gottes die Menschen zum Ausharren
befähigen wird. Die Überwinder bewähren sich gegenüber drei verschiedenen
Äußerungen der Macht Satans; sie haben
das Tier, sein Bild, und seine Zahl überwunden. Das
Tier: Sie haben die rohe Gewalt und
Todesdrohung dieses Schreckensregiments überwunden;
sein Bild: Sie haben den
Sirenenklängen religiöser Umnebelung widerstanden; die
Zahl: Sie haben sich nicht dazu
verleiten lassen, ihre Seele um die Teilhabe am wirtschaftlichen Wohlstand
jener Zeit zu verkaufen.
In der Weise überwinden können sie natürlich nur
durch den Sohn Gottes selbst. Das ist jetzt so, das wird auch dann der Fall
sein. Und wer überwunden hat, kann “das Lied Moses, des Knechtes Gottes”
singen. Das ist das Lied der Befreiung von der Schreckensherrschaft und der
Sklaverei des Pharao (2Mo 15). Wie laut wird der Jubel derer sein, die aus
unvergleichlich schlimmerer Not herausgerettet worden sind als damals das Volk
Israel! Es gibt noch ein zweites Lied Moses: Das Lied, das er die Israeliten
lehrte, bevor sie in das Land der Verheißung einzogen (5Mo 32). Es handelt von
Gottes Walten in der Geschichte der Erwählung, Errettung, Züchtigung,
Bewahrung und Wiederherstellung Israels.
Das ewige Lied, das die Knechte Gottes vor Seinem
Thron singen, wird Gottes Gnade und Gottes Gerechtigkeit erheben, Gottes
Walten und Gottes Vollenden, wie sie sich in Errettung und Gericht offenbaren.
Das Ergebnis der sieben letzten Plagen (15,4)
”Wer sollte
nicht dich, Herr, fürchten und deinen Namen verherrlichen? denn du allein bist
heilig; denn alle Nationen werden kommen und vor dir anbeten, denn deine
gerechten Taten sind offenbar geworden.”
Hier wird uns erneut deutlich, dass die Gerichte
kein Selbstzweck sind; “denn nicht von Herzen plagt Gott die Menschenkinder”
(Klag. 3,33). Die Plagen führen dazu, dass die Nationen kommen und vor Gott
anbeten (Vers 4). Das ist Gottes Absicht mit den Gerichten, wie wir schon in
Kapitel 5 und in Kapitel 11 gesehen hatten. Beachten wir, dass bei den Schalen
Gottes Handeln mit den Nationen im
Mittelpunkt stehen wird. Als Folge der Gerichte, die diese treffen werden,
kommen sie und beten an. Gott richtet,
um sich zu offenbaren. Das lesen wir unter anderem auch in Psalm 9: “Der
Herr ist bekannt geworden. Er hat Gericht ausgeübt” (Vers 16).
Ursache und Herkunft der Zornesschalen (15,5-8)
“Nach
diesem sah ich; und der Tempel der Hütte des Zeugnisses in dem Himmel wurde
geöffnet. Und die sieben Engel, welche die sieben Plagen hatten, kamen aus dem
Tempel hervor, angetan mit reiner, glänzender Leinwand und um die Brust
gegürtet mit goldenen Gürteln. Und eines der vier lebendigen Wesen gab den
sieben Engeln sieben goldene Schalen, voll des Grimmes Gottes, der da lebt von
Ewigkeit zu Ewigkeit. Und der Tempel Gottes wurde mit Rauch gefüllt von der
Herrlichkeit Gottes und von seiner Macht; und niemand konnte in den Tempel
eintreten, bis die sieben Plagen der sieben Engel vollendet waren.”
Der Ausdruck ”Tempel der Hütte des Zeugnisses” ist eine geradezu pleonastische Bezeichnung der Wohnstätte Gottes. Was soll diese dreifache Bezeichnung? Uns wird in diesem Gesicht gezeigt, von wo Gottes Zorn ausgeht: von Seinem Haus, aus Seiner Gegenwart. Dieses Haus heißt ”Tempel”, denn Er hat in Seiner Wohnung den Menschen den Weg in Seine Gegenwart geöffnet. Im Tempel wurden Opfer dargebracht, und das erinnerte die Menschen jedesmal daran, dass sie unter Gottes Zorn standen, dass aber Gott willens war, Seinen Zorn auf einen Stellvertreter zu legen, und sie, die Schuldigen, von der Schuld und so vom Zorn zu befreien. Dieses Haus heißt auch ”Hütte”, denn Gott kam in Seiner Wohnung den Menschen nahe. Vollends ist Er uns in Christus nahe gekommen. Im Menschen Jesus wohnte, nein, ”zeltete” (griechisch eskênôsen) Gott unter den Menschen, wie Johannes es sagt (Joh 1,14). Er entäußerte sich Seiner Macht und wurde so für den Menschen nahbar. Auf diese Weise lud Gott den Menschen ein, zu Ihm zu kommen. Ließ Er die Engel nicht bei Seiner Geburt sagen: ”Fürchtet euch nicht!”, und sagte Er damals nicht: ”Euch ist ein Retter geboren”? Und schließlich heißt der Tempel ”Hütte des Zeugnisses”. Das erinnert an die Bundeslade mit den Gesetzestafeln. Gott hat Sein Wort in diese Welt gesandt. Er hat es aufschreiben lassen; und Er hat Sein Wort in Christus Mensch werden lassen. Hier bezeugt Gott, wer Er ist und wie Er ist. Hier erfüllt sich, was ein Heiliger tausend Jahr vor Seiner Geburt schrieb: ”Er sendet sein Wort und heilt sie, er rettet sie aus ihrer Grube” (Ps 107,20).
Dieses Haus,
dieser Tempel, diese
Hütte des Zeugnisses wird nun ”im
Himmel geöffnet”. Von ihm geht der Befehl aus, die Erde mit den sieben letzten
Plagen des Zornes Gottes heimzusuchen. Wir verstehen nun, dass Gott gerecht
ist, der einer Menschheit mit Zorn antwortet, die Seinen Tempel, Seine Hütte
und Sein Zeugnis für nichts geachtet haben.
Auf Golgatha erfüllte sich in der Vollendung der
Zeitalter, was Gott in den Opfern des Tempeldienstes angedeutet hatte. Dort
offenbarte sich die Herrlichkeit Gottes - Seine unbeugsame Heiligkeit und
Seine unauslotbare Liebe - die im Gesicht wie Rauch den Tempel erfüllte (vgl.
1. Kön. 8,10; 2. Chr. 7,1.2). Weil der Mensch in der Verachtung des Opfers
Jesu Christi Gott selbst geschmäht, Seine Herrlichkeit herausgefordert hat,
wird er gerichtet, trifft ihn Gottes unvermischter Zorn. Gegenüber Sünde,
gegenüber Unglauben und Auflehnung kann sich Gott nicht anders verherrlichen
als im Zornesgericht.
Kapitel 16
Es folgt
die Beschreibung von sieben
Gerichten. Damit ist das Maß voll. Gott richtet vollkommen gerecht; das Maß
entspricht stets der Schwere der Schuld; sodann sind es sieben
verschiedene Plagen. Das bedeutet,
dass seine Schläge in ihrer Art der jeweiligen Art menschlicher Sünde
entsprechen. Selbst im Zorn wirkt Gott so, dass sein Charakter aufscheint.
Nichts an Ihm ist willkürlich oder beliebig. Wie anders ist er darin als wir
Menschen (vgl. Heb 12,10)!
Auch folgendes zeigt, dass Gott mit vollkommenem
Wissen und mit Bedacht handelt: Die letzten Plagen werden anders als die
vorhergegangenen nicht mehr angekündigt. Sie fallen ohne Warnung. Hat Gott
lange genug und deutlich genug gesprochen, kann Er nicht mehr länger zuwarten
und wieder und wieder warnen. Salomo sagte kraft göttlicher Inspiration
bereits:
“Ein Mann, der, oft zurechtgewiesen, den Nacken
verhärtet, wird plötzlich
zerschmettert werden ohne Heilung” (Spr 29,1).
Die erste Schale (16,1.2)
“Und ich
hörte eine laute Stimme aus dem Tempel zu den sieben Engeln sagen: Geht hin
und gießt die sieben Schalen des Grimmes Gottes aus auf die Erde. Und der
erste ging hin und goss seine Schale aus auf die Erde; und es kam ein böses
und schlimmes Geschwür an die Menschen, die das Malzeichen des Tieres hatten
und die sein Bild anbeteten.”
Ein böses und schlimmes Geschwür; das ist höchstes
Unwohlsein und abstoßende Hässlichkeit. Welch passende Antwort des Himmels auf
eine Zivilisation - kann man sie noch so nennen? -‘ die das Stillen jeder Lust
(vgl. 2Mo 20,17; Mt 16,24) und die selbstverliebte Pflege äußerlicher
Schönheit (vgl. Ps 147,10; Spr 31,30; 1Pet 3,3.4) zu obersten
Lebensgrundsätzen erhoben hat! Die innere, die moralische Hässlichkeit des
Menschen bricht hervor und entstellt sein Äußeres. Gott redet durch Seine
Schläge.
Die zweite Schale (16,3)
“Und der
zweite goss seine Schale aus auf das Meer; und es wurde zu Blut, wie von einem
Toten, und jede lebendige Seele starb, alles, was im Meer war.”
Die zweite Plage erinnert an die zweite Posaune.
Der auffallende Unterschied ist, dass das Ausmaß der Zerstörung hier nicht
begrenzt ist. Erneut stellen wir fest, dass der Gott des Gerichts mit
gerechter Hand und vollkommenem Wissen die Erde schlägt. Auf die immer
verbissenere Weigerung des Menschen, auf Gottes Reden zu achten, antwortet Er
mit vermehrter und verschärfter Strafe. Wenn es in Jakobus 1,20 heißt: “Eines
Mannes Zorn wirkt nicht die Gerechtigkeit”, dann können wir das von Gott nicht
sagen. Selbst im Zorn bleibt er unverändert gerecht. Darum betet der Himmel -
ob auch der Mensch den Namen Gottes lästern mag (Verse 9 u. 11) - angesichts
der letzten Plagen an: “Deine gerechten
Taten sind offenbar geworden”
(15,4).
Wenn nun das Meer zu Blut
wird, dann wird dieser Lebensraum von alles erfassendem Tod - es ist Blut “wie
von einem Toten” - heimgesucht. Steht Meer, wie wir in Kapitel 8 feststellten,
für internationalen Verkehr oder ganz allgemein für
Kommunikation, dann hieße das: Der
sich durch die Sünde von Gott abschottende Mensch wird auch von seinem
Nächsten total isoliert. Radikale
Vereinsamung ist eine furchtbare Plage. Aber erneut: Wie passend die Antwort
Gottes auf die Weigerung des Menschen, sich in
Seine Gemeinschaft rufen zu lassen!
Will er die Gemeinschaft mit dem Höchsten nicht, die beglückendste, die es
gibt, dann verliert er die Fähigkeit zur Gemeinschaft auch mit dem Nächsten.
Die dritte Schale (16,4-7)
“Und der
dritte goss seine Schale aus auf die Ströme und auf die Wasserquellen, und sie
wurden zu Blut. Und ich hörte den Engel der Wasser sagen: Du bist gerecht, der
da ist und der da war, der Heilige, dass du so gerichtet hast. Denn Blut von
Heiligen und Propheten haben sie vergossen, und Blut hast du ihnen zu trinken
gegeben; sie sind es wert. Und ich hörte den Altar sagen: Ja, Herr, Gott,
Allmächtiger, wahrhaftig und gerecht sind deine Gerichte.”
Die Ströme und Wasserquellen ermöglichen erst das
Gedeihen alles Lebendigen auf der Erde. Und gedeihliches Zusammenleben der
Menschen ist nur möglich, wenn diese sich von Quellen sittlicher Belehrung
ernähren. Welche Sittlichkeit aber kann stete, unversiegende Quelle des
Wohlbefindens und Wohlergehens sein? Nur eine von Gott, dem Schöpfer des
Menschen, zu seinem Wohl gegebene. Hier werden die Wasserläufe zu Blut; alles,
was Frieden untereinander und Freude aneinander hätte ermöglichen sollen,
wirkt nur noch Zersetzung und Zerfall. Wie kommt es dazu? Gott gibt den
Menschen Blut zu trinken, weil sie das Blut seiner Propheten vergossen haben.
Sie haben die von Gott gesandten Lehrer und Zeugen nicht gewollt. Gottes Wort
und Gottes Ordnungen: Selbstlosigkeit, Unterordnung der Kinder gegenüber den
Eltern, ausschließliche Liebe des Mannes zu seiner Frau und daraus
entspringende Unterordnung der Frau unter den Mann, Achtung vor dem Alter,
Ehrfurcht vor dem Leben, Gehorsam gegenüber Vorgesetzten und Autoritäten und
schließlich eine zu solchen Tugenden inspirierende Furcht vor Gott (Spr 9,10),
Ehrlichkeit in allen Geschäften, Treue und Pflichtbewusstsein bei der Arbeit,
Fleiß, Bescheidenheit, Genügsamkeit - all diese Dinge sind ihnen ein Greuel
gewesen. Entsprechend vergilt ihnen Gott. Alles Liebliche, alles Freundliche,
alles Beständige und traute schwindet und macht Neid, Verlogenheit,
Misstrauen, Entzweiung, Kampf der Geschlechter, Zerwürfnis zwischen den
Generationen, enthemmtem Egoismus (2Tim 3,1-4) Platz. Unter solchen Umständen
leben zu müssen ist entsetzlich.
Die vierte Schale (16,8.9)
“Und der
vierte goss seine Schale aus auf die Sonne; und es wurde ihr gegeben, die
Menschen mit Feuer zu versengen. Und die Menschen wurden von großer Hitze
versengt und lästerten den Namen Gottes, der über diese Plagen Gewalt hat, und
taten nicht Buße, ihm Ehre zu geben.”
Die Sonne ist das Symbol für die oberste
Regierungsgewalt (Ps 136,8). Diese versengt nun die Menschen mit Feuer, wobei
Feuer hier für Verfolgung und Unterdrückung stehen kann, wie wir aus 1Pet 4,12
(“das Feuer der Verfolgung”) erkennen. Das Tier beginnt, die Untertanen seines
Imperiums grausam zu knuten und zu schinden. Wollten die Menschen nicht das
sanfte Joch dessen, der von sich sagt, Er sei “sanftmütig und von Herzen
demütig” auf sich nehmen (Mt 11,29), bekommen sie von Gott ein ehernes Joch
auferlegt, dass sie mitleidlos erdrückt (vgl. 5Mo 28,48).
Die fünfte Schale (16,10.11)
“Und der
fünfte goss seine Schale aus auf den Thron des Tieres; und sein Reich wurde
verfinstert; und sie zerbissen ihre Zungen vor Pein und lästerten den Gott des
Himmels wegen ihrer Pein und wegen ihrer Geschwüre, und taten nicht Buße von
ihren Werken.”
Bereits zum zweiten Mal lesen wir in diesem
Kapitel, dass die Menschen unter den Gerichtsschlägen Gottes nicht Buße taten.
Der Hebräerbrief sagt uns, dass Menschen, wenn sie sich lange genug dem Licht
des Evangeliums widersetzt haben, einmal unfähig sein werden, Buße zu tun
(6,4.5). Die Angehörigen der sogenannten “christlichen” Völker, die während
Jahrhunderten Gelegenheit hatten, dem Evangelium der Gnade Gottes zu glauben,
werden wegen ihrer hartnäckigen Verweigerung des Glaubens in der kommenden
Trübsalszeit nicht mehr umkehren können. Sie vermögen nur noch den Himmel in
zähneknirschender Wut zu verwünschen.
Nachdem das Reich des Tieres zuerst sein wahres
Wesen enthüllt hat und in einen grausamen Terror verfallen ist, wird jetzt
alles finster. Was wie Aufklärung, Fortschritt und Erleuchtung ausgesehen
hatte, wird jetzt als vollkommene Verfinsterung offenbar. Wenn es dunkel ist,
sieht keiner mehr etwas. Das bedeutet, dass angesichts vollständiger
Orientierungs- und Beziehungslosigkeit bodenlose Verzweiflung die Menschen
überfallen wird. Sie werden weder woher noch wohin, weder aus noch ein wissen.
Zudem wird der einzelne den Nächsten nicht mehr sehen. In dieser völligen
Isolation ist der einzelne vollkommen allein mit seiner Seele, die sich in
Hass, Neid, Bitterkeit und Galle auffrisst.
Vor Pein zerbeißen sich die Menschen - wie ein Epileptiker in seiner
Raserei - die Zungen. Ein indischer Gottesmann und Christ sagte einmal:
“Licht, das man verwirft, wird zu Finsternis.” Das sagte auch der Sohn Gottes,
der das Licht der Welt ist, in Matthäus 6,23: “Wenn das Licht, das in dir ist,
Finsternis ist, wie groß ist dann die Finsternis!”
Die sechste Schale (16,12-16)
“Und der
sechste goss seine Schale aus auf den großen Strom Euphrat; und sein Wasser
vertrocknete, damit der Weg der Könige bereitet würde, die von Sonnenaufgang
herkommen. Und ich sah aus dem Mund des Drachen und aus dem Mund des Tieres
und aus dem Mund des falschen Propheten drei unreine Geister kommen wie
Frösche; denn es sind Geister von Dämonen, die Zeichen tun, die zu den Königen
des ganzen Erdkreises ausgehen, sie zu versammeln zum Krieg jenes großen Tages
Gottes, des Allmächtigen. (Siehe, ich komme wie ein Dieb. Glückselig, der da
wacht und seine Kleider bewahrt, damit er nicht nackt wandle und man seine
Schande sehe!) Und er versammelte sie an den Ort, der auf hebräisch Armagedon
heißt.”
Wir lasen zweimal, dass die Menschen nicht Buße
taten. Was tun sie stattdessen? Sie lassen sich, verführt durch dämonisch
gewirkte Zeichen und Wunder, von Satan zum offenen Krieg gegen Gott anstiften.
Dämonische Mächte einen die Menschen in ihrem Aufruhr gegen den Himmel. Das
ist sehr bezeichnend, und es soll uns eine Warnung davor sein, die
Zusammenschlüsse und großen Verbrüderungen über alle Grenzen von Konfession
und Glauben hinweg, wie wir sie in unseren Tagen erleben, euphorisch zu
begrüßen. Denken wir auch an Kapitel 17,13.14. Dort lesen wir, dass zehn
Könige einen Sinn haben, nämlich
ihre Macht dem Tier zu leihen, das Krieg führt gegen das Lamm. Wer mag
glauben, ein geeintes Europa und eine wirtschaftlich vernetzte Welt könne ein
Werk göttlicher Gnade zu göttlichem Wohlgefallen sein? Vielmehr bahnt sich der
Zusammenschluss der Könige der Erde an, die zusammen beraten werden, wie sie
Gott und seinen Gesalbten ausstechen können: “Lasst uns zerreißen ihre Bande
und von uns werfen ihre Seile” (Ps 2,2.3; 46,3.6). Sie beabsichtigen, wie die
bösen Weingärtner von Matthäus 21,38, dem von Gott bestimmten Erben (Heb 1,2)
das Erbe streitig zu machen.
Wenn es hier heißt, Gott sammle sie “an der Ort,
der auf Hebräisch Harmagedon heißt”, dann ist das eine Anspielung an jenes
Geschehen, in dem erstmals an jenem Ort von einem Kampf fremder Heere gegen
das Volk Gottes die Rede ist: Richter 5,19.20. Wie dort wird auch hier der
Herr vom Himmel her eingreifen und die Feinde Gottes und Seines Volkes
schlagen. Das bedeutet auch, dass die Bezeichnung Harmagedon (= “Berg von
Megiddo”) nicht auf die Geographie des Geschehens, sondern auf die
Art des Geschehens hinweisen will; denn dieses wird sich laut
Sacharja 14,1.2 und Micha 4,11-13 um Zion drehen.
Die Könige der Erde versammeln sich (Ps 48,4; Sach
14,2.3; Joel 3,9-17), um die in Jerusalem lebenden Gläubigen zu vernichten.
Indem sie diese bekriegen, führen sie Krieg gegen das Lamm, ähnlich wie
Saulus, als er den Christen nachsetzte, in Wahrheit den Christus Gottes
verfolgte; deshalb dessen Frage an ihn:
“Saul, Saul, was verfolgst du
mich!” (Apg 9,4).
Was sagt uns das Ganze ferner? Das von immer
schlimmeren Plagen heimgesuchte Reich des Tieres wird in den Gläubigen die
Sündenböcke sehen, die es auszurotten gelte, dann würde wieder Ordnung
einkehren. Das Tier und sein Prophet sind durch die dämonische Hilfe in ihrer
weltweiten Mission erfolgreich und können die Könige der Erde hinter sich
sammeln, um auf Jerusalem zu marschieren. Sie ahnen nicht, dass es bereits
göttliches Gericht ist, dass sich diese überhaupt einfinden; denn sie
versammeln sich, um vom Sohn Gottes gerichtet zu werden. Und ist es nicht
bemerkenswert, dass in Vers 14 wohl steht, die Dämonen versammelten die
Menschen, in Vers 16 aber: Gott
versammle sie (Zeph 3,8; Mi 4,11-13). Er steht über allem, Er lenkt alles so,
dass der Mensch selbstverschuldet ins Gericht eilt. Man vergleiche das mit
Jeremia 50,24. In Kapitel 19 wird beschrieben, wie der aus dem Himmel
erscheinende König die zum Krieg versammelten Könige der Erde (19,19) richtet
(Man beachte , wie sowohl in 16,16 als auch in 19,19 das Wort “versammelt”
steht ).
Eingeschoben ist eine Warnung an die Menschen
angesichts des nahe bevorstehenden Kommens des Messias. Noch immer ruft Gott!
Er tut dies natürlich durch seine Zeugen, die trotz Verfolgung und Todesstrafe
das Kommen des Königs aller Könige ankündigen. Und es werden wohl Menschen aus
den zahlreichen Heidenvölkern auch diesen bald letzten Ruf zur Buße annehmen
und nach dem Kommen des Königs Ausschau halten. Diese werden - anders als die
Ungläubigen - Sein Kommen nicht wie den Dieb in der Nacht, das heißt als eine
böse Überraschung, erleben.
Die siebte Schale (16,17-21)
“Und der
siebte goss seine Schale aus in die Luft; und es ging eine laute Stimme aus
vom Tempel des Himmels, vom Thron, die sprach: Es ist geschehen. Und es
geschahen Blitze und Stimmen und Donner; und ein großes Erdbeben geschah,
desgleichen nicht geschehen ist, seitdem die Menschen auf der Erde waren,
solch ein Erdbeben, so groß. Und die große Stadt wurde in drei Teile geteilt,
und die Städte der Nationen fielen, und die große Babylon kam ins Gedächtnis
vor Gott, ihr den Kelch des Weines des Grimmes seines Zornes zu geben. Und
jede Insel entfloh, und Berge wurden nicht gefunden. Und große Hagelsteine,
wie ein Talent schwer, fallen aus dem Himmel auf die Menschen hernieder; und
die Menschen lästerten Gott wegen der Plage des Hagels, denn seine Plage ist
sehr groß.”
Alle Auflehnung menschlicher Zivilisation gegen die
Herrschaft des Himmels ist nichtig. Am Ende bricht sie vollkommen in sich
zusammen. Das will uns die siebte und letzte Schale des Zornes Gottes sagen;
darum lesen wir hier von Erdbeben - dem Umsturz der dann bestehenden Ordnungen
(Ps 97,4) - und von Städten, die fallen. Das letzte, das der Himmel einer
unbußfertigen Menschheit geben kann, ist Zerstörung: Hagelsteine fallen aus
ihm und damit Tod. Dabei hatte der Himmel dem Menschen etwas Besseres
bereitet: