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Der römische Katholizismus

30 Fundamentum 1984/2  S 30

Von Babylon nach Rom
Katholizimus   Die Katholische "Kirche" ist ein grosser Schwindel
Von Rom zu Christus
LISTE KATHOLISCHER IRRLEHREN UND MENSCHLICHER TRADITIONEN
Aufklärung über die Calvinismus Gotteslästerung

Der römische Katholizismus

Ein ehemaliger Priester widerlegt einzelne Dogmen der katholischen Kirche

 Erster Teil
Pfr. Herman J. Hegger
(Biographische Angaben siehe
FUNDAMENTUM1/1984)
(Übersetzung: Traute Lehmkühler,
 Pfr. Samuel P. van der Maas,
Matthlas Schüürmann, Jennette Weber)

Man bedenke dass J: Hegger noch Protestantische Irrleher hat.
 


ACHTUNG:
Hegger ist normaler Calvinismus Gotteslästerer!!


Einführung
 Bevor ich mit meinen Ausführungen über den römischen Katholizismus beginne, möchte ich einen Einblick in mein persönliches Leben geben:
Ich bin in einer römisch-katholischen Familie in einem Dorf in Limburg (Niederlande) aufgewachsen. Zwischen Venlo und Gennep, wo mein Geburtsort Lomm lag, - ein Abstand von 50 km - gab es weit und breit keine Evangelischen. Was der Protestantismus lehrt, bekamen wir also nur von einem Pfarrer zu hören, der selber nie ein protestantisches Buch hatte lesen dürfen. Zu jener Zeit galt noch immer, daß das Lesen von protestantischen Büchern laut Canon 1399 des römisch-katholischen Gesetzbuches (1)  auch für Priester bei Strafe der Todsünde und Hölle verboten war, es  sei denn, daß sie dazu die Erlaubnis von Rom bekamen.

 Ich selber besaß sie als einziger unter den Professoren des Groß-Seminars in Tiefe (Brasilien), wo ich Philosophie und Philosophiegeschichte unterrichtete. Nicht einmal die Professoren für Dogmatik, Kirchengeschichte und Ethik besaßen die Erlaubnis, protestantische Bücher zu lesen. Warum ich sie wohl bekommen hatte? Erstens kam ich aus den Niederlanden, wo man die Erlaubnis wegen der vielen Protestanten, die dort wohnen, leichter erhielt. Zweitens hatte



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(1)  Der Codex luris Canonici (CIO), das römisch-katholische Gesetzbuch, ist maßgebend für das katholische Kirchenrecht. «Das Im Gesetzbuch kodifizierte göttliche und kirchliche Recht dient der katholischen Kirche als Instrument ihrer Selbstverwirklichung und damit zur Wahrnehmung Ihres Auftrages zur Heilsvermittlung. Die Rechtsstruktur ist ein Wesensmerkmal der Kirche. Daraus ergibt sich für den einzelnen eine unentbehrliche Bindung seines Glaubenslebens an die institutionelle Kirche.» (Erwin Wilkens in «Evangelische Kommentare», 2/1984). Der Kodex von 1917 wurde im vergangenen Jahr nach mehrjähriger Arbeit durch einen revidierten Kodex (GIG 1983) ersetzt; er ist bereits In deutscher Übersetzung lieferbar. (Red.)
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ich eine gute Beziehung zu dem damaligen General des Ordens, dem ich angehörte, nämlich dem der Redemptoristen. Daß ich der einzige unter den Professoren war, der die Erlaubnis hatte, protestantische Bücher zu lesen, bemerkte ich einmal, als wir über einen Lehrteil der Protestanten sprachen. Sie gaben ihn falsch wieder. Ich antwortete ihnen: «Ich habe ein Buch eines Protestanten, und dieser wird doch wohl wissen, was der Protestantismus lehrt.» Ganz erstaunt reagierten sie: «Aber hast du denn eine Erlaubnis, protestantische Bücher zu lesen?» Da war ich derjenige, der erstaunt war, und sagte: «Ja, habt ihr das denn nicht? Wie könnt ihr denn euren Studenten vor Augen führen, was die Protestanten lehren, wenn ihr selbst nie ein Buch eines Protestanten habt lesen dürfen?
Außerdem hat in den Niederlanden jeder Professor eines Groß-Seminars - davon bin ich überzeugt - diese Erlaubnis.»

Sie verstehen also, daß wir die Lehre der Reformation verschleiert zu Gehör bekamen. Jene Lehre ist für einen Katholiken auch außerordentlich schwer zu verstehen. Sie entspringt einer total anderen Denkwelt, einer total anderen Lebenshaltung.

Ich war sehr überrascht darüber, daß auch der Neue Katechismus der holländischen Bischöfe sich schuldig gemacht hat durch die karikierende Darstellung der Lehre der Reformation, obwohl er in einer Zeit intensiven ökumenischen Austausches entstanden ist. Er ist 1966 herausgegeben worden. In diesem Neuen Katechismus heißt es: «Der reformatorische Christ sucht die Sicherheit der Vergebung der Sünden in einem innerlichen Zeichen Gottes» (S. 266).

 Dieses Mißverständnis scheint jedoch unausrottbar. So hat Prof. J. P. M. van der Ploeg in «Katholieke Stemmen» (= «Katholische Stimmen»), Mai 1983, die Lehre der Reformation mit derselben Akzentverschiebung versehen. Ich komme noch darauf zurück.

Als ich 11 Jahre alt war, kam in mir ein unwiderstehlicher Drang auf, Priester zu werden. Eigenartig war dasi Es hat mich oft an einen Hühnerstall erinnert. Auf einmal fängt ein Huhn zu gackern an, es bekommt den Trieb zu brüten und kommt erst zur Ruhe, wenn es auf einem Nest mit Eiern sitzen kann. Warum wollte ich Priester werden? Es ist schon so lange her. Nur noch vage erinnere ich mich an einige Gründe.

 Auf jeden Fall hat mein Geltungsdrang dabei eine große Rolle gespielt. Wenn ich Priester würde, würde ich auf einmal weit über den anderen Leuten stehen. Und wenn ich nur zu dem Klein-Seminar ginge, wäre ich schon ein einmaliger Fall in unserem Dorf. Ich würde dann «der Student» sein. In jener Zeit wäre ich dann der Einzige, der nach der Volksschule weiterstudieren würde. Außerdem würde dann schon etwas von dem Glanz des künftigen Priestertums um mich sein, so daß die anderen Dorfbewohner mich schon allein darum mit einer gewissen Ehrfurcht umgeben würden. Seit Menschengedenken war noch nie ein Priester aus unserem Dorf hervorgegangen. Ich würde dann der erste sein. Das ganze Dorf würde sich darüber freuen, daß endlich auch Lomm einen Priester stellen würde. Ein anderer Grund war auch meine starke religiöse Veranlagung. Ich empfand die Messe sehr intensiv. Ich hatte furchtbare Angst vor Gott, hatte aber gleichzeitig




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ein gewaltiges Verlangen nach Ihm. Der, vor dem mir schauderte, fesselte mich gleichzeitig enorm.
Ein dritter Grund - aber das Ist ein Grund ohne mein Zutun, den Ich erst später entdeckte - war Gottes Führung über meinem Leben. Der HERR hat offenbar gewollt, daß Ich auf diese Welse die römisch-katholische Lehre voll und ganz studieren konnte. Dadurch war ich später auch Imstande, auf angemessene und dokumentierte Welse zu zeigen, wie sehr die Lehre Im Gegensatz zur Bibel steht, wie sehr die römisch-katholische Kirche ein anderes Evangelium lehrt, und das heißt kein Evangelium (Gal 1,6-10).


 Es gab (und gibt) zwei Möglichkeiten: Man kann Welt-Priester (Säkular-Priester) werden, ein Priester, der sich nicht Ins Kloster zurückzieht, sondern als Pfarrer oder Kaplan mitten In der Welt (=saeculum) steht; oder man wird RegularPrlester, ein Priester, der Mitglied eines Klosterordens wird und sich dort unter ein regulum (= Klosterregel) stellt. Für mich war die erste Möglichkeit einfach ausgeschlossen; denn sie war viel zu teuer. Das Studium hätten meine Eltern nicht zahlen können. Wenn Ich aber Ordenspriester werden würde, dann hätten sie lediglich bis zu meinem 18. Lebensjahr, und dann mit Ermäßigung, meine Studien zahlen müssen. Danach würde der Klosterorden alles übernehmen. (Ein Cousin von mir studierte schon am Kleln-Semlnar der Passlonnlsten-Patres In Haastrecht. Als er hörte, daß ein Familienmitglied aus Lomm auch priesterllchen «Gluckhennen-Trieb» zeigte, war es für Ihn eine Ehre, wenn er auch mich für die Passionnisten «fischen» konnte.)

Aber bevor das stattfand, mußte noch viel Wasser die Maas zur Nordsee hinabfließen - und es mußten noch viele Tränen von mir fließen. Denn Vater war strikt dagegen. Warum? Das habe Ich nie wirklich verstanden. War es wegen der finanziellen Schwierigkelten, vor denen er zurückschreckte? Oder war es ein taktischer Grund, um zu sehen, ob Ich wohl wirklich sicher war, daß Ich eine «Berufung» hatte? Oder war es, well er den übrigen Dorfbewohnern gegenüber den «Gluckhennen-Trieb» des Sohnes nicht zugeben konnte? Auf der anderen Seite - und das kam später auch heraus - betrachtete er es als eine Ehre, wenn eines seiner Kinder - wir waren vier Brüder und fünf Schwestern - den Glanz des Priestertums empfangen sollte. Dann würde er ja selber auch an diesem Ruhm teilhaben.

Wenn ein Priesterstudent sein Studium abbricht, dann Ist das - so war es jedenfalls In jener Zelt - eine große Schande, vor allem, wenn er schon einmal das Amtskleid des geistlichen Standes, die Soutane, getragen hat. Vielleicht hatte Vater Angst vorder möglichen Schande und wollte so die Entschlossenheit meines Beschlusses prüfen.

 Auf der anderen Seite konnte er es aber auch nicht zu weit treiben. Denn In den Predigten wies der Pfarrer einige Male darauf hin, daß die Eltern eine schreckliche Verantwortung auf sich nehmen, wenn sie die Priesterberufung Ihrer Kinder verhindern. Verschiedene Geschichten wurden aufgetischt über Eltern, die das getan hatten und so selbst und In Ihren Kindern später schrecklich von Gott bestraft wurden.

 Ich bezweifle, daß mein Vater viel von diesen Gruselgeschichten glaubte, er war



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dazu vermutlich doch zu nüchtern. Aber er hatte doch Angst vor der Meinung des Dorfes. Davor beugte sich jeder. Der Dorfklatsch hielt alle in seinem Bann.
 Meine Mutter freute sich sehr über mein Verlangen, Priester zu werden. Später erzählte sie mir, wie sie früher im Zwiespalt gewesen war, ob sie heiraten oder Nonne werden sollte. Wegen ihrer Frömmigkeit konnte Mutter nur völlig meinen Plänen beipflichten. So sah sie in mir verwirklicht, was sie selbst nicht hatte erreichen können. Vielleicht hatte sie noch immerein verborgenes Schuldgefühl, weil sie früher doch nicht den Weg ins Kloster gewählt hatte.

 Vater tobte jedesmal, wenn ich ihn bat, mich gehen zu lassen. Und sogar Mutter begann zum Schein, das Spiel mit Vater mitzumachen - wahrscheinlich, weil auch sie es ratsam fand, meine Berufung gehörig auf die Probe zu stellen. Sie sagte, daß ich besser Schneider werden sollte. Ich sei dazu, ihrer Ansicht nach, sehr geschickt.

 Jedesmal, nachdem mich Vater so abgefertigt hatte, kroch ich weinend ins Bett und vergrub mich tief ins Selbstmitleid. Ich begann, mich als Märtyrer zu fühlen, als einer, der leiden mußte wegen einer Stimme in seinem Innersten, einer Stimme von Gott. Dadurch kam ich näher zu Ihm, näher zu diesem Ewigen, der mich mehr und mehr zu faszinieren begann.

Endlich gab Vater dann doch die Erlaubnis. Im September 1928 ging ich an das Klein-Seminar von Haastrecht. Eine ganz neue Welt eröffnete sich mir.

Nur vage sah ich die Zukunft. Aber Gott hatte schon einen Plan mit mir. In dem Klein-Seminar erfaßte mich das Verlangen nach Vollkommenheit. Ich träumte davon, ein Heiliger zu werden, gänzlich frei von jeder sündigen Begierde zu sein. Aber immer wieder wurde ich enttäuscht. Zum Schluß verwickelte ich mich sogar in ein homophiles Freundschaftsverhältnis. Ich kam dann zu dem Schluß, daß ich offenbar schwerlich ohne erotische Liebe, sei es zu einem Mädchen oder zu einem Jungen, leben konnte. Ich verließ das Klein-Seminar und kehrte wieder nach Hause zurück.

 1934 trat ich dem Kloster der Redemptoristen-Patres bei. 1940 wurde ich zum Priester geweiht. 1947 wurde ich berufen, Philosophie und Philosophie geschichte an dem Groß-Seminar von Tiete zu lehren. 1948 verließ ich die römisch-katholische Kirche. 1949 kehrte ich nach Europa zurück und wurde Evangelist der Reformierten Kirche in Denderleeuw in Belgien, und nach meinem theologischen Studium an der Freien Universität von Amsterdam wurde ich als evangelisch-reformierter Pfarrer ordiniert.

1956 erschien mein erstes Buch: «Mein Weg zum Licht». Insgesamt habe ich bis jetzt 11 Bücher veröffentlicht. 1958 habe ich meine Arbeit als Prediger der Reformierten Kirche von Denderleeuw niedergelegt und eine überkonfessionelle Stiftung gegründet, «In de Rechte Straat» («Auf der rechten Straße») genannt, die das Ziel hat, ehemalige Priester und Ordensleute zu unterstützen, die die katholische Kirche aus Gewissensgründen meinen verlassen zu müssen, wie auch die Evangelisation unter den Katholiken. Seit dieser Zeit stehe ich als Prediger-Direktor im Dienste dieser Stiftung.

 In meinen Ausführungen über den römischen Katholizismus möchte ich nun so praktisch wie möglich sein. In meiner Lebensgeschichte haben Sie bereits einen


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kleinen Einblick in die Denkweise der Katholiken bekommen. Sicher hat sich seither einiges geändert, doch das Wesentliche ist gleich geblieben. Zunächst wollen wir uns mit der folgenden praktischen Frage beschäftigen:

 I. Wie sollen wir einem Katholiken begegnen?
Meine erste Antwort auf diese Frage lautet: auf eine positive Weise. Sie müssen versuchen, ihm das Evangelium zu verdeutlichen. Setzen Sie dabei auf keinen Fall Bibelkenntnis voraus, denn diese haben bei weitem die meisten Katholiken so gut wie nicht.

Sie müssen mit Milch-Nahrung beginnen. Sie müssen die elementarsten Wahrheiten des Evangeliums so einfach wie möglich darlegen. Berücksichtigen Sie auch, daß bestimmte Worte, die Sie verwenden - falls Ihre Zuhörer etwas mehr wissen von der Lehre ihrer Kirche - sofort schon anders von ihnen ausgelegt werden. Eine ganze Reihe von Begriffen haben für sie einen anderen Inhalt als für Sie, wenn Sie mit dem Protestantismus aufgewachsen sind. Lassen Sie mich einige Beispiele geben:

Sünde ist ein elementarer Begriff. Wenn jemand diesen Begriff nicht verstanden hat, kann er auch nicht verstehen, was Gnade ist. Aber wenn ein Katholik das Wort «Sünde» hört, denkt er sofort an sündige Taten. (Dazu rechne ich nicht nur Handlungen, sondern auch die sündigen Worte und die sündigen Begierden.) Aber ein Katholik wird nicht zum Eigentlichen, der Tiefe der Sünde, nämlich zu unserer Sündhaftigkeit, unserer sündigen Art durchdringen. Solange er das nicht sieht, wird er wohl immer eine Ausrede finden, um seine sündigen Haltungen, Worte oder Begierden zu beschönigen oder zumindest mildernde Umstände zu erwähnen. Solange man die Sünde nur als Taten sieht, die mehr oder weniger unglücklicherweise aus einem sonst guten Naturell entstehen, wird man nur schwerlich wirklich vor Gottes Angesicht zerbrochen werden. Das geschieht erst dann, wenn jemand einsieht, daß seine sündigen Taten nicht mehr oder weniger zufällig sind, kein Irrtum, kein Sich-Verschreiben, kein Fehlgriff, nicht die Folge unserer begrenzten, schwachen, aber sonst guten Art, sondern daß die sündigen Taten eine notwendige Folge unserer total sündigen Natur sind. Da können wir nur hilflos zu Füßen des heiligen Gottes niedersinken; jedenfalls dann, wenn der Heilige Geist uns durch das Wort Gottes die völlige Sündhaftigkeit unserer Natur gezeigt hat.

 Ein Mensch kann nämlich auch auf einem anderen Weg zur Entdeckung seiner Sündhaftigkeit kommen, nämlich indem er selber nachdenkt. Prof. Sierksma hat in einem Artikel in «De Nieuwe Linie» (=«Die neue Linie») einmal mitleidig gelächelt über die früheren Humanisten, die so optimistisch über den Menschen und seine guten Möglichkeiten denken konnten. Er sagte: «Nach zwei Weltkriegen wissen wir es wohl besser, nämlich, daß der Mensch nicht mehr als ein Bündel Leidenschaften ist, zusammengebunden durch die Ich-Leidenschaft.» Trotzdem ist Prof. Sierksma nie zur biblischen Sündenerkenntnis gelangt und hat also auch nie das Bedürfnis gehabt, Christus als seinen Erlöser anzunehmen. Die katholische Kirche lehrt, daß der Mensch in seiner Natur nur verletzt ist (vulneratus in naturalibus), aber nicht in sich selbst verdorben. Das ist ungefähr

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so auch auf dem Konzil von Trient ausgesprochen worden. «Wenn jemand sagt, der freie Wille des Menschen sei nach Adams Sünde verloren und vernichtet, oder er sei eine Sache, die in einem leeren Namen bestehe, oder vielmehr ein leerer Name ohne Sache, oder endlich eine Erdichtung, die der Teufel in die Kirche gebracht habe, - der sei im Banne!» (6. Sitzung: Über die Rechtfertigung, Canon 5)2.

ACHTUNG
der Verfasser  HJ. Hegger  hat die Irrleher Luthers,

 der Mensch hätte keinen freien Willen!

Wenn ein Katholik hört, daß wir den freien Willen des Menschen verneinen, wird auch das für ihn schwierig zu verstehen sein. Wir werden ihm deutlich machen müssen, was der Unterschied zwischen physischer Freiheit des menschlichen Willens ist, die auch wir anerkennen, und der moralischen Freiheit, die wir verneinen. Wir würden ihm sagen müssen: «Natürlich sehen auch wir, daß ein Mensch frei ist zu stehen oder zu sitzen, diesen Beruf zu wählen oder einen anderen, in den Urlaub zu fahren - im eigenen Land oder im Ausland. Aber was der Mensch auch wählt, immer wird er sich selbst im Auge haben, sogar in seinen religiösen Entscheidungen. Und das meinen wir, wenn wir über die moralische Freiheit des menschlichen Willens sprechen. Der Mensch ist infolge der Erbsünde verdammt, sich selbst nachzujagen. Er kann nicht mehr aus sich selbst heraustreten und Gott und den Nächsten wahrhaft lieben. Eher ist er geneigt, alles und jeden zu hassen, der ihm bei der Verwirklichung seines Verlangens und seiner Begierden im Wege steht, und die Konsequenz ist dann, den anderen aus dem Weg zu räumen, wenn dieser nicht von sich aus nachgibt.

Es ist nicht klug, bei der Evangelisation sofort auf das Unvermögen des Menschen hinzuweisen, sich selbst völlig umzuformen. Das tat Jesus auch nicht. Wenn Sie seine Gespräche mit den Juden analysieren, merken Sie, daß er erst dann über die Erwählung spricht, wenn alle seine Versuche, sie durch eine positive Predigt anzuziehen, keinen Erfolg gehabt hatten. In seiner Rede über das Brot des Lebens in Joh 6 sehen wir, daß er erst in V. 44 zum ersten Mal über dieses Unvermögen des Menschen spricht: «Es kann niemand zu mir kommen, es sei denn, daß ihn ziehe der Vater, der mich gesandt hat;.. .» (3)

Achtung:
der Verfasser Hegger hat die Gotteslästerung des
Calvinismus!

 Und noch deutlicher sagt er es ganz am Schluß V. 65: «Darum habe ich euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, es sei ihm denn von meinem Vater gegeben.» Es ist wie ein letzter Versuch. Jesus will sie darauf hinweisen, daß sie aus sich selbst nichts anderes tun können, als sich Ihm zu widersetzen.


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Achtung:

Johannes Kapitel 4
• der Heiland sucht verlorene Sünder (s. V. 1-19)
• der Vater sucht Anbeter (s. V. 20-26)
• der Herr sucht Arbeiter (s. V. 27-42)

Auserwählung hat im Wort Gottes nie etwas mit Errettung zu tun.
https://www.bbkr.ch/forum/showthread.php?t=9879&p=60768#post60768

Einschub h.p.wepf
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Sie können selbst nicht solch eine radikale innerliche Wandlung in sich bewirken. Das muß ihnen vom Vater gegeben werden. Wenn sie das gut verstehen, dann gibt es vielleicht eine Chance, daß sie auf ihre Knie gehen und vor Gott bekennen: «Herr, ich kann mich nicht bekehren. Ich kann nur mich selber suchen. Ich kann dich aus mir selbst heraus nie wahrhaftig lieben. Herr, kehre du mich um. Laß mich wiedergeboren werden durch Deinen Heiligen Geist.»


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2 Zitiert nach: «Des heiligen ökumenischen Concils von Trient Canonen und Decrete in neuer deutscher Übersetzung .. Hrsg. Franz Seraphim Petz, Passau: Joseph Bucher 1877, S. 49. - Diese Ausgabe gibt die Worte «anathema sit», d. h. «der sei verdammt», jeweils mit der sehr milden Wendung «der sei im Banne» wieder. (Red.)

3 Alle Bibelstellen sind in der Regel nach der revidierten Luther-Übersetzung [At: 1984/NT: 1956] wiedergegeben. (Red.)




36......................... H.J. Hegger
ACHTUNG:
Hegger ist normaler Calvinismus Gotteslästerer!!

So wollen auch wir nicht sofort mit der Prädestinationslehre'» und mit dem Unvermögen des Menschen, sich zu bekehren, kommen. Wir müssen erst das Wort positiv bringen, das Evangelium in all seiner Tiefe und all seinem Reichtum entfalten und währenddessen den Herrn bitten, ob es ihm gefällt, seinen Geist zu schenken, damit Menschen durch die Predigt des Wortes auch in ihren Herzen angesprochen werden und zu dieser tiefen Veränderung gelangen, die der Herr Jesus mit einer neuen Geburt gleichsetzt. Und erst im äußersten Notfall dürfen wir mit der drohenden Warnung über die Möglichkeit der Verhärtung kommen, wodurch die Bekehrung für immer unmöglich gemacht wird, und mit Hebr 6,4-6 mit der Unmöglichkeit derer, die einmal die Herlichkeit des Wortes Gottes gekostet haben und danach abgefallen sind, sich aufs neue zu bekehren.

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Hegger leugnet auch Die  Heilssicherheit,
  er weiss nicht mal richtig  was die Irrlehre Calvins alle beinhaltet ...
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Eine erste Gefahr des Mißverständnisses bei dem Ausdruck «Sünde» ist also, daß die Katholiken darunter allein die sündigen Taten verstehen, also sündige Handlungen, Worte und Begierden. Folglich denken sie dann auch von selbst an den Unterschied zwischen Todsünde und läßlicher Sünde. Wir kommen noch darauf zurück.

Eine Todsünde ist eine ernste, bewußte Übertretung des Gesetzes Gottes, die mit der ewigen Hölle bestraft wird, wenn man diese nicht beichtet.

Eine läßliche Sünde ist eine geringfügige Übertretung der Gebote Gottes, die mit dem zeitlichen Fegefeuer bestraft wird, das überdies mittels Ablässen und Seelen messen verkürzt werden kann.

Wenn Sie also sagen, daß wir durch unsere Sünde den ewigen Tod der Hölle verdient haben, erforschen Ihre Zuhörer ihr Gewissen, ob sie eine Todsünde verübt haben, die sie noch nicht gebeichtet haben. Darauf werden Sie also gefaßt sein müssen und bereits sofort vorsichtig zu zeigen versuchen müssen, daß dieser Unterschied nicht biblisch ist und daß wir sogar durch die geringfügigste Übertretung des Gesetzes Gottes seinen Fluch und so den ewigen Tod verdienen; oder Sie müssen sich so deutlich ausdrücken, daß Ihre Zuhörer zumindest bereits vage ahnen, daß dieser Unterschied, auch wenn Sie nicht darüber sprechen, unrichtig ist.

Gnade - Auch dieser Ausdruck wird durch die Katholiken ganz anders verstanden. Wir kommen noch darauf zurück. Kurz will ich nur dieses sagen: Gnade ist gemäß der Reformation etwas außerhalb von uns, nämlich Gottes Wohlwollen, seine Vergebungsbereitschaft aufgrund von etwas außerhalb von uns, nämlich aufgrund des stellvertretenden Leidens und Sterbens Christi, das uns durch den Weg des Glaubens angerechnet wird. Gemäß Rom ist die Gnade etwas in uns, nämlich die totale Umformung der menschlichen Natur, wodurch wir zur Übernatur der Kindschaft Gottes erhoben werden und aufgrund dessen Gott uns wohlwollend gesinnt ist und uns unsere Sünden vergibt.

Es gibt noch mehr Ausdrücke, die für Rom und die Reformation eine unterschied liche Bedeutung haben, aber wir gehen darauf bei der Behandlung der verschiedenen Themen noch näher ein. Bei der Begegnung mit Katholiken ist es also zunächst erforderlich, daß Sie

4 Prädestinationslehre - Lehre von der Vorherbestimmung des Menschen. (Red.)



Der römische Katholizismus ....................37
ihnen auf positive Weise darlegen, was der Inhalt des Evangeliums ist, während Sie der Tatsache Rechnung tragen, daß jene dieselben Werte mit einer anderen Bedeutung verbinden.

 Zudem ist sehr wichtig, daß Sie ihnen zeigen, daß dies bei Ihnen keine Theorie, keine abstrakte Theologie ist, sondern erlebte Wirklichkeit.

Dies ist von großer Bedeutung, auch bei katholischen Theologen und anderen Intellektuellen. Dies war auch in meinem Leben ausschlaggebend. In der Methodistengemeinde, die mich in Rio de Janeiro mit soviel Liebe auffing, waren «nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Gewaltige, nicht viele Edle» (2. Kor 1,26). Aber ich erinnere mich noch immer an eine Schwarze - vielleicht konnte sie nicht einmal lesen oder schreiben die mir gegenüber Zeugnis gab von Ihrem Glauben an den lebendigen Christus, wodurch ihr ganzes Leben verändert wurde. Sie schaute mich feurig-prophetisch an und sagte: «Ihr habt uns immer soviel Angst gemacht mit euren Drohungen von Todsünde und Hölle, wenn wir uns nicht den Gesetzen unterwerfen wollten, die ihr selbst erfunden habt. Ihr habt euch uns als Mittler zwischen Gott und Menschen dargestellt. Ihr habt außerdem allerlei Menschen, die gestorben sind, als Mittler zwischen Christus und uns geschoben, obwohl die Bibel ganz deutlich sagt, daß es nur einen Mittler gibt, Jesus Christus (1. Tim 2,5). So habt ihr mich jahrelang daran gehindert, Christus als meinen einzigen und allgenügsamen Seligmacher zu finden. Sie, die von euch als Ketzer verurteilt werden, haben mir den Weg zu diesem Christus der Schriften gezeigt. Und nun habe ich alles in Ihm. Er ist mein Leben, mein Tröster, mein Friede und meine Freude.»
Dann habe ich angefangen nachzudenken und mich gefragt: Ist Christus dann vor allem gekommen um neues Leben, wirkliches Leben, ewiges Leben zu bringen und nicht vor aliem eine neue Lehre?

Das war ein total anderer Gedankengang. Dadurch fiel für mich schon ein Großteil der Gegenargumente gegen den Protestantismus weg, die mir beige bracht worden waren. Ich wurde auf eine neue Spur geleitet durch das Zeugnis dieser einfachen Frau. Und je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr mußte ich ihr recht geben. Der Katholizismus ist eigentlich ein großes Mißverständnis dessen, was das Evangelium wirklich meint. Ich begann zu verstehen, was Bekehrung ist: nicht eine Veränderung einer Wissensrichtung, wodurch z. B. ein Alkoholiker, ein Unzüchtiger, ein Dieb beschließt mit seinem sündigen Leben zu brechen. Bekehrung ist nicht einmal der Entschluß zur totalen Übergabe an den Willen Gottes bis hin zur Vollkommenheit.

Die sogenannten «Übungen» (Exerzitien) von Ignatius von Loyola, dem Begründer des Jesuitenordens, versuchen dieses zu erreichen mittels einer systemati schen Meditation und eines systematischen Trainings während 30 Tagen. Nein, Bekehrung ist, in den Boden zu versinken vor Scham über die Tatsache, daß man bis jetzt, auch bei all seinen frommen Gedanken, Worten und Taten nur sich selbst im Auge hatte! Als Paulus sein frommes, religiöses Leben in Phil 3,4-6 aufzählte, fährt er fort, indem er sagt, daß er das alles als schädlich und sogar als Dreck, als Mist betrachtet; denn all diese Frömmigkeit hat ihn davon abgehalten, Christus zu gewinnen, seiner teilhaftig zu werden und auch in ihm die einzige, wahrhaftige


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«Die Waage».
 Diese alte Darstellung gilt als eine der am meisten verbreiteten Karikaturen, welche von calvinistischer Seite aus gegen die römisch-katholische Kirche gestaltet wurden. In dem eindrucksvollene Bildband historischer Darstellungen, der »Iconographie Calvinienne» von E. Durnergue (in Zusammenarbeit mit H. Maillart-Gosse u. Eug. Demole, Lausanne: Georges Bridel & de. 1909), finden sich folgende Hinweise zur Geschichte dieses Bildes: Die Erläuterungen zum Original werden in holländischer Sprache verfaßt; Original ist unterzeich net von »Martinus van Beusecom exc.». Eine genaue Reproduktion ist von Oarel Allardt signiert, andere Fassungen tragen die Unterschriften «Huijch Allardt excudit» oder «Rombout van der Hoye exc.» bzw. sind anonym. Sie werden auf 1591 datiert. Darüberhinaus existiert noch eine Genfer Ausgabe mit französischer Erklärung; diese Fassung unterscheidet sich von den anderen dadurch, daß an einer Ecke der linken Waagschale ein kleiner Teufel dargestellt ist, der sich neben den Schlüsseln des Petrus am Holz anklammert.

Im erwähnten Buch von E. Doumergue wird folgende Bilderläuterung gegeben: »Zwei Mönche versuchen eine Waagschale herunterzudrücken: Einer der Geistlichen, der auf der Waag schale steht, drückt mit seinem ganzen Gewicht darauf; der andere hängt sich daran und zieht mit aller Kraft Auf der Waagschale befinden sich ein grosses Buch (die Summa von Thomas von Aquin?), eine päpstliche Krone und die Schlüssel des hl. Petrus. Auf der anderen Waagschale liegt nur ein großes Buch, das Buch der Protestanten, die Bibel, und doch wiegt diese Waagschale bei weitem am schwersten. Trotz aller Bemühungen scheint sie am Boden befestigt zu sein.

Vor der Waagschale stehen Johannes Huss, der große Märtyrer aus Böhmen, und Calvin, der von Luther, Melanchthon und zwei anderen Fleformatoren umgeben ist Calvin ist sehr gut wiederzuerkennen, Luther und Melanchthon etwas weniger. Dahinter befinden sich fünf


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* Die St. Jakobs-Muschel, die die Pilger am Hut oder Mantel trugen, wies sie als Pilger aus, die auf dem Weg zum Grab des Heiligen Jakobus in Compostella, dem berühmtesten Wallfahrtsort des Mittelalters, waren. Sie wurden unterwegs überall in den Klöstern gratis verpflegt, weshalb sie ihren Eßnapf am Gürtel trugen.


Der römische Katholizismus ......................39

weitere Personen, von denen zwei große Hute tragen. Darül>er befinden sich an der Wand fünf Bildniss
 Auf der anderen Seite der Waage sieht man den Papst Pius unter einem Baldachin sitzend, zwei Kardinäle, einen Pilger mit seiner Muschel', seinem Essnapf und seinem Stab. Loyola. Chorknaben.» (a. a. 0.. S. 183).

 Bei dem Buch auf der Waagschale der katholischen Kirche durfte es sich - statt um das theologische Werk des Kirchenlehrers Thomas von Aquin (122511226-1274) -. um die Bibel handeln. Beiden im Vordergrund stehenden Personen auf  der linken Bildseite sind deutlich ein Rosenkranz und die Glocke eines Ministranten erkenntlich. Red
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. Gerechtigkeit zu finden, die Gerechtigkeit Jesu selber, die unser Besitz wird dadurch, daß sie uns angerechnet wird, durch den Weg des Glaubens allein, also nicht aufgrund der eigenen redlichen oder frommen Taten.
 Bekehrung heißt, sich selbst zu sterben.
(auch so eine komische Aussage ..)  Busse wo?

Dann gibt man sein altes Ich total auf. Man erwartet nichts mehr davon. Man weiß dann, daß alle Äußerungen dieses alten Menschen in Gottes Augen nur ein Häufchen Schmutz sind, wovor es Gott nur ekelt, weil alles von Selbstsucht durchdrungen ist.

 Bekehrung ist aber zu gleicher Zeit ein Auferstehen mit Christus.
 Denn dieses Sterben an unserem sündigen Ich ist nur durch ihn möglich, durch die Gemeinschaft mit seinem Sterben am Kreuz, wo er dem alten Menschen in uns den Todesstoß gegeben hat; nicht durch eine mystische Wirkung durch die Jahrhunderte hindurch, sondern durch die Versöhnung, die er zwischen Gott und uns dadurch bewirkte und durch dieses Wort der Versöhnung, wenn es uns erreicht.

Jenes Wort der Versöhnung hat die Kraft, den alten Menschen in uns zu töten, jedesmal aufs neue; denn jenes Wort der Versöhnung durch das Kreuz läßt nichts mehr von unserer eigenen Gerechtigkeit übrig. Wenn wir dieses Wort der Versöhnung durch das Kreuz klar begreifen und wirklich zu uns durchdringen lassen, dann reinigt es uns von unserem alten Ich mit seinem sündigen Selbstbewußtsein, seinem Hochmut und seiner eitlen Selbstzufriedenheit. Aber wer also Gemeinschaft mit dem gekreuzigten Christus hat, hat auch zu gleicher Zeit Gemeinschaft mit dem auferstandenen Christus: «Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten und der Erstling geworden unter denen, die da schlafen» (1. Kor 15,20). «Wer will verdammen? Christus ist hier, der gestorben ist, ja, vielmehr, der auch auferweckt ist, welcher ist zur Rechten Gottes und vertritt uns» (Röm 8,34).


Ich komme wieder auf die Notwendigkeit dessen zurück, daß diejenigen, denen wir das Evangelium verkündigen, bemerken müssen, daß wir das alles selber erfahren haben. Wie können wir ihnen sonst das Evangelium vermitteln als «eirie Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben» (Röm 1,16), wenn die Kraft Gottes nicht in unserem eigenen Leben sichtbar ist und nicht aus dem Evangelium, das wir verkündigen, herausleuchtet? Ist es dann nicht wahrschein lich, daß es auch bei unseren Zuhörern lediglich eine Theorie wird, die im Kopf steckenbleibt und nicht oder kaum deren Herz berührt? Vielleicht würden Sie nun die Frage stellen wollen: «Was denken Sie von Zeugnissen, von Bekehrungsgeschichten?» Ich meine, darauf folgendes ant worten zu müssen: Zeugnisse haben nur dann den Wert einer Verkündigung, wenn dadurch ein Wort Gottes, ein Schriftteil oder ein bestimmter Text klarer



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erscheinen wird. Wenn nicht, dann sollten sie besser ausbleiben. Denn das Wort eines Menschen an sich ist nie imstande, eine Kraft Gottes zum Heil zu werden. Diese Kraft besitzt allein das Evangelium Jesu Christi.

Zudem besteht die Möglichkeit, daß der Mensch in den Mittelpunkt gerückt wird. Das ist sehr gefährlich. Es ist etwas Widerliches, wenn ein Mensch nach eigenem Ruhm trachtet, während er erzählt, was Gott an ihm getan hat. Der Geltungstrieb, die Neigung, unter den Menschen etwas Besonderes sein zu wollen, steckt in uns allen und wird uns hier auf Erden nie ganz verlassen. Außerdem besteht die Gefahr, daß die Zuhörer solch eine Bekehrungs geschichte als eine Art Muster sehen: So sollte offenbar jede Bekehrung stattfinden. Das kann sie mutlos machen und blockiert leicht das Werk des Heiligen Geistes, der souverän ist und sich selbst nie wiederholt. Er handelt mit jedem nach seinem Wohlgefallen. «Dies alles aberwirkt derselbe eine Geist und teilt einem jeglichen das Seine zu, wie er will» (1. Kor 12,11).

Aber trotz dieser Bedenken sollen wir doch den Wert des persönlichen Zeugnisgebens nicht aus den Augen verlieren. Die Schrift hat es offenbar wertvoll gefunden, die Bekehrungsgeschichte des Paulus viermal zu erwähnen. Selber wurde ich auch oft von Zeugnissen erbaut dadurch, daß ich dann eine bestimmte biblische Wahrheit auf einmal lebendig vor mir sah. Welche Bedeutung haben die Zeugnisse von ehemaligen Priestern?
Auch die können von Gott gebraucht werden. Selber weiß ich aus verschiedenen Briefen, daß katholischen Lesern durch das Lesen meiner Bücher ein Licht aufgegangen ist, und daß andere ehemalige Katholiken, die bereits zur Giaubensübergabe an Christus gekommen waren, durch meine Veröffentlichungen sehr ermutigt und gestärkt wurden. Dennoch sollen wir den Wert des Zeugnisses gegenüber früheren Glaubens genossen nicht überschätzen. Paulus meinte auch, daß er durch seine Bekehrung aus dem Judentum und insbesondere aus dem Pharisäismus auf besondere Weise geeignet sein würde, gegenüber Juden Zeugnis zu geben. Er sagte es auch dem Herrn, als er ihm erschien. Aber da antwortete Jesus; «Gehe hin; denn ich will dich ferne unter die Heiden senden I» (Apg 22,17-21.) Und das ist doch auch wieder verständlich. Wenn Leiter eine Gruppe verlassen, wird das leicht als Desertieren empfunden, als Verrat, als ein Überlaufen zum feindlichen Lager, in diesem Fall: zum Protestantismus. Und die übriggebliebenen Leiter werden diese negativen und feindseligen Gefühle denjenigen gegenüber, die die Gruppe verlassen haben, mit allen möglichen Mitteln anzufachen versuchen. Das passiert besonders innerhalb der katholischen Kirche in bezug auf ehemalige Priester. Sie werden als Menschen dargestellt, die ausschließiich aus Verlangen nach einer Frau ausgetreten sind. Es ist erst zwei Wochen her, daß ich von einer katholischen Frau eine Ansichtskarte bekam, auf der stand: «Expriester sind nur sexbesessen.»

Übrigens ist das Erste Vatikanische Konzil in der Diskriminierung von Katholiken, die ihre Kirche veriassen, weitergegangen. Jenes Konzil hat ausgesprochen, daß dies nur die Folge eines tiefsündigen Lebens sein kann, «denn Gott veriäßt niemanden als nur diejenigen, die ihn verlassen», so sagt das Konzil. Die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche ist eine besondere Gnade. Gott nimmt




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 diese Gnade nicht weg, es sei denn als Strafe für jemanden, der schwer gesündigt hat - wiederum nach diesem Konzil. Dies gilt natürlich noch mehr für die Priester. Sie haben die besondere Gnade des «Priesters in Ewigkeit» verliehen bekommen. Sie müssen also wohl ein schrecklich sündiges Leben hinter sich haben, wenn sie ihre Priesterschaft zurücklegen und die Kirche verlassen.

Trotzdem können Zeugnisse von Ex-Priestern von großer Bedeutung sein, vor allem für Katholiken, die schon suchend sind. Wohl müssen Sie sicher sein, daß es sich um wirklich bekehrte Priester handelt. Es kommt tatsächlich vor, daß Priester ihre Kirche nur deshalb verlassen, weil sie mit dem Zölibat, dem Verbot zu heiraten, Schwierigkeiten haben. Sie können sich dann wohl zu einer protestantischen Theologie «bekehren», aber das ist keine biblische Bekehrung, das ist keine Wiedergeburt durch den Heiligen Geist.

Wohl ist es möglich, daß solche Ex-Priester nach ihrem Austritt dennoch zu einer wahrhaftigen Bekehrung gelangen, wenn sie mit dem ungebundenen und lebendigen Wort Gottes in Berührung gekommen sind. Seien Sie auch kritisch in bezug auf diejenigen, die sich als bekehrte Ex-Priester ausgeben. Ich habe einige Male erlebt, daß solche Leute nicht einmal Priester gewesen sind. Sie machten sich die Freigebigkeit der vertrauensseligen Protestanten zunütze.


Ich fasse zusammen; Die Verkündigung des Evangeliums bedeutet in erster Linie die ruhige, deutliche, positive Darlegung dessen, was das Evangelium beinhaltet. Diese inhaltiiche Darlegung dessen, was das Evangelium ist, soll jedoch immer Hand in Hand gehen mit der Kraft, die in dem Evangelium selber liegt, aber die nur durch den Heiligen Geist erschlossen und auf den Menschen übertragen wird. Der Heilige Geist gebraucht dazu jedoch durch ihn erfüllte Menschen. Die Darstellung dessen und der erste große Anstoß dazu war das Ereignis von Pfingsten.

Die Apostel hatten eine klare, inhaltliche Darlegung dessen bekommen, was das Evangelium ist. Niemand Geringerer als der menschgewordene Sohn Gottes ist ihr Lehrer gewesen. Und dennoch war die Kraft des Evangeliums für sie noch kaum erschlossen. Das war Gottes Entscheidung, seine Heilsökonomie. Jesus kannte diese Stunde des Vaters. Darum sagte er ruhig, daß die Apostel Jerusalem nicht verlassen, sondern die Herabkunft des Heiligen Geistes abwarten sollten. Erst dann sollten sie die Kraft von oben empfangen, um seine Zeugen zu werden bis ans Ende der Welt.

 Dennoch wird diese inhaltliche, positive Darlegung dessen, was das Evangelium ist, auch wenn es mit der Kraft des Heiligen Geistes verknüpft ist, manchmal nicht genügen, um einen Menschen von den dogmatischen Ketten freizumachen, mit denen er an die Kirche gebunden ist. Es wird oft nötig sein, diese Fesseln aufzubrechen, damit der Mensch von Vorurteilen frei wird und offen werden kann, das wahre Evangelium zu hören.

Ich habe das an mir selbst erlebt. Ich hätte nie die Kraft gefunden, die katholische Kirche zu verlassen, wenn ich nicht deutlich eingesehen hätte, daß mich die Kirche zu Unrecht in ihrer Gewalt gefesselt hielt. Mein Gewissen, das von meiner frühesten Jugend an von der Kirche geformt worden war, würde mich dann




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verurteilen. Das wäre kein Leben für mich gewesen. Die Lossagung von der Kirche hat sich bei mir anhand einer rein philosophischen Beweisführung vollzogen. Eine bestimmte Einsicht in die Erkenntnislehre, in die philosophische Kritik (die Lehre darüber, wie der Mensch zur Gewißheit dessen gelangen kann, ob eine bestimmte These wahr ist), verbunden mit meinem Einblick in die Tiefenpsychologie haben mich völlig davon überzeugt, daß die Rechte, die die kirchliche Obrigkeit, namentlich der Papst, über mich zu haben beanspruchte, ganz und gar auf Scheinbeweisführungen beruhten. Mein Gewissen gebot mir, diese Scheinwelt und diesen Machtmißbrauch zu verlassen.

Aber dadurch war ich noch nicht zur völligen Glaubensübergabe an Christus gelangt. Das ist erst später geschehen.

Wir werden also im folgenden der Frage nachgehen müssen, mit welchen «Beweisketten» ein Katholik an seine Kirche gebunden ist, die ihn auf seinem Weg zur Freiheit in Christus aufhalten. Das bedeutet, daß wir die Katholiken dazu - bringen müssen, die Fehlerhaftigkeit der katholischen Dogmen einzusehen. Wir müssen sie aus dem Irrtum befreien, in den man sie geleitet hat.

Bevor wir jedoch auf eine inhaltliche Widerlegung der wichtigsten Dogmen der römisch-katholischen Kirche eingehen, möchte ich doch zuerst die Frage behandeln, wie wir solch ein apologetisches Gespräch führen sollen.

Dazu ist nötig:
1. Liebe
Bevor Paulus seine Berufung zum Apostel beschreibt, sagt er; «Denn die Liebe Christi dringet uns» (2. Kor 5,14). Die Liebe ist sein Motiv und seine Norm. Die Liebe regt ihn zur Verkündigung des Evangeliums an, aber zeigt ihm auch den Weg dazu.

Es steht geschrieben: «Die Liebe des - nicht: zu - Christus.» Christus hat mit seiner Liebe Besitz von Paulus ergriffen. So soll es auch bei uns sein. Wir müssen eine sterbende Welt, die für ewig verlorenzugehen droht, mit den erbarmenden Augen Christi - des guten Hirten, des barmherzigen Samariters — sehen. Bei unserer Evangelisation müssen wir wie eine Rebe mit Ihm, dem Weinstock, verbunden bleiben. Aus dieser Liebe stammt auch die Dringlichkeit, mit der Paulus zur Bekehrung aufruft: «So sind wir nun Botschafter an Christi Statt: Lasset euch versöhnen mit Gott!» (2. Kor 5,20.)

2. Einfühlungsvermögen
«Denn wiewohl ich frei bin von Jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knechte gemacht, auf daß ich Ihrer viele gewinne. Den Juden bin ich geworden wie ein Jude, auf daß ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich geworden wie einer unter dem Gesetz - wiewohl ich selbst nicht unter dem Gesetz bin -, auf daß ich die, so unter dem Gesetz sind, gewinne. Denen, die ohne Gesetz sind, bin ich wie einer ohne Gesetz geworden - wiewohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin in dem Gesetz Christi -,
auf daß ich die, so ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich geworden ein



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 Schwacher, auf daß ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit Ich auf alle Welse etliche rette» (1. Kor 9,19-20).
Wie oft haben wir gegen diese Regel des Paulus gesündigt! Wie wenig haben wir das Bild des Guten Hirten dargestellt, der das verlorene Schaf In der Wüste suchte.

Wir fordern oft, daß das verlorene Schaf zu uns kommt. Viele sehen kaum die Notwendigkeit der Evangellsatlon.
Sie sagen: «Die Tür unserer Gemeinde steht jeden Sonntag offen; wenn sie nicht kommen, Ist es Ihre Schuld.» Zum Glück hat Gott uns gegenüber nicht so argumentiert. Wir standen Ihm feindlich gegenüber, trotzdem hat er seinen Sohn geschickt, um uns zu retten. Wie wenig sind wir den Kathollken katholisch geworden! Wie wenig waren wir bereit, unsere typisch protestantischen Gewohnhelten, die als solche wiederum nicht In der Bibel zu finden sind, zu opfern, um den Kathollken entgegenzukommen. Paulus war ein ausgezeichneter Pharisäer. Er hat für die Erhaltung der altväterlichen Sitten gekämpft. Aber als die Uebe Christi In sein Herz gekommen war, konnte er die menschlichen Gewohnhelten aufgeben, um so viele wie möglich für Christus zu gewinnen.


3. Kein Proselytismus
 Proselytismus Ist der Elfer, Bekehrte zu gewinnen mit egoistischen Absichten, z. B. um sich einer Anzahl Menschen rühmen zu können, die unter der eigenen «gewaltigen» Predigt zu einer Entscheidung für Christus gelangt sind; um den Glanz seiner eigenen Kirche oder Gruppe zu fördern. Nicht die Uebe zur eigenen Gruppe, sondern die Uebe Christi soll uns drängen. Allein von dieser Liebe her sind wir Imstande zu unterscheiden, worauf es ankommt (Röm 2,18), was an unseren Gewohnhelten biblisch Ist, so daß wir es nicht aufgeben können, ohne Gottes Wort untreu zu werden, - und was Im Grunde genommen nur menschliche Tradition Ist, so daß wir es um des anderen willen aufgeben können.

 4. Ehrlichkeit Das betrifft unsere Bedenken gegen die unblbllsche Oekumene. Man versucht, den anderen dadurch zu gewinnen, daß man menschliches Wasser zum biblischen Wein gießt. Man gibt wesentliche Werte und Wahrhelten preis, um so zu einer mächtigen menschlichen Organisation zu werden, am liebsten zu einer Weltkirche unter einem Haupt. Man verdeckt die Unterschiede zwischen Rom und Reformation oder stellt alles so dar, als ob beide jetzt ungefähr dasselbe Bekenntnis hätten. Und jahrelang haben viele In einem ökumenischen Rausch gelebt und sich hinter der ökumenischen Kulisse versteckt, die sie sich selbst gemacht haben. Aber die Enttäuschung mußte wohl kommen und Ist auch gekommen; zuerst unter Paul VI, aber vor allem unter Johannes Paul II. Der Bibel Ist jede Unwahrhaftigkelt zuwider. Jesus sagte: «Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber Ist, das Ist vom Übel» (Mt 5,37). Aber man hat versucht, das deutliche «Nein» des Konzils von Trient gegenüber der Lehre der Reformation zu einem «Ja» umzukrempeln. Man hat gemeint, die Verfluchungen


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von Trient über die, die das Evangelium der «Gnade und des Glaubens allein» verkündigen, zu einem Segen umbiegen zu können. Der Herr hat unsere Lügen und Unwahrhaftigkelten nicht nötig, um Sein Königreich auf Erden zu befestigen und zu erweitern. Jesus sagte: «Und die Wahrheit wird euch freimachen» (Joh8,32); also nicht die Gewandtheit, die Schlauheit, das kirchendiplomatische Slalomfahren.

 Vielleicht erhebt jemand Einspruch: «Aber Paulus schreibt doch den Korinthern, daß er sie mit List eingefangen hat» (2. Kor 12,16). Aber... Sie müssen das Gesagte im Kontext lesen! Paulus ist mit den Korinthern in eine lebhafte Diskussion verwickelt und macht von dem gutmütigen Spott Gebrauch, sie zur Besinnung und Nüchternheit zu bringen. Er verurteilt gerade die wirkliche List und den echten Betrug als Sünde, u. a. in Röm 1,29.

Außerdem gibt es auch noch so etwas wie die «List» der Liebe, das Liebesspiel, worin man versucht, einander zu erobern. Aber hierbei hat die List einen ganz anderen Charakter. In dieser «List» ist keine Spur von wirklichem Betrug. Vielleicht können wir so auch reden über die «List» der Liebe Christi, aber dann müssen wir das Wort wohl ausdrücklich in Anführungszeichen setzen.

5. Eifer Gottes

 Um feststellen zu können, wie unsere Evangelisationsmethode sein soll, müssen wir soviel wie möglich die Bibel zu Rate ziehen, namentlich den Herrn Jesus. Viele meinen, daß man nur positiv sein muß. Nur wollen sie dann biblischer als die Bibel sein, christlicher als Christus selbst. In jedem neutestamentlichen Bibelbuch begegnet man einer Widerlegung von Irrtümern. Und Jesus kann sich in tiefer Empörung gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten wenden, die durch allerlei Spitzfindigkeiten «die Masse, die das Gesetz nicht kennt», zu ihrem Sklaven machen sollen. Er dringt hindurch und bringt die Motive ihres sündigen Herzens ans Licht. Als Jesus den Tempel reinigte und die Geldwechsler mit einer Geißel aus Stricken hinausjagte - das einzige Mal, daß er etwas tat, das nach Gewalt aussah - sahen seine Jünger dies als eine Erfüllung der Prophetie: «Denn der Eifer um dein Haus hat mich gefressen» (Ps 69,10; Joh 2,17).

 Wenn auch die Christen wie Christus vom Eifer um das Heiligtum Gottes, die Gemeinde als Tempel des Heiligen Geistes, verzehrt werden, dann werden auch sie die Geißel des Wortes in die Hand nehmen müssen, um die Schacher, die das Wort Gottes verschachern, und das Handeln mit falscher ökumenischer Münze zu verjagen.

Als Gläubige sind wir alle berufene Propheten (Apg 2,16-18), und das bedeutet: Im Gegenüber zur Welt. «Weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasset euch die Welt» (Joh 15,19). Propheten müssen gegen den Strom der Masse schwimmen! Darum sind sie nicht beliebt. Ein beliebter Prophet ist kein Prophet. «Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten...» (Mt 23,37). «Ihr Schlangen, ihr Otterngezücht!... Darum siehe, ich sende zu euch Propheten... deren werdet ihr etliche töten und kreuzigen, und etliche werdet ihr geißeln in euren Synagogen und werdet sie verfolgen von einer Stadt zu der andern» (Mt 23,33.34).

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6. Die indirekte Methode

Es ist für niemanden angenehm, durch die Argumente des anderen nieder getrampelt zu werden. Darum hat die direkte Diskussion meist keinen Sinn. Die Folge sind gewöhnlich «heiße Köpfe und kalte Herzen».

Die Liebe handelt nicht taktlos, sagt Paulus in 1. Kor 13. Wir müssen also versuchen, dem anderen Raum zu geben - eventuell mit unserer Hilfe -, selbst zur Entdeckung zu gelangen, daß seine Anschauungen, zu denen er sich bis jetzt bekannt hat, unrichtig sind. Wir müssen versuchen, ihm die Erniedrigung zu ersparen, sich gegenüber unseren Argumenten von der Bibel her als der Unterlegene erweisen zu müssen. Darum ist es gut, ihm bestimmte biblische Wahrheiten so darzulegen, daß es für ihn eine geringe Mühe ist, selber zu dem Schluß zu kommen: «Also steht meine Kirche in diesem Punkt im Widerspruch zur Bibel.» Wenn wir diese Schlußfolgerung schon selber ziehen, dann reizen wir ihn leicht zum Widerstand. Wir respektieren ihn dann zu wenig als eine eigene Persönlichkeit mit eigenem Denkvermögen, mit eigener Fähigkeit, Schlußfolge rungen zu ziehen. Oft vollzieht sich dann auch das psychische Gesetz: «Wo das Blut nicht hinläuft, da kriecht es hin.»  5  Wer so überrollt wird, fühlt sich angegriffen in der Kirche, zu der er gehört, die die Kirche der Eltern, die Kirche seiner Jugend ist.

Katholiken machen untereinander sehr oft gewagte Witze über ihre eigene Kirche, aber sie können es nicht haben, wenn Protestanten dies tun. Dann bilden sie eine Mauer und verteidigen sich gemeinsam. Ich habe selber einige Traktate geschrieben, in denen ich diese «indirekte Methode» verwende, und die im Moment zu Zehntausenden in Belgien verteilt werden.

Ursprünglich hatte ich vor, ein Buch zu schreiben mit dem Titel «Petrus, Denkmal der Gnade». Darin wollte ich über Petrus schreiben, so wie die Bibel ihn beschreibt, so daß katholische Leser von selbst zum Schluß kommen würden: Also sind die Päpste keine Nachfolger Petri, und sie machen sich schuldig, indem sie sich Macht anmaßen. Doch ich bin später dazu gekommen, den ganzen Entwurf des Buches zu ändern, und habe ihm den Titel «Het zwaard over de herder» (= «Das Schwert über dem Hirten», 1981, in Anlehnung an Sach 11,17) gegeben.8 Es ist nötig, daß wir über die richtigen Evangelisationsmethoden nachdenken.


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5 Niederländisches Sprichwort: «Het bloed kruipt, waar het niet gaan kan.»
6 Durch einen Traum - während ich in einem Hotel in Lissabon war - bin ich dazu gekommen, den ganzen Entwurf des Buches zu ändern, und ich habe ihm dann den Titel «Das Schwert über dem Hirten» gegeben. [Der erste Teil des Buches, S. 9-73, ist ein offener Brief an den derzeitigen f^|apst; der Traum wird ab S. 41 geschildert. Der zweite Teil des Buches, S. 75-218, hat die Überschrift «De Allerhoogste schrijft het laatste Woord» (- Der Allerhöchste schreibt das letzte Wort).] Einige haben es mir übelgenommen, daß ich aufgrund eines Traumes zu dieser Änderung gekommen bin. Doch ich hatte einfach nicht mehr die Freiheit, den ursprünglichen Entwurf nach dem Traum noch zu gebrauchen. Außerdem - wenn wir ohne weiteres die Möglichkeit ausschalten, daß Gott durch einen Traum spricht, was machen wir dann mit dem, was Petrus an Pfingsten sagte, nämlich daß von diesem Tag an die Prophetie Joels in Erfüllung gegangen sei: «Eure Alten sollen Träume haben» (Apg 2,17). Ich bin inzwischen 67 und darf mich also zu den Alten rechnen.

 46 ......................................H.J. Hegger aber vor allem müssen wir uns Immer fragen: «Herr, wie willst du, daß wir dein mächtiges Evangelium weitergeben?»

7. Fragen
 stellen Ist es Ihnen wohl einmal aufgefallen, wie oft der Herr seine Verkündigung, vor allem seine Mahnung und seinen Aufruf zur Bekehrung in Fragen einkleidet? Ist es dann nicht gut, wenn auch wir ihm darin so viel wie möglich nachfolgen? Sicher, wir haben schon gesehen, wie der Herr die Führer Israels auch prophetisch schlagen konnte. Aber er tat es erst, nachdem sie jede andere Form von liebevoller Annäherung abgewiesen hatten. Aber Jesus zog offenbar das Fragestellen vor. Das großartigste Beispiel hierfür ist die Art und Weise, wie Jesus Petrus in seinem apostolischen Dienst bestätigte. Er tat es durch eine dreimalige Fragestellung, die er jedesmal ein wenig abänderte und die außerdem ganz vorsichtig, aber doch deutlich genug auf die dreifache Verleugnung hinwies. Sogar dem Judas stellte Jesus nach dessen Verräterkuß noch die Frage: «Judas, verrätst du des Menschen Sohn mit einem Kuß?» (Lk 22,48.) Eine Frage läßt dem anderen seine Selbstachtung. Eine Frage gibt dem anderen ruhig Zeit zur Besinnung. Der andere bekommt dadurch die Gelegenheit, zu sich selbst zu kommen. Er hat nicht den Eindruck, daß er durch die Argumente des anderen, den er dann auch als Gegner sehen würde, an die Wand geredet wird. Durch Fragen stellen wir uns auf eine Stufe mit ihm und übernehmen seine Spannungen und Mühen. Wir denken mit ihm mit. Wir tragen ihn mit unserer Sorge und aufrichtiger Anteilnahme. Aber dann müssen die Fragen auch echter Liebe entspringen. Dann müssen wir nicht triumphierend hinter den Fragen stehen und ungeduldig darauf warten, daß der andere nun endlich dazu schweigt und erkennt, daß er eigentlich keine gute Antwort mehr auf unsere klugen Fragen hat. Solche Fragen entspringen dann oft einem Sarkasmus. Sarkastische Fragen verletzen und erniedrigen den anderen. Wir spielen dann mit unserer vermeintlichen oder größeren Bibelkenntnis ein «Katz-und-Maus-Spiel» mit dem anderen. Wir locken ihn mit unseren sogenannten freundlichen Fragen aus seiner Zurückhaltung und erschlagen ihn dann mit einem Bibeltext. Wie weit sind wir dann entfernt von der Liebe Christi I Darum müssen wir uns immer wieder reinigen im Gebet und durch das Wort Gottes. Wir haben nun einmal ein hinterlistiges Herz, das sich nur schwer dem Gesetz der Liebe unterordnet, das, wenn wir wiedergeboren sind, durch den Heiligen Geist ebenfalls in unsere Herzen geschrieben ist. Der Kampf in uns zwischen Geist und Fleisch bleibt bis zum letzten Atemzug bestehen. Ich selber habe versucht, ein Beispiel zu diesem «Fragen-Stellen» in meinem Büchlein «Onder hetzelfde kruis» (= «Unter demselben Kreuz») anzuführen. Ich ging dabei immer von dem aus, was uns mit den Katholiken verbindet; von daher der Titel. Dann aber stellte ich die Frage: Wie kommt es dann, daß wir trotzdem in wesentlichen Punkten so tiefgehende Unterschiede haben? Und dann schlug ich ihnen vor, gemeinsam aufs neue die Bibel zu lesen, von der auch sie bekennen, daß diese keine Irrtümer enthalten kann. Dieselbe Methode habe ich auch in meiner Broschüre «Rom - Reformation» angewendet. Wenn Sie mit Polemik (polemos = Krieg) zum Angriff übergehen, fühlt sich der andere wie eine


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 belagerte Festung, die er verteidigen muß. Erzieht die Zugbrücke hoch, und dann gibt es zwischen Ihnen und ihm nur einen tiefen Graben. Er hört Ihnen nur halb zu, nämlich, um inzwischen nachzudenken, wie er Ihren Angriff abwehren und Ihnen nachher «eins auswischen» kann.

II. Das Papsttum - läßt es sich biblisch begründen?

Wenn man an Katholiken herantritt, muß man sich mit zwei grundsätzlichen Fragen beschäftigen:
1. Woher kennen wir das Evangelium?
2. Was ist der Inhalt des Evangeliums?


Psychologisch
gesehen ist es besser, so lange wie möglich über den Inhalt des Evangeliums zu reden, aber die erste logische Frage wäre: Woher haben wir das Evangelium? Wenn wir mit Intellektuellen oder jedenfalls theologisch geschulten Katholiken in Kontakt kommen, wird die Frage nach dem Ursprung des Evangeliums ziemlich bald gestellt werden. Aber auch einfache Katholiken werden versuchen, sich herauszuwinden, indem sie auf die unfehlbare Lehrautorität des Papstes hinweisen. All Ihre Verkündigung prallt an dieser Mauer ab, welche sie um sich gebaut haben; besser gesagt, welche die Kirche von ihrer frühesten Zeit an um sie gezogen hat.

 Übrigens
 spielt die (kirchliche) Erziehung bei jedem eine große Rolle. Ein Kind ist wie ein Computer. Es wird in der Jugend von seiner Umgebung «programmiert». Was dann in den Computer seines Gefühlslebens, seines unbewußten Seelen lebens hineingestopft wird, tritt später von selbst wieder hervor. Lassen Sie mich zwei Beispiele anführen: Es gibt Kirchen und kirchliche Richtungen, die allen Nachdruck auf den Bund Gottes legen. Sie wollen nichts hören über die Notwendigkeit einer tiefen, inneren Veränderung, einer Wiedergeburt, die sie erleben müssen, wenn sie in das Königreich Gottes eingehen wollen. Jeder Aufruf zur Bekehrung und zum persönlichen Glauben ist sofort verdächtig und wird wie ein ungesundes Wühlen in sich selbst dargestellt. Ihre Losung Ist: Wir sind in dem Bund, und wir müssen nun gemäß den Forderungen des Bundes leben. Also kein Getue um Bekehrung als ein persönliches Erlebnis des Menschen. Ich habe solche Leute, die so denken, oft in Konferenzen und Bibelkreisen erlebt. Es Ist fast nicht möglich, den Panzer dieses Dogmas zu durchbrechen. Manchmal merkt man, daß sie richtig unruhig werden, wenn man die lebendige Sprache der Bibel zu Ihnen durchdringen läßt. Dann scheint es, als ob das Wort eine Bresche in die Mauer der menschlichen Sicherheit geschlagen hat. Aber gerade dadurch reagieren sie gleichzeitig gereizt. Sie reagieren feindselig. Nur ist dies gerade das, was wir in der Bibel lesen. Das wahre Evangelium bringt immer Feindschaft hervor, denn es widerstrebt unserer sündigen Natur, «ich tue euch aber kund, liebe Brüder, daß das Evangelium, das von mir gepredigt ist, nicht menschlicher Art ist» (Gal 1,11). Wenn wir also nie eine Spur von Feindschaft gegen unsere Predigt bemerkt haben, dann Ist es gut, wenn wir uns fragen, ob wir wohl das wahre Evangelium verkündigen oder ein

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Evangelium nach Menschenart, das nur dazu dient, das reiigiöse Bedürfnis des Menschen, aiso das des Fleisches, zu befriedigen.
 Es gibt jedoch auch Kirchen und kirchliche Richtungen, bei denen gerade aiier Nachdruck auf die Erfahrung des Menschen gelegt wird und dann oft auch die Erfahrung seiner Sünde und seines Elends. Das Gesetz wird ausführlich ausgebreitet, aber die Türe des Evangeiiums bieibt zu oder wird kaum einen Spait geöffnet. Der Fiuch Gottes über unsere Sünde wird mit Biitz und Donner über die zitternde Gemeinde herabgeschieudert, aber daß der Segen Abrahams zu den Heiden durch den Weg des Glaubens gekommen ist, wird kaum gehört. Die Prädestination wird so einseitig hervorgehoben, daß kaum noch die Rede von der belebenden Kraft des Wortes Gottes ist. Wiedergeburt und Wort Gottes werden dann fast auseinandergerissen, obwohl der Apostel Petrus sagt, daß wir wiedergeboren werden durch das lebendige und aus dem iebendigen Wort Gottes (1. Petr1,23). Das steht vollkommen im Einkiang mit dem, was Jesus sagte, nämiich, daß wir wiedergeboren werden müssen aus dem Heiligen Geist, daß aber der Heiiige Geist nur von dem Wort Gottes Gebrauch macht (Joh 3,3.5 und 16,13-15).

Und auch bei diesen Leuten bemerkt man oft eine Mauer, wenn man ihnen das Evangeiium nahebringt mit dem Aufruf zur Bekehrung. Dann entziehen sie sich dem mit Bemerkungen wie: «Es muß einem geschenkt sein» und «Wenn man nicht auserwähit ist, kann man doch das Angebot der Gnade nicht annehmen». Das stimmt aiies, aber so spricht die Bibei darüber nie. in der Bibei sind Wort und Geist nicht identisch, aber wohi eine Einheit.

Sie (diese Leute) reißen Wort und Geist auseinander. Aber der Geist wirkt gerade durch das Wort, aiso durch den Aufruf zur Bekehrung, und bewirkt so die Wiedergeburt. Wir neigen alle dazu, uns mit einer Ausfiucht, einer Ausrede - theoiogisch oder nicht theologisch -, vor dem Evangelium zu drücken. Der Grund dafür ist, daß das Evangelium nichts Gutes mehr an uns übrigiäßt. Aber nochmais, erst wenn wir deutlich zur Einsicht und zur Erkenntnis gekommen sind, daß wir uns seibst nicht mehr helfen können, kommt das Heil, ist der Heiiand in Sicht. Wenn Sie dann auch auf die theologischen Einwände des anderen eingehen, dann sollen Sie wissen, daß es sich hier um ein Versteckspiel vor Gott handelt, das alte Spiel Adams und Evas, die sich vor Gott im Garten Eden versteckten, ich habe schon erwähnt, daß diese Einwände gegen das Evangelium die Form eines gewichtigen theoiogischen Systems annehmen können, daß sie aber im Grunde genommen sehr einfach sind. Das hängt damit zusammen, daß sie aus unserer Jugerd stammen.
Ein Kind ist kein Theologe. Und die Programme, die wir in dem Computer seines Unterbewußtseins speichern, müssen ganz einfach sein, sonst nimmt sein Computer sie nicht auf. Das bedeutet auch, daß wir, wenn wir diesen Computer mit einem anderen Programm füttern woiien, wobei wir versuchen, damit die Jugendprogramme zu verdrängen und sogar außer Kraft zu setzen, dieses Programm auch möglichst einfach gestaiten müssen. Jedenfails müssen wir so beginnen, wiewohl es manchmal später nötig sein wird, tiefer auf die Argumente des anderen einzugehen.
ich möchte nun versuchen, beispielhaft zu verdeutlichen, wie wir auf die

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 Behauptung, das Papsttum sei die letzte Quelle des Evangeliums, antworten müssen:
Eine erste Frage, die wir stellen können, lautet: «Wo steht In der Bibel, daß die Bischöfe Roms von Christus die Befugnis und den Auftrag bekommen haben, die Bibel zu erklären und daß sie sich dabei auf die unfehlbare Hilfe des Heiligen Geistes stützen können ? Wo geht aus der Bibel hervor, daß sich jemand, wenn er die behauptete Autorität der Päpste nicht anerkennen will, gegen die Absicht Christi sträubt und sich so des Gerichtes Gottes schwer schuldig macht?» Mögliche Antworten:

1. «Ich weiß es nicht, aber so Ist es mir Immer beigebracht worden.» Gegenfrage: Aberfinden Sie es richtig, daß Sie das so anstandslos hinnehmen, well andere es Ihnen beigebracht haben? Wenn ein Moslem, ein Hindu oder ein Buddhist nach seinem Tode vor Gott erscheinen muß, denken Sie dann, daß er freigesprochen werden kann, wenn er Gott antwortet: ,lch habe wohl von Christen das Evangelium gehört, aber Ich habe nicht forschen wollen, ob das vielleicht deine Botschaft für die Welt Ist und so auch für mich, well Ich von meinen Eltern und von meiner Umgebung Immer gelernt habe, daß der Islam, der Hinduismus, der Buddhismus die einzige wahre Religion Ist.' Gehört es außerdem nicht zur Reife, daß wir versuchen, selber zu einer eigenen Überzeu gung zu kommen In bezug auf Fragen des ewigen Lebens?

2. Am wahrscheinlichsten Ist es, daß sie mit der Petrus-Stelle aus Mt16,18 kommen werden. Es kann sogar sein, daß sie den Text noch auswendig können vom Katechismus her:
«Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will Ich meine Gemeinde bauen.»
 Gegenfrage:
 a) Wird hier über eine unfehlbare Autorität des Petrus, die er über die anderen Apostel bekommen hat, gesprochen? Gibt Christus damit Petrus den Auftrag, die Bibel unfehlbar für alle Christen, auch für die übrigen Apostel auszulegen? Und wenn Christus das hätte tun wollen, hätte er sich dann nicht deutlich ausgedrückt? Jesus hat wohl oft In Bildern und Gleichnissen gespro chen, aber das, was er sagen wollte, hat er auch mit ganz normalen Worten gesagt, ohne Bildersprache und Gleichnis. Oder denken Sie nicht so? Jesus Ist doch nicht einer, der Rätsel aufgibt, die niemand lösen kann. Wer kann nun aus diesen einfachen Worten: «Auf diesen Felsen will Ich meine Gemeinde bauen», herauslesen, daß er damit Petrus eine unfehlbare Autorität gab, der sich alle, auch die übrigen Apostel, unterwerfen müssen? Das wäre ein «Krypto gramm »^ Wohl Ist damit deutlich, daß Jesus Petrus als ein Fundament der Kirche bezeichnet hat. Denn dasjenige, worauf wir ein Gebäude hinstellen, nennen wir das Fundament des Gebäudes. Das hat Jesus auch ohne Bildsprache durch Paulus sagen lassen: «So seid Ihr nun... erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten» (Eph 2,19.20). Aber - hier werden auch andere Apostel Fundament der Kirche genannt. Wenn Jesus also In Mt 16,18 sagt, daß Petrus ebenfalls Fundament der Kirche genannt wird, dann kann man nie daraus ableiten, daß Petrus Gewalt haben

7 Kryptogramm - veraltet für: verborgener Text. Geheimtext (Red.)

 50 ..........................H.J. Hegger Papst


Johannes Paul II. küßt den Schweizer Boden nach seiner An kunft am 12.6.1984 auf dem Flughafen ZürlchKloten. {FotoBILD + NEWS Zürich) Gemäß einem Bericht im Oss. Rom. vom 9. April sagte der Papst; «Ich habe das Recht auf einen Titel, der noch mächtiger ist, als Stellvertreter Chri sti. Ich handle auch m Persona Christi = in der Person Christi. Dieser Titel drückt eine noch größere Identifizierung, Gleichheit und Ver trautheit (more identification, sameness, intimacy) aus.» (Aus: In De Rechte Straat, Jg. 27, Nr. 5/Mai1984)

solte über die anderen Apostel und daß nur er allein auf die unfehlbare Hilfe des Heiligen Geistes bauen könne und die anderen Apostel nicht,

b) Hier wird auf jeden Fall nicht über Nachfolger Petri gesprochen. Die Worte .Bischöfe Roms' kommen überhaupt nicht in diesem Text vor. Wenn es die Absicht Jesu war, daß Petrus auch Nachfolger in der sogenannten unfehlbaren Lehrgewalt haben sollte, warum hat er das dann nicht ausdrücklich gesagt? Das wäre doch für ihn eine geringe Mühe gewesen. Er hätte dann deutlich sagen können: «Dir, Petrus, gebe ich die unfehlbare Lehrgewalt über alle Christen, auch über die anderen Apostel. Und deine Nachfolger sollen die Bischöfe Roms sein.» Somit hätte er all diesem Streit zwischen Rom und Reformation vorgebeugt.
Oder wäre ihm das nicht wichtig gewesen? Wäre es ihm gleichgültig, daß seine Kirche so zerrissen ist? Oder - und das ist eine andere Möglichkeit - hat er nicht im entferntesten daran gedacht, einem Menschen eine solche Macht anzuvertrauen? Ist das nicht wahrscheinlicher? Jesus hat den Seinen gesagt, daß sie nicht sein sollen wie die Schriftgelehrten und die Pharisäer: «Sie machen ihre Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Kleidern groß. Sie sitzen gerne obenan bei Tisch und in den Synagogen und haben's gerne, daß sie gegrüßt werden auf dem Markt und von den Menschen Rabbi genannt werden» (Mt 23, 5-7).

Und hätte Jesus dann gemeint, daß seine Apostel und ihre sogenannten Nachfolger, die Päpste und Bischöfe, sich in noch viel kostbarere und prunkvollere Gewänder kleiden und daß sie schöne, goldene Ringe mit teuren Edelsteinen an ihren Fingern tragen sollten? Jesus wirft den Schriftgelehrten

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 und Pharisäern von «Alle Ihre Werke aber tun sie, damit sie von den Leuten gesehen werden» (Mt 23,5). Wäre es dann seine Absicht gewesen, daß seine sogenannten Stellvertreter auf Erden, die Päpste, doch alles tun dürfen, um aufzufallen? Schon die Priester müssen hervorstechen durch das Tragen einer Soutane, die Bischöfe noch mehr durch das Gehen In Violett und die Kardinäle In Rot. Und Inmitten all dieser auffälligen Erscheinungen will der Papst noch mehr auffallen. Indem er sich als einziger der Welt In Weiß präsentiert. Und das Ist alles von oben herab geregelt. Und wehe dem Bischof oder dem Kardinal, der sich weiß kleidet wie der Papst!

Mit welchem Recht hätte denn Jesus den Führern Israels das Gericht angekündigt, wenn er für seine eigenen Nachfolger einen noch viel üppigeren Putz bestimmt hätte? Und warum muß ein Papst so exzentrisch sein, daß er den Boden küßt, wenn er ein fremdes Land besucht? Aus Demut? Aber widerspricht es sich nicht vollkommen, wenn man einen Akt der Niedrigkeit darstellen will, obwohl man weiß, daß die Fernsehkameras der ganzen Welt auf einen gerichtet sind? Ist das nicht eine komplette Karikatur der wahren Demut?

Bevor Ich auf Mt 16,18 eingehe, habe Ich noch ein Anliegen: Schauen Sie doch auf Jesus, so, wie die Bibel uns Ihn zeigt, so voller Liebe, voller Sorge für uns sündige Menschen. Und stellen Sie sich dann die Frage: Würde er uns einem Menschen ausliefern wollen, der eine absolute Macht über die Seinen ausübt? Steht die Idee eines Papstes nicht diametral Im Widerspruch zu Jesu Denk welse? Jesus hat geradezu fortwährend mit den Pharisäern und Schriftgelehrten gekämpft, die wohl die Unfehlbarkeit der Schrift bekannten, aber daneben allerlei durch sie selbst erdachte Gesetze den Menschen auferlegten. Lesen Sie einmal die Rede Jesu gegen die Pharisäer In Mt 23. Er sagt u. a.: «Sie binden schwere Bürden und legen sie den Menschen auf den Hals; aber sie selbst wollen sie nicht mit einem Finger anrühren» (V. 4). Jesus meinte hier nicht, daß sie die durch sie gemachten Gesetze selbst nicht halten würden. Nein, sie taten das mit peinlicher Genauigkeit; vor allem die detaillierten Vorschriften über den Sabbat müssen auch für sie eine Last gewesen sein. Dadurch wurden sie auf allerlei Welse In Ihren Tätigkelten an diesem Tag behindert. Aber sie taten es, well sie meinten, dadurch das Wohlwollen Gottes zu erwerben. Sie nahmen seu^end die Lasten auf sich, well es sein mußte, so wie der älteste Sohn In dem Gleichnis von Lukas 15. Sie taten es nicht aus Liebe. Sie hatten Gott gegenüber nur das Verhältnis eines Lohndieners zum Meister. Sie liebten Gott nicht als einen barmherzigen Vater. Sie kannten nicht die Freiheit der Kinder Gottes. Und dennoch hatten sie sehr viel Entschädigung für diese Lasten. Sie wurden geehrt und waren angesehen. Sie waren die kirchlichen Leiter, zu denen jeder aufsah, vor allem am Sabbat, dem Höhepunkt der Woche. Jesus weiß das In der Bergpredigt sehr scharf aufzuzeigen: «Und wenn Ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die da gerne stehen und beten In den Synagogen und an den Ecken auf den Gassen, auf daß sie von den Leuten gesehen werden. Wahrlich, Ich sage euch: Sie haben Ihren Lohn dahin» (Mt 6,5). Natürlich werden diese religiösen Leiter verneint haben, daß sie das aus Ehrgeiz taten. Sie kannten das Alte Testament gut genug, wo gerade der Demütige, der. der zerbrochenen Herzens Ist. seliggepriesen wird.



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Sie werden allerlei fromme Motive angeführt haben, z. B.: «Wir werden so die Leute anspornen, selber auch zu beten. Darum tun wir das öffentlich.» Und zum Teil werden sie es auch aufrichtig gemeint haben. Aber Jesus durchschaute die tieferen Motive ihres Herzens und deckte sie auf. Er versuchte, ihnen zu zeigen, daß ihre eigentliche Triebfeder doch die Selbstsucht war, die Sucht nach eigenem Ruhm, irdischer Herrlichkeit und Macht.

 Jesus tat das nicht, um ihnen weh zu tun, sie in die Enge zu treiben, Rache zu üben, weil sie ihm etwas angetan hatten. Er tat es, damit sie zur Einsicht ihrer Ohnmacht, sich selbst von der Sünde zu befreien, kommen sollten und dadurch zu Jesus, damit er sie befreie.

So nehmen wir auch an, daß die Päpste, wenn sie Ansichtskarten von sich selbst machen lassen, während sie beten, oder wenn sie Erlaubnis geben, im Fernsehen vor der ganzen Welt in betender Haltung gezeigt zu werden, dies tun, um so Menschen zum Gebet anzuregen. Aber auch an sie und an alle römisch-katholischen oder protestantischen Kirchenführer richtet Jesus die Frage: «Was treibt dich eigentlich?» Wir können unsere Religiosität und Frömmigkeit als Mittel gebrauchen, uns selbst zu erheben. Der Heilige Geist warnt uns durch den Propheten Jeremia: «Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding; wer kann es ergründen?» (Jer 17,9.) Nein, aus uns selbst werden wir nie unser Herz mit seinen tiefsten Absichten kennen. Das kann allein der Herr uns zeigen. Darum fleht der Psalmist dann auch: «Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich's meine. Und sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege» (Ps 139,23-24). Natürlich sagt der Psalmist das nicht, um Gott anzuregen, sich etwas mehr in die geheimen Regungen seines sündigen Herzens zu vertiefen. Der ganze Psalm ist ja ein Loblied auf Gottes Allwissenheit. Er bittet es demütig, damit der Herr auch ihn erkennen läßt, was er über die dunklen Motive seines Herzens weiß.

Ich komme wieder auf die Frage zurück: «Können Sie sich vorstellen, daß der Jesus, den wir aus den Schriften kennen, uns ganz und gar der absoluten Gewalt eines sündigen Menschen ausliefern würde?» Wir lesen: «Aber Jesus vertraute sich ihnen nicht an; denn er kannte sie alle und wußte wohl, was im Menschen war» (Joh 2,24-25). Das sagt Jesus nicht von den Schriftgelehrten und Pharisäern, sondern von den vielen, die an seinen Namen glaubten (V. 23). Wenn Jesus sich Menschen nicht anvertrauen wollte, selbst denen nicht, die an seinen Namen glaubten, würde er dann uns beauftragen, uns ganz und gar einem Menschen anzuvertrauen, auch, wenn dieser Mensch behauptet, daß er an Christus glaubt?

Der Heilige Geist sagt durch den Mund des Apostels Paulus, daß jeder Mensch ein Lügner ist (Röm3,4). Würde Jesus uns einem lügenhaften Menschen anvertrauen? Ich möchte es Ihnen ausdrücklich sagen: Sie sollen also auch mir nicht vertrauen. Denn auch ich bin ein Mensch. Aber, so werden Sie jetzt fragen, auf wen sollen wir dann vertrauen? Auf das Wort Gottes. Dieses Wort ist vollkommen zuverlässig. Der lange Psalm 119 ist ein Loblied auf die Herrlichkeit des Wortes Gottes. Vor einem Monat erzählte mir ein Katholik, der zur Glaubensübergabe an Christus gekommen war, daß er so sehr



Der römische Katholizismus ......................................53 von diesem Psalm gefesselt war, daß er ihn jeden Tag betend las. «Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege» (Ps 119,105). «Denn des HERRN Wort ist wahrhaftig» (Ps 33,4). Alles auf Erden ist vergänglich: «Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich» (Jes 40,8). «Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen» (Mt 24,35). «Und wir haben desto fester das prophetische Wort, und ihr tut wohl, daß ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen» (2.Petr1,19). Dieser Morgenstern ist Jesus Christus: «Ich, Jesus... bin... der helle Morgenstern» (Offb 22,16). Das Wort Gottes ist ganz auf Jesus gerichtet. «Das Zeugnis Jesu aber ist der Geist der Weissagung» (Offb 19,10). Durch das Wort lernen wir Jesus kennen und durch Jesus den himmlischen Vaten «Wer mich sieht, der sieht den Vater!» (Joh 14,9.)

Vielleicht werden Sie nun weiter drängen: «Aber die Apostel hatten es leicht. Die hatten Jesus immer bei sich. Sie konnten ihn also immer um Auslegung bitten, wenn sie einen Teil der Schrift nicht verstanden. Jesus ist nun nicht mehr auf Erden. Dann ist es doch logisch, daß er jemanden beauftragt hat, an seiner Stelle sein Wort auszulegen, wenn wir es nicht mehr verstehen.» Tatsächlich, da haben Sie recht. Jesus hat jemanden damit beauftragt. Aber, dieser «Jemand», der seinen Platz auf Erden eingenommen hat, ist nicht ein Mensch, sondern es ist sein Heiliger Geist.

Wir lesen, daß die Jünger sehr traurig waren am Abend vor seinem Tode, nachdem Jesus ihnen mit Bestimmtheit gesagt hatte: «Nun aber gehe ich hin» (Joh 16,5). Und dann versichert er ihnen: «Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen» (Joh 14,18). Und dann weist er auf jemanden hin, der seinen Platz einnehmen wird. Und wer ist das? Petrus oder einer der anderen Apostel? Nein: «Und ich will den Vater bitten, und er wird euch einen andern Tröster geben, daß er bei euch sei ewiglich: den Geist der Wahrheit, welchen die Welt nicht kann empfangen, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr aber kennet ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein» (Joh 14,16-17).

Jesus war der Tröster der Apostel, als er noch bei ihnen auf Erden weilte. Der andere Tröster, der seine Stelle einnimmt, ist nicht Petrus, sondern der Heilige Geist.

Jesus hatte von den Pharisäern und Schriftgelehrten gesagt, daß sie den Menschen schwere Lasten auferlegten, aber die Lasten mit keinem Finger anrührten. Sie wollten den Menschen nicht helfen, ihre Lasten zu tragen. Sie hätten es auch nur zum Teil tun können. Sie hätten z. B. anfangen können, die Bestimmungen abzuschaffen, die sie selbst dem Wort Gottes hinzugefügt hatten.

Aber auch wenn sie dies getan hätten, würde die Last der Gebote Gottes sie noch erdrücken. Und diese Last können sie nicht erleichtern. Das kann nur Jesus tun, der gesagt hat: «Denn mein Joch ist sanft, und meine Last leicht» (Mt 11,30). Und wie tut Jesus das? Durch das Senden des Heiligen Geistes. Dadurch wird das Gesetz Gottes in die Herzen der Gläubigen geschrieben. Das Gesetz umgibt sie dann nicht mehr drohend, sondern sie lieben das Gesetz von ganzem Herzen, weil sie keine Angst mehr zu haben brauchen vor dem Fluch dieses Gesetzes,


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wenn sie es aus Schwachheit wieder übertreten. Denn sie wissen, daß Christus den Fluch des Gesetzes, den Fluch, den sie durch die Übertretung der Gebote Gottes verdient haben, weggenommen hat durch sein versöhnendes Leiden und Sterben.

Darum haben sie Gott selbst und so auch sein Gesetz, seinen Willen, Heb. Sie sehen, wie Gott sie liebte, als sie noch tief In der Sünde verstrickt und Gott gegenüber feindselig gesinnt waren, well er - wie es Ihr Eindruck war - Ihnen Immer nur mit der ewigen Strafe drohte, wenn sie sein Gebot überschreiten würden. Darum konnte Jesus auch sagen: «... es ist euch gut, daß Ich hingehe. Denn wenn Ich nicht hingehe, so kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn Ich abergehe, will Ich Ihn zu euch senden» (Joh 16,7).
 Wir brauchen also nicht elfersüchtig auf die Apostel zu sein, well sie persönlichen Umgang mit Ihm haben konnten, als er noch auf Erden lebte. Dies zeigt sich auch an dem, was von Ihnen vor der Ausgießung des Geistes ausging. Wir bekommen eher den Eindruck, daß sie eine Sammlung von Schwächlingen waren, die sich damit beschäftigten, wer von Ihnen den besten Platz Im Königreich, das Jesus gründen würde, bekäme. Petrus hat Ihn verleugnet, Judas hat Ihn verraten. Aber nach Pfingsten wird alles anders. Dann Ist es aus mit ihren Zweifeln, mit all Ihren Ängsten. Unerschrocken redet Petrus die herzuströmende Menge an und sagt Ihnen offen ins Gesicht, daß sie den Sohn Gottes, den langerwarteten Messlas, ermordet haben. Also Ist die Verheißung Jesu In Erfüllung gegangen, nämlich, daß sie Kraft empfangen würden, wenn der Heilige Geist auf sie kommen würde (Apg 1,8).

Nun, derselbe Heilige Geist und dieselbe Kraft von oben sind auch uns versprochen, sobald wir zum Glauben kommen (Joh 7,37-39). Jesus hat gesagt, daß dieser Geist uns so sehr erfüllen will, daß er als «Ströme lebendigen Wassers» aus uns fließt (Joh 7,38). Dieses lebendige Wasser «wird Ihm ein Brunnen des Wassers werden» (Joh 4,14).

Vielleicht werden sie nun sagen: «Aber Ich sehe so wenig davon bei den Protestanten.» In der Tat; aber dann müssen Sie zwei Dinge berücksichtigen: Erstens gibt es so wie unter den Kathollken auch unter Ihnen eine große Masse Namenschristen. Millionen gehen nicht einmal mehr In die Kirche, lesen nicht mehr In der Bibel. Sie legen zwar sehr viel Wert auf den Namen «Christ», sie lassen vielleicht auch noch Ihre Kinder In der Kirche taufen. Sie lieben ein wenig religiöses Beiwerk bei der Hochzelt und bei einem Begräbnis. Das Ist aber auch alles. Ansonsten «glauben» sie schon. Diese Namenschristen sind also keine echten Gläubigen. Sie haben nicht die tiefe Änderung erlebt, die von Jesus mit einer zweiten, geistlichen Geburt, einer Wiedergeburt, gleichgesetzt wird. Sie sind genauso weltlich wie die sogenannte «Welt», die NichtChristen. Und deshalb kann und will der Heilige Geist nicht In Ihnen Wohnung nehmen. Und zweitens gibt es auch noch sehr viele Menschen, die zwar wirklich zum Glauben gekommen sind, aber die sich nie richtig vor Augen geführt haben, welche gewaltigen Verheißungen es In der Bibel gibt, z. B. auch die Verheißung von der Erfüllung mit dem Heiligen Geist. Sie kennen den Heiligen Geist kaum. Er Ist für sie oft nicht mehr als eine neblige Idee, ein Licht, eine Kraft, kurz: ein Der römische


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 «Etwas». Sie kennen Ihn kaum als einen Jemand, als eine göttliche Person, als die dritte Person der Heiligen Dreieinigkeit. Unter diesen Gläubigen gibt es auch solche, die es nicht wagen, um die Erfüllung mit dem Heiligen Geist zu bitten. Sie denken, sie seien dafür zu unrein. Sie meinen, diese Erfüllung sei nur für die Menschen bestimmt, die ein sehr heiliges Leben führen. Doch dann haben sie den Kern des Evangeliums nur halb begriffen. Die Verheißungen Gottes werden nie an uns erfüllt, well wir eventuell heilig leben, also aufgrund unserer frommen Leistungen, sondern allein, wenn und In dem Maße wie wir an die Verheißung glauben.

 Wir kommen wieder auf Mt 16,18 zurück: Wenn Jesus mit diesen Worten Petrus die absolute Autorität über alle Christen, also auch über die anderen Apostel gegeben hätte, dann müßten diese es doch wenigstens verstanden haben. Dann müßten wir dieser wichtigen Anweisung Im Neuen Testament doch regelmäßig begegnen. Aber davon Ist keine Rede. In Mt 20,20-28 wird erzählt, daß die Mutter des Jakobus und Johannes Jesus bittet: «Laß meine zwei Söhne sitzen In deinem Reich, einen zu deiner Rechten und den andern zu deiner Linken.» Wenn nun Jesus In Mt 16 Petrus die absolute Macht gegeben hätte, dann wäre seine Antwort doch ungefähr so gewesen: «Nein, du weißt doch, daß es In meiner Gemeinde nur eine erste Stelle als mein Stellvertreter gibt, wenn Ich einst hingehe, und diesen Platz habe Ich bereits Petrus gegeben.»

Aber Jesus sagt nichts davon. Und welter heißt es: «Da das die Zehn hörten, wurden sie unwillig über die zwei Brüder.» Und auch dann lesen wir nicht, daß der Grund Ihres Ärgers war, daß Jesus Petrus bereits den ersten Platz gegeben hätte und daß die zwei Brüder Petrus von seinem ersten Platz hätten verdrängen wollen.

Und Jesus gibt dann anlässlich dieses Zwischenfalls folgende Ermahnung: «Ihr wisset: Die Fürsten halten Ihre Völker nieder, und die Mächtigen tun Ihnen Gewalt. So soll es nicht sein unter euch.» Jesus würde vollkommen Im Widerspruch mit sich selbst stehen, wenn er trotzdem Petrus eine noch viel größere Macht über die anderen Apostel und über alle Christen gegeben hätte, als die Fürsten und Großen dieser Welt es haben. Diese können über leiblichen Tod oder leibliches Leben Ihrer Untertanen entscheiden; aber Petrus hätte die Macht bekommen, über ewigen Tod oder ewiges Leben seiner Untertanen zu entscheiden. Und In Mt 23,5-11 weist Jesus auf die Schriftgelehrten und Pharisäer hin, die Immer wieder den Ehrenplätzen nachjagen. Und dann ermahnt er seine Jünger aufs neue, daß dies unter Ihnen nicht so sein sollte. Sie dürfen sich auch nicht mit allerlei Ehrentiteln schmücken, die sie sich selbst zuerkennen und von den Menschen fordern, daß sie sie damit ansprechen: «Aber Ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn einer Ist euer Meister, Ihr aber seid alle Brüder.» Wir verstünden Jesus nicht mehr, wenn er In Mt16 Petrus eine Macht zuerkannt hätte, die größer Ist als jede andere Macht auf Erden, und das hier nicht erwähnen würde. Wie kann er uns dann ermahnen: «Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber Ist, das Ist vom Übel» (Mt 5,37) ? Wie kann er sagen: «Ihr

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aber seid alle Brüder», wenn er einem von Ihnen eine solche absolute Macht über die anderen gegeben hätte?
 Der Apostel Johannes schreibt In seinen Briefen über Irrlehrer, die die Gemeinde zu täuschen versuchen. Und was Ist dann sein Rat? Sagt er: «Klammert euch an der absoluten, unfehlbaren Lehrgewalt Petri fest, denn Jene Lehrgewalt Ist der Fels, worauf Jesus seine Gemeinde gebaut hat»? Nein, er schreibt: «Und Ihr bedürfet nicht, daß euch jemand lehre» (1. Joh 2,27). Und dann weist er auf die Salbung hin, die sie empfangen haben, nämlich die Salbung des Heiligen Geistes, der sie zur vollen Wahrheit führt (Joh 16,13). Johannes verneint also, daß es eine unfehlbare Lehrgewalt In der Kirche geben soll, der sich alle fügen müßten. Er bestätigt, was der Herr Jesus gesagt hat, nämlich, daß der Heilige Geist seinen Platz einnehmen wird und nicht Petrus.

 Und der Apostel Paulus? Ihm wurde die Offenbarung des Geheimnisses der Gemeinde Christi unter den Helden zuteil: «Mir, dem allergeringsten unter allen Heiligen, Ist gegeben diese Gnade, den Helden zu verkündigen den unausforschllchen Reichtum Christi» (Eph 3,8). Und In demselben Brief, In Kap. 2, beschreibt er das Geheimnis, das Jahrhundertelang verborgen war, nämlich, wie ab Pfingsten Juden und Helden durch den Glauben an Christus eins In Ihm sein würden, eine Einheit, die so Innig Ist, daß sie «zu einem neuen Menschen» geschaffen sind und einen Leib bilden, dessen Haupt Christus Ist. Wenn Petrus und seine sogenannten Nachfolger In Rom die Garantie der Einheit des Leibes Christi auf äußerem Wege hätten zustande bringen sollen, dann dürfen wir erwarten, daß Paulus aus seiner tiefen Erkenntnis des Geheimnisses der Gemeinde Christi das doch gewußt hätte! Aber auf keinerlei Welse erwähnt er ein Papsttum, eine Einrichtung, kraft der ein Mensch die absolute Herrschaft über alle Christen haben sollte. In demselben Brief, In dem er die Umrisse der Gemeinde Christi zeichnet, zählt er auch die Dienste, Ämter, Funktionen, Gaben auf, mit denen Christus ^elne Gemeinde zurüstet: «Und er hat etliche zu Aposteln gesetzt, etliche zu Propheten, etliche zu Evangelisten, etliche zu Hirten und Lehrern» (Eph 4,11).

 Stellen Sie sich vor, daß einem Studenten bei einer theologischen Prüfung In einem Groß-Semlnar die Frage gestellt würde: «Welche Ämter gibt es In der katholischen Kirche?», und er würde wohl die Priester, Bischöfe und Kardinäle nennen, aber nicht den Papst, dann würde er eine schlechte Note für diese Antwort bekommen. Verdient Paulus dann auch eine schlechte Note, well er In dieser Aufzählung auf keinerlei Welse über das Papsttum spricht, über den Felsen, worauf die Gemeinde Christi gegründet sein sollte?

Und In Eph 2,20 sagt er, daß die Gemeinde aufgebaut Ist auf dem Fundament der Apostel und nennt dabei nicht Petrus als eine besondere Person, auf die Jesus seine Gemeinde gebaut hätte. Wie kann das sein? Wußte Paulus wohl, daß Jesus den besonderen, für die Kirche so wesentlichen Auftrag Petrus gegeben hatte, daß er Ihn als ersten der Apostel bekleidet hatte mit einer absoluten Macht über die anderen Apostel? Hat er es dann absichtlich verschwiegen? Das können wir nicht annehmen, denn das wäre eine große Treulosigkeit. Die einzige Erklärung Ist, daß Paulus nichts von einem Papsttum wußte. Aber Ist es dann nicht außerordentlich anmaßend, daß die Bischöfe Roms später behaupteten.


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 daß sie sehr wohl wüßten, daß Christus Ihnen diese gewaltige Macht anvertraut hat?
 In Gal 2,9 zählt Paulus Petrus sogar nach Jakobus auf. Er erzählt dort nämlich, wie er nach seiner Bekehrung nach Jerusalem gegangen war, um Kontakt aufzunehmen mit «denen, die das Ansehen hatten» (V. 6). Er schreibt welter: «und da sie erkannten die Gnade, die mir gegeben war, Jakobus und Kephas und Johannes, die für Säulen angesehen werden, gaben sie mir und Bamabas die rechte Hand» (V. 9). Stellen Sie sich vor, die holländischen Bischöfe würden aus Rom zurückkehren und der Presse mitteilen: «Wir sind nach Rom gefahren, um Kontakt aufzunehmen mit denen, die dort angesehen sind und die als Säulen der Gemeinde Christi gelten, nämlich Kardinal X, Kardinal Wojtyla und Kardinal Y, und nachdem wir die Situation In den Niederlanden dargelegt hatten, gaben diese uns den Handschlag der Gemeinschaft und die Versicherung, daß wir den eingeschlagenen Weg weltergehen sollen.» Niemand würde dann etwas davon verstehen. Viele würden sich dann fragen, ob die ermattende Sommerhitze In Rom sie erwischt habe, so daß sie dadurch Gedächtnisschwund erlitten hätten. In diesem Kapitel sagt Paulus auch, daß Ihm die Mission unter den Helden auf dieselbe Welse anvertraut Ist, wie die Mission unter den Juden Petrus anvertraut war. Dabei Ist keine Rede von einer Unterordnung unter Petrus, als ob Paulus seine Arbelt mit Petrus als seinem Vorgesetzten hätte verrichten sollen. Und ebenso beschreibt er In dem Kapitel, wie er Petrus öffentlich ermahnt hat, well er sich nicht an die Verabredungen des Apostelkonzils von Jerusalem (Apg15) gehalten hat. Wir können uns vorstellen, daß ein Bischof meint, einen Papst ermahnen zu müssen, aber dann wird er es, wenn er dazu den Mut aufbringt, In einem persönlichen Gespräch tun. Und auf jeden Fall wird er bei solch einer Ermahnung dem Papst, als sogenanntem Stellvertreter Christi auf Erden, Ehrerbietung und Ergebenheit entgegenbringen. Aber von solchen Höflichkeits bezeugungen und von einem Bekenntnis von einer Macht PetrI über Paulus Ist nichts zu entdecken In Gal 2,11-21.

 Und die übrigen Apostel? In Apg15 lesen wir über eine Versammlung der «Apostel und Ältesten» (V. 6). Es wird hin und her geredet über die Frage, die an die Versammlung gestellt war. Und dann übernimmt Petrus das Wort und sagt (V. 7): «Ihr Männer, liebe Brüder, Ihr wisset, daß Gott mich lange vor dieser Zelt unter euch erwählt hat, daß...» Man denkt als Katholik: Nun kommt das Wichtigste: «...daß Ich mit der unfehlbaren Vollmacht, die Ich von Jesus bekommen habe, entscheiden sollte, was Gottes Meinung Ist, wie wir sein Wort auslegen sollen.» Aber nichts dergleichen. Petrus fährt fort: «... daß durch meinen Mund die Helden das Wort des Evangeliums hörten und glaubten.» Und dann erzählt Petrus über das Gesicht, das er In Joppe hatte, und über die Ausgießung des Heiligen Geistes über die heidnische Familie des Kornelius In Cäsarea auf genau dieselbe Welse, wie sie über die jüdischen Jünger zu Pfingsten gekommen Ist.

Dann kommen Paulus und Barnabas zu Wort und erzählen von dem Segen Gottes, den sie erfahren haben bei Ihrer Verkündigung des Evangeliums unter den Helden. Und zum Schluß ergreift Jakobus das Wort. Er teilt seine Meinung mit und bestätigt, daß Petrus richtig gesprochen habe. Warum? Weil Petrus der

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Papst sei? Nein, well er Im Einklang mit der Schrift gesprochen hat. Und dann zitiert Jakobus den Propheten Amos 9,11-12. Es Ist deutlich:
Gemäß Jakobus Ist die Schrift die höchste und letzte Autorität vor allen und nicht eine behauptete unfehlbare Macht PetrI, die Schrift auszulegen.


Daraufhin macht Jakobus einen praktischen Vorschlag mit folgendem Inhalt:

1. Die Helden, die zum Glauben an Christus gekommen sind, brauchen nicht mehr durch die Beschneidung Integriert zu werden In das nationale Israel. Sie brauchen also auch nicht die Gesetze einzuhalten, die um die Beschneidung herum durch Mose Im Auftrag Gottes verordnet sind.

 2. Von den bekehrten Helden wird sehr wohl verlangt, sich ausdrücklich von vier Dingen zu enthalten, die alle eine Beziehung haben zum jüdischen Kultus und zu Punkten, für die Juden sehr empfindsam waren. Jakobus scheint also die Weisheit zu besitzen, über die er In seinem Brief schreibt (1,5).

3. Dies alles soll In einem Brief an die Gemeinde von Antiochien festgelegt werden, und dieser Brief soll von zwei Abgeordneten der Gemeinde persönlich übergeben werden, nämlich von Judas und Silas, die mit Paulus und Barnabas mitreisen. Dieser Vorschlag des Jakobus wird durch die Versammlung angenommen und zum Beschluß erhoben. Hieraus geht deutlich hervor, daß nicht Petrus, sondern Jakobus der Gemeinde als Leiter vorsteht. Denn die Aufgabe, eine Besprechung zusammenzufassen und einen konkreten Vorschlag zu machen, liegt zuallererst beim Vorsitzenden. Wir sehen anschließend, daß der Brief nicht von Petrus unterschrieben wird, sondern: «Denn beschlossen haben der heilige Geist und wir...» (V. 28). Und wer «wir» Ist, wird am Anfang des Briefes erwähnt: «die Apostel und Ältesten » Petrus wird also mit keinem Wort genannt.

Wie anders sind die Päpste. Sie behaupten, daß die Beschlüsse eines Konzils nur rechtskräftig sind, wenn sie selber sie bekräftigt haben. Und Petrus selbst? Hat er sich selbst als Papst betrachtet? Hat er sich die Ehre gefallen lassen, als Stellvertreter Christi behandelt zu werden? Hat er sich allerlei gewaltige Titel angemaßt wie «Helliger Vater», «Größter Brückenbauer» (Pontlfex Maximus - der Titel der heidnischen Hohenpriester Roms, den die Päpste übernommen haben), usw.?

 Nein, bestimmt nicht. In seinem ersten Brief richtet er sich an die Ältesten, und dann nennt er sich selbst nur «Mitältester» (5,1): also überhaupt kein Ober-Altester, der über sie gestellt Ist. Er spricht wohl über einen höchsten Hirten In V. 4, aber dann sagt er ausdrücklich, daß dieser Jesus Christus Ist. Mit keinem Wort redet er darüber, daß er der Oberhirte der Herde des Herrn hier auf Erden sei.

 Weiter lesen wir über Ihn: «Und als Petrus hineinkam, ging Ihm Kornelius entgegen und fiel zu seinen Füßen und betete Ihn an. Petrus aber richtete Ihn auf und sprach: stehe auf. Ich bin auch nur ein Mensch» (Apg 10,25-26). Aber die Päpste verlangen nicht nur einen Fußfall, sondern sogar, daß man Ihnen die Füße küßtl In seinem zweiten Brief schreibt Petrus: «Darum will Ich nicht lassen, euch allezeit daran zu erinnern, wiewohl Ihr's wisset...» (1,12). Also auf keinerlei Welse der Ton eines Menschen, der meint, mit einer unfehlbaren Autorität Der römische




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sprechen zu können, weil er weiß, was die anderen nicht wissen. Es wäre besser, wenn die Päpste (ebenso wie alle Christen) Nachfolger Petri in der Demut wären. Die Päpste behaupten, daß alle Christen bei Strafe der Todsünde und Hölle verpflichtet sind, Ihre sogenannten unfehlbaren Auslegungen der Schrift zu akzeptieren und außerdem, daß sie auch die absolute Führungs- und Rechts gewalt über alle einzelnen Christen und über alle örtlichen Gemeinden in allen Ländern besitzen.

So behaupten sie, daß sie die Macht haben zu entscheiden, wann eine Ehe nicht oder wann sie schon gültig ist. Auch wenn eine Ehe nach der bürgerlichen Gesetzgebung eines Landes geschlossen wird und auch, wenn von der Bibel her keine Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit solch einer Ehe besteht, dann können die Päpste, so behaupten sie, solch eine Ehe noch ais ungültig erklären, wenn sie dabei nicht den Gesetzen entspricht, die sie seibst eriassen haben. So mußten z. B. ein gläubiger KathoÜk und ein gläubiger Protestant bis vor kurzem - inzwischen ist das in manchen Ländern abgeändert-versprechen, daß sie ihre Kinder römisch-katholisch taufen lassen und erziehen werden. Taten sie das nicht, dann würde ihre Ehe, auch wenn sie vor dem bürgerlichen Gesetz vollkommen rechtsgültig geschlossen wurde, von den Päpsten als nichtig, als schwer-sündiges Zusammenwohnen, als Unzucht und Hurerei gebrandmarkt. Und sie meinen auch, die Macht zu haben, einer ganzen Kategorie von Leuten, nämlich den Zehntausenden von kathoiischen Priestern, die Ehe zu verbieten. Die Bibei zeigt, daß verschiedene Amtsträger, sogar die Apostel, verheiratet waren. Jesus hat ihnen das auf keinerlei Weise verboten. Aber die Päpste verbieten es doch.

Und auch die gewaltige Führungs- und Rechtsmacht gründen sie auf Mt 16,18. Aber wie kann man glauben, daß Jesus z. B. die Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Ehe gründen würde auf eine bildhafte Sprache von einem Felsen und von Schlüsseln? Das wäre doch überaus leichtsinnig. Dazu ist die Ehe doch zu wichtig. Außerdem ist die katholische Kirche eine straffe juristische Einrichtung mit einem bis in aile Details ausgearbeiteten kirchlichen Gesetzbuch. Wenn es die Absicht Jesu gewesen wäre, solch eine Kirche zu gründen, die in Struktur und Gesetzgebung so ganz einem weltlichen Staat gleicht, dann ist es doch unverständlich, daß er selber die Grundsteine für eine solch mächtige Einrich tung allein in Bildern beschrieb.

Sogar, wenn man die Statuten eines ganz gewöhniichen Vereins aufsetzt, macht man von Büdern keinen Gebrauch, sondern zieht in den verschiedenen Artikein straffe Linien. Tut man es nicht, dann sind die Gründer selber die Ursache des späteren Durcheinanders. Außerdem würde die holländische Gesetzgebung einen Verein mit solchen Statuten, die nur aus Bildersprache bestehen, als gesetzlichen Verein nicht einmal anerkennen. Wenn das bei der Gründung eines Vereins oder einer Stiftung so ist, wieviel mehr würde es bei der Gründung einer Kirche als Weltorganisation geiten, in der die juristischen Verhältnisse zwischen den 700 Miiiionen Mitgliedern und ihren Leitern, beginnend beim Dorfkaplan bis zum Papst, geregelt werden müßten. Bilder werden von Menschen gebraucht, die von einer Sache beseelt sind, von Menschen, die eine Bewegung in Gang


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 bringen wollen. Und so ist es zu verstehen, daß Jesus fortwährend von Gleichnissen und Bildern Gebrauch machte. Er selbst füllte die Gleichnisse und Bilder mit seiner .dynamis', der Kraft seines Geistes, Er legte Leben, sein eigenes, ewiges, göttliches Leben hinein. Er sagte: «Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben» (Joh 6, 47); nicht: «Wer Mitglied meiner Kircheneinrichtung wird, darf aus den .(Wasser-) Hähnen' der sieben Sakramente mein Hell empfangen, vorausgesetzt, daß die Leiter meiner Kirche, die ich als ,HahnWächter' angestellt habe, bereit sind, die .Hähne' für ihn zu öffnen, und vorausgesetzt, daß allerlei Bedingungen, welche die Kirchenführer gestellt haben, erfüllt sind.»



Das Papstwappen von Papst Johannes Paul II. weist neben den Schlüsseln des Petrus und der Papstkrone folgende Besonderheit auf: Das M weist ebenso auf Maria hin, wie die zum Wappen gehörigen lateinischen Worte «Totus tuus» = «Ganz Dein». Wie u. a. auf den vielen Reisen des Papstes immer wieder sichtbar wird, hat Papst Johannes Paul Ii. innerhalb der römisch-katholischen Kirche eine Neubelebung der unbiblischen Marienverehrung be wirkt und gefördert. So sagte der Papst am 23.1.1983: «In der Hoffnung, den bereits programmierten Pastoralbesuch in der Schweiz durchführen zu können, lade ich euch ein, der mütterlichen Fürsorge der seligsten Jungfrau Maria, die im Heiligtum von Einsiedeln so verehrt wird, alle Probleme anzuvertrauen, die dem geliebten Volk der Schweiz am Herzen liegen.»


Das Papstwappen von Papst Joh. Paul II.  wird In Zürich von Bischöfen begrüßt (© Foto BILD + NEWS Zürich, Juni 1984) Das Papstwappen von Papst Johannes Paul II. weist neben den Schlüsseln des Petrus und der Papstkrone folgende Besonderheit auf: Das M weist ebenso auf Maria hin, wie die zum Wappen gehörigen lateinischen Worte «Totus tuus» = «Ganz Dein». Wie u. a. auf den vielen Reisen des Papstes immer wieder sichtbar wird, hat Papst Johannes Paul Ii. innerhalb der römisch-katholischen Kirche eine Neubelebung der unbiblischen Marienverehrung be wirkt und gefördert. So sagte der Papst am 23.1.1983: «In der Hoffnung, den bereits programmierten Pastoralbesuch in der Schweiz durchführen zu können, lade ich euch ein, der mütterlichen Fürsorge der seligsten Jungfrau Maria, die im Heiligtum von Einsiedeln so verehrt wird, alle Probleme anzuvertrauen, die dem geliebten Volk der Schweiz am Herzen liegen.»



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 Die Geschichte der Exegese von Mt 16,18

Im folgenden zitiere ich die Seiten 183-188 aus dem Buch «Petrus, Jünger - Apostel - Märtyrer» von Oscar Cullmanns. Aus dieser geschichtlichen Darstel lung können Sie ersehen, daß in den ersten Jahrhunderten niemand daran dachte, MtlB, 18 als einen Beleg für die Macht der Bischöfe Roms über die anderen Bischöfe zu gebrauchen.


8 Oscar Cullmann, «Petrus, Jünger - Apostel - Märtyrer», © 1952 by Zwingli Verlag Zürich. 2. erweiterte und umgearbeitete Auflage 1960. Alle Rechte beim Theologischen Verlag Zürich (iVZ). - Die Wiedergabe der Selten 183-188 (vgl. in der ersten Auflage S. 176-181) aus diesem Buch erfolgt hier - Inkl. der Fußnoten von 0. Cullmann - mit freundlicher Genehmigung des TVZ.

DIE EXEGETISCHE FRAGE VON MATTH. 16,17-19
Ebenso wie die Diskussion über die historische Frage nach dem Aufent halt des Petrus in Rom, so ist auch die Erklärung von Matth. 16,17 ff. allzu oft durch konfessionelle Vorurteile getrübt worden. So wenig es angeht, von der Einstellung zum Papsttum aus die Frage, ob Petrus in Rom gewesen sei, in dem einen oder anderen Sinne zu lösen, so wenig darf die Behandlung der Frage nach der Bedeutung des Wortes an Petrus über die Kirche im voraus durch die Beurteilung des spätem päpstlichen Anspruchs belastet sein. Wie dort, so muss auch hier gegen die bewusste oder unbewusste populäre Meinung reagiert werden, als ob man etwa mit der Anerkennung der Echtheit jenes Wortes irgendwie eine Konzession diesem päpstlichen Anspruch gegenüber mache, oder als ob man mit der Bestreitung der Echtheit diesen Machtanspruch in be sonders wirksamer Weise treffe*. Die Geschichte der Erklärung, die wir der Untersuchung unseres Tex tes vorausschicken, lehrt uns allerdings, dass der konfessionelle Stand punkt sehr oft auf die Exegese abgefärbt hat und dass meistens das Re sultat im voraus feststeht und dann nachträglich in den Text hinein gelesen wird.


1. Die Geschichte der hauptsächlichen Erklärungen

Es fehlt eine ausführliche Geschichte der Exegese unseres Abschnittes durch die Jahrhunderte von der Patristik an bis in unsere Zeit. Eine solche Arbeit wäre sowohl für den Exegeten als den Dogmen- und Kirchengeschichtler von grösstem Wert. Wohl finden wir in älteren Kom-

1 In neuester Zeit wird ja die «Echtheit» von Mtth. 16, 17 ff. gerade auch von einigen katholischen Exegeten merkwürdig weitgehend eingeschränkt. Siehe unten S. 195. Auf Grund des Traditionsprinzips ist dies möglich.


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 mentaren und auch in kirchengeschichtlichen Werken Hinweise auf die Erklärungen der Kirchenväter und der Reformatoren. Dagegen fehlt, abgesehen von einer Untersuchung über die älteste Periode eine voll ständige, zusammenhängende Darstellung der Interpretationen des Wor tes. Was die neuere Forschung betrifft, so sind in neuen Kommentaren und auch in Zeitschriftenaufsätzen die verschiedenen Beiträge der letzten 50 Jahre zum Verständnis unseres Textes teilweise wenigstens syste matisch zusammengestellt 2.

Es kann hier nicht die Rede davon sein, einen auch nur annähernd vollständigen Oberblick über die Geschichte der Exegese von Matth. 16, 17 ff. zu geben. Von den älteren Erklärungen werde ich nur diejenigen erwähnen, die besonders typisch sind. Etwas ausführlicher werde ich von den neueren sprechen, zunächst jedoch nur die Ergebnisse mitteilen. Auf einzelne Argumente der bisherigen Exegeten werden wir bei der Erklärung des Textes zurückkommen.

Die ersten Auslegungsversuche sind noch frei von der kirchenpoliti schen Tendenz, das Wort für oder gegen den Anspruch des römischen Bischofs zu benützen. Erst am Anfang des dritten Jahrhunderts tritt im Abendland dieses Interesse an dem Jesuswort in den Vordergrund.


In den zwei ersten Jahrhunderten finden wir überhaupt ganz wenig Spuren einer Benützung von Matth. 16, 17 ff. Sicher lässt sich eine solche erst in Jtistins Dialog (100,4; 106,3), allerdings nur für Vers 17, nach weisen 3, femer in den Pseudo-Clementinen. Origenes geht von seiner Unterscheidung zwischen Buchstaben und Geist aus, um zu erklären, der Buchstabe richte dieses Wort vom Felsen an Petrus, der Geist dagegen habe jeden im Auge, der ein solcher werde, wie Petrus war*. Irenaeus (adv. haereses III, 18) erklärt die Stelle, spricht aber nur von

1 J. Ludwig, Die Primatworte Mt. 16, 18. 19 in der altkirchlichen Exegese. 1952.

2 Siehe J. R. Geiselmann, Der petrinische Primat (Mt. 16, 17), seine neueste Bekämpfung und Rechtfertigung, 1927, und besonders K. L. Schmidt, Artikel £xxA.T|oia im Theol. Wörterbuch zum N. T., herausg. von G. Kittel, auch separat in englischer Obersetzung, 1950, erschienen unter dem Titel The Church (Bible Key Words from Gerhard Kittel's Theol. Wörterbuch z. N. T.); was die neueste Literatur betrifft, siehe R. Bultmann, Die Frage nach der Echtheit von Mt. 16, 17—19 (Theol. Blätter 1941, S. 265 ff.) und A.Oepke, Der Herrnspruch über die Kirche Mt. 16, 17—19 in der neuesten Forschung (Studia Theologica, Lund 1948/50, S. 110 ff.).

3  Siehe E. Massaux, Influence de l'Evangile de S. Matthicu sur la litteraturc chrötiennc avant S. Ir^nec, 1950. Die Möglichkeit einer Benützung nimmt er für Ignatius und die Oden Salomos an.

4 Origenes ad Matth. 16,18

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Vers 17, während er das Schlüsselwort nicht erwähnt, jedoch Vers 21 f.,
wieder zitiert 1.

 Mit Tertullians schon früher erwähnter Erklärung 2 befinden wir uns bereits auf dem Boden der durch die Kirchenpolitik beeinflussten Exe gese. In seinem Kampf gegen den Verfasser jenes Edikts über die Aus dehnung der Busse, der höchstwahrscheinlich mit dem römischen Bischon Kallist gleichzusetzen ist2, verwirft er ausdrücklich die Inter pretation, nach der «die Binde- und Lösegewalt auf diesen Bischof, d. h. auf die ganze Petrus nahe Kirche übergegangen sei»'*. Das heisse «die offenkundige Absicht des Herrn verdrehen, der diese dem Petrus persön lich übertrug»». Und Tertullian fährt fort: «Was hat das alles mit der


1 W. L. Duliere, La p6ricope sur le pouvoir des clefs. Son absence dans le texte de Matthieu aux mains d'Irenee (La nouvelle Clio 19.54, S. 73 ff.) schliesst dar aus, dass der Matthäus-Text, den Irenaeus vor sich hatte, die Verse 18—19 nicht enthielt. Er sucht zu zeigen, dass sie von Antiochien um 190 in den Kanon eingedrungen seien. ' 2 De pudicitia 21. Siehe oben, S. 136. '

3 Die Ausdrücke «pontifex maximus» und «episcopus episcoporum», mit denen Tertullian an der gleichen Stelle den Verfasser des Edikts höhnend bezeich net, das er ein «edictum peremptorium» heisst, passen, trotzdem sie ironisch sind, am besten zu Kallist, dem auch Hippolyt in seinen Philosophoumena seine laxe Bussübung vorwirft.

 Dies liegt jedenfalls viel näher, als das Edikt mit F. Galtier (Le v6ritable 6dit de Calliste, Revue d'Hist. eccl. 1927, S. 465 ff.; Ecclesia Petri propinqua, A propos de Tertullien et de Calliste, Revue d'Hist. eccl. 1928, S. 40 ff.; L'Eglise et la remission des p6ches aux premiers siicles. 1932, S. 139 ff.) einem kartha gischen Bischof Agrippinus zuzuschreiben (siehe auch G. Bardy. L'edit d'Agrippinus, Revue des Sciences rel. 1924, S. 1 ff.). — Die grosse Mehrheit der Forscher identifizieren den angeredeten Bischof mit Kallist, so P. Batiffol, L'Eglise naissante et le Catholicisme, 1927, S. 350; id., Cathedra Petri 1938, S. 175 ff.; H. Koch, Kallist und Tertullian, 1920; id.. Cathedra Petri 1930, S. 6; E. Caspar, Geschichte des Papsttums von den Anfängen bis zur Höhe der Weltherrschaft, Bd. I, 1930, S. 26, und besonders A. Harnack, Ecclesia Petri propinqua (Sitzungsber. der Berl. Ak. d. Wiss. 1927). M. Goguel, L'Eglise pri mitive, 1947, S. 194, hält dagegen die These P. Galtiers für möglich, ohne sich endgültig zu entscheiden. '*

4 Zu dem Ausdruck «ad omnem ecclesiam Petri propinquam» siehe oben S. 136 die Hypothese W. Köhlers, Omnis ecclesia Petri propinqua. Versuch einer religionsgeschichtlichen Deutung (Sitzungsbericht d. Heidelb. Ak. d. Wiss. 1937/38). — Harnacks Vorschlag (op. cit., vorstehende Anm.), omnem als einen Schreibfehler für romanam anzusehen, ist rein hypothetisch und wird sogar von den meisten katholischen Forschern abgelehnt. Siehe Batiffol, Cathedra Petri 1938, S. 178. — Dagegen K.Adam, Neue Untersuchungen über den Ursprung der kirchlichen Primatslehre (Tüb. Thcul. Quartalsschrift 1928, S. 169 ff.).

5  Lat. Text siehe oben, S. 136, Anm. 2.



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Kirche, und zwar mit deiner, Psychiker, zu tun? Gemäss der Person des Petrus steht diese Vollmacht den Geistesmännern zu ...» Daraus ist doch wohl zu schliessen, dass schon Kallist (217-22) Matth. 16, 17 auf sich be zogen hati, und zwar vielleicht unter besonderer Berufung auf das Petrusgrab 2. Tertullian lehnt jede Anwendung des Wortes auf spätere Bischöfe, und zwar nicht nur auf die römischen, sondern auf die Bischöfe überhaupt ab.

    Damit steht er im Widerspruch zu Cyprian, der zwar auch aus dem Wort Jesu keine Begründung des Primats des römischen Bischofs über die übrigen Bischöfe abgeleitet wissen will, wohl aber die Gesamtheit der Bischöfe in Petrus angeredet sieht. Wenn Jesus nur zu Petrus sage, er sei der Fels, so sei damit lediglich auf die Notwendigkeit der Einheit der Kirche hingewiesen 3. Cyprian hat seine schon früher vertretene An sicht hauptsächlich im Zusammenhang mit seiner Auseinandersetzung mit dem Bischof Stephan (254-57) entwickelt^. Dieser hat sich also

1  Anders K. Heussi, Die Nachfolge des Petrus (Deutsches Pfarrerblatt 1949, S. 420 f.). Nach ihm habe sich Kallist auf Matth. 16 nur berufen, um das Recht aller Bischöfe, Sunden zu vergeben, zu erweisen.

2 Nach E. Caspar, Primatus Petri (Zeitschrift der Savignystiftung für Rechts geschichte 1927, S. 253 ff.), hätte nicht Kallist sich auf Matth. 16, 17 ff. berufen, sondern Tertullian hätte den Anfang damit gemacht, um Kallist zu bekämpfen, ohne zu ahnen, welche Geister er auf diese Weise heraufbeschwor. Er habe, ähnlich wie später Cyprian, ohne es zu wollen, auf diese Weise dem römischen Bischofsstuhl die Waffen geliefert, mit denen er seinen Primat verteidigen wird. Dieser These gegenüber macht M. Goguel, L'Eglise primitive, 1947, S. 195 f., geltend, dass es dann merkwürdig wäre, dass erst so viel später diese Wirkung der Argumentation Tertullians und Cyprians sich zeige. ' De catholicae ecclesiae unitate cap. 4—5. Epist. 33, 59, 73, 75, 76, 81 u. a. Über die Exegese Cyprians siehe J. Chapman, Rev. b^n. 1902/3, ib. 1910 und K. Adam, Cyprians Kommentar zu Mtth. 16, 18—19 in dogmengeschichtlicher Beleuchtung (Tüb. Theol. Quartalsschrift 1912); H.Koch, Cyprian und der römische Primat, 1910; Cyprianische Untersuchungen, 1926; besonders Cathe dra Petri, 1930.

3   Es lässt sich gewiss durch das ganze Schrifttum Cyprians eine einheitliche Interpretation des Wortes an Petrus feststellen, insofern er immer den Primat des Petrus als Zeichen der Einheit anerkannt, anderseits" es aber immer ab gelehnt hat, daraus eine Vorrangstellung für die spätem Bischöfe Roms über die übrigen Bischöfe abzuleiten, die alle Nachfolger des Petrus sind. Immer hin ist nicht ganz klar, wie er damit die «principalitas», die er Rom zuerkennt (Epist. 59, 14), verbindet. P. Batiffol, Cathedra Petri 1938, betont in allen Teilen seines Buches diesen Gedanken, dass nach Cyprian Rom die «ecclesia principalis» sei, unde unitas sacerdotalis exorta est. (Siehe dazu H. Koch, Cyprian und der römische Primat, 1910; Cathedra Petri 1930.) Wenn «principalis» wirklich so zu verstehen wäre, dass Jesus mit dem «Tu es Petrus» diese Kirche gegründet habe, so könnte Cyprians Auslegung kaum als ganz konse quent und einheitlich angesehen werden.



Der römische Katholizismus ..................................65 offenbar wie Kallist auf Matth. 16, 17 ff. berufen, um als Bischof Roms seinen Primat über die Gesamtkirche daraus abzuleiten. Firmilian, der Bischof von Caesarea in Kappadozien, bekämpft in einem Brief an Cyprian seinerseits diese Interpretation Stephans, nach der der römische Bischof durch Sukzession Anrecht auf die Cathedra des Petrus er hebe  1
    Während diese Erklärungen von kirchenpolitischen Tendenzen be schwert sind, spielt das Wort Jesu an Petrus eine Zeitlang zur Begrün dung des päpstlichen Anspruchs kaum eine Rolle, bis es dann vom Früh mittelalter an von den Päpsten regelmässig so benützt wird, als ob überhaupt kein anderes Verständnis möglich wäre 2. Es ist immerhin be achtenswert, dass die eminenten altkirchlichen Ausleger, die abgesehen von direkt kirchenpolitischen Fragen sich mit Matth. 16, 17 ff. beschäftigt haben, andere Erklärungsmöglichkeiten erwogen haben. So deutet Chrysostomus den Felsen, auf den Christus seine Kirche bauen werde, auf den Glauben des Bekennens 2. Nach Augustin habe Jesus mit dem Felsen nicht den Petrus, sondern sich selbst gemeint, eine Auslegung, der Luther folgen wird^. In den Retractationes ^ schreibt Augustin, früher habe er unter dem Einfluss des Ambrosius das Wort «Fels» auf Simon bezogen, es heisse aber nicht, «du bist der Fels», sondern «du bist Petrus»; vom Felsen sei erst im folgenden Satz die Rede, und da liege es nahe, das Wort auf Christus zu beziehen. Er überlässt den Lesern die Entscheidung. Eine ähnliche Verlegenheit ist auch bei andern, etwa bei Cyrill von Alexandrien, festzustellen. Wir sehen also, dass die von den Refor-. matoren gegebene - übrigens, wie wir sehen werden, problematische - Exegese nicht erst für ihren Kampf gegen das Papsttum erfunden ist, sondern auf einer ältem patristischen Tradition beruht. Wir haben früher erwähnt, dass die Reformatoren merkwürdigerweise der Frage, ob Petrus in Rom gewesen ist oder nicht, wenig Bedeutung beigemessen haben, wenn auch Luther die Tatsache in Zweifel zieht. Dagegen finden wir bei ihnen eine eingehende Beschäftigung mit dem Jesuswort Matth. 16, 17 ff., und zwar im Hinblick auf die antipäpstliche


1 Unter Cyprians Epist. 75, 17.

2 Die mittelalterliche Exegese der Stelle ist freilich bisher noch nicht erforscht worden. Eine grundliche in Vorbereitung befindliche Arbeit wird zeigen, dass sie doch eine grössere Mannigfaltigkeit aufweist, als wir vermuten.

3 Siehe J. Chapmann, Early Papacy, 72 ff.

4 Aug., Serm. 76, 147, 149, 232, 245, 270, 295.

5  I. 21, 1.


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 Polemik. Luther deutet einerseits wie Augustin den Felsen auf Christus selbst: «so ist nu dieser Fels der Sohn Gottes, Jesus Christus allein und niemand anders» Von da aus stellt er die Verbindung zu Petrus her, indem er betont, nur seinen Glauben an Jesus, den Felsen, (nicht seine Person) visiere das an ihn gerichtete Wort: «Du bist... Felser, denn du hast den rechten Mann, der der rechte Fels ist, erkannt und genannt, wie ihn die Schrift nennt, nämlich Christus «Nicht auf den Felsen... der römischen Kirche ist die Kirche gegründet, wie etliche Dekrete es auslegen, sondern auf den Glauben, den Petrus für die ganze Kirche bekannte» Ganz ähnlich argumentiert Calvin: die Worte, die die römische Lehre auf die Person eines Menschen beziehe, seien in Wirk lichkeit nur vom Glauben des Petrus an Christus gesagt. Die Bezeich nung «Fels» richte sich daher sowohl an Simon als an die übrigen Gläu bigen. Der Zusammenschluss im Glauben an Christus sei der Grund, auf dem die Gemeinde wachse^. Ebenso ist auch für Zwingli Petrus nur der Typus des an Christus als den alleinigen Felsen Glaubenden s. Es ist nur eine Abwandlung all dieser Erklärungen, wenn Melanchthon das Wort auf Predigt und Predigtämt bezieht®. Alle Reformatoren stimmen also letzten Endes darin überein, dass Petrus nicht als Person, sondern nur als Glaubender von Jesus Fels genannt worden sei. Der wahre Fels der Kirche sei Jesus Christus.

1 Wider das Papsttum vom Teufel gestiftet (W. A. 54, E. Mölhaupt, Luthers Evangelien-Auslegung, Bd. 2, S. 545 f.). ^

2 Ib., Mülhaupt, S. 548.

3 Resolutio Lutheriana super propositione XIII de potestate papae 1519 (W. A. 2, E. Mülhaupt, op. cit., Bd. 2, S. 525). Weitere Texte bei E. Mülhaupt, op. cit., Bd. 2.

4  Siebe Calvin, Commentaire, ad loc.

5 Unter anderem Predigt über die Vorsebung (Zwingli, Hauptscbriften, Bd. II, S. 195); De vera et falsa religione (Zwingli, Hauptscbriften, Bd. IX, S. 158 ff.).

6   De potest. et princfpatu Papae, Kap. 22 ff.

Was ist dann zur Exegese von Mt 16,18 zu sagen?

Für eine gründliche Erklärung von Mt 16,17-19 verweise ich auf mein Buch «Het zwaard over de herder» (= «Das Schwert über dem Hirten», 8.97-154). Ich will diese Ausführungen hier kurz zusammenfassen. Zuerst aber meine Bedenken gegen die üblichen protestantischen Auslegungen: Der Fels Ist Christus. - Man beruft sich auf 1. Kor 10,4:«... von dem geistlichen Fels,... welcher war Christus.» Aber hier wird über einen Felsen gesprochen, aus dem auf wunderbare Weise Wasser floß; nicht über einen Felsen, auf dem ein Haus gebaut wird.


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 Oder man beruft sich auf 1. Kor 3,11: «Einen andern Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.» Aber in Eph 2,20 wird deutlich gesagt, daß die Gemeinde auch auf dem Fundament der Apostel und Propheten gebaut ist. Wir werden also beide Wahrheiten festhalten und nachforschen müssen, auf welch verschiedene Weise Christus und die Apostel Fundament der Gemeinde sind.

Erst sagt Petrus, wer Christus ist. Danach sagt Jesus, wer Petrus ist. Es liegt dann auch vollkommen auf der Hand, daß die Fortsetzung «... und auf diesen Felsen...» auch auf Petrus Bezug hat, vor allem auch, weil es sich hier um dieselben Worte handelt, nur haben sie jeweils einen unterschiedlichen Ausgang.

Der Fels Ist das Bekenntnis des Petrus
. - Hier gelten dieselben Bedenken: Es handelt sich in diesem Schriftteil um die Frage, wer Christus und - daran anschließend - wer Petrus ist. Weiter ist es eigenartig, daß Petrus hier wegen dieses Bekenntnisses den Namen ,Petros' - Felsenmann - bekommen würde. Nathanael hatte doch schon viel früher dasselbe Bekenntnis abgelegt: «Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel!» (Job 1,49.) Drittens bleibt dann ungeklärt, warum die Apostel in Eph 2,20 Fundament der Gemeinde genannt werden. Dann würde es keine Unterschiede zwischen den Aposteln und uns geben, wenn wir dasselbe Bekenntnis ablegen. Darum meine ich mit Prof. Dr. O. Cullmann:
Der Fels Ist der bezeugende Petrus
. In erster Linie spricht Jesus über seine Gemeinde, die noch kommen muß. «Und auf diesen Felsen werde (= Zukunft) ich meine Gemeinde bauen.» Die Gemeinde gab es in jenem Moment noch nicht. Also konnte Petrus in jenem Moment noch kein Fundament der Gemeinde sein. Das ist erst ab Pfingsten möglich, denn erst ab dieser Zeit besteht die Gemeinde Christi. Weiter ist nicht nur Petrus, sondern sind auch die anderen Apostel Fundament der Gemeinde (Eph 2,20). Wir werden also der Frage nachgehen müssen, was das Einzigartige der zwölf Apostel ist. Siehe auch Offb 21,14.

 Cullmann hat auf den einmaligen Text hingewiesen, in dem die einzigartige Aufgabe der Zwölf umschrieben wird, nämlich: «So muß nun einer von diesen Männern, die bei uns gewesen sind die ganze Zeit über, welche der Herr Jesus unter uns ein- und ausgegangen ist, von der Taufe des Johannes an bis auf den Tag, da er von uns genommen ist, ein Zeuge seiner Auferstehung mit uns werden» (Apg 1,21-22).

Es handelt sich hier um die Wahl eines anderen Apostels anstelle des Judas. Die Bedingungen, die gestellt werden, sind nicht, daß der Kandidat Führungsfähig keiten haben muß. Das Einzigartige der Apostel ist anscheinend nicht, daß sie über eine Anzahl von Gemeinden regieren müssen. So ist es zu verstehen, daß Petrus sich in 1. Petr 5,1 einfach Mitältester nennt. Das Einzigartige der Zwölf ist, daß sie Jesus gekannt haben müssen von seinem ersten öffentlichen Auftreten an bis zu seinem Tode und weiter, daß sie ihn auch als den Auferstandenen gesehen haben. Ihre Aufgabe ist dann, davon Zeugnis abzulegen. Wenn dies die Aufgabe der Zwölf ist, dann wird sofort deutlich, daß sie keine Nachfolger haben können. Erstens nicht, weil es in späteren Zeiten keine

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Hegger Menschen mehr gab, die Jesus sowohl vor als auch nach seiner Auferstehung gekannt hatten. Weiter auch, weil diese Zwölf darüber hinaus von Christus eingesetzt werden mußten, sei es direkt, oder sei es gemäß der Art und Weise von Apg1.

Jesus hat im «Hohenpriesterlichen Gebet» zu seinem Vater gesagt: «Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden» (Joh 17,20). Mit «sie» meint er seine Apostel, die in jenem Augenblick bei ihm waren; mit den anderen meinte er uns. Wir glauben ja an Christus aufgrund des Zeugnisses, das die Apostel von Jesus abgelegt haben, nämlich, daß derselbe Jesus, den sie gekannt haben, als er noch auf Erden wandelte, von ihnen auch geschaut worden ist, als er von den Toten auferstanden war. Und so verstehen wir auch den Unterschied in der Art und Weise, wie Jesus Fundament der Gemeinde ist und wie es die Apostel sind. Jesus ist Fundament der Gemeinde durch das, was er für sie ist, und durch das, was er für sie getan hat. Die Apostel sind lediglich Fundament der Gemeinde, indem sie Zeugnis ablegen davon, wer Jesus ist und was er für die Gemeinde getan hat.

Die Schlüssel des Königreiches

Denselben Unterschied sehen wir auch in bezug auf das Königreich. In Offb 1,18 lesen wir «... und habe die Schlüssel der Hölle und des Todes»; und in Offb 3,7: «Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der da hat den Schlüssel Davids, der auftut, und niemand schließt zu, der zuschließt, und niemand tut auf.» Auch hier gibt es einen scheinbaren Widerspruch in der Schrift. Aber auch hier verfügt Jesus auf eine andere Weise über die Schlüssel des Königreiches als Petrus und die anderen Apostel. Jesus verfügt über die Schlüssel des Königreiches durch das, was er Ist und durch das, was er getan hat in bezug auf das Königreich. Die Apostel verfügen lediglich über die Schlüssel des König reiches dadurch, daß sie Zeugnis davon ablegen, wie man in das Königreich hineinkommt. Das bedeutet wiederum, daß sie davon zeugen, wer Christus ist und was er für das Aufschließen des Königreiches getan hat. Jesus wirft den Schriftgelehrten und Pharisäern von «Weh euch Schriftgelehrten! denn ihr habt den Schlüssel der Erkenntnis weggenommen. Ihr ginget nicht hinein und wehrtet denen, die hinein wollten» (Lk 11,52).

Jesus gibt Petrus und den übrigen Aposteln den Schlüssel der Kenntnis hinsichtlich des Königreiches Gottes zurück. Er lehrte sie, daß man das Königreich nicht aufgrund von eigenen guten Werken betreten kann, sondern lediglich aufgrund einer radikalen inneren Veränderung, die vom Heiligen Geist bewirkt wird durch das Wort Gottes (JohS, 3.5; 1.Petr1,23). Diese Wieder geburt äußert sich durch die Bekehrung und durch die gläubige Übergabe an Christus aliein.

Sie müssen also predigen, daß der Mensch lediglich durch den in das Königreich eintreten kann, der gesagt hat: «Ich bin die Tür» (Joh 10,7), also nicht durch eine Tür, von der wir meinen, sie durch unsere guten Werke öffnen zu können.

Binden und lösen
In Mt 18,18 hat Jesus genau dieselben Worte an die Apostel gerichtet und

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wahrscheinlich sogar an die ganze Gemeinde. Dadurch ist es ausgeschiossen, daß er in Mt 16.19 mit denselben Worten Petrus eine besondere Macht zugeteilt hätte. Es ist gut, in diesen Text sofort Joh 20,23 mit einzubeziehen, wo Jesus zu den Aposteln sagt: «Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.» Die Päpste ziehen auch diesen Text heran, um daran festhaiten zu können, daß sie die Macht besitzen, die Sünden auch wirkiich zu vergeben, so daß sie nicht nur mit den Schlüsseln der Kenntnis des Königreiches umgehen könnten, sondern - so wie Christus und in seinem Namen - auch wirklich Menschen aus dem Königreich ausschließen oder es vor ihnen öffnen könnten. Aber...

 1. Dann kommen sie unvermeidlich mit Offb 3,7 in Konfiikt. Dann stehlen sie Christus eine Befugnis, die die Bibel nur ihm zuerkennt.

2. Dann kommen sie gleichzeitig mit Lk 5,17-26 in Konflikt, woraus deutlich hervorgeht, daß niemand auf Erden die Macht hat, Sünden zu vergeben als nur Gott und der Menschensohn.

3. Dann kommen sie mit der Grundbotschaft der Bibel in Konfiikt, daß die Vergebung der Sünden nicht von der Entscheidung anderer Menschen abhängig ist sondern, daß wir der Vergebung nur teilhaftig werden durch das gläubige Vertrauen auf den barmherzigen Gott, der uns die Sünden vergeben will aufgrund des versöhnenden Sterbens Christi. Was für ein grenzenloser Hochmut ist es doch, wenn sie die vielen, prächtigen Worte des lebendigen und gnädigen Gottes über «die Vergebung durch Glauben allein» einfach so vom Tisch wischen und diesen einzigen Text benutzen, um damit ihre absolute Macht über das Gewissen der Menschen zu bestätigen.

4. Die Apostel kommen auf jeden Fall als erste in Betracht, um die Worte Jesu für uns zu erkiären, und nicht die Päpste, die so vieie Jahrhunderte später gelebt haben.

Nun, aus den Schriften der Apostei geht nirgendwo hervor, daß sie diese Worte als ein obligatorisches Sündenbekenntnis an die Amtsträger ais notwendige Bedingung zum Empfang der Vergebung aufgefaßt haben. Im Gegenteil, immer zeigen sie auf Christus allein. Petrus verkündigt dem Heiden Kornelius und seinem Haus: «Von diesem zeugen alle Propheten, daß durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen» (Apg 10,43). Er erwähnt dazu mit keinem Wort eine verpflichtende Beichte an die Amtsträger der Gemeinde. Und die erste ausführiiche Predigt des Paulus an die Juden, die in der . Apostelgeschichte aufgezeichnet ist, hat diese Kernaussage: «So sei es nun euch kund, liebe Brüder, daß euch verkündigt wird Vergebung der Sünden durch diesen; und von dem ailen, wovon ihr durch das Gesetz des Mose nicht konntet freigesprochen werden, ist der gerechtfertigt, deren ihn glaubt» (Apg 13,38-39). Kein Wort über eine Pflichtbeichte! Johannes schreibt: «Und ob jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist. Und derselbe ist die Versöhnung für unsere Sünden» (Joh 2,1-2); also nicht: «Und wenn jemand gesündigt hat,

... haben wir glückiicherweise auch noch den Beichtstuhl.» Und auch Johannes stellt den Glauben als den Weg zum ewigen Leben ins

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Zentrum.  Er tut es am Ende jenes Evangeliums, in dem auch die Worte von Joh 20,23 über die Vergebung der Sünden stehen. Dort sagt er: «Diese aber sind geschrieben, daß ihr glaubet, Jesus sei der Christus, der Sohn Gottes, und daß ihr durch den Glauben das Leben habet in seinem Namen» (Joh 20,31). Johannes sagt in dem vorhergehenden Vers, daß er noch viel mehr hätte aufschreiben können über alles, was Jesus gesagt und getan hat, aber daß er eine Auswahl hat treffen müssen mit dem Ziel, daß wir dadurch zum Glauben an Christus kommen und durch diesen Glauben an ihn das Leben empfangen würden; also nicht durch die Beichte der Sünden an die Amtsträger der Kirche. Wir lesen auch nirgends, daß die Apostel Beichte gehört oder andere Amtsträger angespornt haben, es zu tun. Sie haben immer das Gewissen der Menschen respektiert. Aber die Päpste, Bischöfe und Priester versuchen, die Herzenstüre der Menschen mit Gewalt aufzubrechen. Sie drängen sich mit roher Übermacht in die Seelen der Frauen und Mädchen hinein und verlangen, daß sie ihnen ihre Übertretungen auf sexuellem Gebiet bekennen, da sie sonst für ewig in der Hölle brennen müßten.

5. Das einzige Beispiel dafür, daß in der Bibel zum Bekenntnis unserer Sünden vor Menschen aufgerufen wird, ist in Jak 5,16 zu finden. Aber da steht nun eben nicht, daß wir den Amtsträgern unserer Kirche unsere Sünden bekennen müssen sondern «einander». Und aus dem Kontext geht hervor, daß damit das Bekenntnis unserer Sünden denen gegenüber, gegen die wir gesündigt haben, gemeint ist. Das können einzelne Christen sein oder auch wohl die ganze Gemeinde. Es ist auch da keine Rede von einem obligatorischen Sünden bekenntnis an die Amtsträger der Kirche. Aber die Päpste verlangen, daß die Christen nicht nur ihre äußerlichen Sünden, sondern sogar ihr sündiges Verlangen, auch wenn sie es später gar nicht zur Ausführung gebracht haben, und das auch gerade auf sexuellem Gebiet, den Priestern vorbeichten.

Der Hellige Geist zeugt und überzeugt

6. Aber wie sollen wir dann Joh 20,23 verstehen? Wir wiederholen: Wir dürfen einen Text nicht aus dem Zusammenhang der Bibel herausnehmen und sicher nicht aus dem unmittelbaren Kontext. Nun, vor diesem Text steht folgendes: «Und da er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmet hin den heiligen Geist!» (V. 22.) Aber in der Bibel wird dem Heiligen Geist nie zuge schrieben, daß er die Sünden vergibt. Wohl, daß er von Sünden überzeugt. Und welches ist die ärgste Sünde, von der der Heilige Geist überzeugt? «Und wenn derselbe kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht; über die Sünde: daß sie nicht glauben an mich» (Joh 16,8-9). Weiter wird dem Heiligen Geist zugeschrieben, daß er bezeugt, daß wir die Vergebung der Sünden empfangen haben dadurch, daß wir durch das Sühnopfer Christi ein Kind Gottes geworden sind: «Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, daß wir Gottes Kinder sind» (Röm 8,16). Aber was bedeutet Joh 20,23 noch mehr? Um das wissen zu können, müssen wir zuerst etwas sagen über:


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Die Gabe der Unterscheidung der Geister

 Johannes spornt uns folgendermaßen an: «Ihr Lieben, glaubet nicht einem jeglichen Geist, sondern prüfet die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viele falsche Propheten ausgegangen in die Welt» (1. Joh 4,1). Aber wie soll die Prüfung der Geister vor sich gehen? Zuerst aufgrund ihres Bekenntnisses, nämlich, ob es In Übereinstimmung mit Gottes Wort steht: «Daran sollt ihr den Geist Gottes erkennen: ein Jeglicher Geist, der da bekennt, daß Jesus Christus ist im Fleisch gekommen, der ist von Gott; und ein jeglicher Geist, der Jesus nicht bekennt, der ist nicht von Gott» (1. Joh 4,2-3). Aber der Satan kann sich manchmal das Aussehen eines «Engels des Lichts» geben (2. Kor 11,14).

Er kann uns entgegenkommen mit einem orthodoxen Bekenntnis. Und wie werden wir dann herausfinden, daß wir es doch mit dem Fürsten der Finsternis zu tun haben? Auch hierin kommt der Heilige Geist uns dann zu Hilfe. Er schenkt der Gemeinde als Ganzes und manchen Gläubigen insbesondere die Gabe, «Geister zu unterscheiden» (1. Kor 12,10). Die Verheißung der Hilfe des Heiligen Geistes bei der Prüfung der Geister ist also auch in Joh 20,23 gemeint. Aber wir, jeder einzelne und die Gemeinde als Ganzes, können den Heiligen Geist betrüben (Eph 4,30) und sogar auslöschen (1. Thess 5,19).

Am Ende der Zeiten wird es sogar so weit gekommen sein, daß die offizielle Kirche «eine Behausung der Teufel geworden (ist) und ein Gefängnis aller unreinen Geister» (Offb 18,2). Dann wird der Antichrist auftreten, «der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, der... sich überhebt über alles,... so daß er sich setzt in den Tempel Gottes und vorgibt, er sei Gott» (2. Thess 2,3-4). Wir sehen das auch in Apg 5. Dort weiß Petrus sich so sehr eins mit dem Geist, daß er gesehen hat, wie Ananias und Saphira in ihrem Herzen den Heiligen Geist selbst belogen haben. Und als Paulus Elymas bestraft und ihm seine Blindheit ankündigt, steht zuerst, daß Paulus «voll heiligen Geistes» war. Aus dieser Fülle des Geistes durchschaute er ihn als «Kind des Teufels, voll aller List und aller Bosheit» (Apg 13,9.10).

Aus all diesen Worten geht also jedesmal hervor, daß die Wirkung des Heiligen Geistes in der Sphäre des Denkens liegt, des Erkennens, des Zeugnisgebens und Überzeugens. Und in derselben Sphäre, auf derselben Ebene liegt - so sahen wir - auch die Berufung, der Dienst (das Amt) der Apostel. Darum Ist Joh 20,22-23 eher eine Bestätigung dessen, was wir bis jetzt herausgefunden haben.

Durch die Erfüllung mit dem Heiligen Geist werden die Apostel befähigt, jemandem mit Vollmacht zu verkündigen, daß seine Sünden ihm vergeben sind oder daß er noch immer unter der Schuld der Sünde steht. Wir sehen auch einige Beispiele der Ausübung jenes Dienstes. Denken Sie nur an den Fall von Ananias und Saphira in Apg 5. Dort hat es sogar ihren Tod zur Folge. Und erinnern wir uns an Elymas in Apg 13,6-12. Dort hat es Blindheit zur Folge. Und so ist es auch mit der Gemeinde. Solange und in dem Maße wie die Gemeinde und besonders auch die Leiter der Gemeinde, die Ältesten, die Hirten und die Lehrer, eins sind mit dem Heiligen Geist, sich durch ihn leiten lassen, wird Joh 20,22-23 gut funktionieren. Z?


H.J. ......................................Hegger

Warum sah ich das nicht früher?

 Ich kann mir vorstellen, daß jemand von Ihnen fragt: «Aber wie ist es möglich, daß Sie trotzdem so lange an die Machtansprüche der Päpste geglaubt haben?» Der Grund dafür ist ein zweifachen Erstens war es uns bei Strafe der Todsünde und Hölle verboten, an dieser Macht der Päpste zu zweifeln. In der Enzyklika, in der Pius XII das Dogma der leiblichen Himmelfahrt Marias ankündigte, nämlich in «Munificentissimus Deus» lesen wir: «Wenn jemand es wagt - was Gott verhüte -, was wir als Dogma proklamiert haben freiwillig entweder zu verleugnen oder zu bezweifeln, so wisse er, daß er von dem göttlichen und katholischen Glauben total abgefallen ist.»

Wir durften wohl die Bibel studieren, aber, bevor wir auch nur eine Seite der Bibel aufgeschlagen hatten, mußte unwiderruflich für uns feststehen: Was es auch in der Bibel zu lesen gibt, auf jeden Fall ist die Lehre der katholischen Kirche, die Lehre der Päpste, wahr. Wenn wir das noch nicht einmal ausdrücklich verneint hätten, sondern lediglich die Möglichkeit offen gelassen hätten, daß die Päpste sich vielleicht geirrt hätten, dann hätten wir im selben Augenblick schon eine schwere Sünde verübt, und wenn wir das nicht beichten wollten, bevor wir stürben, dann würden wir für immer in der ewigen Hölle brennen müssen wegen des freiwilligen Zweifels an der Lehre der Päpste. Sie verstehen, daß man dadurch mit gewaltigen Ängsten aufwächst, insbesondere gegenüber einer ruhigen und sachlichen Untersuchung der Bibel.

Ein zweiter Grund war, daß wir die Bibel nur sehr schlecht kannten. Im Grunde genommen interessierte uns die Bibel kaum, weil wir die Wahrheit viel sicherer und viel leichter kennenlernen konnten auf einem anderen Weg, nämlich dem der unfehlbaren Aussprüche der Päpste. Wir haben viele ehemalige Priester aus verschiedenen Ländern in unserem Ex-Priester-Haus in Velp gehabt. Immer wieder fiel uns auf, wie mangelhaft ihre Bibelkenntnis war. Den ärgsten Fall erlebten wir mit einem portugiesischen Professor der Dogmatik. Ich wollte bei Tisch aus den Psalmen lesen, aber er konnte sie nicht finden. Ich mußte sie für ihn suchen. Ein anderer Grund, warum die Bibel uns wenig interessierte, war unsere philosophische Ausbildung. Wir bekamen zuerst zwei Jahre Philosophie und Philosophiegeschichte. Dabei wird einem beigebracht, nur mit seinem Verstand ans Werk zu gehen. Wir wurden in der Philosophie des Aristoteles geschult. Um ein echter Philosoph zu werden - so wurden wir gelehrt - mußte man sich vollkommen über jede Emotion erheben. Man mußte jede Stofflichkeit aus seinem Denken zu entfernen versuchen. Man mußte sich bis zum dritten Grad der Abstraktion hocharbeiten, zu den flüchtigsten und zugleich reichhaltigsten Begriffen wie: ,das Sein', ,die Wirklichkeit', ,die Wahrheit', ,die Güte', ,die Schönheit'. Man durfte etwas nur als wahr annehmen aufgrund von Einsicht, niemals aber aufgrund der Autorität eines anderen. Ich liebte dieses philosophische Denken, und ich war anscheinend dafür begabt.

Das zeigte sich sicher auch darin, daß ich später berufen wurde, Philosophie und Philosophiegeschichte zu unterrichten. Gerade darum wurde die Theologie für mich eine große Enttäuschung. Da mußte


Der römische Katholizismus .........................73

 ich meistens meiner Vernunft das Schweigen auferlegen. Da mußte ich mich der Autorität unterwerfen, letzten Endes der absoluten Autorität der Päpste. Die Auflehnung gegen die unbedingte Verpflichtung, mich in meinem Denken bedingungslos vor der vermeintlichen Autorität anderer Menschen - der Päpste - zu beugen, ist psychologisch bedingt. In «Mijn weg naar het licht» {= «Mein Weg zum Licht») habe ich erwähnt, daß bei mir sicher auch der unbewußte Widerstand gegen meinen Vater dabei eine wichtige Rolle gespielt hat.

Aber es gibt auch einen Widerstand gegen die Autorität der Bibel. Und der ist nicht rein psychologisch bedingt. Dieser Widerstand hat viel tiefere Gründe. Er stammt aus einem «kollektiven Unterbewußtsein», einer erblichen Belastung, nämlich dem Widerstand gegen Gott, der uns allen im Blut liegt und den wir von unseren Stammeltern, Adam und Eva, geerbt haben. Paulus schreibt: «Wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit; denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als göttliche Kraft und göttliche Weisheit» (1. Kor1,23-24). In der Tat, für die Griechen mit ihrer philosophischen Einstellung war das Evangelium blanker Unsinn: Man muß eine Idee predigen, aber nicht eine Person und sicher nicht einen Gott, der Mensch geworden sein soll. Außerdem steht es radikal im Widerspruch zur Philosophie, etwas ausschließlich aufgrund einer Autorität zu akzeptieren und nicht aufgrund innerer Einsicht. Durch jene zwei Jahre Philosophie war ich durch und durch ein Grieche geworden. Darum war das Evangelium auch für mich Unsinn, eine nicht zu verdauende Torheit. Ich wollte wohl einen Gott als das absolute Sein annehmen, ein Wesen, dessen Eigenschaften ich durch eigenes Denken hätte erforschen können. Ich wollte mich wohl auch noch in dieses Urwesen versenken. Ich weigerte mich jedoch, mich in blindem Vertrauen einem Gott zu übergeben, der nur Unterwerfung von mir verlangte, auch die Unterwerfung meines disputieren den und Einsicht suchenden Denkens. Dennoch wagte ich die Weigerung nicht ausdrücklich auszusprechen. Dann würde ich nach der Lehre meiner Kirche eine Todsünde begehen. Das war dann auch ein gewaltiger Kampf in mir. Es schien dadurch manchmal, als würde ich innerlich auseinandergerissen. Und so kann ich auch gut verstehen, daß Katholiken mit der Annahme der Heiligen Schrift allein als letzten und entscheidenden Leitfaden für ihr ganzes Denken, Wollen und Fühlen viel Mühe haben.

 Das römisch-katholische System kommt auf viele Weisen dem natürlichen Menschen entgegen. Sogar eine Lehre über das Papsttum ist für den Verstand leichter anzunehmen als das Prinzip «allein die Schrift», auch wenn diese Lehre für viele eine psychologische Schwierigkeit bedeutet, während sie für andere, die gerne eine machtvolle Person über sich haben, anziehend ist. Das Konzept des Papsttums ist durchsichtig: Einem Menschen soll von Christus die absolute Macht über alle Christen anvertraut worden sein, namentlich die unfehlbare Autorität, die Bibel für uns auszulegen.

 Dann verfügt man über ein auch in der Praxis leicht zu handhabendes Mittel, die Einheit aller Christen zustande zu bringen. Und dieser Papst kann dann allerhand Wahrheiten in straff umgrenzten Begriffen und in klaren Stellungnahmen formulieren. Aber daß man sich der Bibel unterwerfen müßte mit ihren


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verschiedenen - jedenfalls scheinbaren - Widersprüchen, mit Ihrer oft blumen reichen Sprache, mit Auseinandersetzungen, die Im Anschluß an konkrete Begebenhelten entstanden sind, oder Umständen einer örtlichen Gemeinde, mit Ihren vielen Vorschriften für das normale, tägliche Leben - nein, das Ist eine Torheit für den Verstand, sich so ohne weiteres zu unterwerfen. Nein, Immer wieder die mühsame Beschäftigung mit dieser Bibel, das Vergleichen von Abschnitten und Bibelteilen..., das geht doch eigentlich nicht. Das kann man doch vernünftigen, erwachsenen Menschen nicht zumuten!
 So eine Torheit kann man doch einem Intellektuellen, der auch nur einen Funken Selbstachtung besitzt, nicht auf die Nase binden!

Und doch Ist gerade die Bibel die höchste Weisheit Gottes, jedoch nur für diejenigen, die glauben. Das wollen wir In einem weiteren Teil betrachten.

(Fortsetzung folgt In FUNDAMENTUM 3/1984)