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Prediger Walvoord

Der Prediger

Thema und Absicht des Buches


Es besteht wohl kaum ein Zweifel daran, was das Thema des Predigerbuches ist; dieses Thema wird sowohl zu Beginn des Buches ( Pred 1,2 ) als auch am Schluß ( Pred 12,8 ) genannt. Darüber hinaus wird es in den einzelnen Kapiteln immer wieder erwähnt (z. B. Pred 1,14;2,11.17.26 ). Der Autor ("der Prediger") legt dar, daß alles "eitel" oder nichtig sei. Dazu zählt für ihn die Arbeit ( Pred 1,14;2,11.17;4,4.7-8 ), die Weisheit ( Pred 2,15 ), die Gerechtigkeit ( Pred 8,14 ), der Reichtum ( Pred 2,26;5,10;6,2 ), das Ansehen ( Pred 4,16 ), die Freude ( Pred 2,1-2 ), die jugendliche Tatkraft ( Pred 11,9.10 ), das Leben ( Pred 6,12;7,15;9,9 ) und das, was nach dem Tod kommt ( Pred 11,8 ). Das Wort hebel, das hier mit "eitel" übersetzt wird, bedeutet sonst "Hauch", "Wind" oder "Dampf" (z. B. Jes 57,13 ). Im Buch Prediger werden verschiedene Ausdrücke im gleichen Sinne wie hebel gebraucht, z. B. "Haschen nach Wind" ( Pred 1,14;2,11.17.26;4,4.16;6,9 ) und "Kein Gewinn" ( Pred 2,11;3,9 ). Somit bezeichnet dieses Wort alles, was inhaltslos oder ohne wirklichen Wert ist. Bisweilen bezieht es sich bildhaft auch auf bestimmte Eigenschaften des Windes oder des Dampfes: (a) das Entfliehende, das Vergängliche (vgl. Pred 6,12 ,wo die Parallelen dazu die "kurzen" [Tage] und die "Tage..., die er verbringt wie einen Schatten", sind; Pred 3,19;7,15;9,9;11,10 ); (b) das Rätselhafte oder Verwirrende (vgl. Pred 6,2;8,10.14 ) oder (c) das Unsichtbare und Verborgene (vgl. Pred 11,8 ).

Warum fällte Salomo ein so hartes Urteil über das Schaffen des Menschen? Er war der Meinung, daß Arbeit nichts von bleibendem Wert hinterläßt. Das Tun des Menschen ist häufig von Beweggründen beeinflußt, die den Keim der Unzufriedenheit enthalten - zum Beispiel von Rivalität ( Pred 4,4.6 ) und einem unstillbaren Verlangen nach noch größerem Reichtum ( Pred 4,8;5,10;6,9 ). Auch bringt dieses Tun dem Menschen keine anhaltende Freude ( Pred 2,10-11 ), wie groß die Dinge auch sein mögen, die er unternimmt ( Pred 2,4-6 ), oder wieviel er dafür auch erhalten mag ( Pred 2,7-8 ). Außerdem muß man das Risiko auf sich nehmen, daß man die Frucht seiner Arbeit vielleicht nicht ernten kann. Sie kann durch Bedrückung oder Ungerechtigkeit ( Pred 5,7 ), durch ein unvorhersehbares Unglück ( Pred 5,13 ) oder durch das Gericht Gottes ( Pred 2,26; vgl. Pred 5,6 ) verlorengehen. Und wenn einem Menschen wirklich der Ertrag der Arbeit, die er in seinem Leben geleistet hat, zuteil wird, dann kann er ihn nicht mitnehmen, sondern muß ihn einem anderen hinterlassen ( Pred 2,18;5,15 ). Dieser Nutznießer, der für die Frucht aus der Arbeit seines Vorgängers ja nicht gearbeitet hat ( Pred 2,21 ) und vielleicht sogar törichter ist ( Pred 2,19 ), verwendet möglicherweise den gesamten Ertrag der Arbeit jenes Menschen und macht dessen Mühen somit zunichte.

Mit der Weisheit und der Gerechtigkeit eines Menschen ist es ähnlich bestellt, denn auch hier gibt es keine absolute Garantie für den Erfolg. Weisheit ist zweifellos besser als Torheit ( Pred 2,13-14 ), Reichtum ( Pred 7,11-12 ) und körperliche Stärke oder militärische Macht ( 9,16.18; 7,19 ). Mit ihrer Hilfe lassen sich auch schwere und gefährliche Aufgaben meistern ( Pred 10,8-10 ,bes. V. 10 b; vgl. Pred 8,1-6 ,bes. V. 5 ; Pred 10,2-4 ,bes. V. 2 ). Allerdings können die auf diese Weise erzielten Ergebnisse durch eine Sünde ( Pred 9,18; vgl. Pred 7,7-9 ), eine unbedeutende Torheit ( Pred 10,1 ), die Wahl eines unpassenden Zeitpunktes ( Pred 10,11 ) oder die fehlende Würdigung der Weisheit ( 9,15 ) zunichte gemacht werden. Darüber hinaus lohnt es sich nicht immer, weise zu sein ( Pred 9,11 ); ein Weiser ist denselben unvorhersehbaren Mißgeschicken unterworfen wie ein Böser ( Pred 9,1-2.12 ). Und schließlich wird jeder Nutzen, den man aus der Weisheit gezogen hat, durch den Tod ausgelöscht; auch der Weise stirbt, und er wird ebenso vergessen wie der Törichte ( Pred 2,14-16 ).

Sogar die Gerechtigkeit zahlt sich nicht immer aus. Salomo versichert zwar, daß die Gerechtigkeit belohnt und die Gottlosigkeit bestraft werde ( Pred 8,12-13 ), aber er hat auch das Gegenteil beobachtet ( Pred 8,14; vgl. Pred 7,15;8,10 ). Er hat beobachtet, daß es auch vor Gericht ( Pred 3,16 ) Bosheit gibt und daß die Gerechtigkeit und die Rechte der Menschen gebeugt werden ( Pred 5,7 ). Einige dieser Ungerechtigkeiten könnte man zwar aus der Tatsache heraus erklären, daß absolute Gerechtigkeit auf Erden unmöglich ist ( Pred 7,20.28-29 ), die Wahrheit ist jedoch, daß der Gerechte denselben unvorhersehbaren Widrigkeiten ausgesetzt ist wie der Gottlose ( Pred 9,1-2 ) und letztlich ebenso stirbt wie der Gottlose ( Pred 9,3 ).

Diese offensichtlichen Schwächen bei der Verteilung der Gerechtigkeit und die Unkontrollierbarkeit des Schicksals verleihen dem Leben nach Salomos Meinung einen zufälligen Charakter. Der Prediger glaubt zwar, daß Gott in seiner Fürsorge alle Dinge unter Kontrolle hat ( Pred 3,11;6,10;7,14;9,1 ) und daß alles seine Zeit hat ( Pred 3,1-8 ), weiß aber auch, daß Gottes Handeln selbst von den weisesten Menschen nicht erforscht werden kann ( Pred 3,11;8,17 ). So wiederholt Salomo immer wieder, daß der Mensch nicht dazu in der Lage sei, die Zukunft vorauszusagen ( Pred 7,14;8,7;9,1;10,14 ) und vorausschauend den besten Weg zu wählen ( Pred 6,12;11,6 ). Doch die Unerforschlichkeit der göttlichen Vorsehung beschränkt sich nicht nur auf dieses Leben, sondern auch das Leben nach dem Tod bietet nach Salomo keinerlei Gewähr für irgend etwas, auch wenn einige Ausleger das Gegenteil behaupten.

Salomo glaubt zwar, daß Gott die Taten der Menschen beurteilt ( Pred 3,17;11,9;12,14 ), sagt aber an keiner Stelle, daß dies erst nach dem Tod eines Menschen geschehe. Salomo beschränkt seine Erörterung der Belohnungen und der Möglichkeiten, Gottes Gunst zu genießen, auf dieses Leben ( Pred 9,4-7 ,bes. V. 5 "die Toten... haben... keinen Lohn", und V. 7 "dein Tun hat Gott... gefallen"). Das Leben nach dem Tod ist dem Prediger verborgen ( Pred 11,8 ) und birgt nicht die Verheißung in sich, daß alle Ungerechtigkeiten wiedergutgemacht und alle Rätsel gelöst werden, von denen er gesprochen hat.

Salomos Zögern, über das Leben nach dem Tod zu spekulieren (vgl. Pred 3,19-22 ), liegt darin begründet, daß er bei seiner Darstellung von seinen eigenen Erfahrungen ausgeht (z. B. "Ich sah", Pred 1,14;3,16 ). Seine Absicht bei diesem Vorgehen kann man aus der Schlußfolgerung ableiten ( Pred 12,13-14 ), obwohl er sie sonst nirgends ausdrücklich nennt. Sie wird auch aus einigen Andeutungen im Buch selbst deutlich ( Pred 2,24-26;3,14;7,18 ). Der Prediger will den Menschen empirisch die Ungewißheit allen menschlichen Bemühens deutlich machen, das darauf abzielt, dem Leben "unter der Sonne" Sinn, Wert und Bedeutung zu verleihen. Darüber hinaus möchte Salomo die Menschen dazu bewegen, ihr Vertrauen allein auf Gott zu setzen.

Auch die Äußerungen über die Freuden des Lebens ( Pred 2,24-26;3,12.22;5,17-19;8,15;9,7-9;11,7-10 ), die häufig als aus der Verzweiflung geborene epikuräische Ratschläge mißverstanden wurden, stehen mit dieser Absicht in enger Verbindung. Wenn ein Mensch sein Leben genießt und sich an seiner Arbeit und an deren Früchten erfreut, so liegt das daran, daß diese Freuden ein Geschenk Gottes sind ( 2,24-26 , bes. V. 25 ; Pred 3,13;5,18-19; vgl. Pred 9,7 ). Eine solche Gunst wird nur jenen zuteil, die Gott gefallen ( Pred 2,26 ) und ihn fürchten ( Pred 8,12 ) und deren Freude am Leben mit der Erkenntnis einhergeht, daß der Herr Richter über alles menschliche Tun ist ( Pred 11,9 ). Somit herrscht im Predigerbuch ein pessimistischer Grundton vor; der Autor, Salomo, war jedoch kein Pessimist, Zyniker oder Skeptiker, wie manche Kritiker behauptet haben. Er war ein gläubiger Mensch, der das Vertrauen seiner Mitmenschen auf ihr eigenes Bemühen, ihre eigenen Fähigkeiten und ihre eigene Gerechtigkeit zunichte machen und sie zum Glauben an Gott als der einzig möglichen Grundlage für Sinn, Wert und Bedeutung des menschlichen Lebens "unter der Sonne" hinführen wollte.

Salomo behauptet jedoch nicht, daß die Bemühungen eines Menschen keinerlei Wert hätten. Ein Mensch kann durch sein Tun große Dinge erreichen und darüber auch Freude empfinden ( Pred 2,10 ). Wer sich bestimmte Fertigkeiten aneignet, hat bessere Erfolgsaussichten als andere ( Pred 10,10 ). Gerechtigkeit verschafft mehr Sicherheit als Gottlosigkeit ( Pred 8,12-13 ). Aber aufgrund des Sündenfalls ( Pred 7,29 ), der Unerforschlichkeit der göttlichen Vorsehung ( Pred 6,12 ), der Unausweichlichkeit des Todes ( Pred 12,1-7 ) und der Rätselhaftigkeit des Lebens nach dem Tod ( Pred 3,19-21; 11,8 ) bieten Arbeit und Mühe, Fähigkeiten und Rechtschaffenheit nur wenig Gewähr für Sicherheit und höchste Erfüllung.

Salomo verfaßte sein Buch zwar, um die zunehmende Säkularisierung der Religion zu seiner Zeit zu bekämpfen, aber des Predigers Worte sind auch eine berechtigte Kritik am modernen säkularen Humanismus. Das Leben ist in der Tat nur kurz; es ist angefüllt mit vielen Rätseln und Ungerechtigkeiten. Abgesehen von der Gewißheit, daß dereinst das Gericht Gottes über die Menschen kommen wird und daß es ein Leben nach dem Tode gibt, was durch die historische Tatsache der Kreuzigung und Auferstehung Christi (vgl. z. B. Apg 17,30-31 ) gestützt wird, ist die Zukunft nach dem Tod dunkel und rätselhaft. Aber dennoch darf man sein Leben nicht wegwerfen oder daran verzweifeln. Vielmehr obliegt es dem Menschen, sein Leben voller Vertrauen in die Hände Gottes zu legen. Er sollte es als ein Geschenk seines Schöpfers betrachten und darf es als solches auch genießen, sofern er nicht vergißt, daß der Tag des Gerichtes kommen wird.



Einheit und Aufbau


Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts weit verbreitete Meinung, daß das Buch Prediger sich aus den einander widersprechenden Äußerungen dreier Männer zusammensetzt (eines Skeptikers, eines Weisen und eines Gläubigen) - wurde von den meisten Bibelkritikern fallengelassen. Die Einheit des Buches - zumindest seine thematische Einheit - ist allgemein anerkannt. Bezüglich der logischen Entwicklung des Themas der Argumentation gehen die Meinungen jedoch auseinander. Viele Ausleger halten das Buch für eine lose Sammlung von Weisheitssprüchen, ähnlich dem Buch der Sprüche. Andere wiederum erkennen nur im ersten Teil des Buches ( Pred 1-6 ) einen thematischen Zusammenhang und betrachten den zweiten Teil ( Pred 7-12 ) als eine Sammlung nützlicher Lebensregeln.

Unter den zahlreichen Versuchen, eine ins Detail gehende und das ganze Buch durchziehende Argumentationskette nachzuweisen, haben zwei Modelle größere Beachtung gefunden. Eines dieser Modelle, das lange Zeit sehr beliebt war, geht davon aus, daß die Wiederholung des Themas vom Genießen des irdischen Lebens in Pred 2,24-26;5,17-19;8,15-17;11,7-10 den Abschluß von vier Hauptabschnitten darstelle.

Das zweite Modell zur Verfolgung eines roten Fadens, das auf der Methode der rhetorischen Kritik beruht und sich vor allem auf wiederkehrende Redewendungen stützt, findet immer mehr Zustimmung und bildet die Grundlage des in diesem Kommentar verwendeten Gliederungsschemas. Diesem Schema zufolge gliedert sich der Hauptteil des Buches in zwei Teile: (a) Pred 1,12-6,9 betont die Begrenztheit des menschlichen Strebens (es sei "eitel und Haschen nach Wind"), und (b) Pred 6,10-11,6 betont die Begrenztheit der menschlichen Weisheit (der Mensch wisse nicht/könne nicht ergründen). Manche Verse fügen sich jedoch nicht in diese Struktur ein. So stellen die Verse 1,3-11 ein einleitendes Gedicht dar, welches das in Pred 1,2 angekündigte Thema unterstreicht, nämlich die Vergeblichkeit oder "Eitelkeit" des menschlichen Bemühens. Auch die Verse 11,7-12,14 können als Gedicht aufgefaßt werden; darin wird den Menschen empfohlen, das Leben als Verwalter des göttlichen Gutes zu genießen ( Pred 11,7-12,7 ). Diesem abschließenden Gedicht folgen eine Wiederholung des Themas ( Pred 12,8 ) und das Schlußwort ( Pred 12,13-14 ), in dem die Leser ermahnt werden, Gott zu fürchten und seine Gebote zu halten. Robert K. Johnston bemerkt hierzu ("Confessions of a Workaholic: A Reappraisal of Qoheleth", Catholic Biblical Quarterly , 38, Januar-März 1976, 18), daß die Verse zu Beginn und am Ende des Predigerbuches Salomos Thema wunderbar zusammenfaßt: Alles menschliche Streben entbehrt des höchsten Wertes; der Mensch soll sein Leben als eine Gabe aus Gottes Hand in der Furcht des Herrn genießen.



GLIEDERUNG


I. Einletung:Die Nichtigkeit allen menschlichen Sterbens ( 1,1-11 )

     A. Der Verfasser stellt sich vor ( 1,1 )
     B. These:Alles menschliche Sterben ist nichtig ( 1,2 )
     C. Allgemeine Begründung:Die Natur bezeugt die Nichtigkeit des menschlichen Sterbens ( 1,3-11 )
          1.Behauptung:Menschlihes Schaffens erbringt am Ende keinen Gewinn ( 1,3 )
          2.Beweis:Die unaufhörliche und ermüdende Wiederkehr aller Dinge ( 1,4-11 )

II. Empirische Eröterung über die Nichtigkeit der Menschlichen Errungenschaften ( 1,12-6,9 )

     A. Die Beobachtungen des Predigers hinsichtlich der Nichtigkeit der menschlichen Errungenschafften ( 1,12-2,17 )
          1.Salomos Untersuchungen bezeugen die Nichtigkeit der menschlichen Errungenschaften ( 1,12-15 )
          2.Salomos Nachsinnen bezeugt die Nichtigkeit der menschlichen Weißheit ( 1,16-18 )
          3.Salomos Erfahrungen bezeugen die Nichtigkeit des Sterben nach Genuß ( 2,1-11 )
          4.Das Nachsinnen über den Tod läßt die Nichtigkeit einer weisen Lebensführung erkennen ( 2,12-17 )

     B. Empirische Eröterung über die Nichtigket der menschlichen Arbeit ( 2,18-6,9 )
          1.Die Früchte der eigenen Arbeit können von anderen vergeudet werden ( 2,18-26 )
          2.Die Arbeit kann Gottes unwandelbare und unerforschliche Vorsehung nicht beeinflussen ( 3,1-4,3 )
          3.Der Wert der Arbeit wird durch unangemessene Beweggründe beeinträchtigt ( 4,4-16 )
          4.Der Mensch kann die Früchte seiner Arbeit nicht immer genießen ( 4,17-6,9 )

III. Empirische Eröterung über die Nichtigket der menschlichen Weisheit ( 6,10-12 )

     A. Einleitung:Alles ist auf unwandelbare und unerforschliche Weise vorherbestimmt ( 6,10-12 )
     B. Der Mensch kann Gottes Plan nicht ergründen ( Kap.7-8 )
          1.Der Mensch erkennt die Bedeutung von Unglück und Wohlergehn nicht ( 7,1-14 )
          2.Der Mensch erkennt die Bedeutung von Gerechtigkeit und Weishet nicht ( 7,15-29 )
          3.Der Mensch durchschaut das Prinzip der göttlichen Vergeltung nicht ( Kap.8 )

     C. Der Mensch kennt die Zukunft nicht ( 9,1-11,6 )
          1.Niemand weiß,was mit ihm geschehn wird ( 9,1-10 )
          2.Niemand weiß,ob er mit seiner Weisheit Erfolg haben wird ( 9,11-10,11 )
          3.Kritik ist im Hinblick auf die UnKenntnis der Zukunft eine risikante Sache ( 10,12-20 )
          4.Arbeite fleißig,obwohl die Zukunft im Dunkeln liegt ( 11,1-6 )

IV. Schluß:Lebe in Freuden, handle verantwortungsvoll und fürchte den Herrn ( 11,7-12,14 )

     A. Anruf zu einem Leben in Freude und Verantwortung ( 11,7-12,7 )
          1.Genieße dein Leben,denn die Finsternis des Todes naht heran ( 11,7-8 )
          2.Genieße dein Leben in der Jugend,doch bedenke,daß Gott dich richten wird ( 11,9-10 )
          3.Lebe in deiner Jugend verantwortungsvoll,und bedenke,daß Alter und Tod kommen werden ( 12,1-7 )

     B. Ein letzter Rat im Hinblick auf die Nichtigkeit allen menschlichen Sterbens ( 12,8-14 )
          1.Wiederholung der These: Alles menschliche Sterben ist nichtig ( 12,8 )
          2.Die besondere Autorität dieses Buches ( 12,9-12 )
          3.Abschließender Rat: Fürchte Gott und halte seine Gebote ( 12,13-14 )


AUSLEGUNG


I. Einleitung: Die Nichtigkeit allen menschlichen Strebens
( 1,1-11 )


In diesem einleitenden Abschnitt stellt der Verfasser sich vor (V. 1 ), formuliert seine These (V. 2 ) und liefert für diese eine allgemeine Begründung (V. 3-11 ).



A. Der Verfasser stellt sich vor
( 1,1 )


Pred 1,1


Ebenso wie die Autoren anderer Weisheitsbücher des Alten Testaments (vgl. z. B. Spr 30,1;31,1 sowie Spr 1,6;22,17 ) bezeichnet auch der Verfasser des Predigerbuches sich selbst als Urheber der darin zusammengestellten Weisheiten. An anderer Stelle ( Pred 12,11 ) nimmt er dafür jedoch göttliche Autorität in Anspruch. Der Verfasser stellt sich vor, indem er lediglich seine Titel nennt: Dies sind die Reden des Predigers, des Sohnes Davids, des Königs zu Jerusalem . Wie im ersten Kapitel der Einleitung ("Verfasser und Entstehungszeit") erwähnt, deuten diese Titel im Zusammenhang mit anderen Angaben (vgl. Pred 1,12.16;2,4-9 ) darauf hin, daß Salomo der Autor des Buches war.



B. These: Alles menschliche Streben ist nichtig
( 1,2 )


Pred 1,2


Nachdem Salomo sich als Autor des Predigerbuches zu erkennen gegeben hat, betont er mit großem Nachdruck, daß alles ganz eitel sei. Im Hebräischen wird an dieser Stelle fünfmal das Wort heBel (nichtig) verwendet; viermal ist dieses Wort Teil einer hebräischen Superlativkonstruktion, die in manchen Bibelübersetzungen als "Eitelkeit der Eitelkeiten" wiedergegeben wird. Wie in der Einleitung (Pred. "Thema und Absicht des Buches") bereits festgestellt wurde, hat der Verfasser diesen Ausdruck immer wieder verwendet, um hervorzuheben, daß dies oder jenes wertlos, bedeutungslos oder vergänglich sei. Hier bezieht sich der Ausdruck auf alles , d. h. auf die Gesamtheit des menschlichen Strebens, wie aus Vers 3 und der Argumentationsweise des Predigers im ganzen Buch hervorgeht.


C. Allgemeine Begründung: Die Natur bezeugt die Nichtigkeit des menschlichen Strebens
( 1,3-11 )


Salomo begründet seine These, indem er zunächst ganz allgemein feststellt, daß dem Bemühen des Menschen keine Dauer beschieden ist. In einem Gedicht beschreibt er das beständige Werden und Vergehen der Geschlechter (V. 4 ) und den endlosen Kreislauf des Naturgeschehens (V. 5-7 ). Dieser Abschnitt beginnt mit einer rhetorischen Frage (V. 3 ) und endet mit einer poetischen Schlußfolgerung (V. 8-11 ).



1. Behauptung: Menschliches Schaffen erbringt am Ende keinen Gewinn
( 1,3 )


Pred 1,3


Auf die These (V. 2 ) folgt eine rhetorische Frage, auf die eine negative Antwort erwartet wird; dieses Stilmittels bedient sich Salomo des öfteren ( Pred 2,2;6,8.11-12 u. a.), wenn er deutlich machen will, daß der Mensch keinerlei Gewinn von seiner Mühe hat. Das hebräische Wort für Gewinn ( yiTrNn ), das in keinem anderen Buch der Bibel vorkommt, findet im Predigerbuch an sieben Stellen Verwendung ( Pred 1,3;2,11.13 ["übertrifft"]; Pred 3,9;5,9 ["Nutzen"]; Pred 5,15 ["hilft's"]; Pred 10,10 ). Der Ausdruck bezieht sich im wörtlichen Sinne auf das, was übriggeblieben ist (Gewinn, Profit) und im übertragenen Sinne auf das, was vorteilhaft oder von Nutzen ist. Obwohl er manchen Dingen einen höheren Wert bescheinigt als anderen (z. B. zieht er das Licht der Finsternis und die Weisheit der Torheit vor; Pred 2,13 ), vertritt der Prediger die Auffassung, daß im Grunde genommen alles menschliche Streben nutzlos sei. Die Wendung unter der Sonne bedeutet "hier auf Erden". Dieser Ausdruck kommt im Predigerbuch insgesamt 29mal vor, oft im Zusammenhang mit der Arbeit und Mühe des Menschen.


2. Beweis: Die unaufhörliche und ermüdende Wiederkehr aller Dinge
( 1,4-11 )


Salomo begründet seine These, indem er das ständige Werden und Vergehen der Generationen (V. 4 ) und im Naturgeschehen (V. 5-7 ) schildert. Er stellt fest, daß das Streben des Menschen - ebenso wie dieser unaufhörliche Kreislauf der Schöpfung - nichts hervorbringt, was von Dauer ist und den Menschen mit Zufriedenheit erfüllt (V. 8-11 ).



a. Die Vergänglichkeit des Menschen
( 1,4 )


Pred 1,4


Als ersten Beweis für die Wahrheit seiner Behauptung, daß alles Streben nichtig sei, führt der Prediger die Vergänglichkeit des Menschen an. Im Gegensatz zu der Erde, dem Schauplatz seiner Bemühungen, welcher immer bestehen bleibt, ist der Mensch nach Salomo ein kurzlebiges Wesen und ein winziges Glied in der Kette der werdenden und vergehenden Geschlechter.



b. Der unaufhörliche Kreislauf des Naturgeschehens
( 1,5-7 )


Pred 1,5-7


Der zweite Beweis, den Salomo anführt, ist die Nutzlosigkeit der Arbeit, die er am Beispiel der beständig tätigen Natur veranschaulicht. Bloßes Tätigsein bringt nach seiner Meinung nichts hervor, was bleibenden Wert besitzt. Die Sonne und der Wind sind stets in Bewegung, und doch gelangen sie nie ans Ziel und finden niemals Ruhe. Die Wasser laufen beständig ins Meer, doch wird das Meer nicht voller. Und dennoch fließen sie immer wieder dem gleichen Ort entgegen. Somit ist das Naturgeschehen nach Salomo einförmig und ermüdend (das hebräische Wort für läuft in V. 5 bedeutet eigentlich "vor Erschöpfung keuchen" oder "nach Luft schnappen"; vgl. Jer 14,6 ); denn es kennt weder Fortschritt noch Ziel.



c. Die Wiederkehr des menschlichen Tuns
( 1,8-11 )


Pred 1,8-11


Nun wendet der Prediger seine Beobachtungen auch auf das Tun und Streben des Menschen an. Seiner Meinung nach geschieht nichts Neues unter der Sonne (V. 9 ), und wenn der Mensch bestimmte Dinge für neu (V. 10 a) hält, so liegt das daran, daß er die früheren Taten, Ereignisse und Errungenschaften vergessen hat (V. 10 b. 11 ), (Statt derer, die früher gewesen sind und die hernach kommen sollte man besser "der Dinge, die früher gewesen sind..." übersetzen, denn das fehlende Substantiv zu "früher" und "hernach" ist von "das, was" in V. 9 bzw. "etwas" in V. 10 herzuleiten.)

Mehrere Ausleger haben zu Recht darauf hingewiesen, daß der Prediger an dieser Stelle nicht die menschliche Kreativität leugnet, sondern lediglich bestreitet, daß die Errungenschaften des Menschen völlig neu seien. So weisen z. B. zwei so unterschiedliche Ereignisse wie die Mondlandung und die Entdeckung Amerikas grundlegende Ähnlichkeiten auf, denn in beiden Fällen handelte es sich um eine abenteuerliche und gefahrvolle Reise zu einem weit entfernten Ort. Und die Erfindung des Dynamits ähnelt der Erfindung der Atombombe - insofern nämlich, als in beiden Fällen ein explosives Material entdeckt wurde. Somit gilt das Prinzip der unaufhörlichen Wiederkehr aller Dinge, das wir im Naturgeschehen beobachten, grundsätzlich auch im Leben des Menschen; jede Form von Aktivität - darunter auch das menschliche Streben - ist letztlich nutzlos und unbefriedigend, wieviel Mühe sie auch kosten mag (V. 8 ).



II. Empirische Erörterung über die Nichtigkeit der menschlichen Errungenschaften
( 1,12-6,9 )


Kennzeichnend für diesen Abschnitt ist das ständig wiederkehrende Leitmotiv "(Alles ist) eitel und Haschen nach Wind". In Vers 4,4 leitet diese Wendung offenbar einen neuen Unterabschnitt ein; in allen übrigen Versen aber steht sie jeweils am Ende eines Unterabschnitts und hat die Funktion, Salomos Meinung über den Wert der menschlichen Errungenschaften ( Pred 1,12-15 ), der Weisheit des Menschen ( Pred 1,16-18;2,12-17 ), seines Strebens nach Vergnügen ( Pred 2,1-11 ) und seiner Arbeit und Mühe ( Pred 2,18-6,9 ) zum Ausdruck zu bringen.



A. Die Beobachtungen des Predigers hinsichtlich der Nichtigkeit der menschlichen Errungenschaften
( 1,12-2,17 )


Die vier Teile dieses Abschnittes, in denen der Prediger auf seine eigenen Erfahrungen anspielt, bilden zwei Paare. Die Wiederholung der Aussage, daß Salomo Weisheit, Tollheit und Torheit habe erforschen wollen ( Pred 1,17;2,12 ), ist somit nicht überflüssig, sondern hängt mit der Beziehung zusammen, in der die Weisheit einerseits zu seinen Untersuchungen über die Nichtigkeit der menschlichen Errungenschaften ( Pred 1,12-15 ) und andererseits zu seinen Erfahrungen hinsichtlich der Nichtigkeit des Strebens nach Genuß ( Pred 2,1-11 ) steht.



1. Salomos Untersuchungen bezeugen die Nichtigkeit der menschlichen Errungenschaften
( 1,12-15 )


Pred 1,12-15


Der Prediger beginnt seine Erörterung über die Nichtigkeit der menschlichen Errungenschaften, indem er von seinen eigenen Untersuchungen zu diesem Thema spricht. Zunächst spielt er auf die vielfältigen Beobachtungsmöglichkeiten an, die er als König über Israel (V. 12 ; vgl. V. 16 ; Pred 2,12 ) besitzt, und bemerkt, daß er seine überragende Weisheit und sein großes Wissen ( Pred 1,13; vgl. V. 16 ; 1Kö 4,26-34 ) darauf verwendet habe, das gesamte Tun des Menschen (alles, was man unter dem Himmel tut , Pred 1,13; vgl. V. 14 ; "unter dem Himmel" ist gleichbedeutend mit "unter der Sonne") gründlich zu untersuchen (die Verwendung zweier Synonyme, suchen und erforschen , betont die Ernsthaftigkeit des Vorgehens, V. 13 ). Dabei ist Salomo zu der Überzeugung gelangt, daß alles menschliche Tun unselige Mühe ist (V. 13 , Zinyan rAZ , "eine verwerfliche oder unerfreuliche Aufgabe"; in Pred 4,8 mit "böse Mühe" und in Pred 5,15 mit "böses Übel" übersetzt). Er bezeichnet dieses Tun daher als eitel und Haschen nach Wind ( Pred 1,14 ); der zuletzt genannte Ausdruck ist ein Bild für ein ergebnisloses Bemühen, denn niemand kann den Wind einfangen, indem er hinter ihm herläuft. Salomo benutzt diese Wendung neunmal, und zwar ausschließlich in der ersten Hälfte des Buches ( Pred 1,14.17;2,11.17.26;4,4.6.16;6,9 ).

Der Prediger begründet seine Auffassung, indem er auf seine Beobachtungen verweist; diese hätten ihm gezeigt, daß die menschlichen Errungenschaften viel zu wünschen übrig ließen. Das Streben und Tun des Menschen könne niemals alle in der Natur der Dinge liegenden Mängel beseitigen ( Pred 1,14-15; vgl. Pred 7,13 ).



2. Salomos Nachsinnen bezeugt die Nichtigkeit der menschlichen Weisheit
( 1,16-18 )


Pred 1,16-18


Der Prediger berichtet nun, daß er über seine große Weisheit und Erfahrung nachgedacht habe (V. 16 ) - jene überragenden Fähigkeiten, denen er die Durchführung der obengenannten Untersuchung (vgl. V. 13 ) und die dabei gewonnene betrübliche Erkenntnis verdankte; dabei sei er zu der Überzeugung gelangt, daß die Weisheit der Tollheit und Torheit (d. h. den törichten Gedanken und Vergnügungen; vgl. Pred 2,2.13-14 ) wenig voraus habe. Sein Streben nach Weisheit sei so fruchtlos gewesen wie ein Haschen nach Wind ( Pred 1,17 ) und seine innere Unruhe (Grämen) und sein Kummer ( leiden ) hätten sich dadurch nicht verringert, sondern sogar noch vermehrt (V. 18 ).

 

3. Salomos Erfahrungen bezeugen die Nichtigkeit des Strebens nach Genuß
( 2,1-11 )


Nachdem der Prediger seine Untersuchungen über den Wert der menschlichen Errungenschaften im allgemeinen beschrieben (vgl. Pred 1,12-15 ) und in diesem Zusammenhang auch auf die Nutzlosigkeit der Weisheit hingewiesen hat ( Pred 1,16-18 ), berichtet er von seinen Erfahrungen hinsichtlich des Strebens nach Genuß. Er weist auf die Objektivität dieser Erfahrungen hin, indem er bemerkt, daß er sich ihnen bewußt und von seiner Weisheit geleitet ( Pred 2,3.9 ) ausgesetzt habe. In den Versen 1-2 erwähnt er das Ziel seines "Experiments" und nimmt dessen Ergebnis vorweg. Sodann schildert er, auf welche Weise er Vergnügen suchte und fand (V. 3-10 ). In Vers 11 schließlich setzt er das Ergebnis seines Genußstrebens zu den Früchten aller seiner Bemühungen in Beziehung.



a. Schlussfolgerung: Vergnügen ist von geringem Wert
( 2,1-2 )


Pred 2,1-2


Salomo bemerkt, daß er bei seiner Suche nach einem glücklichen Leben ( guten Tagen , V. 1 ; vgl. "gut" in V. 3 ) auch das Vergnügen ( Wohlleben , V. 1 ; Freude , V. 2 ) erprobt habe. Dabei habe er jedoch festgestellt, daß der Genuß eitel sei und dem Menschen wenig nütze. Wieder bedient sich der Prediger des Stilmittels der rhetorischen Frage, indem er sagt: Ich sprach zur Freude: Was schaffst du? (V. 2 ) Hierauf wird selbstverständlich eine negative Antwort erwartet (vgl. Pred 1,3 ).


b. Salomos Experiment beweist die Nichtigkeit des Strebens nach Vergnügen
( 2,3-11 )


Pred 2,3


Bei seinem Streben nach dauerhaftem Glück hat Salomo, wie er schreibt, auch die Sinnenlust erprobt ( meinen Leib mit Wein zu laben ), jedoch ganz bewußt und ohne in unkontrollierte Exzesse zu verfallen ( so, daß mein Herz mich mit Weisheit leitete ; vgl. V. 9 b). Dabei hat er sich auch Betätigungen hingegeben, die er normalerweise als töricht oder leichtfertig (Torheit) bezeichnet hätte. Er wollte eben die Wirkung des Genußstrebens und des Leichtsinns am eigenen Leib erproben, um zu sehen, ob dies gut war.



Pred 2,4-10


Bei seiner empirischen Untersuchung über den Wert des Vergnügens ließ er nichts aus, was ihm verheißungsvoll erschien. Da er der reichste und mächtigste Mann war, der je zu Jerusalem (V. 9 ; vgl. 1Kö 10 ) gelebt hatte, umgab er sich mit prunkvollen Gebäuden und Weinbergen ( Pred 2,4 ,vgl. 1Kö 7,1-11 ), üppigen Gärten und Lustgärten ( Pred 2,5 ), voller Bäume (V. 5-6 ), zahlreichen Knechten und Mägden (V. 7 ; vgl. 1Kö 10,5 ), die ihm stets zu Diensten standen, Sänger und Sängerinnen ( Pred 2,8 ), die seinem Bedürfnis nach Kunst und Unterhaltung entgegenkamen, sowie einem riesigen Harem ( Frauen in Menge , V. 8 ; vgl. 1Kö 11,1-3 ), wo für seine körperlichen Bedürfnisse gesorgt wurde. Ferner umgab er sich mit Reichtümern; hierzu zählten vor allem große Herden von Rindern und Schafen ( Pred 2,7 ) und gewaltige Mengen von Silber und Gold (V. 8 ; vgl. 1Kö 10,14-15.27 ), von dem er sich alles kaufen konnte, was seine Augen wünschten und was sein Herz mit Freude erfüllte ( Pred 2,10 ).

 

Pred 2,11


Doch obwohl ihm all dies durchaus Befriedigung verschaffte und Vergnügen bereitete (vgl. V. 10 ), gelangte er am Ende zu der Erkenntnis, daß das Streben nach Genuß eitel und Haschen nach Wind war (vgl. Pred 1,14.17; 2,17.26; 4,4.6.16; 6,9 ) und ebenso wie alle anderen Werke, die er unter der Sonne (vgl. Pred 1,3 ) vollbracht hatte, keinen bleibenden Wert besaß.



4. Das Nachsinnen über den Tod läßt die Nichtigkeit einer weisen Lebensführung erkennen
( 2,12-17 )


Pred 2,12-16


Der Grund dafür, daß der Prediger allen menschlichen Errungenschaften einen so geringen Wert beimißt, ist sein Wissen um die Unausweichlichkeit des Todes. Salomo bemerkt, daß sein Experiment mit dem Streben nach Genuß vielleicht wiederholt, aber wohl kaum übertroffen werden könne ("Denn was wird der Mensch tun, der nach dem König kommen wird? "Was man schon längst getan hat", V. 12 b). Diese Überlegung steht im Zusammenhang mit Betrachtungen über die Beziehung zwischen Weisheit und Torheit. Salomo billigt der Weisheit hier einen gewissen Wert gegenüber der Tollheit und Torheit zu (V. 12 ; vgl. Pred 1,17 ), da der Weise das Leben genießen kann, ohne in einen ausschweifenden Hedonismus zu verfallen (übertrifft in Pred 2,13 lautet im Hebräischen yiTrNn , das in Pred 1,3 mit "Gewinn" übersetzt wurde; vgl. den Kommentar zu diesem Vers).

Der Weise hat nach Salomo genug Scharfblick, um eine Gefahr zu vermeiden, während der Tor im Dunkeln umhertappt ( Pred 2,14; vgl. Spr 4,18-19 ,wo die Begriffe Licht und Finsternis eine ähnliche Bedeutung haben).

Da jedoch beide das gleiche Schicksal erwartet - dem einen geht es wie dem andern ( Pred 2,14 ), was besagt, daß sie beide sterben müssen und vergessen werden (V. 16 ; vgl. Pred 9,5 ) - gelangt er zu der Schlußfolgerung, daß die Weisheit der Torheit nur scheinbar überlegen sei ( Pred 2,15 ).



Pred 2,17


Als Salomo einst über dieses Thema nachdachte, befielen ihn Niedergeschlagenheit und Lebensüberdruß. Wie er sagt, verdroß ihn alles, um das er sich gemüht hatte unter der Sonne . Das Wort für "verdroß", rAZ , bildet einen Gegensatz zu dem Wort für "gut" in V. 1.3 ). Wenn es am Ende keinen Unterschied macht, ob man wie ein Weiser oder wie ein Tor gelebt hat, und wenn es letztlich nichts gibt, wofür es sich zu leben lohnt, dann ist alles in diesem Leben eitel und Haschen nach Wind (vgl. Pred 1,14.17;2,11.17.26;4,6.16;6,9 ).



B. Empirische Erörterung über die Nichtigkeit der menschlichen Arbeit
( 2,18-6,9 )


Nachdem der Prediger sich mit der Nichtigkeit der menschlichen Errungenschaften im allgemeinen ( Pred 1,12-15 ) und der Sinnlosigkeit seines eigenen Tuns ( Pred 2,1-11 ) angesichts des Todes ( Pred 2,12-17 ) beschäftigt hat, wendet er sich nun der Mühe zu, die er für seine Werke aufgewendet hat ( Pred 2,18-20 ); daraufhin untersucht er den Wert der Arbeit und Mühe des Menschen im allgemeinen ( Pred 2,21-6,9 ). Von der ersten Person ("ich", "mein"), die er in Pred 2,1-18 verwendet, wechselt er in Pred 2,19-20 zur dritten Person ("er", "sein") über. Das hebräische Wort für "Mühe" bzw. "Arbeit", das im Buch Prediger insgesamt 34mal vorkommt, wird allein in diesem Abschnitt 23mal erwähnt. Anhand des wiederholten Auftretens der Wendung "eitel und Haschen nach Wind" läßt sich dieser Abschnitt in vier Teile untergliedern ( Pred 2,18-26;3,1-4,3;4,4-16;5,1-6,9 ).



1. Die Früchte der eigenen Arbeit können von anderen vergeudet werden
( 2,18-26 )


a. Die Früchte der eigenen Arbeit können von den Erben vergeudet werden
( 2,18-21 )


Pred 2,18-21


Als Salomo einst über den Sinn dieses Daseins nachdachte, wurde er nicht nur seines Lebens im allgemeinen, sondern auch seiner Arbeit überdrüssig: Und mich verdroß alles, um das ich mich gemüht hatte unter der Sonne (V. 18 ; vgl. V. 19-20 ; zu "unter der Sonne" vgl. Pred 1,3 ). Er begann zu verzweifeln (V. 20 ), denn er wußte, daß die Früchte seines Schaffens vergehen würden. Zwar mochten ihn die Werke, die er vollbracht hatte (V. 4-6 ), und die Reichtümer, die er angesammelt hatte (V. 7-8 ), überdauern, doch hätte er nach seinem Tode keinerlei Kontrolle darüber, wie all dies von seinem Nachfolger genutzt würde (V. 19 ; vgl. Ps 49,11 ). Derjenige, welcher Salomos Besitz erben würde, hätte sich nicht selber darum gemüht ( Pred 2,21 ) und würde ihn deshalb wohl auch nicht wirklich zu schätzen wissen, und möglicherweise würde er ihn auf törichte Weise vergeuden (V. 19 ). Daher erklärte der Prediger die Arbeit für eitel (V. 19.21 ) und den Verlust ihrer Früchte für ein großes Unglück (V. 21 ).

 

b. Die Arbeit ist verlorene Mühe
( 2,22-23 )


Pred 2,22-23


Angesichts der Tatsache, daß die Früchte der menschlichen Arbeit keinen dauerhaften Wert besitzen, stellt sich der Prediger die Frage, ob sich die Mühe, die der Mensch in diesem Leben ( unter der Sonne , vgl. Pred 1,3 ) aufwendet, denn überhaupt lohne. Er gelangt zu dem Ergebnis, daß diese Mühe, die soviel Kummer und Ratlosigkeit mit sich bringt, letztlich eine Vergeudung von Kräften und somit eitel ist.



c. Der Mensch sollte die Früchte seiner Arbeit geniessen, soweit Gott es ihm erlaubt
( 2,24-26 )


Pred 2,24-26


Da den Früchten der Arbeit keine Dauer beschieden ist, empfiehlt der Prediger dem Menschen, sich an ihnen zu erfreuen ("er esse und trinke" ist ein Bild für jede Form des Genusses) und guter Dinge zu sein bei seinem Mühen (V. 24 ; vgl. Pred 3,13;5,17;8,15 ); genau dies hat ja auch Salomo selber getan ( Pred 2,10 ). Er weist jedoch darauf hin, daß nur Gott den Menschen zu einem solchen Genuß befähigen könne: Denn wer kann fröhlich essen und genießen ohne ihn? (V. 25 ) Nach Salomo häufen Sünder oftmals Reichtümer an, die am Ende nicht ihnen sondern dem zugute kommen, der Gott gefällt (V. 26 ). Daher bezeichnet er auch dieses Tun als eitel und Haschen nach Wind (vgl. Pred 1,14.17;2,11.17;4,4.6.16;6,9 ).

Zu diesem Abschnitt ( Pred 2,24-26 ) ist zweierlei zu bemerken. Zum einen sagt der Prediger, daß die Fähigkeit, Reichtum zu erwerben und die eigene Arbeit sowie deren Früchte zu genießen, davon abhänge, ob der Betreffende ein Sünder ist oder Gott gefällt. Wie aus dem Gebrauch der Worte "(der) Gott gefällt" und "Sünder" an anderen Stellen des Predigerbuches ( Pred 7,26; vgl. Pred 8,12 ) hervorgeht, will Salomo hiermit zum Ausdruck bringen, daß der Mensch aufgrund seines sittlichen Verhaltens und seines Gottvertrauens gerichtet wird. Zum anderen geht der Prediger davon aus, daß dieses Gericht hier auf Erden (und nicht in einem Leben nach dem Tod) stattfindet und keine ewige, sondern letztlich eine zeitliche Belohnung oder Bestrafung impliziert. Diese beiden Punkte (das Genießen des Lebens und das Gericht), die nur an dieser Stelle miteinander in Verbindung gebracht werden, sind für die Entwicklung des Gedankenganges im Predigerbuch von entscheidender Bedeutung. Das Motiv des Lebensgenusses, das uns an mehreren wichtigen Stellen dieses Buches begegnet ( Pred 3,12-13.22;5,17-19;8,15;9,7-10 ), ist hier in besonderer Weise mit dem Motiv des Gerichtes ( Pred 11,9;12,14 ) und dem Rat, Gott zu fürchten und seine Gebote zu halten, ( Pred 12,13 ) verknüpft.



2. Die Arbeit kann Gottes unwandelbare und unerforschliche Vorsehung nicht beeinflussen
( 3,1-4,3 )


In diesem Abschnitt kreisen die Gedanken des Autors um den Begriff der "Zeit" ( Pred 3,1-8.11.17 ). Auch bestimmte Wendungen, die auf sein eigenes Beobachten und Nachdenken hinweisen, wie "ich sah" ( Pred 3,10.16;4,1 ), "ich merkte" ( Pred 3,12.14 ) und "ich sprach in meinem Herzen" (d. h. ich dachte; Pred 3,17-18 ) werden mehrfach wiederholt. Der Prediger legt dar, daß Gott für alle Dinge eine bestimmte Zeit festgesetzt hat ( Pred 3,1-11 ); seiner Ansicht nach gilt dies sogar für Gottlosigkeit ( Pred 3,16-17 ) und Unterdrückung ( Pred 4,1-3 ). Hierin erblickt Salomo das Walten der göttlichen Vorsehung, die er als ewig ( Pred 3,14 ), unwandelbar ( Pred 3,14 ) und unerforschlich ( Pred 3,11 ) bezeichnet. Diese Vorsehung kann, wie er sagt, alle Anstrengungen des Menschen zunichte machen ( Pred 3,9 ).



a. These: Jedes Ding hat seine Zeit
( 3,1-8 )


(1) Aufstellung der These ( Pred 3,1 ):

Salomo stellt folgende Behauptung auf: Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde (vgl. Pred 8,6 ). Das Wort für "Vorhaben" bezeichnet eine planvolle, bewußte Handlung; es hat die Grundbedeutung "Wunsch" und die hiervon ableitende Bedeutung "das, was man sich wünscht" (vgl. Jes 58,13 ,wo dieses Wort mit "Geschäft(e)" übersetzt ist). Der Ausdruck bezieht sich stets auf den Menschen. Dieser ist nach Salomo für seine bewußten Handlungen voll verantwortlich (vgl. Pred 3,17 ). Wie er bemerkt, gibt es für alle diese Vorhaben eine bestimmte Zeit (dieser Begriff bezieht sich sowohl auf den Zeitpunkt als auch auf die Dauer).

(2) Veranschaulichung der These ( Pred 3,2-8 ):

Salomo verfolgt seine allgemeine Behauptung mit einem Gedicht über 14 Gegensatzpaare weiter, in dem von Dingen die Rede ist, die jeweils ihre Zeit haben. Die Tatsache, daß Salomo 14 (also siebenmal zwei) gegensätzliche Dinge aufzählt und dabei mit Geburt und Tod beginnt, ist von großer Bedeutung. Die Zahl ist ein Symbol der Vollkommenheit, und das Stilmittel des Merismus (ein bekannter Kunstgriff, bei dem eine Sache durch ihre beiden Gegensätze bezeichnet wird) deutet auf Vollständigkeit hin (vgl. Ps 139,2-3 ). Die exakte Tragweite einiger dieser "Vorhaben" ist zwar nicht genau bekannt, aber alle Taten eines Menschen, ob sie nun konstruktiv oder destruktiv sind, und alle seine Reaktionen auf das Tun seiner Mitmenschen und auf bestimmte Umstände oder Ereignisse sind nach Salomo an festgesetzte Zeiten gebunden.



Pred 3,2-3


Die Aufzählung beginnt mit einem Hinweis auf den Beginn und das Ende eines Menschenlebens, zwei Ereignissen, die niemand beeinflussen kann. Dann spricht der Prediger von dem absichtsvollen Tun des Menschen, der für das Leben der Pflanzen einen Anfang und ein Ende festsetzt ( Pflanzen hat seine Zeit, ausreißen hat seine Zeit ), der menschliches Leben nimmt und rettet und der Häuser aufbaut und niederreißt. Vielleicht stehen alle diese Handlungen mit dem Gedanken an Geburt und Tod in Zusammenhang.



Pred 3,4


Ohne den Gedanken an Tod und Vernichtung aus dem Auge zu verlieren, beschreibt Salomo nun die Reaktionen der Menschen auf die verschiedenen Umstände und Ereignisse ihres Lebens. Bald weinen und klagen sie, um ihre Trauer zu bekunden, bald lachen und tanzen sie, um ihrer Freude Ausdruck zu verleihen.


Pred 3,5-6


In welcher Beziehung die beiden gegensätzlichen Handlungen, die in Vers 5 genannt werden, zueinander und zu den Versen 2-4 stehen, ist ungewiß. Möglicherweise handelt es sich bei diesen Tätigkeiten ( Steine wegwerfen und Steine sammeln ) um das Verwerfen und Zusammentragen von Baumaterialien, womit sowohl zum Bauen (V. 3 ) als auch zum Behalten und Wegwerfen (V. 6 ) eine Verbindung hergestellt wäre.

Salomo spricht nun von einer Form der Gefühlsäußerung (V. 5 b), wobei er vermutlich auf die Beziehung zwischen Mann und Frau anspielt. Er schreibt auch von Dingen, nach denen man sucht oder die man verloren gibt, die man behält oder wegwirft (V. 6 ). Die in den Versen 5-6 genannten Gegensatzpaare beziehen sich also, wie es scheint, auf das Interesse des Menschen an gewissen Dingen sowie auf seine Gefühle für einen anderen Menschen.



Pred 3,7


Dieser Vers nimmt möglicherweise auf das Trauerverhalten (das Zerreißen von Kleidung und das Schweigen; vgl. Hi 2,12-13 ) und auf das Verhalten nach Ablauf der Trauerzeit Bezug (das Zusammennähen der Kleidung und das Reden). Wenn dies zutrifft, dann steht dieser Vers mit der in Pred 3,4 erwähnten Trauer in Verbindung.

 

Pred 3,8


Salomo beschließt seine Aufzählung entgegengesetzter Dinge, indem er von zwei grundlegenden Gefühlsregungen im Leben eines Menschen spricht ( lieben hat seine Zeit, hassen hat seine Zeit ). Ferner erwähnt er den stärksten Ausdruck des Hasses, den Streit (oder: Krieg), und das Gegenteil davon, den Frieden . Vielleicht ist es nicht ohne Bedeutung, daß die Aufzählung ähnlich endet, wie sie begonnen hat, nämlich mit der Nennung zweier gegensätzlicher Zustände (Krieg und Frieden), die der Mensch - zumindest als einzelner - nur wenig beeinflussen kann.

 

b. Ergebnis: Der Mensch zieht keinen Nutzen aus seiner Mühe
( 3,9 )


Pred 3,9


Nachdem Salomo davon gesprochen hatte, daß alles Tun seine Zeit hat, wirft er noch einmal die Frage nach dem Wert der Arbeit auf, die der Mensch leistet. Er gibt auf diese Frage dieselbe pessimistische Antwort wie zuvor (vgl. Pred 1,3;2,11 ), nämlich, daß der Mensch von seiner Arbeit keinen Gewinn ( yiTrNn ; vgl. den Kommentar zu Pred 1,3 ) habe.



c. Ursache: Gottes Plan ist unerforschlich
( 3,10-11 )


Pred 3,10-11


Der Prediger untermauert seine negative Feststellung in Vers 9 , indem er auf drei Beobachtungen Bezug nimmt, die er bei seinem Nachsinnen über das Tun des Menschen (Vers 2-8 ) gemacht hat. Das hebräische Wort für Arbeit ( Zinyan ) kann auch mit "Aufgabe" übersetzt werden. (1) Salomo bemerkt, daß Gott alles schön gemacht habe (oder "passend, geeignet"; vgl. Pred 5,18 ), und zwar zu seiner Zeit . Dies bedeutet, daß der Herr, der alles plant und unter Kontrolle hat, für jede Tätigkeit eine bestimmte Zeit vorgesehen hat. (2) Der Prediger sagt, daß Gott die Ewigkeit in das Herz des Menschen gelegt habe. Der Mensch sehnt sich danach, zu erfahren, welche Bedeutung seine Existenz und sein Tun in einem überzeitlichen Sinne haben. (3) Salomo fügt hinzu, daß der Mensch das Werk Gottes nicht ergründen könne und zwar weder Anfang noch Ende; dies bedeutet, daß der Mensch den souveränen, ewigen Plan Gottes nicht zu begreifen vermag. Er hat von seiner Mühe keinen Gewinn, denn er erkennt den ewigen Plan des Allmächtigen nicht und weiß nicht, aufgrund welcher Maßstäbe dieser das Tun des Menschen bewertet und ihm überzeitliche Bedeutung zuerkennt. Infolge dieser Unkenntnis lebt der Mensch hinsichtlich des Wertes seines Schaffens im Ungewissen.



d. Empfehlung: Geniesse dein Leben, soweit Gott es dir gestattet
( 3,12-13 )


Pred 3,12-13


Weil der Mensch in seiner Unkenntnis des göttlichen Planes keine Gewißheit über die Richtigkeit und die bleibende Bedeutung seiner Arbeit hat, empfiehlt Salomo noch einmal, das Leben in der Gegenwart zu genießen (vgl. Pred 2,24 ); er stellt fest, daß es für den Menschen nichts Besseres gibt, als fröhlich zu sein , solange er lebt (vgl Pred 5,17;8,15 ). Anders als in Pred 2,26 wird der Genuß von Gottes Gaben hier nicht von bestimmten moralischen Voraussetzungen abhängig gemacht. Sicherlich zu Recht weisen die meisten Ausleger darauf hin, daß sich gütlich tun ( Pred 3,12 ) und guter Mut (V. 13 ) eine Parallelkonstruktion darstellen. Das Wort " gut " (das ja auch in "gütlich" steckt) wird an dieser Stelle nicht mit ethischen Normen in Verbindung gebracht (vgl. Pred 2,24;5,17 ).

Noch einmal macht Salomo deutlich, daß die Fähigkeit, das Leben zu genießen, eine Gabe Gottes ist (vgl. Pred 2,25 ). Christian D. Ginsburg übersetzt Pred 3,13 richtig als Konditionalsatz: "Wenn jemand ißt und trinkt und Gutes sieht bei all seiner Mühe, dann ist das eine Gabe Gottes " ( The Song of Songs and Coheleth, S. 311 - 312).



e. Absicht: Der Mensch soll Gott fürchten
( 3,14-15 )


Pred 3,14-15


Salomo nimmt an, daß manche Menschen, die Gottes Plan nicht verstehen, den Herrn der Willkür anklagen; deshalb beschreibt er das Wesen des göttlichen Plans und sagt, wie der Mensch darauf reagieren sollte. Nach den Worten des Predigers ist das Werk des Allmächtigen unvergänglich ( alles, was Gott tut, das besteht für ewig ), vollkommen und unveränderlich ( man kann nichts dazutun noch wegtun ; vgl. Pred 7,13 ). Um die Unwandelbarkeit des Werkes Gottes zu unterstreichen, bezieht sich Salomo - wie bereits in Pred 1,9- auf das Prinzip der ständigen Wiederkehr, das im Naturgeschehen wirksam ist: Was geschieht und was sein wird, ist schon längst gewesen . Er fügt hinzu, daß dies ein Teil des göttlichen Planes sei. Gott holt wieder hervor, was vergangen ist könnte auch übersetzt werden mit "Gott ruft das Vergangene zurück" oder "Gott sucht das hervor, was schon entschwunden war". Manche Ausleger haben die Paraphrase "Gott möchte das wiederholen, was schon geschehen ist" vorgeschlagen. Franz Delitzsch faßt die Aussage dieses Verses folgendermaßen zusammen: "Die Herrschaft Gottes ... verändert sich nicht. Sein schöpferisches wie auch sein moralisches Wirken in der Welt bringt aufgrund derselben Gesetze dieselben Phänomene hervor ... Seine Herrschaft bleibt immerfort bestehen, und sie ... läßt das geschehen, was bereits gewesen ist" ("Ecclesiastes", in: Commentary on the Old Testament in Ten Volumes , 6, S. 264). Gott möchte, daß die Menschen auf seinen unveränderlichen und unerforschlichen Plan mit Furcht, Verehrung und Demut reagieren: Das alles tut Gott, damit man sich vor ihm fürchten soll .



f. Anwendung: Die Rolle der Ungerechtigkeit in Gottes Plan
( 3,16-4,3 )


Was uns am meisten an der Richtigkeit unseres Tuns und an der Vollkommenheit des göttlichen Planes zweifeln läßt, ist das Problem der Ungerechtigkeit und der Unterdrückung in der Welt.

(1) Beobachtung: Die Ungerechtigkeit in der Welt ( Pred 3,16 )

Pred 3,16


Salomo kommt einem möglichen Einwand gegen die Vollkommenheit des Planes Gottes zuvor (vgl. den Kommentar zu einem anderen möglichen Einwand in V. 14-15 ), indem er bemerkt, daß er die Frage nach der Ungerechtigkeit nicht übersehen habe (vgl. Pred 4,1;8,14 ). Er selbst habe in diesem Leben beobachtet ( unter der Sonne ; vgl. den Kommentar zu Pred 1,3 ), daß Ungerechtigkeit häufig dort zu finden ist, wo man sie am wenigsten erwartet, nämlich an den Gerichten ( an der Stätte des Rechts und der Gerechtigkeit ). Die Parallelkonstruktion (dort) war Gottlosigkeit und (dort) war Frevel hebt Salomos Überraschung und Bestürzung hervor. Der Prediger versichert jedoch in Pred 3,17 ,daß Gott von der Ungerechtigkeit wisse; er habe damit einen Plan für die Zukunft und verfolge damit auch in der Gegenwart eine bestimmte Absicht.



Pred 3,18-20


(3) Die gegenwärtige Offenbarung: Salomo zeigt die Begrenztheit des Menschen auf ( Pred 3,18-21 )

Die Verbindung zwischen den Versen 18-21 und dem vorhergehenden Abschnitt wird in den meisten Übersetzungen nicht recht deutlich. Der Ausdruck wegen der Menschenkinder bedeutet wörtlich "um der Menschenkinder willen", und im allgemeinen sind die Ausleger der Ansicht, daß mit diesen Worten auf die in Vers 16 genannte Ungerechtigkeit Bezug genommen wird. Vers 18 besagt in diesem Fall, daß das Unrecht sowohl um des Menschen willen als auch wegen des Menschen geschieht. Nach Salomo will Gott die Menschen durch das Unrecht prüfen, ihnen jedoch auch klarmachen, daß sie sind wie das Vieh (wörtl.: "sie sind Tiere"). Damit ist nicht gemeint, daß die Menschen auf derselben Stufe wie die Tiere stehen und daher auch keine unsterbliche Seele haben. Es bedeutet nur, daß die Menschen ebenso wie das Vieh sterben (vgl. Ps 49,13.21 ).

Menschen und Tiere entstammen derselben Erde und haben einen Odem, dem sie ihr Leben verdanken (vgl. Hi 34,14-15; Ps 104,29 ), und sie gehen alle an einen Ort, d. h., sie kehren alle zum Staub zurück ( Pred 3,20 ). Daher sagt Salomo, daß der Mensch nichts voraus vor dem Vieh habe, denn beide seien vergänglich ( heBel sollte statt mit eitel mit "vergänglich" übersetzt werden; vgl. Pred 6,12 und kOl eher mit "sowohl ... als auch" statt mit alles , vgl. Pred 2,14;7,18 ).



Pred 3,21


Nach Salomo ist es nicht möglich, zu beweisen, daß der Mensch gegenüber dem Tier bevorzugt wird. Dies bezeugt seine rhetorische Frage: Wer weiß, ob der Odem der Menschen aufwärts fahre und der Odem des Viehs hinab unter die Erde fahre? Kein Lebender kann einen Unterschied zwischen Mensch und Tier feststellen oder zeigen , indem er beobachtet, wie sie sterben. Manche Ausleger behaupten allerdings, daß Salomo hier auf einen Unterschied zwischen dem Schicksal der Menschen und dem der Tiere hinweise. Sie sind der Ansicht, daß hier rudimentäre Reste eines Glaubens an die Unsterblichkeit des Menschen vorhanden seien, und heben hervor, daß im hebräischen Text das "ob" vor "Odem" fehlt. Es ist jedoch schwierig, diese Auffassung mit folgenden Punkten zu vereinbaren: (a) mit dem Kontext, in dem Salomo betont, wie ähnlich das Schicksal des Menschen dem des Tieres sei (V. 19-20 ); (b) mit dem Gebrauch des Wortes "Odem" in diesem Abschnitt, das eine Lebenskraft bezeichnet, die Menschen und Tieren gemeinsam ist (V. 19 ); (c) mit der rhetorischen Frage in Vers 22 : "wer will ihn dahin bringen, daß er sehe, was nach ihm geschehen wird?", woraus hervorgeht, daß Salomo nicht von einem Leben nach dem Tod spricht; und (d) mit dem einstimmigen Zeugnis vieler Bibelverse. Der Prediger hat zuvor behauptet, daß der Tod alle Unterschiede zwischen einem Weisen und einem Toren aufhebe ( Pred 2,14 c - 16). Hier behauptet er, daß der Tod jeden Unterschied zwischen Mensch und Tier aufhebe. Obwohl der Mensch rational denken könne und die Ewigkeit in sein Herz gelegt sei ( Pred 3,11 ), verdeutliche die Ungerechtigkeit seine Begrenztheit, seine Sterblichkeit und seine Unkenntnis des göttlichen Planes.



Pred 3,22


(4) Salomos Empfehlung: Genieße das Leben

Weil der Mensch nun einmal sterblich ist (V. 19-21 ), spricht Salomo die Empfehlung aus, daß ein Mensch sich an seiner Arbeit (und wohl auch an deren Früchten; vgl. Pred 2,24;3,12 ) freuen solle; das sei sein Teil (dieses Wort bedeutet eigentlich "Anteil", "Los", "Schicksal"). Dies ist vor allem im Hinblick darauf angebracht, daß die Menschen, wie Salomo verdeutlicht hat, Gottes Plan nicht kennen und auch nicht wissen, was die Zukunft - einschließlich des Lebens nach dem Tode - für sie birgt. Salomo faßt dies mit der rhetorischen Frage zusammen: wer will ihn dahin bringen, daß er sehe, was nach ihm geschehen wird?



Pred 4,1-3


(5) Eine andere Möglichkeit: Dumpfe Verzweiflung

Salomo unterstreicht seinen Rat, das Leben zu genießen (vgl. Pred 3,22 ) mit der Schilderung seines weiteren Nachsinnens über die Ungerechtigkeit: Wiederum sah ich alles Unrecht an (vgl. Pred 3,16 ), das auf der Erde zu finden ist ( unter der Sonne ; vgl. den Kommentar zu Pred 1,3 ). Der Prediger beklagt die verzweifelte, hoffnungslose Lage der Unterdrückten, die um Hilfe rufen, denen aber wegen der unwiderstehlichen Gewalt und Autorität ihrer Unterdrücker keine Hilfe zuteil wird. Die Wiederholung der Aussage, daß sie keinen Tröster haben, betont die Ausweglosigkeit ihrer Situation noch. Daher meint Salomo, daß es besser sei, schon gestorben oder (was überhaupt am besten sei) noch nicht geboren zu sein, als Zeuge des Bösen zu werden, das auf Erden aufgrund der (Ungerechtigkeit geschieht - oder vielleicht sogar dieses Böse am eigenen Leib zu erfahren) - das Verb "sehen" wird häufig - wie z. B. in Pred 8,16- im Sinne von "erfahren" gebraucht). Mit anderen Worten: Die einzige Alternative zum Genuß des Lebens als einer Gabe aus der Hand Gottes ist eine dumpfe Verzweiflung, die zumindest zum Teil durch das Nachsinnen über die ungehemmte Unterdrückung verursacht wird.



3. Der Wert der Arbeit wird durch unangemessene Beweggründe beeinträchtigt ( 4,4-16 )


In diesem Abschnitt findet sich immer wieder der typische Kehrvers "Das ist eitel und ein Haschen nach Wind". Er steht sowohl am Anfang als auch am Ende des Abschnittes (V. 4.16 ). Man nennt diese literarische Figur inclusio . Sie wird in den biblischen Büchern häufig als rhetorisches Stilmittel verwendet (vgl. z. B. Ps 8,2.10 ). In Pred 4,4-16 fällt außerdem der wiederholte Gebrauch der Wörter "eitel" (V. 4.7-8.16 ) und "besser" (V. 6.9.13 ) auf, wodurch Salomo bestimmte Beweggründe für die Arbeit als nichtig und ungeeignet kennzeichnet.



a. Bisweilen wird die Arbeit nur aus Neid getan ( 4,4-6 )


Pred 4,4-6


Der erste unangemessene Beweggrund für die Arbeit, auf den der Prediger hier Bezug nimmt, ist der Neid auf die anderen: Alles Mühen und alles geschickte Tun (dies ist eine Hyperbel, d. h. eine übertriebene Aussage) entspringt nach Salomo der Eifersucht des einen auf den andern. Eine solche Einstellung bezeichnet er als eitel und Haschen nach Wind (vgl. Pred 1,14.17;2,11.17.26;4,6.16;6,9 ). Die Bedeutung von Pred 4,5 ist nicht ganz sicher, denn die Metapher er legt die Hände ineinander und verzehrt sein eigenes Fleisch bezieht sich gewöhnlich auf Faulheit und Selbstvernichtung ( Spr 6,10-11; 24,33-34; Jes 49,26 ). Allerdings paßt die Ansicht, daß Pred 4,5 die Empfehlung ausspreche, sich mit dem Lebensnotwendigen zu begnügen (er "verzehrt sein eigenes Fleisch"; vgl. 2Mo 16,8; 5Mo 12,20 ) und sich dabei so wenig wie möglich anzustrengen (die Hände ineinanderzulegen), besser zu der Empfehlung Salomos in Pred 4,6 ,mit einer Hand voll mit Ruhe (d. h. mit einem von Ruhe begleiteten Mindestmaß an materiellen Gütern; vgl. Pred 6,5; 2Mo 20,11 ) zufrieden zu sein, statt viel zu besitzen ( beide Fäuste ), aber dabei Mühe zu haben und sich plagen zu müssen; letzteres bezeichnet Salomo als Haschen nach Wind (vgl. Pred 4,4 ).



b. Bisweilen wird die Arbeit nur aus Gier getan
( 4,7-12 )


Pred 4,7-8


Gier ist ein weiterer unangemessener Beweggrund, von dem Salomo behauptet, daß er eitel sei. Dieses Wort, das hier am Anfang von Vers 7 und am Ende von Vers 8 steht, ist eine weitere inclusio (vgl. den Kommentar zu "3. Der Wert der Arbeit wird durch unangemessene Beweggründe beeinträchtigt [ Pred 4,4-16 ]"; zu den Worten unter der Sonne vgl. den Kommentar zu Pred 1,3 ). Angeprangert wird hier die unstillbare Habsucht. Die Mühe des Habsüchtigen nimmt kein Ende, und er ist nicht mit seinem Reichtum zufrieden. Er hat niemanden, mit dem er seinen Besitz teilen kann ( weder Kind noch Bruder ; diese Aussage bezieht sich wohl eher auf das Teilen unter Nächsten als auf eine Erbschaft, wie aus den Versen 9-12 hervorgeht). Am Ende, so stellt Salomo fest, erwacht der Habsüchtige aus seiner Verblendung, daß es eitel war, unablässig zu schuften, um Reichtümer anzuhäufen, die man weder mit anderen teilen noch selbst genießen kann. Die rhetorische Frage dieses Menschen macht deutlich, wie falsch er gehandelt hat. Salomo bezeichnet ein solches Verhalten als böse Mühe ( Zinyan rAZ , "üble oder unangenehme Pflicht"; in Pred 1,13 mit "unselige Mühe" und in Pred 5,15 mit "böses Übel" übersetzt; vgl. Zinyan , "Arbeit" in Pred 3,10 ).



Pred 4,9-12


Angesichts der Nichtigkeit der Gier spricht Salomo die Empfehlung aus, mit anderen zu teilen, und er nennt mehrere Vorteile, die aus guter Kameradschaft erwachsen: mehr Gewinn ( guten Lohn ) aus der Arbeit (V. 9 ), Hilfe in Zeiten der Not (V. 10 ), Trost und Zuneigung in Zeiten des Elends (V. 11 ; die Wärme des eigenen Körpers kann einen anderen Menschen vor dem Frieren bewahren) und schließlich Schutz vor Gefahr (V. 12 ). Die drei letzten Aussagen werden am Beispiel zweier Reisegefährten veranschaulicht, die einander beistehen und dadurch alle Schwierigkeiten meistern. Am Ende der zweiten und dritten Aussage (V. 10 b. 11 b) warnt Salomo vor den Gefahren der Isolation (wie sie die Gier mit sich bringt; vgl. " einer allein ", V. 8 a).

Nachdem Salomo die Vorteile der gemeinsamen Bemühung oder Arbeit und des gemeinsamen Genusses der Früchte dieser Arbeit für beide Seiten erläutert hat, stellt er als Höhepunkt seiner Ausführungen fest, daß zwei besser als einer (V. 9 ), drei aber noch besser seien (V. 12 ). Die Anstrengungen und die Vorteile sollten nicht auf zwei Personen beschränkt sein.



c. Bisweilen wird die Arbeit nur um des Ansehens willen getan
( 4,13-16 )


Pred 4,13-16


In diesen Versen wird die Vergänglichkeit des Ruhmes und des Ansehens betont. Ihre Bedeutung ist jedoch nicht ganz klar, was die Anzahl der darin genannten Personen und deren Beziehungen zueinander betrifft. Es wird nicht deutlich, ob hier von zwei jungen Männern die Rede ist, die nacheinander den Thron eines alten und törichten Königs besteigen, oder ob nur von einem jungen Mann gesprochen wird. Ferner ist unklar, ob sich im hebräischen Text die Pronomen in Vers 15 auf den armen, aber weisen jungen Mann beziehen (V. 13 a) oder auf den alten und törichten König (V. 13 b). Es gibt mehrere Möglichkeiten, diese doppeldeutigen Stellen auszulegen. Man könnte z. B. davon ausgehen, daß dieser Abschnitt von einem (und nicht zwei) Knaben, der arm, aber weise war, handelt; dieser stammte aus ärmlichen Verhältnissen ( er war arm geboren unter seiner - d. h. des alten Königs - Herrschaft). Der junge Mann hatte auch keinen Einfluß besessen (er war aus dem Gefängnis gekommen; vgl. die Situation Josefs in 1Mo 39,20- 1Mo 41,45 ). Von dieser ganz niedrigen Position war er aufgestiegen, und er hatte es zu großer Beliebtheit und zu großem Ansehen gebracht: Alle Lebenden und alle, die unter der Sonne wandelten (vgl. den Kommentar zu "unter der Sonne" in Pred 1,3 ), waren bei dem Knaben, dem Nachfolger des Königs. Er besaß eine gewaltige Autorität; er herrschte über viele Menschen ( Pred 4,16 : "es war kein Ende des Volkes, vor dem (an dessen Spitze) er herzog"; vgl. 4Mo 27,17 ). Aber der Ruhm und die Macht des jungen Mannes waren nur von kurzer Dauer: Und doch wurden seiner nicht froh, die später kamen.

Dieser Abschnitt illustriert die Behauptung in Pred 4,13 : Es ist besser, arm und ohne Einfluß zu sein, als Macht und Ansehen zu besitzen. Warum? Weil Macht, Einfluß und Ansehen vergänglich sind. Vers 13 räumt der Weisheit zwar einen höheren Stellenwert ein als der Torheit, sie bewertet Offenheit für Kritik und guten Rat höher als Unbelehrbarkeit, aber hierauf wird in diesem Abschnitt, dessen Hauptthema die Nichtigkeit des gesellschaftlichen Aufstiegs ist, nicht näher eingegangen. Die Aussage von Pred 4,13-16 ist wohl folgende: Der Wunsch nach Anerkennung und Beförderung, zwei Beweggründe, die häufig die Arbeit eines Menschen erst in Gang bringen, ist wie der Neid und die Gier eitel und ein Haschen nach Wind (vgl. Pred 1,14.17;2,11.17.26;4,4.6;6,9 ).



4. Der Mensch kann die Früchte seiner Arbeit nicht immer genießen
( 4,17-6,9 )


Dieser Abschnitt ist häufig falsch ausgelegt worden. Dies geschah aus drei Gründen: (a) In Pred 4,17-5,6 stehen viele Sätze in der Befehlsform; (b) in Pred 4,17-6,9 fehlen formale Anzeichen für Unterteilungen; (c) manche Ausleger haben es - im Gegensatz zur Absicht des Verfassers - versäumt, bestimmte Verse miteinander zu verbinden. Der Abschnitt endet mit der neunten und letzten Wiederholung der charakteristischen Formel "Das ist... eitel und Haschen nach Wind" ( Pred 6,9 ).



a. Der Mensch kann die Früchte seiner Arbeit durch ein übereiltes Gelübde verlieren
( 4,17-5,6 )


Pred 4,17-5,6


Diese Verse werden irrtümlicherweise häufig als ein Einschub betrachtet, der Salomos Erörterung unterbricht. Man hat vielfach vermutet, daß sie eine Empfehlung für die richtige Verehrung Gottes darstellten, wobei auch die richtige Einstellung zur Verehrung des Herrn ( Pred 4,17 ), das richtige Beten ( Pred 5,1-2 ) und das Erfüllen der Gelübde (V. 3-6 ) zur Sprache komme. Tatsächlich sind diese Verse aber ein wichtiger Bestandteil der Argumentation Salomos, der hier vor dem leichtfertigen Ablegen von Gelübden warnt; ein solches Fehlverhalten könne nämlich zur Folge haben, daß ein Mensch die Früchte seiner Arbeit verliert, wenn Gott das Werk seiner Hände vernichtet (V. 5 ). Somit rät der Prediger den Menschen, keine übereilten Gelübde abzulegen, die er als Opfer der Toren ( Pred 4,17 ) und Worte der Toren ( Pred 5,2 ) bezeichnet. Seine Warnung: Sei nicht schnell mit deinem Munde, und laß dein Herz nicht eilen ( Pred 5,1 ) bezieht sich ebenfalls auf das in Vers 3 erwähnte Gelübde.

Nach Salomo darf man sich dem, was man Gott gelobt hat, nicht zu entziehen versuchen, indem man dem Priester gegenüber erklärt, daß es ein Versehen gewesen sei (V. 5 ; vgl. "Versehen" in Pred 10,5 ). Mit dem Boten Gottes ist vermutlich der Priester gemeint, ebenso wie in Mal 2,7 .Die Warnung beruht auf 5Mo 23,21-23 ,wo die Ablegung von Gelübden als freiwillig gilt, einmal abgelegte Gelübde jedoch als bindend angesehen werden; wer sein Gelöbnis nicht erfüllt, begeht demnach eine Sünde und muß mit Gottes Strafe rechnen. Daher bezeichnet Salomo unüberlegt geleistete Gelübde als etwas Böses ( Pred 4,17 ) und sagt, daß der Mund eines Menschen diesen in Schuld bringen könne ( Pred 5,5 ), da eine solche Handlung Gott nicht gefalle (V. 3 ) und ihn erzürne (V. 5 ). Diese Sünde könne dazu führen, daß ein Mensch all das verliert, wofür er sich abgemüht hat (V. 5 ).

Weil ein unüberlegtes Gelübde also möglicherweise zur Folge hat, daß die Früchte der Arbeit eines Menschen vernichtet werden (wodurch diese Arbeit sich als nichtig erweist), vergleicht der Prediger ein solches Gelöbnis mit eitlen Träumen, indem er sagt: "Wo viel Träume sind, da ist Eitelkeit und viel Gerede" (V. 6 ). Daher ermahnt Salomo seine Leser, Gott zu fürchten (V. 6 b), sich vor übereilten Gelübden zu hüten ( Pred 4,17-5,1 ) und die einmal abgelegten Gelübde auch zu halten (V. 3 ).



b. Der Mensch kann die Früchte seiner Arbeit an korrupte Machthaber verlieren
( 5,7-8 )


Der Sinn dieser Verse - und damit ihre Einordnung in Salomos Argumentationskette - ist aufgrund der falschen Auslegung einiger unklarer Ausdrücke in den Versen 7 b. 8 häufig falsch gedeutet worden. Zwar bestehen hier verschiedene Interpretationsmöglichkeiten (wie an der Unterschiedlichkeit der Übersetzungen deutlich zu erkennen), aber wahrscheinlich nehmen diese Verse auf die Hierarchie in der Korruption Bezug. Eine solche Auslegung scheint sich am besten in den gedanklichen Zusammenhang der Verse 4,17-6,9 einzufügen.



Pred 5,7-8


Salomo hat darauf hingewiesen, daß die Früchte der Arbeit eines Menschen durch ein unüberlegtes Gelübde gegenüber Gott ( Pred 4,17-5,6 ) verloren gehen können. Er fügt nun hinzu, daß der Mensch sich nicht darüber wundern solle, wenn er den Ertrag seiner Arbeit an die nächsthöhere Autorität - also an den König und seinen Beamten - verliert. Der Prediger gelangt hier (auch wenn er sich vergleichsweise kurz faßt) zu einer ähnlichen Auffassung wie Samuel, der einige typische Mißstände des Königtums schildert ( 1Sam 8,10-18 ). Salomo spricht von den erpresserischen Forderungen der gesamten Beamtenschaft. Diese "Höheren" seien keineswegs darum bemüht, die Armen zu beschützen (vgl. Pred 4,1 ), sondern ihr einziges Ziel sei es, aus den ihnen unterstehenden Beamten soviele Einkünfte wie nur möglich herauszupressen. An der Spitze dieses korrupten Systems stehe der König. Die Worte: ein König, der dafür sorgt, daß das Feld bebaut wird, und der ein Gewinn für das Land ist , haben wohl nicht die positive Bedeutung, die sich aus unserer Übersetzung herauslesen läßt, sondern sie besagen wahrscheinlich, daß der König selbst sich an der Ausbeutung beteiligt, indem er aus den Erträgen der Felder Gewinn zieht.

Verschiedene Ausleger haben argumentiert, daß Salomo seine eigene Herrschaft wohl kaum so negativ hätte bewerten können, womit bewiesen sei, daß er als Autor dieses Buches nicht in Frage komme. Wir haben jedoch keinen Beweis dafür, daß der Prediger hier von einer bestimmten Regierung spricht. Ebenso wie an den anderen einschlägigen Stellen in Pred 2,18-6,9 (z. B. bei dem wohl hypothetischen Fall in Pred 4,13-16 ) behandelt Salomo das Thema auch hier in allgemeiner Form. Zudem legt der Bericht von Israels Forderung, daß Salomos Nachfolger Rehabeam das Joch seines Vaters erleichtern möge ( 1Kö 12,1-10 ), die Vermutung nahe, daß die Provinzstatthalter unter König Salomo Steuern eingetrieben hatten, um den Reichtum der Herrscher zu vermehren ( 1Kö 4,7; 5,2-3 ). Auch auf Salomos Regierungszeit treffen die Worte in Pred 5,7-8 zu.



c. Die eigene Habsucht kann den Menschen um den Genuss der Früchte seiner Arbeit bringen
( 5,9-11 )


Pred 5,9-11


Der Prediger hat gezeigt, daß ein Mensch die Früchte seiner Arbeit unter Umständen nicht genießen kann, weil Gott sie vernichtet ( Pred 4,17-5,6 ) oder weil Beamte sie ihm entreißen (V. 7-8 ). Im folgenden weist er darauf hin, daß auch die eigene Habsucht einen Menschen daran hindern könne, sich am Ertrag seiner Mühen zu erfreuen. Salomo nennt die Habsucht, bzw. die Liebe zum Geld, ebenfalls eitel und sagt, daß ein Habsüchtiger von seinem Reichtum keinen Nutzen haben werde (V. 9 ), denn sein wachsender Besitz bereite ihm immer größere Sorgen (V. 11 b). Während ein Arbeiter sich voller Zufriedenheit ausruhen könne, ob er nun wenig oder viel gegessen hat, finde ein Habsüchtiger keine Ruhe ( die Fülle läßt den Reichen nicht schlafen , V. 11 ). Er müsse ständig wachen, um seine Güter vor der immer größer werdenden Zahl derer zu schützen, die sie aufessen wollen. Daher stellt Salomo die sarkastische Frage: Was hat ihr Besitzer mehr davon als das Nachsehen? (V. 10 heißt wörtlich: "sie mit seinen Augen betrachten"). Salomo hat also erkannt, daß der einzige "Nutzen", den ein Habsüchtiger aus der Zunahme seines Reichtums zieht, eine wachsende Angst und Sorge ist, nicht jedoch eine Vergrößerung seiner Freude an diesen Gütern.



d. Das Bestreben, die Früchte seiner Arbeit anzuhäufen, kann den Menschen ins Unglück stürzen
( 5,12-16 )


Pred 5,12-13


Der Prediger beschließt seine Überlegungen über die Nichtigkeit der Arbeit, indem er auf die Vergänglichkeit ihrer Früchte hinweist und betont, daß das Bestreben, diese Früchte anzuhäufen, nur Unglück bringt. Derartige Bemühungen, die stets von einem völligen Verlust des Erreichten bedroht sind, sind nach Salomo ein böses Übel (oder vielleicht besser "ein bedrückendes Unglück"); das Wort für "böse" ( HNlCh ) hat die Grundbedeutung "krank", und der Begriff für "Übel" ( rAZCh ) wird häufig für ein Unglück oder Mißgeschick gebraucht. Salomo macht seine Erkenntnis am Beispiel eines Menschen deutlich, der seinen Reichtum sorgsam verwahrt und ihn dann durch einen Schaden verliert (derselbe Ausdruck, Zinyan rAZ , ist in Pred 1,13 mit "unselige Mühe" und in Pred 4,8 mit "böse Mühe" übersetzt). Zu einem derartigen Unglück gehören die in Pred 4,17-5,6.7-8 genannten Beispiele, Erfahrungen, wie sie Hiob gemacht hat ( Hi 1,13-19 ), und Fehlinvestitionen. Die Folge eines solchen Schadens ist, daß der Mann nichts mehr hat, was er seinem Sohn hinterlassen könnte ( Pred 5,13 ). Das Anhäufen von Besitz kann für den Reichen also ein böses Geschick bedeuten, das diesen Menschen schließlich ins Grab bringt (V. 13 ). Das ist noch schlimmer, als Reichtum anzuhäufen, ohne zu wissen, wer später darüber bestimmen wird ( Pred 2,18-23 ).



Pred 5,14-16


Aber auch dann, wenn ein Mensch seinen Reichtum nicht verliert, sondern ihn sein ganzes Leben hindurch behalten darf, hat er wenig davon, da er ihn nicht mit ins Grab nehmen kann. Keiner bringt etwas mit in die Welt, und keiner "nimmt" etwas "mit" hinaus (vgl. Ps 49,18 ). Weil ein Mensch die Früchte seiner Mühe in dieser Welt zurücklassen muß, wenn er stirbt, war all sein Tun letztlich umsonst.

Pred 5,15 Was hilft's ihm denn? (wörtl.: Was für einen Gewinn hat er davon; vgl. yiTrOn in Pred 1,3 ) ist eine rhetorische Frage, die zum Ausdruck bringen soll, daß der Mensch sich vergebens ( in den Wind ) geplagt hat. Salomo nennt auch dies ein böses Übel ("ein bedrückendes Unglück"; vgl. 5, 12). Er fügt hinzu, daß das Unglück, das mit dem nichtigen Streben nach Reichtum einhergeht, wie Finsternis sei (er hat im Finstern gegessen ; vgl. die Begriffe Trauer, Gram, Krankheit und Verdruß ). "Grämen" ( HWlI ) ist mit dem Wort für "böse" in den Versen 12.15 verwandt und hat die Grundbedeutung "Krankheit". Hier ist - wie in den Versen 12.15 - die Krankheit der Seele gemeint (vgl. den Kommentar zu V. 12 ).

 

e. Der Mensch kann die Früchte seiner Arbeit nur soweit geniessen, wie Gott es ihm gestattet
( 5,17-6,9 )


Salomo hat die Nichtigkeit der Arbeit deutlich gemacht, indem er das Unheil beschrieb, das häufig mit dem Bestreben, Reichtum anzuhäufen, einhergeht. Nun spricht er erneut die Empfehlung aus, das Leben zu genießen (vgl. Pred 2,24-26;3,12-13.22 ). Aber er warnt auch vor den Hindernissen, die diesen Genuß vereiteln können.

(1) Salomos Empfehlung: Genieße die Früchte deiner Arbeit, soweit Gott es dir gestattet ( Pred 5,17-19 )



Pred 5,17


Im Gegensatz zu dem Unheil ( rAZCh , "Unglück, Mißgeschick"), das mit der Anhäufung von Reichtümern Hand in Hand geht, erklärt der Prediger, daß es für den Menschen gut ( FNB , der Gegensatz zu rAZCh ; das, was Salomo zu einem in Pred 2,1.3 dargestellten "Experiment" veranlaßt hat) und fein (oder "passend, angemessen"; vgl. "schön" in Pred 3,11 ) sei, die Früchte seines Mühens zu genießen und trotz der harten Arbeit guten Mutes zu sein. Dies sei der Teil (das Los) der Sterblichen (vgl. Pred 3,22;5,18;9,9 ).

r

Pred 5,18-19


Der Gewinn aus der Arbeit ( Reichtum und Güter ; vgl. Pred 6,2 ) und die Fähigkeit, fröhlich zu sein bei seinem Mühen (vgl. Pred 8,15 ), sind eine Gottesgabe (vgl. Pred 2,24;3,13 ). Der Ausdruck "sein Teil nehmen" sollte besser übersetzt werden mit "sein Teil empfangen", denn damit würde betont, daß der Mensch sein Los freudig als eine Gabe Gottes entgegennimmt. Diese Fähigkeit, das Leben zu genießen, diese Freude des Herzens, die nur Gott dem Menschen schenken kann, hält diesen davon ab, über die Kürze seines Lebens (vgl. V. 17 ) zu verzweifeln.



Pred 6,1-2


(2) Salomos Warnung: Manche Menschen können die Früchte ihrer Arbeit nicht genießen ( Pred 6,1-9 )

Nach Salomo birgt der Reichtum jedoch auch Unglück. Manche Menschen sind so begütert, daß es ihnen an nichts fehlt - aber Gott erlaubt ihnen nicht, diesen Besitz zu genießen. Andere erfreuen sich an ihrer Stelle daran. Dies lastet schwer auf den Menschen (vgl. Pred 8,6 ). Die Tatsache, daß Salomo nicht näher erklärt, warum manche Menschen ihre Reichtümern nicht genießen können, hat zu sehr unterschiedlichen Deutungen von Vers 2 und seiner Beziehung zu den Versen 3-6 geführt.

Es ist nicht ganz leicht, zu entscheiden, ob die Verse 3-6 die Fortsetzung der Verse 1-2 darstellen oder ob sie, wie viele Ausleger annehmen, einen Gegensatz zum Inhalt dieser beiden Verse bilden. Zwei Gründe sprechen dagegen, zwischen Vers 2 un Vers 3 einen Einschnitt zu machen: (1) Es gibt keinerlei formale Anzeichen für einen solchen Einschnitt. (2) Die Annahme, daß an dieser Stelle zwei Abschnitte vorlägen, stützt sich vor allem darauf, daß der Ausdruck ein Fremder sich kaum auf einen Erben beziehen könne (das hebräische Wort für "Fremder", das im Predigerbuch nur an dieser Stelle vorkommt, bezeichnet bisweilen lediglich eine andere als die eigene Person, wie etwa in Spr 27,2 ). Man deutet diese Stelle also wahrscheinlich richtig, wenn man davon ausgeht, daß die Unfähigkeit eines Menschen, sich an seinen Besitztümern zu erfreuen ( Pred 6,2 ), entweder durch das Unglück verursacht wird, daß ein anderer ihm die Früchte seiner Arbeit raubt ( Pred 5,12-13 ), oder aber durch ein vom Geiz diktiertes lebenslanges Anhäufen dieser Erträge, das den Menschen daran hindert, sich an ihnen zu erfreuen ( Pred 5,14-16 ). Salomo hat beides ein " böses Übel " genannt ( Pred 5,12.15 ). In Pred 6,2 bezeichnet ein ganz ähnlicher Ausdruck den Umstand, daß Gott es einem Menschen verwehrt, seinen Reichtum zu genießen. Die beiden Begriffe ähneln einander zwar, sind aber nicht dieselben, obwohl sie oft mit denselben Worten übersetzt werden. In Pred 5,12.15 steht rAZCh HNlCh , was "böses Übel" oder "bedrückendes Unglück" bedeutet; der Ausdruck in Pred 6,2 lautet HWlI rAZ und bedeutet "schlimmes Leiden" oder "bösartige Erkrankung".



Pred 6,3-6


Die Eitelkeit ungenutzten Reichtums und der Verdruß, den er mit sich bringt, sind für den Menschen schlimmer als das Los einer Fehlgeburt. Die Segnungen eines Reichen werden in Form von Hyperbeln (Übertreibungen) beschrieben: (a) Der Ausdruck "es mangelt ihm nichts, was sein Herz begehrt" (V. 2 ) deutet auf seinen großen Reichtum hin; (b) hundert Kinder besagt, daß er zahlreiche Nachkommen gezeugt hat; (c) ein langes Leben ist ein Zeichen besonderer Gnade. Doch trotz dieser Segnungen bleibt er ohne Grab (dieser Ausdruck kann ein Hinweis auf Unsterblichkeit, aber auch auf Ruhelosigkeit sein; vgl. Ps 49,10 ) und lebt zweitausend Jahre. Die Fehlgeburt wird dagegen mit dem Gedanken der Nichtigkeit in Verbindung gebracht: (a) Sie ist ohne Leben; (b) sie entschwindet in der Finsternis; (c) sie wird vergessen ( ihr Name bleibt von Finsternis bedeckt ), und (d) sie hat Sonne (das Tageslicht) nicht gesehen noch gekannt. Einem Reichen und einer Fehlgeburt wird dasselbe Schicksal zuteil; denn alles ( kOl sollte man eigentlich mit "beide" übersetzen; vgl. Pred 2,14;3,19 und den Kommentar zu 7, 18) fährt dahin an einen Ort (d. h. ins Grab; vgl. Pred 3,20 ). Und dennoch ist das Los einer Fehlgeburt besser als das des Reichen, denn sie hat mehr Ruhe als jener ( Pred 6,5 ), da sie weder Mühe noch Sorge kennt und von keinem Unglück heimgesucht wird - im Gegensatz zu dem mit irdischen Gütern gesegneten Menschen, dessen Seele niemals satt wird.



Pred 6,7


Salomo beschließt seine Schilderung des Elends derer, der sich an ihrem Reichtum nicht erfreuen können, indem er die Empfehlung ausspricht, daß der Mensch mit dem, was er hat, zufrieden sein möge. Mit einer Anspielung auf das Wort "Seele" (dies ist die Grundbedeutung von "Herz") in Vers 2 warnt der Prediger vor der Begierde, die den Menschen dazu treibt, stets mehr zu verlangen, als er bereits besitzt. Die Seele des Menschen, der "nichts" mangelt, was sie "begehrt" (V. 2 ), ist niemals zufrieden (vgl. V. 3 ). In gleicher Weise bleibt sein Verlangen wörtlich: "seine Seele") ungestillt , obwohl der Mensch ja wirklich arbeiten muß, um seine grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen und seinen Magen zu füllen ( Alles Mühen des Menschen ist für seinen Mund) .


Pred 6,8-9


Ein Weiser und sogar ein Armer haben nach Salomo dem Toren nichts voraus. Ein Armer mag vielleicht wissen, wie er in der Welt zurechtkommt ("er versteht, unter den Lebenden zu wandeln"), aber er ist doch anfällig für Wünsche, die über das hinausgehen, was er hat. Also beendet Salomo seine lange Abhandlung über die Nichtigkeit der Arbeit ( Pred 2,18-6,9 ) mit dem Rat, daß ein jeder sich mit dem, was er besitzt, zufrieden geben solle, statt immer größere Ansprüche zu stellen. Es ist besser, zu gebrauchen, was vor Augen ist, als nach anderem zu verlangen (wörtlich: "als das Umherschweifen der Seele"; vgl. V. 2.7 ). Eine andere Übersetzung dieses Satzes lautet: "Was das Auge sieht, ist besser als das, wonach die Seele verlangt". Der Prediger begründet diesen weisen Rat damit, daß das ständige Verlangen nach mehr eitel sei, ein Haschen nach Wind. Die Wendung "Haschen nach Wind", die im Buch Prediger insgesamt neunmal vorkommt, tritt hier zum letzten Mal auf (vgl. Pred 1,14.17;2,11.17.26; 4,4.6.16 ). Dieser Satz eröffnet und beschließt die erste Hälfte des Buches über die Nichtigkeit der menschlichen Errungenschaften.

 

III. Empirische Erörterung über die Nichtigkeit der menschlichen Weisheit
( 6,10-11,6 )


Wie bereits im 3. Abschnitt der Einleitung ("Einheit und Aufbau") angedeutet, wird dieser Teil des Buches von der Wiederholung der Aussage geprägt, daß der Mensch dieses oder jenes nicht wisse, nicht finde oder nicht ergründen könne ( Pred 6,12;7,14.24.28;8,17;9,12;10,14;11,2.6 ). Viele Ausleger haben festgestellt, daß dieser Abschnitt auch von zahlreichen Aufforderungen, Empfehlungen und Anweisungen (z. B. "Es ist gut", Pred 7,18 ,oder "X ist besser als Y"; Pred 7,2.5;9,16.18 ) gekennzeichnet ist. Der zweite Teil des Predigerbuches enthält also viele praktische Ratschläge für das tägliche Leben. Diese werden allerdings im Lichte der ständigen Erinnerung an die Unwissenheit des Menschen hinsichtlich der göttlichen Vorsehung erteilt: Er kann weder Gottes Schöpfungswerk ergründen ( Pred 7,13; vgl. Pred 8,17 ), noch weiß er, was die Zukunft bringen wird (z. B. Pred 10,14;11,2 ). Salomos Empfehlungen sollen die Menschen dazu ermutigen, den Herrn zu fürchten ( Pred 7,18;8,12;12,13 ) und ein Leben zu führen, das ihm gefällt ( Pred 7,26; vgl. Pred 2,26 ).



A. Einleitung: Alles ist auf unwandelbare und unerforschliche Weise vorherbestimmt
( 6,10-12 )


Pred 6,10-12


Der Prediger beginnt seine Abhandlung über die Begrenztheit der menschlichen Weisheit, indem er sich zwei Themen zuwendet, die er schon vorher angeschnitten hat, um die Nichtigkeit der menschlichen Arbeit darzulegen; hierbei handelt es sich um die Unwandelbarkeit ( Pred 1,15;3,14; vgl. Pred 1,9 ) und die Unerforschlichkeit ( Pred 3,11.22 ) der göttlichen Vorsehung. Nach Salomo ist das Wesen alles Seienden - also auch der Menschen - seit langem vorherbestimmt: Was da ist, ist längst mit Namen genannt (vgl. Jes 40,26 ), und bestimmt ist, was ein Mensch sein wird (vgl. Jer 1,5 ). Der Prediger sagt ferner, daß es nutzlos sei, darüber zu disputieren ( er kann nicht hadern ), was Gott vorherbestimmt hat, denn dieser sei dem Menschen zu mächtig; je mehr Worte jener dabei verliere, wenn er mit Gott rechtet, desto mehr Eitelkeit werde er davon haben (vgl. Pred 10,12-15 ). Der Mensch wisse ja schließlich nicht, was für ihn richtig ist und was die Zukunft ihm bringen wird ( Pred 6,12 ). Hier werden wiederum rhetorische Fragen gestellt, auf die eine negative Antwort erwartet wird. Nach Salomos Auffassung ist der Mensch vergänglich. Seine Tage sind kurz, und sie schwinden dahin wie ein Schatten (vgl. den Kommentar zu Hi 14,2 ). Was die Zukunft anbetrifft, so weiß der Mensch weder, was vor seinem Tod geschehen wird ( Pred 7,14 ), noch, was nach seinem Tod ( Pred 3,22 ) kommen wird. Salomo stellt also fest, daß der Mensch seinen Platz in Gottes vorherbestimmten Plan nicht kennt.



B. Der Mensch kann Gottes Plan nicht ergründen
( Pred 7-8 )


In diesen beiden Kapiteln fällt die Wiederholung der Aussage auf, daß der Mensch Gottes Plan nicht ergründen könne ( Pred 7,14.24;8,17;7,28;7,24 ist eine weitere rhetorische Frage). Der unerforschliche göttliche Plan wird mit den Wendungen "die Werke Gottes" ( Pred 7,13 ), "alles Tun Gottes" ( Pred 8,17 ) und "das Tun ... das unter der Sonne geschieht" ( Pred 8,17 ) umschrieben.



1. Der Mensch erkennt die Bedeutung von Unglück und Wohlergehen nicht
( 7,1-14 )


Der Schlüssel zu diesem Abschnitt liegt in Vers 14 a, in dem der Prediger sagt, daß Gott sowohl das Unglück als auch das Wohlergehen schicke und beides so miteinander vermische, daß der Mensch mit seinem begrenzten Verstand nichts von dem erkennen könne, was die Zukunft für ihn bereithält. Konkret bedeutet dies nach Salomo, daß aus Unglück Gutes und aus Wohlergehen Schlechtes hervorgehen kann. Die Folgen des Unglücks bzw. des Wohlergehens hängen allerdings davon ab, wie ein Mensch darauf reagiert, ob er also weise oder töricht handelt. So knüpft Salomo in den Versen 2-4 die positiven Auswirkungen des größten Unglücks, nämlich des Todes, an die Bedingung, daß der Mensch sich angesichts dieses Geschehens weise verhält. In den Versen 11-12 macht er die positiven Auswirkungen des Wohlergehens davon abhängig, ob der Mensch darauf weise reagiert. In den dazwischenliegenden Versen (V. 5-10 ) warnt er davor, daß sowohl das Unglück als auch das Wohlergehen viele Versuchungen in sich bergen, der Weisheit zu entsagen und sich der Torheit zu verschreiben. Interessanterweise verwendet Salomo achtmal das Wort "besser" (V.1 (2x).2-3.5.8(2x).10), um eine mögliche Verhaltensweise gegenüber einer anderen hervorzuheben.



a. Es kommt darauf an, wie der Mensch lebt
( 7,1 )


Pred 7,1


Die Verbindung zwischen den beiden Hälften dieses Verses ist nicht so oberflächlich und unwichtig, wie manche Kommentatoren behaupten. Der Prediger verwendet hier das hebräische Wort für "Öl" (Salbe, Salböl), das ein Symbol der Freude (vgl. Pred 9,8 ) und des Wohlstands (vgl. Hi 29,6 ), aber auch ein Bild für den guten Ruf oder Namen eines Menschen ( Hl 1,3 ) ist. Salomo verbindet die Elemente Freude, Wohlstand und guter Name mit der Vorstellung von Geburt und Tod. Er ist der Meinung, daß es besser sei, sein Leben mit einem guten Ruf zu beenden, als es voll Freude und Hoffnung zu beginnen und es dann durch Torheit zu ruinieren, so daß am Ende nichts Gutes übrigbleibt.

Diese Einführung bereitet den Leser auf die nun folgenden Sprüche vor, in denen Salomo Empfehlungen für ein weises Verhalten in Glück und Unglück gibt (vgl. Pred 7,14 ) und vor der Torheit warnt. Der Prediger hat zwar die Grenzen, die der Tod dem Ruf eines Menschen setzt ( Pred 2,16; vgl. Pred 9,5 ), bereits aufgezeigt und geht später auch auf die Grenzen der Weisheit ein (vgl. Pred 7,23-24;9,11 ), aber damit befürwortet er keineswegs einen törichten Lebenswandel (vgl. sein eigenes Beispiel in Pred 2,3.9-11 ). Immerhin sagt er ja, daß Gott nur den Menschen gestatte, sich ihres Lebens zu freuen, die ihm wohlgefallen ( Pred 2,26 ). Er gibt jedoch zu bedenken, daß diese Freude durch das Wissen darum, daß Gott die Taten eines jeden Menschen richten wird, gedämpft wird ( Pred 11,9; 12,14 ).



b. Es ist weise, über die Kürze des Lebens nachzusinnen
( 7,2-4 )


Pred 7,2-4


Dem Hinweis darauf, wie wertvoll es sein kann, seinen guten Ruf bis zum Tod zu wahren, folgen mehrere Sprüche, in denen der Prediger hervorhebt, wie weise es sei, über die Kürze des Lebens nachzudenken. Er erinnert seine Leser daran, daß der Tod das Ende aller Menschen ist, und er meint, daß der Lebende sich dies zu Herzen nehmen, also darüber nachsinnen solle. Salomo verweilt nun bei dem Begriff "Herz" (dem Sitz des Denkens und des moralischen Entscheidens und Handelns; vgl. Spr 4,23 ); dieses Wort kommt in jedem der Verse 2-4 vor. Er empfiehlt dem Menschen ( Pred 7,4 ), nüchtern über die Kürze des Lebens nachzudenken ( das Herz der Weisen ist dort, wo man trauert ), statt sich dem törichten Vergnügen hinzugeben ( das Herz der Toren ist dort, wo man sich freut ). Daher sei ein Haus, wo man trauert, einem Haus, wo man feiert, vorzuziehen. Auf derselben Ebene liegt Salomos Aussage, daß Trauern besser als Lachen sei.

Das nüchterne Nachsinnen kann dazu führen, daß der Mensch moralisch geläutert wird ( durch Trauern wird das Herz gebessert ). Salomos Rat zielt also auf ein weises, moralisches Verhalten ab, ähnlich wie Ps 90,12 ,wo Mose, nachdem er die Kürze des menschlichen Lebens beklagt hat, sagt: "Lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden." Die moderne Gesellschaft, die von einem, auf die eigene Person konzentrierten Hedonismus beherrscht wird, benötigt dringend eine solche Mahnung.

 

c. Törichtes Vergnügen ist eitel
( 7,5-6 )


Pred 7,5-6


Wenn der Prediger das Vergnügen der Toren - ihre Lieder und ihr Lachen - mit dem Krachen von schnell verbrennenden Dornen unter den Töpfen vergleicht (vgl. Ps 118,12 ), so will er damit sagen, daß er es für eitel und nutzlos hält. Nach Salomo ist es viel förderlicher, sein Leben in Weisheit zu verbringen und auf die ernsten Warnungen hinsichtlich der Kürze des Lebens zu hören, als so zu leben, als ob das Leben ein ununterbrochenes Festbankett wäre ( Pred 7,2-4 ). Es ist besser, diesen Warnungen und Zurechtweisungen des Weisen Aufmerksamkeit zu schenken, als sich einem törichten Vergnügen hinzugeben.



d. Unglück und Wohlergehen bringen Versuchungen mit sich
( 7,7-10 )


Pred 7,7


Salomo hatte die Empfehlung ausgesprochen, daß es weise sei, das Leben im Bewußtsein seiner kurzen Dauer zu verbringen und die Warnungen der Weisen zu beachten. Nun warnt er seine Leser davor, daß sowohl das Unglück als auch das Wohlergehen häufig die Versuchung mit sich bringe, einen von Weisheit geprägten Lebensstil aufzugeben und wie ein Tor zu leben. Noch einmal bedient sich der Prediger des Begriffs "Herz" (vgl. den Kommentar zu V. 3-4 ), indem er sagt, daß die Versuchung des Wohlstandes auch das Herz des Weisen verderben könne, denn dieser könne sich auf Bestechung einlassen. Ferner gebe er möglicherweise dem Druck nach, den die Ungerechtigkeit erzeugt. Das Unrecht (das ist die übliche Bedeutung des hebräischen Wortes für unrechter Gewinn , vgl. Pred 4,1;5,7 ) könne ihn zum Toren machen.



Pred 7,8-10


Nach Salomo vermag auch ein Unglück den Menschen dazu zu verleiten, den Lebensstil eines Toren zu übernehmen. Der Betreffende wird vielleicht ungeduldig (V. 8 ), Ärger überkommt ihn (V. 9 ), oder er beklagt sich über sein Schicksal und wünscht die früheren, besseren Tage zurück (V. 10 ). Vielleicht verführt ihn auch ein günstiger Anfang dazu, hochmütig zu werden und dadurch Unglück auf sich zu ziehen (V. 8 ). All diese falschen Reaktionen stehen der demütigen Haltung entgegen, die der Mensch angesichts der göttlichen Allmacht einnehmen sollte (V. 13 ). Wer sich zu jenen Reaktionen hinreißen läßt, handelt daher töricht (V. 9 b) und ohne Weisheit (V. 10 b).



e. Wohlergehen ist nützlich, wenn man weise damit umgeht
( 7,11-12 )


Pred 7,11-12


Wenn Wohlergehen Hand in Hand mit Weisheit geht, kann es dem Menschen sehr nützlich sein. Salomo stellt fest, daß Weisheit ein zusätzlicher Segen neben dem Wohlstand sein kann. ( Weisheit ist gut zusammen mit einem Erbgut). Weisheit beschirmt den Mensch (wörtlich: "bietet ihm Schatten"; vgl. "Schutz" in 4Mo 14,9 ) und erhält das Leben dem, der sie hat . Wenn auch die äußeren Umstände die gleichen sind, so wird doch der Mensch, der einen törichten Lebensstil meidet, länger leben (vgl. Pred 7,17; Spr 13,14 ).



f. Gottes Vorsehung ist unwandelbar und unerforschlich
( 7,13-14 )


Pred 7,13-14


Salomo beschließt seine Betrachtung über die weise Reaktion auf Unglück und Wohlergehen, indem er seine Leser daran erinnert, daß Gott in seiner Allmacht dem Menschen beides zuteilen kann und daß der Plan, nach dem er Unglück schickt und Wohlergehen schenkt, unwandelbar (vgl. Pred 3,14 ) und unerforschlich ist. Die Menschen mögen zwar an Gottes Ratschluß (an dem, was Gott geschaffen hat) herumnörgeln, aber es kann doch keiner das ändern, was er für falsch oder ungerecht hält ( wer kann das gerade machen, was er krümmt? ). Auch verbindet Gott Unglück und Wohlergehen so miteinander, daß der Mensch nicht wissen kann, was künftig ist (vgl. Pred 8,7;10,14 ). Daher spricht Salomo die Empfehlung aus, daß ein jeder sich in Gottes Allmacht fügen, an den guten Tagen guter Dinge sein und an bösen Tagen bedenken solle, daß das Unglück unerforschliche Absichten widerspiegelt, die über den begrenzten Verstand des Menschen hinausgehen (vgl. Pred 8,17 ).



2. Der Mensch erkennt die Bedeutung von Gerechtigkeit und Weisheit nicht
( 7,15-29 )


Die Aussage dieses Abschnittes ist häufig mißverstanden worden. Das mag daran liegen, daß man häufig zwischen diesem und dem vorhergehenden Abschnitt (V. 1-14 ) keine Verbindung hergestellt und nicht erkannt hat, daß Salomo hier gegen eine falsche Vorstellung ankämpft, und zwar gegen die der radikalen Vergeltung, welche von manchen Weisheitslehrern seiner Zeit verkündet wurde (vgl. Hi 4,7-9; 8,20; 34,11-12; 36,6-7 als Beispiele für diese einseitige Auffassung über die Vergeltung bei Hiobs Freunden).

Der Prediger sagt, daß weder das Wohlergehen (vgl. Pred 7,11-12 ) ein sicheres Zeichen für Gottes Wohlgefallen, noch das Unglück (vgl. V. 2-4 ) ein Zeichen für seinen Zorn sei. Salomo hat beobachtet, daß es Gottlosen wohlerging und daß Gerechten Unheil widerfuhr (V. 15 ). Nach seiner Meinung kann sich daher niemand darauf verlassen, daß er für seine Gerechtigkeit belohnt würde (V. 16 ). Ferner ist es nach Salomo unmöglich, vollkommen gerecht zu sein, denn kein Mensch ist so gerecht, daß er die Sünde stets meiden kann (V. 20 ), oder so weise, daß er den Fallen der Bosheit und Torheit immer entgehen kann (V. 26 -28 ). Außerdem ist niemand weise genug, um Gottes Wege zu verstehen (V. 24 ).



a. Verlass dich nicht auf deine Gerechtigkeit, und lebe nicht gottlos!
( 7,15-18 )


Diese Verse zeigen dem Menschen, wie er angesichts der Unerforschlichkeit des göttlichen Planes, nach dem der Herr bald Wohlergehen, bald Unglück schickt, sein Leben gestalten soll. In Anbetracht der Ausnahmen vom Prinzip der Vergeltung, die Salomo beobachtet hat (V. 15 ), rät er seinen Lesern, sich nicht auf die eigene Gerechtigkeit zu verlassen (V. 16 ). Gleichzeitig warnt er jedoch davor, dem risikoreichen Weg der Bosheit zu frönen (V. 17 ).



Pred 7,15


Der Prediger sagt, er habe in seinem kurzen, rasch dahinschwindenden Leben (die Übersetzung eitlen Leben ist nicht so treffend; vgl. den Kommentar zu Pred 3,19;6,12 ) Ausnahmen von der Regel gesehen, daß Gott den Gerechten belohnt und den Gottlosen bestraft. Er habe beobachtet, wie ein Gerechter zugrunde ging, während ein Gottloser lange lebte. Das Wort "in" in den Ausdrücken in seiner Gerechtigkeit und in seiner Bosheit kann auch "trotz" bedeuten. Die Ausdrücke " in seiner Gerechtigkeit " und " in seiner Bosheit " stehen der üblichen Auffassung entgegen, daß der Prediger in Pred 7,16 vor kleinlicher Gesetzeserfüllung und pharisäerhafter Selbstgerechtigkeit warne. Denn dies wäre eindeutig eine Sünde, die auch Salomo als solche bezeichnen würde. Dieser konzentriert sich hier jedoch auf echte , nicht auf scheinbare Ausnahmen von dem Prinzip der Vergeltung (vgl. Pred 8,10-14 ,wo diese Lehre noch einmal erörtert wird).



Pred 7,16-18


Diese Verse sind im allgemeinen als Regel von "der goldenen Mitte" d. h. als Aufforderung zu einem gemäßigten Lebensstil ausgelegt worden; der Mensch solle nicht in übereifriger Weise nach Gerechtigkeit streben, sich aber auch nicht zu sehr in die Sünde verstricken, wobei die hier erwähnte Gerechtigkeit im allgemeinen als pharisäerhafte Selbstgerechtigkeit verstanden wird. Eine solche Interpretation kann diese Verse jedoch nicht in angemessener Weise zu Salomos Widerlegung der Ansicht, daß Gott unter strikter Anwendung des Prinzips der Vergeltung Unglück und Wohlergehen zuteile, in Beziehung setzen. Außerdem ist die korrekte Bedeutung des Verbes tiSSNmEm (von SAmEm ) zu beachten. Man hat dieses Verb zwar fast immer mit "sich selbst zugrunde richten oder ruinieren" übersetzt, aber diese Bedeutung hat das Verb an keiner anderen Stelle. Vielmehr bedeutet es sonst "entsetzt oder verwundert sein" (vgl. Dan 8,27; Ps 143,4 ). Dies stimmt genau mit Salomos Gedankengang überein. Der Prediger warnt seine Leser davor, nicht allzu gerecht und nicht allzu weise zu sein, "damit du nicht bestürzt bist oder dich verwunderst". Nach Salomo soll sich der Mensch nicht darauf verlassen, daß seine Gerechtigkeit oder Weisheit ihm den Segen Gottes einbringen werde, denn möglicherweise wird etwas geschehen, das ihn mit Bestürzung, Entsetzen oder Enttäuschung erfüllt; dies war ja auch bei den Gerechten der Fall, deren Untergang Salomo mit angesehen hat ( Pred 7,15 ).

Die Tatsache, daß Gott in manchen Fällen die Sünder nicht bestraft (vgl. V. 15 b), stellt natürlich keine Aufforderung zum Sündigen dar ( Sei nicht allzu gottlos , V. 17 ); Gott könnte die Frevler zu einem späteren Zeitpunkt richten, und er könnte sie sterben lassen, bevor ihre Zeit gekommen ist ( du sterbest vor deiner Zeit ; vgl. Ps 55,23 ). Der Prediger beendet seine Erörterung zu diesem Thema, indem er darauf hinweist, daß es gut sei, auf beide Warnungen zu hören. Er prophezeit dem, der Gott fürchtet (vgl. Pred 3,14;5,7;8,12;12,13 ), daß er dem allen (oder vielleicht besser "beidem") entgehen werde ( Pred 7,18 ). Ebenso wie in Pred 2,14 und Pred 3,19 kann das hebräische Wort kOl auch hier sowohl "beides" als auch "alles" bedeuten. Die beiden Dinge, vor denen ein Mensch sich hüten sollte, sind: (a) das zu große Vertrauen auf die eigene Gerechtigkeit und (b) der unmoralische Lebensstil des Gottlosen.

Man darf aus Salomos Rat in Pred 7,16-18 nicht schließen, daß er empfiehlt, Gottes Geboten nur halbherzig zu gehorchen, oder den Rat gibt, ein wenig Sünde oder Torheit im Leben zuzulassen. Der Prediger glaubt zwar, daß niemand vollkommen gerecht sein (V. 20 ) oder die Torheit ganz und gar vermeiden könne (vgl. den Kommentar zu V. 26-29 ), aber er gibt niemals den Rat, töricht oder gottlos zu sein. Vielmehr fordert er den Menschen dazu auf, im Bewußtsein des göttlichen Gerichtes zu leben ( Pred 11,9;12,14 ). Er hat zwar Ausnahmen vom Vergeltungsprinzip beobachtet ( Pred 7,15;8,10-11 ), glaubt aber dennoch, daß der Herr die Menschen richten wird ( Pred 3,17;8,12-13 ). Salomo ist sich lediglich über den Zeitpunkt des göttlichen Gerichtes im unklaren; er weiß jedoch, daß dieses Gericht zu Gottes Zeit ergehen wird ( Pred 3,17; vgl. Pred 3,11 ). Daher rät er den Menschen, Torheit und Gottlosigkeit nach besten Kräften zu meiden und so weise und gerecht wie möglich zu leben.



b. Trotz ihres hohen Wertes bietet die Weisheit keinen angemessenen Schutz
( 7,19-24 )


Der Prediger hat erkannt, daß die Gerechtigkeit dem Menschen keinen zuverlässigen Schutz bietet, weil das Prinzip der Vergeltung nicht immer wirksam ist (V. 15 ). Nun fügt er hinzu, daß niemand wirklich gerecht sei (V. 20-22 ). Ebenso gibt er zwar zu, daß die Weisheit den Menschen schützt (V. 19 ), macht aber anhand seiner eigenen Erfahrung deutlich, daß es unmöglich ist, vollkommene Weisheit zu erlangen (V. 23-24 ).



Pred 7,19


Weil die Gerechtigkeit die Menschen nicht in jedem Fall vor Unglück bewahren kann (wie in V. 15-16 dargelegt wurde), benötigen jene nach Salomo einen weiteren Schutz, und zwar den der Weisheit. Der Prediger versichert, daß Weisheit mehr Sicherheit als militärische Stärke biete: Die Weisheit macht den Weisen stärker als zehn Gewaltige, die in der Stadt sind (als Beispiel hierfür vgl. Pred 9,13-18; vgl. Spr 21,22 ).


Pred 7,20-22


Wie dringend der Mensch Weisheit benötigt, wird hier durch die hebräischen Partikel kI ("denn", "weil", "in der Tat") ausgedrückt. Salomo stellt fest, daß Weisheit notwendig ist, "denn" Gerechtigkeit allein ist unwirksam. Niemand ist wirklich gerecht; niemand tut immer nur Gutes und bringt es fertig, nicht zu sündigen. Daß es auf Erden keine wahre Gerechtigkeit gibt, wird am Beispiel des Knechtes (V. 21 ) und des Predigers selbst (V. 22 ) deutlich: Beide haben anderen geflucht.



Pred 7,23-24


Salomo fügt jedoch sogleich hinzu, daß auch die Weisheit begrenzt sei. Er habe zwar selbst seine ganze Weisheit (für die er berühmt war) aufgeboten ( Pred 1,16 ), um den unerforschlichen Plan zu ergründen, nach dem Gott den Menschen Unglück und Wohlergehen zuteilt ( Pred 7,1-18 ), doch obwohl er weise werden wollte (V. 23 ), wurde ihm klar, daß echte Erkenntnis ihm noch sehr ferne lag. Der Prediger bemerkt, daß kein Mensch das Wesen der Dinge ergründen könne (V. 24 ). Alles, was da ist, liegt jenseits ( fern ) unseres Vorstellungsvermögens und ist unendlich tief. Der hebräische Ausdruck mah S+hAyCh "was da ist" bedeutet auch: "was gewesen ist" oder "was geschehen ist" (vgl. Pred 1,9;3,15;6,10 ).



c. Es gibt auf Erden keine wirkliche Gerechtigkeit und keine echte Weisheit
( 7,25-29 )


Dieser Abschnitt ist häufig falsch ausgelegt worden, weil man den Weisheitsbegriff des Predigers nicht verstanden hat. Im Gegensatz zu der Auffassung vieler moderner Kommentatoren besitzen die in diesen Versen verwendeten Begriffe eine moralische und ethische Dimension. Bei Wendungen und Ausdrücken wie "wer Gott gefällt" (V. 26 ), "Sünder" (V. 26 ) und "aufrichtig" (V. 29 ) ist dies offensichtlich. Aber auch der Ausdruck "Torheit" ist (ebenso wie in den Sprüchen) im Grunde genommen ein Synonym für "Gottlosigkeit" oder "Bosheit" (V. 25 ), und "Weisheit" (V. 25 ) ist eigentlich ein Synonym für "Gerechtigkeit". "Weisheit" bedeutet hier, daß ein Mensch in einer moralischen Angelegenheit klug und geschickt handelt, während der Begriff der "Torheit" die Unvernunft in einer moralischen Angelegenheit bezeichnet (vgl. Spr 1,2-3; Pred 2,1-3 mit Spr 2,9-11 ).

Ein korrektes Verständnis dieses Abschnittes hängt auch davon ab, ob man erkennt, daß Salomo die Torheit personifiziert, so wie er es in Spr 1-9 tut. Die Frau, die einem Netz gleicht ( Pred 7,26 ), ist "Frau Torheit", die in den Sprüchen als Ehebrecherin beschrieben wird (vgl. Spr 9,13-17 mit Spr 7; vgl. auch Sach 5,7-8 ). Bei seiner Suche nach Weisheit ( Pred 7,25 ) hat der Prediger herausgefunden, daß sich dem Zugriff der Torheit, die doch ein schlimmeres Los als der Tod ist, nur diejenigen entziehen können, die Gott wohlgefallen (V. 26 ). Ebenso hat er festgestellt, daß die Zahl dieser Auserwählten verschwindend gering ist (V. 28 ). Salomo macht jedoch nicht Gott, sondern den Menschen für diese Situation verantwortlich.



Pred 7,25


Dieser Vers ähnelt von der Ausdrucksweise her Salomos Beschreibung seines früheren Nachsinnens über die Beziehung zwischen Weisheit und Torheit ( Pred 2,12-17 ). Er hat bereits anhand eigener Erfahrungen die Begrenztheit der Weisheit aufgezeigt ( Pred 7,23-24 ). Nun berichtet er von seiner Untersuchung über den Wert der Weisheit in Beziehung zur Gottlosigkeit und zur Torheit; diese Untersuchung hat ihn in seiner Meinung bestärkt, daß die Weisheit begrenzt sei. Die Synonyme erfahren wollen, erforschen und suchen betonen, wie eifrig Salomo sich bemüht hat, Weisheit und Einsicht zu erlangen. Während dieser eifrigen Suche hat Salomo gehofft, zu erkennen, wie unsinnig und närrisch Gottlosigkeit und Torheit wirklich sind.


Pred 7,26


Bei seiner Untersuchung hat der Prediger mehrere Entdeckungen gemacht. Erstens hat er erkannt, daß "Frau Torheit" noch schlimmer ( bitterer ) ist als der Tod. Sie ist wie ein Fangnetz und wie Stricke, da sie einen Menschen gleichsam mit Fesseln bindet (vgl. Spr 2,18-19;5,3-6;7,24-26 ). Zweitens hat Salomo festgestellt, daß nur der Mensch, der Gott gefällt (vgl. Pred 2,26 ), ihr entrinnen kann.



Pred 7,27-28


Salomo hat bei seinem fortwährenden Streben nach Erkenntnis noch eine weitere Entdeckung gemacht, und zwar die, daß es nahezu unmöglich ist, einen aufrichtigen Menschen zu finden. Daß dies die Grundaussage der dritten Entdeckung Salomos ist, mag nicht ohne weiteres einleuchten, denn verschiedene Faktoren erschweren das Verständnis dieser Zeilen: (a) Vers 28 b ist eine Ellipse, (b) der Parallelismus des Verses verleitet zu Mißverständnissen, und (c) man muß die Stilfiguren an dieser Stelle beachten. Wenn der Prediger sagt, daß er u nter tausend nur einen Mann gefungen habe , legt er damit nicht genau fest, was er mit "Mann" meint. Das hebräische Wort dafür lautet ?ADAm ; es bezeichnet den Menschen als Gattung und ist zugleich der Eigenname Adam. Nach Ansicht einiger Ausleger will Salomo hier zum Ausdruck bringen, daß kein Mensch so gut sein könne, wie er gerne möchte, d. h. wie Adam vor dem Sündenfall. Vermutlich geht es dem Prediger jedoch darum, zu betonen, daß ein "Mensch, der Gott gefällt", nur selten, nämlich einmal unter tausend Menschen zu finden sei (vgl. Hi 9,3;33,23; hier wird die gleiche Hyperbel verwendet).

Salomo fügt hinzu, daß er noch nicht einmal ein solches Weib gefunden habe. Dies bedeutet nicht, daß einer von tausend Männern, aber keine einzige Frau Gott gefällt. Eine solche Aussage ergäbe in diesem Zusammenhang wohl kaum einen Sinn. Vielmehr liegt wie in den beiden letzten Sätzen von Pred 7,28 (a) ein komplementärer Parallelismus vor, bei dem der Gattungsbegriff ?ADAm ("Mensch") auch das weibliche Geschlecht im Sinne von "Menschheit" mit einschließt, sowie (b) eine Art abgestufte numerische Folge, wobei der zweite Begriff den Höhepunkt markiert (vgl. Spr 30,15.18.21 ). Durch die Verwendung des Parallelismus und der numerischen Sequenz betont Salomo seine Aussage, daß aufrichtige Menschen (ob es sich nun um Männer oder um Frauen handelt) nicht nur selten, sondern im Grunde gar nicht zu finden seien: Auch nicht einer unter ihnen allen. Für diese Interpretation spricht auch die Tatsache, daß in Pred 7,29 b für das Wort "Mensch" (im Hebräischen ebenso wie in unserer Übersetzung) das Pronomen "sie" steht, welches sich auf Männer und Frauen bezieht.



Pred 7,29


Der Prediger stellte jedoch gleich darauf fest, daß der Grund für die allgemeine Verderbtheit des Menschen bei ihm selber und nicht bei Gott liegt. Gott hat den Menschen ( ?ADAm ; vgl. V. 28 ) aufrichtig gemacht, aber sie (d. h. Männer und Frauen) suchen viele Künste . Mit anderen Worten: Obwohl die Menschen Gottes Plan nicht kennen, verfolgen sie unbekümmert ihre eigenen Pläne, was zur Folge hat, daß ihnen echte Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit und Weisheit fehlen und sie Gott nicht wohlgefallen.



3. Der Mensch durchschaut das Prinzip der göttlichen Vergeltung nicht
( Pred 8 )


Der Schlüssel zur richtigen Auslegung dieses Kapitels liegt im Verständnis der Beziehung, die zwischen seinen beiden Teilen besteht. Das Kapitel beginnt mit einer Frage und einer Feststellung, die den Wert der Weisheit hervorheben (V. 1 ), und endet damit, daß der Prediger die Begrenztheit der Weisheit anerkennt (V. 17 ). Nach Salomo befähigt die Weisheit den Menschen, dem Zorn des Königs zu entgehen (V. 2-9 ), aber auch ein Weiser kann die Geheimnisse der göttlichen Gerechtigkeit nicht ergründen (V. 10-17 ).



a. Ein Weiser kann dem Zorn des Königs entgehen
( 8,1-9 )


Der Prediger geht davon aus, daß der König absolute Autorität besitzt (vgl. Spr 24,21-22 ) und daß die Untertanen sich ihm gegenüber gesittet benehmen sollten, damit er nicht in Zorn gerät. (vgl. Spr 14,35;16,14;20,2 ).



Pred 8,1


1) Ein Weiser versteht es, sich richtig zu benehmen ( Pred 8,1 )

Der Weise zeichnet sich nach Salomo durch sein gutes Benehmen aus. In zwei rhetorischen Fragen betont der Prediger, daß nur ein Weiser eine Situation richtig einschätzen und entsprechend handeln könne. Nur er versteht, etwas zu deuten (wörtlich: "erkennt die Deutung der Dinge"). Das Nomen pESer ("Deutung") kommt im Hebräischen nur an dieser Stelle vor. Im aramäischen Teil des Buches Daniel bezieht es sich auf die Auslegung der Träume (vgl. Dan 5,12 ). Hier gehört es zu dem hebräischen Begriff dABAr ("Sache, Angelegenheit"), der in manchen Übersetzungen mit "Dinge" wiedergegeben wird. Der Weise behandelt jedermann freundlich und meidet ein schroffes Verhalten, das ihm, wie er weiß, nur schaden würde (vgl. Spr 14,35 ). Die Aussage der beiden letzten Sätze von lautet, daß die Einstellung eines Menschen zu seiner Umwelt sich in seinem Angesicht oder in seiner Erscheinung widerspiegelt.


Pred 8,2-4


2) Gehorsam gegenüber dem König ist von allergrößter Wichtigkeit

Salomo nennt nun einige Beispiele für richtiges Verhalten gegenüber dem König. Ein König hat große Autorität; er tut alles, was er will , sein Wort ist Gewalt , und niemand darf zu ihm sagen: Was machst du da? (vgl. Hi 9,12; Jes 45,9 ,wo dasselbe von Gott ausgesagt wird) Deshalb sollten die Menschen auf das Wort des Königs achten und sich nicht um einer bösen Sache willen gegen ihn auflehnen.


Pred 8,5-9


3) Richtiges Verhalten wendet Verhängnis ab



Pred 8,5-7


Der Prediger versichert, daß der Gehorsam gegenüber dem Gebot eines Königs den Menschen von einer bösen Sache fernhalte. Salomo empfiehlt den Weg der Weisheit, indem er sagt, daß des Weisen Herz wisse, wie man am besten handelt und wann man sein Vorhaben ausführen sollte ( weiß um Zeit und Gericht ). Diese Weisheit ist nach Salomo vonnöten, weil dem Menschen ( ?ADAm ist der allgemeine Begriff für Mensch) sonst Schlimmes widerfährt ( des Menschen Bosheit liegt schwer auf ihm ). Das Wort für "Bosheit" ( rAZCh ) ist mit dem Begriff für "böse Sache" ( rAZ ) in Vers 5 verwandt. Diese Bosheit bedroht den Menschen, weil er nicht weiß, "was geschehen wird" und "wie es werden wird" (V. 7 ).

 

Pred 8,8-9


Diese Bedrohung ist die unvermeidliche Folge der Gottlosigkeit, die auf mangelnder Erkenntnis beruht: Wie der Mensch den Wind aufhalten (vgl. Spr 27,16 ), den Tag des Todes hinausschieben und verschont bleiben kann, wenn er sich mitten im Kampf befindet, vermag er sich den Folgen seiner Gottlosigkeit zu entziehen. Die drei ersten Sätze von Pred 8,8 stehen im Hebräischen parallel zueinander und in einem komparativen Verhältnis zum letzten Satz. Salomo hat dies beobachtet, als er sein Herz auf alles Tun unter der Sonne (vgl. den Kommentar zu Pred 1,3 ) richtete (vgl. Pred 1,17;8,16 ).

Das Unheil, von dem der Prediger hier spricht, resultiert aus dem Zorn des Herrschers (einem Verhängnis, dem ein Weiser entgehen kann, wenn er sich richtig verhält; vgl. Pred 8,1 ); dies wird aus Vers 9 deutlich, wo Salomo auf einen König Bezug nimmt, der über andere herrscht zu ihrem Unglück.



b. Auch ein Weiser kann Gottes Gericht nicht verstehen
( 8,10-17 )


Dieser Abschnitt wird häufig mißverstanden, weil die Verse 16-17 häufig von ihm abgetrennt und an Pred 9,1-11,6 angeschlossen werden (vgl. z. B. Christian D. Ginsburg, The Song of Songs and Coheleth, S. 406). Aber die erneute Erwähnung der Tatsache, daß Gottes Tun nicht ergründet werden kann ( Pred 8,17; vgl. Pred 7,14.28 ), spricht für den Anschluß der Verse 16-17 an die Verse 10-15 .

Hinzu kommt, daß Vers 1 ("der Weise ... versteht") und Vers 17 ("ein Mensch [kann] nicht ergründen" und "der Weise ... kann ... nicht finden") die übrigen Verse einrahmen. Vers 16-17 beziehen sich somit vorrangig auf das Geheimnis des göttlichen Gerichtes.

(1) Warum wird die Gottlosigkeit nicht immer bestraft? ( Pred 8,10-14 )



Pred 8,10-12 a


Der Prediger hat festgestellt, daß die Gottlosigkeit nicht immer bestraft wird (vgl. Pred 3,16;4,1 ). Er hat Gottlose gesehen, die nach ihrem Tod begraben wurden und zur Ruhe kamen , während Gerechte aus dem Tempel ( von heiliger Stätte ) vertrieben und vergessen wurden. Salomo versichert, daß ein solcher Gegensatz zum Prinzip der Vergeltung eitel ( heBel ; vgl. Pred 1,2 ) (d. h. rätselhaft) sei, und beklagt den Umstand, daß ein Sünder ungestraft freveln kann ( hundertmal Böses tut und lange lebt ; Pred 8,12 ). Nach Salomo führt die mangelnde Bestrafung des Bösen (z. B. Weil das Urteil über böses Tun nicht sogleich ergeht , V. 11 ) dazu, daß noch mehr gesündigt wird, denn das Herz der Menschen ist voll Begier, Böses zu tun (vgl. Pred 7,29 ).



Pred 8,12-14 (Pred 8,12b-14)


Diese Verse sind im Hebräischen nur ein einziger langer Satz. Vers 14 ist der Hauptsatz, während die Verse 12 b. 13 einen Nebensatz bilden, welcher mit der hebräischen Partikel gam ("aber", "dennoch"), gefolgt von den Worten ich weiß eingeleitet wird. Der Prediger glaubt fest an das Prinzip der Vergeltung: Denen, die Gott fürchten, wird es wohlergehen (vgl. Pred 3,14;5,6;7,18;12,13 ), die Gottlosen aber werden nicht lange leben (vgl. Spr 2,22;10,27;29,1 ). Doch Salomo hat auch Ausnahmen von dieser Regel beobachtet. Er hat Gerechte gesehen, denen geht es, als hätten sie Werke der Gottlosen getan, und Gottlose, denen geht es, als hätten sie Werke der Gerechten getan . Der Prediger betont nachdrücklich, daß ein solcher Widerspruch in der Zuteilung der göttlichen Gerechtigkeit ein Rätsel ( eitel ) sei (vgl. Pred 8,10; das Wort "eitel" rahmt V. 14 ein).



Pred 8,15


(2) Freu dich des Lebens, das Gott dir schenkt

Salomo hat deutlich gemacht, daß es rätselhafte Widersprüche bei der Anwendung des Vergeltungsprinzips gibt - Gerechtigkeit wird nicht immer belohnt und Gottlosigkeit nicht immer bestraft. Manchmal geht es dem Gottlosen gut, während dem Gerechten Unglück widerfährt. Noch einmal spricht der Prediger die Empfehlung aus, sich des Lebens zu freuen. Für den Menschen sei es am besten, die Früchte seiner Arbeit zu genießen ( zu essen und zu trinken; vgl. Pred 2,24;3,13;5,18 ) und fröhlich zu sein (vgl. Pred 3,12;5,18-19 ). Er stellt auch fest, daß diese Freude ihm seine Arbeit erleichtert ( Das bleibt ihm bei seinem Mühen ). Wie aus den früheren Aussagen zu diesem Thema hervorgeht (vgl. Pred 2,24-26;3,12.22;5,18-19 ), predigt Salomo hier keinen epikuräischen Hedonismus, der sich auf Verzweiflung gründet, sondern er rät dem Menschen, sich mit seinem Los zufrieden zu geben. Der Mensch hat über Unglück und Wohlergehen nicht zu bestimmen und kann nicht wissen, was die Zukunft ihm bringen wird; dennoch sollte er die Freuden eines jeden Tages als eine Gabe aus Gottes Hand empfangen und genießen ( Pred 3,13;5,18 ). All dies soll unter der Sonne geschehen (dieser Ausdruck kommt in Pred 8,15 zweimal vor; vgl. den Kommentar zu Pred 1,3 ).



Pred 8,16-17


(3) Kein Mensch kann Gottes Vorsehung begreifen ( Pred 8,16-17 )

Salomo beschließt seine Betrachtung über die rätselhaften Widersprüche bei der göttlichen Vergeltung in ganz ähnlicher Weise, wie er seine Erörterung der Bedeutung von Unglück und Wohlergehen ( Pred 7,1-14 ) und der Bedeutung von Gerechtigkeit und Weisheit ( Pred 7,15-29 ) beschlossen hat. Er weist nämlich erneut darauf hin, daß der Mensch Gottes Wege nicht begreifen könne (vgl. Pred 7,14 b.28 a). Nachdem er sich darum bemüht hat ( Ich richtete mein Herz darauf ; vgl. Pred 1,17;8,9 ), Weisheit zu erlangen und das Tun des Menschen zu ergründen, zieht er den Schluß, daß der Mensch Gottes Werk nicht erkennen könne (die Sätze alles Tun Gottes und das Tun, das unter der Sonne geschieht sind gleichbedeutend). Durch dreimalige Verwendung der Negation ("nicht" [2x], "desto weniger", V. 17 ) und die suggestive Wiederholung seiner Grundaussage ( ein Mensch kann ergründen ... desto weniger findet er ... so kann er's doch nicht finden ) macht der Prediger noch einmal die Unerforschlichkeit der Wege des Herrn deutlich ( Pred 3,11; vgl. Jes 55,9; Röm 11,33 ). Es nützt dem Menschen auch nichts, wenn er sich müht, ein Weiser ist oder vorgibt, Gottes Pläne zu durchschauen.


C. Der Mensch kennt die Zukunft nicht
( 9,1-11,6 )


Auch dieser Abschnitt wird von der Wiederholung der Aussage, daß der Mensch unwissend sei (vgl. Pred 9,1.12;10,14;11,2.6 ), gekennzeichnet. Salomo legt dar, daß der Mensch unfähig sei, vorherzusagen, was mit ihm geschehen wird, sei es nun etwas Gutes oder etwas Schlechtes (vgl. Pred 9,1 ). Ebensowenig wisse er, ob er mit seinem Tun Erfolg haben wird oder nicht (vgl. Pred 9,11-12;11,2.6 ). Die Formel "kein Mensch weiß" (o.ä.) bzw. "du weißt nicht" dient nicht, wie einige Ausleger glauben, als Schluß der Unterabschnitte, sondern als deren Einführung , wie aus Pred 9,1 und Pred 11,2 hervorgeht.



1. Niemand weiß, was mit ihm geschehen wird
( 9,1-10 )


a. Zusammenfassung: Kein Mensch weiss, was ihn erwartet
( 9,1 )


Pred 9,1


Dieser Vers steht in enger Beziehung zu Pred 8,2-10 ,was manche Übersetzungen auch deutlich erkennen lassen. Denn ich habe das alles zu Herzen genommen, um dies zu erforschen: Gerechte und Weise und ihr Tun sind in Gottes Hand. Das, was der Prediger sich "zu Herzen genommen" hat, ist die Unfähigkeit des Menschen, die Bedeutung von Gerechtigkeit und Bosheit in Gottes souveränem Plan zu erfassen ( Pred 7-8 ). Salomo ist zu der Überzeugung gelangt, daß der Mensch nicht der Herr seines eigenen Geschickes ist; vielmehr sind sein Leben und "Tun" Gottes souveränem Willen unterworfen (er ist "in Gottes Hand"; vgl. Spr 21,1 ,wo dieses Bild in ähnlicher Weise gebraucht wird). Weil der Mensch die göttliche Vorsehung nicht kennt, weiß er weder, ob es ihm wohlergehen wird oder nicht, noch kann er vorhersagen, ob er Liebe oder Haß erfahren wird (in Mal 1,2-3 werden diese beiden Begriffe in ähnlicher Weise gebraucht).



b. Alle Menschen sind demselben Schicksal unterworfen
( 9,2-3 )


Pred 9,2-3


Salomo untermauert die Aussage, daß niemand wisse, was ihn erwartet (V. 1 ), mit der Feststellung, daß allen Menschen dasselbe begegnet. Hinsichtlich der Frage, wie dieses gemeinsame Schicksal geartet sei, besteht allerdings Unklarheit, denn häufig wurde der Anfang von Vers 2 nicht mit dem Ende von Vers 1 in Beziehung gesetzt. Die Aussage über das gemeinsame Los bezieht sich auf "Liebe und Haß" sowie Unglück und Wohlergehen (also das, worüber man nach V. 1 nicht bestimmen kann). Im Hebräischen heißt es hier wörtlich: "Ob es Liebe oder Haß sein wird, weiß kein Mensch; beides (also die Liebe und der Haß - zur Bedeutung von kOl vgl. Pred 2,14;3,19;7,18 ) liegt vor ihnen" (d. h. vor dem Gerechten und dem Weisen, Pred 9,1 ). Jeder Mensch erfährt sowohl Liebe als auch Haß; es gibt nur ein Geschick, das dem Gerechten wie dem Gottlosen widerfährt. Diese Gleichheit des Schicksals gilt für den Guten wie für den Sünder, für den rituell Reinen wie für den rituell Unreinen; sie gilt für den, der opfert, ebenso wie für den, der nicht opfert, und für den, der sich scheut, Gottes Namen bei einem Eid zu gebrauchen (vgl. 2Mo 20,7 ,"den Namen des Herrn mißbrauchen"), ebenso wie für den, der schwört . Dem einen geht es wie dem andern. Das Schlimme daran ( das Übel bei allem, was unter der Sonne geschieht ) ist nach Salomo, daß dieses gemeinsame Los die Menschen zu schweren Sünden verleitet (ihr Herz ist voll Bosheit und Torheit; vgl. Pred 8,11 ). Der Prediger fügt hinzu, daß nicht nur während des Lebens allen Menschen (also auch den Gerechten und Weisen, Pred 9,1 ) auf dieselbe unerforschliche Weise Unglück oder Wohlergehen zuteil werde, sondern daß die Menschen auch nach Beendigung ihres Lebens das gleiche Schicksal erwarte: Danach müssen sie sterben .



c. Das Leben ist besser als der Tod
( 9,4-6 )


Pred 9,4-6


Obwohl alle Menschen, sowohl die Gerechten als auch die Ungerechten, auf dieselbe unerforschliche Weise der Zuteilung von Unglück und Wohlergehen unterworfen sind und schließlich sterben müssen, sollte doch niemand am Leben verzweifeln. Nach Salomo ist das Leben dem Tod vorzuziehen. Ein lebendiger Hund - so sagt er - habe es besser als ein toter Löwe. Mit anderen Worten: Am Leben zu sein und verachtet zu werden (vgl. 1Sam 17,43; der Hund war das allerverachtetste Tier) ist immer noch angenehmer, als geehrt zu werden, aber tot zu sein (vgl. Spr 30,30; der Löwe war das Tier, vor dem man die größte Hochachtung hatte). Die Lebenden sind zumindest noch bei Bewußtsein und haben Hoffnung . Sie haben Erwartungen, an denen sie sich aufrichten können. Aber die Toten wissen nichts, sie können keinen Lohn (also nichts Erfreuliches) erhoffen. Auch fühlen sie keine Liebe, keinen Haß und keine Eifersucht mehr. Wie Ginsburg hervorgehoben hat, ist das Bild von den Menschen, die noch leben und bei Bewußtsein sind und denen, die schon verschieden sind, nicht einfach eine Belehrung über den Schlaf der Seele im Tod. Vielmehr sind diese Verse im Zusammenhang mit der Empfehlung zu sehen, das Leben zu genießen ( Pred 9,7-9 ) und die Möglichkeiten zur Freude auszuschöpfen; die Lebenden sind hierzu imstande, die Toten jedoch nicht ( The Song of Songs and Coheleth , S. 414 - 415).

Somit besitzen die Lebenden im Gegensatz zu den Toten noch Möglichkeiten und Fähigkeiten zum fruchtbaren Wirken (V. 10 ). Anders als die Verstorbenen können sie für ihre Mühe belohnt werden (V. 5 ; das Wort, das hier mit "Lohn" übersetzt wird, bezieht sich auf den Verdienst oder die Einkünfte). Die Lebenden können sich an vielen Dingen erfreuen (V. 7-9 ), nicht jedoch die Toten (V. 6 ). Salomo beschreibt hier nicht die Situation der Verstorbenen; er stellt lediglich fest, welche Möglichkeiten jene nicht mehr haben. Er ermahnt den Menschen, während seines Lebens keine Gelegenheit zu versäumen, Gott zu dienen und sich an seinen Gaben zu erfreuen, da ihm dies später nicht mehr möglich sein werde (vgl. Jes 38,11.18-19 ). Der Prediger fügt hinzu: sie (die Toten) haben kein Teil mehr auf der Welt in allem, was unter der Sonne geschieht (vgl. den Kommentar zu Pred 1,3 ). Das Wort für "Teil" ( HEleq , "Anteil, Los, Schicksal") ist dasselbe, das Salomo auch an anderer Stelle im Zusammenhang mit der Freude am Leben verwendet ( Pred 3,22;5,17-18;9,9 ).

Einige Ausleger sehen zwischen Pred 9,4-6 und Pred 4,2-3 ("die Toten" sind glücklicher "als die Lebendigen") einen Widerspruch. Diese Auffassung ist jedoch unbegründet, denn Salomo sagt, daß ein Mensch, der Ungerechtigkeiten erfährt oder mit ansieht ( Pred 4,1 ), zu der Ansicht gelangen könne, daß der Tod dem Leben vorzuziehen sei. Demgegenüber betont der Prediger in Pred 9,4-6 (und in V. 7-10 ), daß ein Mensch nach seinem Tod nicht mehr die Möglichkeit habe, sich des Lebens zu freuen. In den beiden Abschnitten werden Leben und Tod von verschiedenen Standpunkten aus betrachtet.



d. Freu dich deines Lebens, soweit Gott es dir erlaubt
( 9,7-9 )


Pred 9,7-9


Angesichts der ungewissen Zukunft (V. 1-3 ) und des sicheren Todes, der dem Menschen die Möglichkeit raubt, das Leben zu genießen (V. 4-6 ), spricht der Prediger wiederum die Empfehlung aus, sich des Lebens als einer Gabe Gottes zu erfreuen (vgl. Pred 2,24-26;3,12-13.22;5,17-19 ). Salomo geht hier genauer als an anderen Stellen auf einige der Dinge ein, an denen sich der Mensch erfreuen soll: Brot, das Leben spendet, und Wein, der es lustig macht (vgl. Ps 104,15 ), schöne Kleider und duftende Salben (vgl. 2Sam 12,20 ,wo es um die Vertreibung des Kummers geht, und das Leben eines Mannes mit seinem Weibe (vgl. Spr 18,22 ). Hier ist sowohl von den Bedürfnissen des täglichen Lebens als auch von Luxusgegenständen, die ebenfalls eine Gabe Gottes sind, die Rede (vgl. Pred 5,18 ). Salomo unterstreicht die Notwendigkeit, diese Gaben zu genießen, indem er an die Kürze des Lebens erinnert: Solange du das eitle Leben hast . "Eitel" ( heBel ) sollte man an dieser Stelle mit "fliehend, rasch dahinschwindend" übersetzen (vgl. den Kommentar zu Pred 3,19;6,12;7,15 ).

Der Prediger versichert, daß dies das Teil ( HEleq ; vgl. Pred 3,22;5,17-18;9,6 ) am Leben des Menschen bei seiner Mühe unter der Sonne (vgl. den Kommentar zu Pred 1,3 ) sei; er ermutigt seine Leser dazu, sich ihres Lebens zu freuen, denn dies sei Gottes Wille für sie. Salomo stellt fest: "Dies dein Tun hat Gott schon längst gefallen". Damit faßt er das zusammen, was er zuvor über die Freude am Leben gesagt hat: (a) Reichtum und Besitz, die auf der "Mühe" eines Menschen beruhen, sind letztlich doch Gaben Gottes ( Pred 5,17-18 ); (b) nur Gott ermöglicht es einem Menschen, sich an den Früchten seiner Mühen zu erfreuen (vgl. Pred 2,24;3,13;5,18 ); (c) ob ein Mensch diese Dinge genießen kann oder nicht, hängt davon ab, ob er Gott wohlgefällt oder nicht ( Pred 2,26 ). So bedeutet die Feststellung "dies dein Tun hat Gott schon längst gefallen", daß der Besitz göttlicher Gaben und die Fähigkeit, diese zu genießen, Gottes vorherige Zustimmung zu einem solchen Tun beweisen. Wenn der Herr dem Menschen diese Gaben nicht geschenkt hätte, könnte dieser sie auch nicht genießen.


e. Arbeite fleissig, solange es dir möglich ist
( 9,10 )


Pred 9,10


Salomo hat seine Leser ermutigt, sich des Lebens zu freuen, soweit Gott es ihm erlaubt. Nun fordert er sie auf, fleißig zu arbeiten. Der Ausdruck was dir vor die Hände kommt bedeutet "alles, was du tun kannst" (vgl. 1Sam 10,7 ). Was auch immer ein Mensch zu tun vermag, das sollte er mit all seiner Kraft tun, d. h., er sollte seine gesamte Energie dafür aufwenden. Die Bedeutung dieses Rates liegt darin, daß der Tod den Menschen jede Möglichkeit zum Wirken und zum Dienst beraubt. Im Tod gibt es weder Tun noch Denken, weder Erkenntnis noch Weisheit . (Auch dies ist kein Beleg dafür, daß der Tod ein Seelenschlaf ist; vgl. den Kommentar zu Pred 9,5 .)



2. Niemand weiß, ob er mit seiner Weisheit Erfolg haben wird
( 9,11-10,11 )


Der vorausgegangene Abschnitt ( Pred 9,1-10 ) begann mit der Feststellung, daß der Gerechte und der Weise derselben ungewissen Zukunft ausgesetzt sind wie jeder andere auch ( Pred 9,1 ). Anschließend (in Pred 9,2-10 ) erörtert Salomo diesen Sachverhalt im Hinblick auf den Gerechten (im Gegensatz zum Gottlosen). Im folgenden Abschnitt ( Pred 9,11-10,11 ) zeigt er nun, daß auch die Zukunft des Weisen ungewiß ist.



a. Einführung: Die Weisheit ist der Ungewissheit der Zukunft unterworfen
( 9,11-12 )


Pred 9,11-12


Die Feststellung, daß die Weisheit der Ungewißheit der Zukunft unterworfen ist, wird mit einer Aufzählung von fünf menschlichen Eigenschaften eingeleitet, die allesamt nicht zum Erfolg führen. Die drei letzten dieser Eigenschaften beziehen sich auf den Weisen: geschickt, klug, daß er etwas gut kann . Ebenso wie der schnellste Läufer nicht immer beim Laufen gewinnt und der Sieg im Kampf nicht immer von den stärksten Soldaten gewonnen wird, gelingt es auch dem Weisen nicht zu jeder Zeit, seinen Lebensunterhalt (seine Nahrung) zu bestreiten, Reichtum zu erwerben oder Popularität zu erlangen (sich angenehm zu machen).

Der Grund für derartige Mißerfolge liegt darin, daß alle Menschen bisweilen schwere Zeiten durchmachen ( Zeit und Glück ist ein Beispiel für ein Hendiadyoin), von denen sie vorher nichts ahnten ( auch weiß der Mensch seine Zeit nicht ; Pred 9,12 ). Dies bezieht sich auf alle Zeiten des Unglücks (V. 11 ), nicht nur auf den Tod. Wenn Salomo solche Zeiten mit einem Netz und mit dem Garn vergleicht, mit dem man Vögel und Fische fängt, so meint er damit, daß solche bösen Zeiten plötzlich und unerwartet über die Menschen kommen und ihr ganzes Wirken zunichte machen.

 

b. Weisheit wird aufgrund von Nachlässigkeit bisweilen nicht belohnt
( 9,13-16 )


Pred 9,13-16


Der Prediger führt ein Beispiel dafür an, daß die Weisheit eines Menschen nicht immer gewürdigt wird (V. 11 ): Ein armer, aber weiser Mann hätte eine kleine, schlecht gerüstete Stadt vor der Belagerung durch einen mächtigen König retten können. Aber niemand achtete auf die Weisheit dieses armen Mannes, denn kein Mensch dachte an ihn (vgl. 1Sam 25,31 ,wo das Verb "denken" für "würdigen, belohnen" steht). Salomo bemerkt, daß diese Geschichte ihn stark beeindruckt habe ( diese Weisheit, die mich groß dünkte ). Dies ist im Zusammenhang mit seiner vorhergehenden Erörterung ( Pred 9,11-12 ) zu sehen. Im Falle jenes armen Mannes zeigte es sich zwar, daß Weisheit besser ist als militärische Stärke (vgl. Pred 7,11-12;9,18; Spr 21,22 ), aber dieser Arme zog aus seiner Einsicht keinen Nutzen. Seine Weisheit wurde verachtet, und seine Worte wurden nicht gehört, und so blieb er arm, und niemand gedachte seiner (d. h., er erlangte weder Reichtum noch Ansehen; vgl. Pred 9,11 ).



c. Ein wenig Torheit kann die Weisheit zunichte machen
( 9,17-10,1 )


Pred 9,17-10,1


Nachdem der Prediger die Geschichte des armen, weisen Mannes erzählt hat, der aus seiner Weisheit keinen Nutzen gezogen hatte ( Pred 9,13-16 ), gibt er zu bedenken, daß die Weisheit zwar wertvoll sei, jedoch durch ein wenig Torheit zunichte gemacht werden könne. Indem er auf sein zuvor angeführtes Beispiel anspielt, stellt Salomo fest: Der Weisen Worte, in Ruhe vernommen, sind besser als des Herrschers Schreien unter den Törichten, denn Weisheit ist besser als Kriegswaffen (vgl. Pred 7,19;9,16 ). Der Prediger spielt mit den Worten "gut" und "besser" - was dasselbe hebräische Wort FNBCh ist - und dem Gegensatz zwischen "einem" und "viel" und bemerkt, daß ein einziger Bösewicht viel Gutes verderben könne. Mit anderen Worten: Ein wenig Torheit kann die Weisheit ihres ganzen Wertes berauben, wie tote Fliegen eine kostbare Salbe verderben, indem sie ihr einen üblen Geruch verleihen. Der Gebrauch der hebräischen Begriffe für wiegt schwerer und Ehre ist ein weiteres interessantes Wortspiel, denn beide Begriffe beziehen sich auf das Gewicht, den Wert und die soziale Stellung.

 

d. Die Laune eines Herrschers kann die Weisheit ihres Wertes berauben
( 10,2-7 )


Indem er von "Unheil" (wörtlich: "Sünde", V. 4 ; vgl. "Bösewicht"; Pred 9,18 ) und von dem "Toren" ( Pred 10,2.3.6; vgl. "Torheit", V. 1 ) spricht, liefert Salomo ein weiteres Beispiel dafür, wie ein wenig Torheit die gesamte Weisheit zunichte machen kann. Zwar lassen sich mit Hilfe der Weisheit Wege ersinnen, mit deren Hilfe man seine Stellung bei Hofe zu behaupten vermag (V. 4 ), aber diese Stellung kann durch den Zorn des Herrschers untergraben werden.



Pred 10,2-4


Der Prediger fährt fort, den Wert der Weisheit hervorzuheben; er stellt fest, daß ein Weiser ein Herz und einen Verstand besitzt, die ihn vor der Gefahr bewahren können (vgl. Pred 7,12 ). Das wird aus den Worten: Des Weisen Herz ist zu seiner Rechten deutlich; bekanntlich wurde die rechte Hand als Ort der Bewahrung betrachtet (vgl. Ps 16,8;110,5;121,5 ). Im Gegensatz dazu entbehrt der Tor dieses Verstandes, was sich an seinem Benehmen erkennen läßt. Salomo benutzt ein gebräuchliches Bild für das Verhalten eines Menschen, das "Wandeln auf einem Wege" (vgl. 1Sam 8,3; 2Kö 21,21 ), wenn er sagt, daß der Tor, der auf der Straße geht (auch: auf dem Weg wandelt), durch sein Auftreten jedermann zeige, wie töricht er ist.

Nun nennt der Prediger Salomo ein Beispiel dafür, wie Weisheit einen Menschen bewahren kann. Er bedient sich dabei eines Wortspiels, denn das hebräische Verb nUaH bedeutet sowohl "verlassen, aufgeben" als auch "Ruhe geben". Salomo ist der Ansicht, daß das klügste Verhalten, beim Zorn eines Herrschers, nicht die plötzliche Aufgabe ( tannaH ) der eigenen Stätte (d. h. des Amtes; vgl. Pred 8,3 ) ist , denn ruhige Gelassenheit (vgl. Spr 14,30 ) wendet großes Unheil (wörtlich: "Sünden"; tatsächlich wird ja der Zorn durch Sünden verursacht; hier wird die Wirkung durch die Ursache ausgedrückt) ab ( yannIah ; vgl. Spr 16,14 ).



Pred 10,5-7


Obwohl Salomo gesagt hat, daß der Verstand es dem Weisen ermöglicht, seine Stellung bei einem mächtigen König zu behalten (V. 4 ), stellt er auch fest, daß das Amt eines Menschen nicht immer seinem Verdienst entspricht. Das hebräische Wort für "Versehen" in Vers 5 steht für einen Fehler, den man aus Nachlässigkeit begangen hat (vgl. Pred 5,5 ). In Pred 10,5 wird der Machthaber durch einen anderen Begriff bezeichnet als in Vers 4 . Das Wort in Vers 4 ( mNSEl ) betont die Ausübung der Herrschaft, während der Begriff in Vers 5 "Gewaltiger" ( SalliF ), die Souveränität und Machtfülle des Herrschers hervorhebt (dieselbe Wurzel finden wir in Pred 8,4; SilFNn , "Gewalt" und in Pred 8,9; SAllaF , "herrscht über"). Salomo bemerkt, daß er ein Unglück ( rAZCh ; vgl. Pred 5,13.16;6,1 ) unter der Sonne (vgl. den Kommentar zu Pred 1,3 ) gesehen habe, gleich einem Versehen, das vom Gewaltigen ausgeht ; dies ist eine Anspielung auf die aus der Laune eines Herrschers resultierende Umkehrung bestehender Machtverhältnisse. Der Prediger hat beobachtet, wie ein Tor in großer Würde saß, während ehemals Reiche (damit sind wahrscheinlich die Weisen gemeint; vgl. Spr 14,24;19,10 ) in Niedrigkeit sitzen mußten. Er hat auch gesehen, wie Knechte auf Rossen saßen, was als eine Ehre galt, während Fürsten zu Fuß gingen wie Knechte. Weil hohe Stellungen häufig nicht aufgrund von Verdiensten vergeben werden, sondern von der Laune des Herrschers abhängen, wird die Weisheit nicht selten ihres Wertes beraubt.



e. Die Wahl eines unpassenden Zeitpunktes kann die Weisheit ihres Wertes berauben
( 10,8-11 )


Pred 10,8-9


Die Verse 8-11 , die wegen ihres Bilderreichtums und ihres sprichworthaften Charakters zu einer Vielfalt von Auslegungen Anlaß gegeben haben, stehen miteinander in Zusammenhang. So rahmt die Wiederholung des Bildes von der beißenden Schlange (V. 8 und V. 11 ) diesen Abschnitt ein ( inclusio ). Der Prediger wiederholt auch das hebräische Wort yiTrNn ("Gewinn oder Vorteil"; vgl. den Kommentar zu Pred 1,3 ), und zwar in Pred 10,10-11 .Nach Salomo hat die Weisheit zwar ihre Vorteile, aber man kann das Erreichte wieder verlieren, wenn man diese Weisheit nicht oder zu spät zur Anwendung bringt.

Ferner dient die Erwähnung der Axt ("Eisen", V. 10 ) als Brücke zwischen Vers 9 b, dem letzten der vier in den Versen 8-9 genannten Sprichwörter, und den beiden miteinander kontrastierenden Sprüchen in den Versen 10-11 . Salomo hat vier Sprichwörter aneinandergereiht, die von Gefahren sprechen, denen man bei der täglichen Arbeit ausgesetzt ist - beim Graben einer Grube, beim Einreißen einer Mauer, beim Brechen von Steinen und beim Spalten von Holz - Gefahren, die man nur abwenden kann, wenn man von seiner Weisheit Gebrauch macht.



Pred 10,10-11


Wenn man sich beim Holzspalten (V. 9 ) seiner Klugheit bedient und sein Eisen schärft, ist es nicht notwendig, mit ganzer Kraft zu arbeiten. Wer von seinem Verstand Gebrauch macht, hat somit leichter Erfolg: Weisheit bringt Vorteil und Gewinn .

Im letzten Sprichwort (V. 11 ) betont Salomo jedoch, daß alle Weisheit oder Geschicklichkeit eines Menschen diesem keinen Vorteil bringe, wenn er sie nicht zur rechten Zeit einsetzt: Wenn die Schlange beißt vor der Beschwörung , dann gerät der Beschwörer in Schwierigkeiten. Somit macht der Prediger mit einer Reihe von Sprichworten deutlich, daß Weisheit bei gefährlichen und schwierigen Aufgaben zwar von unschätzbarem Wert ist, daß aber die Wahl eines unpassenden Zeitpunktes die Weisheit ihres Wertes berauben kann.

 

3. Kritik ist im Hinblick auf die Unkenntnis der Zukunft eine riskante Sache
( 10,12-20 )


Weil es hinsichtlich der Wortwahl nur wenige Verbindungen zwischen den beiden Teilen (V. 12-15 und V. 16-20 ) dieses Abschnittes gibt, ist es von entscheidender Bedeutung, die Verbindung zwischen Salomos Warnung in Vers 20 und den Sprichwörtern in den Versen 12-15 sowie den Zusammenhang zwischen seiner Warnung in Vers 20 und dem in den Versen 16-19 Gesagten zu erkennen. Da der Mensch seine Zukunft nicht kennt, ist es nach Salomo töricht und selbstzerstörerisch, viele Worte zu machen (V. 12-15 ), und der Prediger warnt davor, Herrscher zu kritisieren (V. 20 ), auch wenn sie wegen ihrer Verschwendungssucht und Nachlässigkeit diese Kritik verdienen (V. 16-19 ). Salomo empfiehlt seinen Lesern, sich der Regierungsgewalt zu unterwerfen, ein Gedanke, den er in Pred 8,2-3 und Pred 10,4 schon einmal ausgesprochen hat. Auch in der übrigen Weisheitsliteratur kommt dieses Thema des öfteren vor (vgl. z. B. Spr 14,35;24,21-22 ).



a. Es ist töricht, viele Worte zu machen
( 10,12-15 )


Pred 10,12-15


Salomo leitet diesen Abschnitt ein, indem er die Worte eines Weisen denen eines Toren gegenüberstellt. Die Worte eines Weisen bringen ihm Gunst (in Spr 13,15;22,1 wird das hebräische Wort HEn in ähnlicher Weise gebraucht), aber die Worte eines Toren sind selbstzerstörerisch ( sie verschlingen ihn) .

Der Prediger bedient sich der Stilfigur des Merismus, bei der durch Gegensätze ein Ganzes bezeichnet wird (als Beispiele dafür vgl. Pred 3,2-8 ), indem er sowohl den Anfang als auch das Ende der Worte des Toren eine verderbliche Torheit nennt (er will damit sagen, daß alle seine Äußerungen töricht sind). Salomo beklagt den Umstand, daß der Tor dennoch fortfährt, viele Worte zu machen (vgl. Pred 5,2;6,11 ), und dabei vergißt, daß der Mensch die Zukunft nicht kennt und auch nicht weiß, was nach ihm werden wird. Ein Tor ist aber nicht nur hinsichtlich der Zukunft unwissend, sondern kennt sich noch nicht einmal mit den einfachsten Dingen aus: Er ist einer, der nicht weiß, in die Stadt zu gehen (vgl. Pred 10,3 ). Dies ist eine sprichwörtliche Wendung für äußerste Unwissenheit. Aufgrund dieser Unwissenheit empfindet der Tor seine Arbeit als Last: Sie ermüdet ihn.

 

b. Es ist riskant, einen lasterhaften Herrscher zu kritisieren
( 10,16-20 )


Pred 10,16-17


Nun reiht der Prediger mehrere Sprichwörter aneinander, die die verheerenden Folgen der Regierung eines lasterhaften Herrschers beschreiben; anschließend warnt er davor, einen solchen schlechten Herrscher zu kritisieren. In den beiden ersten Sprichwörtern stellt Salomo die armselige Verfassung eines Volkes, dessen Herrscher unfähig und zügellos sind (V. 16 ), dem Zustand einer Nation gegenüber, deren Führer fähige, ehrbare Männer sind (V. 17 ). Die zuerst genannten Herrscher sind kindisch ("dessen König ein Kind ist"; vgl. Jes 3,4 und 1Kö 3,7 ,wo auch von Unfähigkeit und Unerfahrenheit die Rede ist). Die zweite Gruppe von Herrschern ist durch edle Geburt und fundierte Ausbildung gut auf ihr Amt vorbereitet. Unfähige Herrscher sind unbeherrscht; sie tafeln schon in der Frühe und sind mit üppigen Mahlzeiten und Trinkgelagen beschäftigt ( Pred 10,17; vgl. Jes 5,11 und Apg 2,15 ). Fähige Herrscher zeichnen sich dagegen durch Selbstbeherrschung aus; sie tafeln zur rechten Zeit als ehrbare Männer und nicht als Zecher.



Pred 10,18-20


Salomo stellt fest, daß launenhafte, unfähige Herrscher durch ihre Nachlässigkeit das Staatswesen ruinieren und das Land zugrunde richten: Durch Faulheit sinken die Balken, und durch lässige Hände tropft es im Haus . Der zügellose Lebensstil dieser stets mit Gelagen und Belustigungen beschäftigten Machthaber belastet die Staatsfinanzen erheblich. Der Satz Geld muß alles zuwege bringen bedeutet, daß jene der Meinung sind , daß sie sich alles, was sie wünschen, mit Geld kaufen können.

Trotz allem warnt Salomo davor, diese ungeeigneten Herrscher zu kritisieren. Er ermahnt seine Leser, dem König auch nicht in Gedanken zu fluchen und den Reichen (d. h. den Mann in verantwortungsvoller Position) auch in der eigenen Schlafkammer nicht zu schmähen. Der Grund für diesen Rat ist der, daß der König oder der Reiche davon erfahren könnten; die Vögel könnten ihm diese heimliche Kritik übermitteln, d. h., der Betroffene könnte aus unbekannter Quelle darüber unterrichtet werden.

 

4. Arbeite fleißig, obwohl die Zukunft im Dunkeln liegt
( 11,1-6 )


Salomo beschließt seine Erörterung über die Ungewißheit der Zukunft ( Pred 9,1-11,6 ) mit einigen praktischen Ratschlägen. Um zu betonen, daß der Mensch die Zukunft nicht kennt, sagt Salomo dreimal: "du weißt nicht" ( Pred 11,2.5-6 ). Er sagt ebenfalls: "(du) kannst nicht wissen (begreifen)" (V. 5 ). Dennoch gibt er den Rat, angesichts dieser ungewissen Zukunft nicht träge zu werden oder zu verzweifeln, sondern fleißig zu arbeiten.



Pred 11,1-2


Der Prediger stellt fest, daß die Menschen über Gottes fürsorgliches Handeln ebenso wenig wissen (vgl. Pred 3,11;8,17 ) wie über den Weg des Windes und die Entwicklung eines Kindes im "Mutterleibe" ( Pred 11,5 ). Nach Salomo können die Menschen auch nicht vorhersagen, welche ihrer Unternehmungen "geraten wird" (V. 6 ) oder welches "Unglück auf Erden kommen" (V. 2 ) und möglicherweise den Ertrag ihrer Arbeit vernichten wird. Dennoch sollte der Mensch fleißig und sorgfältig arbeiten. Die rege Beteiligung an Geschäften läßt, wie etwa beim Seehandel mit Nahrungsmitteln ( das Brot, das über das Wasser fährt ), auf einigen Gewinn hoffen (V. 1 ; vgl. 1Kö 9,26-28;10,22; Ps 107,23 ,wo ebenfalls vom Seehandel gesprochen wird). Aber da ja möglicherweise ein Unglück eintreten könnte, sollte man sein Vermögen vorsichtshalber in mehrere Projekte investieren ( unter sieben oder unter acht ), statt "alles auf eine Karte zu setzen" ( Pred 11,2; vgl. 1Mo 32,7-8 ,wo dieser Rat durch ein praktisches Beispiel illustriert wird).



Pred 11,3-4


Der Prediger führt nun Beispiele aus der Landwirtschaft (Säen und Ernten) an, um seine Leser aufzufordern, nicht untätig herumzusitzen und auf den für eine Unternehmung günstigsten Moment zu warten, sondern fortwährend fleißig zu arbeiten. Die Zukunft entzieht sich dem Menschen ebenso wie das Wirken Gottes in der Natur, wenn der Regen herniederströmt oder ein Baum durch einen Sturm entwurzelt wird. Ein Mensch, der zu lange wartet, ehe er sät oder erntet, weil er befürchtet, daß der Wind den Samen wegblasen oder der Regen (die Wolken) die Ernte gefährden könnte, wird schließlich gar nichts mehr vollbringen.

 

IV. Schluß: Lebe in Freuden, handle verantwortungsvoll und fürchte den HERRN
( 11,7-12,14 )


Der Prediger hat gezeigt, daß das Streben des Menschen letztlich eitel ist, denn die Ergebnisse seiner Arbeit sind nicht beständig, und es ist ungewiß, ob der Mensch sich an diesen Ergebnissen erfreuen wird ( Pred 1,12-6,9 ). Auch hat Salomo festgestellt, daß die Menschen nicht vorhersagen können, welches ihrer Vorhaben gelingen wird, denn sie kennen Gottes Plan nicht und wissen nicht, was die Zukunft bringt ( Pred 6,10-11,6 ). Nun kehrt der Autor zu dem Thema der Freude am Leben zurück (vgl. Pred 2,24-26;3,12.22;5,17-19;8,15;9,7-9 ), wobei er betont, daß es darauf ankomme, ein gottgefälliges Leben zu führen. Dies stimmt mit dem überein, was Salomo bei der ersten Erörterung dieses Themas gesagt hat ( Pred 2,24-26 ). Der Gedanke der Verantwortung gegenüber Gott findet sich sowohl am Anfang ( Pred 11,9;12,1 ) als auch am Ende ( Pred 12,13-14 ) des Lebens. Die Wiederholung des Leitmotivs von der Nichtigkeit alles Irdischen ( Pred 12,8 ) und eine kurze Abhandlung über die Autorität und den Wert des Buches unterstreichen die Notwendigkeit eines verantwortungsvollen Lebensstils.



A. Aufruf zu einem Leben in Freude und Verantwortung
( 11,7-12,7 )


Die drei Teile dieses Abschnittes stehen in enger Beziehung zueinander. Im ersten Teil ( Pred 11,7-8 ) fordert Salomo die Menschen auf, der Finsternis des Todes zu gedenken und aufgrund dessen das Leben zu genießen. Im zweiten Teil ( Pred 11,9-10 ) spricht er den Wunsch aus, daß schon der Jugendliche angesichts der rasch dahinschwindenden Zeit diese Mahnung beherzigen möge; er fügt jedoch hinzu, daß diese Lebensfreude durch eine verantwortungsvolle Einstellung Mäßigung erfahren sollte, denn jeder Mensch werde von Gott zur Verantwortung gezogen. Im letzten Teil ( Pred 12,1-7 ) unterstreicht Salomo die Bedeutung dieses Gedankens, indem er die Beschwerden des Alters beschreibt - jener Zeit, in der die Finsternis zunimmt und die Kräfte nachlassen, bis schließlich der Tod den Menschen hinwegrafft.



1. Genieße dein Leben, denn die Finsternis des Todes naht heran
( 11,7-8 )


Pred 11,7-8


Der Prediger spricht von Licht und Finsternis im bildhaften Vergleich mit Leben (vgl. Hi 3,20;33,30 ) und Tod (vgl. Pred 6,4-5; Hi 10,20-22;18,18 ). Er charakterisiert die Zukunft nach dem Tod als dunkel und rätselhaft ( alles, was kommt, ist eitel ; vgl. Pred 8,10.14 ,wo das hebräische Wort heBel in ähnlicher Weise gebraucht wird und sich auf das "Eitle" im Sinne des Rätselhaften bezieht). Salomo ermutigt seine Leser, fröhlich zu sein, solange sie leben, und das Leben wie das süße Licht der Sonne zu genießen, bevor die dunkle Nacht des Todes kommt, die von ewiger Dauer sein wird. Die Aussage, daß die finstern Tage viele sein werden ist ein Euphemismus für den Tod (vgl. Pred 12,5 ,wo das Grab als ewige Bleibe des Menschen beschrieben wird; vgl. auch Hi 7,9;14,10-12 ).



2. Genieße dein Leben in der Jugend, doch bedenke, daß Gott dich richten wird
( 11,9-10 )


Pred 11,9-10


Salomo wiederholt seinen Rat, das Leben zu genießen (vgl. V. 8 ), und hebt hervor, daß ein Mensch dies in seiner Jugend tun sollte. An anderer Stelle hat der Prediger gesagt, die Freude am Leben bestehe darin, daß man ißt und trinkt ( Pred 2,24;3,13;8,15;9,7 ), schöne Kleider trägt und sich mit wohlriechenden Salben einreibt ( Pred 9,8 ), das Zusammensein mit der Ehefrau genießt ( Pred 9,9 ) und an seiner Arbeit Freude hat ( Pred 2,24;3,22;5,18 ). Nun ermutigt Salomo seine Leser, das zu tun, was ihr Herz begehrt ("Tu, was dein Herz gelüstet und deinen Augen gefällt", Pred 11,9 ). Aber diese Wünsche sollten durch das Bewußtsein, daß Gott den Menschen vor Gericht ziehen wird, in Schranken gehalten werden.

Wie bereits bemerkt (vgl. den Kommentar zu Pred 2,24-26;3,17;7,15-18 ) finden sich im Predigerbuch weder direkte noch indirekte Hinweise darauf, daß Salomo an ein Gericht im jenseitigen Leben glaubte. Statt dessen spricht er - ebenso wie andere zeitgenössische Verfasser von Weisheitsliteratur - von einem irdischen Gericht zu Lebzeiten des Menschen (vgl. den Kommentar zu Pred 2,24-26 und vgl. Pred 7,17 ). Dies wird auch aus Pred 11,10 deutlich, wo der Prediger sagt, daß ein Mensch den Unmut aus seinem Herzen verbannen und das Übel von seinem Leibe fernhalten solle (hier wird sowohl der seelische als auch der körperliche Aspekt dieser falschen Einstellung erwähnt). Diese Anweisungen sind offensichtlich die andere Seite des Rates, guter Dinge zu sein (V. 9 ), und sie stehen im Gegensatz zu der Schwermut und dem Abnehmen der körperlichen Kräfte, die in Pred 12,2-5 geschildert werden. Andere Bibeltexte, wie z. B. Spr 5,7-14 und Ps 39 ,zeigen, daß man mit diesen Schwierigkeiten fertig werden kann, wenn man in Weisheit und Gottesfurcht lebt.



3. Lebe in deiner Jugend verantwortungsvoll und bedenke, daß Alter und Tod kommen werden
( 12,1-7 )


Der Prediger betont die Notwendigkeit eines verantwortungsvollen Lebens in der Jugend, indem er mit einer Reihe von Bildern die zunehmende Finsternis und das Dahinschwinden der Kräfte im Alter darstellt, wobei der Tod den Schlußpunkt bildet. Diese Bilder sind in drei Gruppen angeordnet; jede davon wird mit "ehe" (V. 1-2.6 ) eingeleitet, wodurch der Befehlscharakter der Aussage "Denk an deinen Schöpfer in deiner Jugend" (V. 1 ) abgeschwächt wird.



a. Lebe verantwortungsvoll, ehe der Jammer des Alters herannaht
( 12,1 )


Pred 12,1


Das Gebot Denk an deinen Schöpfer ermahnt den Menschen, Gott zu verehren, seine Gebote in Treue zu bewahren, ihm verantwortungsvoll zu dienen und sich daran zu erinnern, daß ein jeder ihm sein Leben verdankt, da er alle Menschen geschaffen hat. Diese Bedeutung ergibt sich (a) aus den vorhergehenden Versen ( Pred 11,9-10 ) über das verantwortungsvolle Genießen des Lebens, (b) aus dem Rat am Ende des Buches, "Fürchte Gott und halte seine Gebote" ( Pred 12,13 ), und (c) aus der Bedeutung des Ausdrucks "an den Herrn (ge)denken" (in 5Mo 8,18 und Ps 119,55 bedeutet er "das Gesetz halten"; in Ri 8,34 wird das "Nicht-Denken an Gott" mit der Verehrung anderer Götter in Verbindung gebracht; in Ps 63,7 steht der Ausdruck parallel zum Nachsinnen über Gott und deutet auf Treue gegenüber dem Herrn hin).

Die Bezeichnung "dein Schöpfer" betont die Tatsache, daß Gott dem Menschen das Leben schenkt; er gibt es ihm und nimmt es ihm wieder (vgl. Pred 12,7; dies ist eine Anspielung auf 1Mo 2,7; 3,19 ).

Indem er auf das Wort "Übel" in Pred 11,10 ("das Übel von deinem Leibe") anspielt, gibt Salomo den Rat, in der Jugend verantwortungsvoll zu leben, ehe die bösen Tage kommen , womit die Zeit des Alters gemeint ist. Die Schwierigkeiten dieses Lebensabschnittes schildert der Prediger bildhaft in Pred 12,2-5; diese Jahre gefallen den Menschen nach Salomos Erfahrung nicht.



b. Lebe verantwortungsvoll, ehe die Finsternis kommt und der Niedergang einsetzt
( 12,2-5 )


Mit mehreren Bildern beschreibt der Prediger das Schwinden der Lebensfreude und auch der Körperkräfte im Alter. Er gibt den Rat, verantwortungsvoll zu leben, bevor das Alter herannaht.



Pred 12,2


Die Übel des Alters ("die bösen Tage", V. 1 ) und das Herannahen des Todes (V. 5 b. 6-7 ) werden mit wiederkehrenden Regenwolken verglichen. Ebenso, wie die Wolken häufig das Licht der Sonne, des Mondes und der Sterne verdunkeln, ist auch das Alter eine Zeit, in der die Freude (das Licht) abnimmt und die zunehmende Finsternis die Ankunft der langen Nacht des Todes ankündigt. Damit wird sicherlich auf die Verwendung der Begriffe "Licht" und "Finsternis" als Bilder für Leben und Tod angespielt ( Pred 11,7-8 ). Diese Anspielung war für die damaligen Hebräer offensichtlich, da sie vom Tod eine dynamischere Vorstellung hatten als die Menschen unserer Zeit. Auch bei einem noch jungen Menschen wurde das Nachlassen oder vorübergehende Daniederliegen der Lebenskräfte als Ankündigung des Todes aufgefaßt (vgl. z. B. Ps 18,5-6;88,4-6 ).

 

Pred 12,3


Die verschiedensten Versuche sind unternommen worden, um die ganz und gar bildhaften Aussagen in den Versen 3-5 auszulegen. (Eine kurze aber recht umfassende Erörterung der meisten Deutungen erhält G. A. Barton, A Critical and Exegetical Commentary on the Book of Ecclesiastes , Edinburgh, T. & T. Clark, 1908, S. 186 191). Einige Ausleger haben zwar versucht, sich bei der Deutung dieses Abschnittes auf einzelne Bilder zu konzentrieren (entweder das Schwinden der Kräfte eines Menschen oder die Trauer in einer Familie nach dem Tode ihres Oberhauptes), aber es scheint doch so, als habe Salomo die verschiedenen Bilder ausgewählt, um das Nachlassen der körperlichen und seelischen Kräfte im Alter darzustellen. So spricht er von den bösen Tagen (V. 1 ) und den Tagen der abnehmenden Freude und der zunehmenden Traurigkeit (V. 2 ) als von einer Zeit, wenn die Hüter des Hauses zittern (d. h., Arme und Hände werden kraftlos). Auch krümmen sich die Starken, d. h., die Füße werden krumm und schwach. Die Aussage müßig stehen die Müllerinnen, weil es sowenige geworden sind bezieht sich auf die ausfallenden Zähne, und die Wendung finster werden, die durch die Fenster sehen ist eine Anspielung auf die Augen, die langsam trübe werden.



Pred 12,4


Die Aussage wenn die Türen an der Gasse sich schließen könnte sich auf die Lippen beziehen, die aufgrund des Verlustes der Zähne einfallen. Die Wendung daß die Stimme der Mühle leiser wird wie wenn ein Vogel singt spielt offenbar auf das nachlassende Gehör des alten Menschen an.

 

Pred 12,5


Wenn sich jemand vor Höhen und vor den Gefahren auf dem Wege fürchtet, weist dies auf schwindende Kräfte und auf eine mangelnde Risikobereitschaft - ein Kennzeichen vieler älterer Menschen - hin. Die Aussage der Mandelbaum blüht bezieht sich wohl auf das ergrauende und schließlich weiß werdende Haar (Mandelblüten sind weiß); die Heuschrecke belädt sich bedeutet, daß der Körper des alternden Menschen gebeugt und sein Gang schwerfällig ist; da die Heuschrecke sich normalerweise schnell bewegt, ist dies ein treffendes Bild für den Verlust der jugendlichen Lebendigkeit. Der Niedergang der körperlichen Kräfte erreicht seinen Endpunkt im Tod, wenn der Mensch dahinfährt, wo er ewig bleibt (d. h., wenn er begraben wird; vgl. den Kommentar zu Pred 11,8-9 ), und seine Angehörigen um ihn trauern ( die Klageleute gehen umher auf der Gasse ).



c. Lebe verantwortungsvoll, ehe der Tod kommt
( 12,6-7 )


Pred 12,6


Der Prediger ermahnt die Menschen, ein verantwortungsvolles Leben zu führen, ehe der Tod herannaht. Er gebraucht für das Leben die beiden üblichen Bilder Licht ("goldene Schale") und Wasser (vgl. Ps 36,9-10 ). Der Verfall des Körpers gleicht dem Verlöschen des Lichtes; der silberne Strick, der eine goldene Schale hält (in der das Licht brennt), zerreißt, und die Schale zerbricht. Auch kann das Wasser des Lebens nicht mehr geschöpft werden, denn der Eimer ist zerschellt und das (Schöpf)rad, mit dem das Wasser aus dem Brunnen heraufgeholt wird, ist zerbrochen.



Pred 12,7


Das letzte Bild für den Tod, das Salomo anführt, um die Menschen zu einem verantwortungsvollen Leben zu bewegen, stellt eine Umkehrung der Schöpfung dar. Der Staub, aus dem der Körper besteht, muß wieder zur Erde kommen, wie er gewesen ist , und der Lebensodem (Geist und "Odem" sind Übersetzungen desselben hebräischen Wortes rUaH ) kehrt zu Gott zurück, der ihn gegeben hat . Dies ist offensichtlich eine Anspielung auf den Schöpfungsbericht ( 1Mo 2,7; Gott hat den Menschen aus dem Staub der Erde geschaffen und ihm den Lebensodem gegeben). Hier wird deutlich, daß Salomo nicht von einer Rückkehr individueller Menschenseelen zu Gott zum Zweck des Gerichtes spricht. Ähnliche Beschreibungen des Todes (als Auflösung des Körpers und Rückkehr des Odems zum Schöpfer) finden wir in Hi 34,14-15 und Ps 104,29-30 (vgl. Hi 10,9 ).

Der Vergleich der erwähnten Bibelstellen mit Pred 12,7 macht deutlich, daß diese Beschreibung der Rücknahme des Lebensodems nicht im Widerspruch zu Pred 3,20 steht. Als er dort das übliche Los der Menschen und Tiere beschrieb, hat er die Auffassung vertreten, daß man keinen Unterschied hinsichtlich der Zuteilung des Lebensodems feststellen und daher nicht sicher sein könne, daß der Odem des Menschen zu Gott hinaufsteigt und der Odem der Tiere zur Erde hinabfährt. Ein Vergleich zwischen Pred 12,7; Hi 34,14-15; Ps 104,29-30 und 1Mo 1,30 legt nahe, daß nach Salomo die Tiere vom gleichen Schicksal ereilt werden wie der Mensch, daß also auch sie nach ihrem Tod zu Gott zurückkehren.



B. Ein letzter Rat im Hinblick auf die Nichtigkeit allen menschlichen Strebens
( 12,8-14 )


Der Prediger beendet dieses Buch, indem er noch einmal auf die Nichtigkeit allen menschlichen Tuns hinweist (V. 8 ; vgl. Pred 1,2 ) und die Empfehlung ausspricht, daß der Mensch Gott fürchten und seine Gebote halten möge ( Pred 12,13-14 ). Er unterstreicht die Bedeutung dieser Schlußfolgerung, indem er auf die Quellen des Buches und dessen von Gott verliehene Autorität Bezug nimmt (V. 9- 12 ).



1. Wiederholung der These: Alles menschliche Streben ist nichtig
( 12,8 )


Pred 12,8


Salomo hat die Begrenztheit des menschlichen Strebens ( Pred 1,12-6,9 ) und der menschlichen Weisheit ausführlich ( Pred 6,10-11,6 ) erörtert; nun wiederholt er die These, die er an den Anfang seines Buches gestellt hat ( Pred 1,2 ): Es ist alles ganz eitel ( heBel ). Wie wir im Kommentar zu Kapitel 1 festgestellt haben, geht aus den auf Pred 1,2 folgenden Versen ( Pred 1,3-11 ) hervor, daß diese Äußerung sich auf das gesamte Tun des Menschen bezieht. In Vers 8 fassen die gleichen Worte alles Vorhergehende zusammen, nämlich die Feststellung, daß das menschliche Streben und die menschliche Weisheit nichtig ist ( Pred 1,12-11,6 ). Jedoch ist der Rat, das von Gott geschenkte Leben zu genießen, hier offenbar nicht miteingeschlossen, obwohl Salomo diese Empfehlung immer wieder ausgesprochen (vgl. Pred 2,24-26;3,12.22;5,17-19;8,15;9,7-9 ) und sie gerade eben erst zur Furcht des Herrn in Beziehung gesetzt hat ( Pred 11,7-12,7 ). Wenn der Mensch sein Leben nicht in der Furcht Gottes genießt, ist alles in der Tat eitel.



2. Die besondere Autorität dieses Buches
( 12,9-12 )


Pred 12,9-10


Der Prediger unterstreicht die Bedeutung der Aussage dieses Buches und des Rates, den er seinen Lesern erteilt hat, indem er von seiner Kompetenz spricht, aber auch die Nichtigkeit des Bemühens betont, in den verschiedensten Büchern Antworten auf ie grundlegenden Lebensfragen zu finden. Salomo weist zuerst auf seine persönliche Befähigung als Weisheitslehrer hin; er zählt sich also zu einer der drei Kategorien von Führern (Propheten, Priester und Lehrer), durch die Gott dem Volk Israel seinen Willen offenbart hat (vgl. Jer 18,18; Hes 7,26 ). Der Prediger sagt, daß er ein Weiser sei, der dem Volk eine gute Lehre gegeben habe. Er habe auf die Abfassung dieses Buches viel Mühe verwendet, denn er habe erwogen (also gründlich darüber nachgedacht), geforscht und viele Sprüche gedichtet.

Salomo fügt hinzu, daß er versucht habe, sein Buch vom Ästhetischen her angenehm zu gestalten, ohne die Wahrheit des Inhalts zu verschleiern.


Pred 12,11-12


Der Prediger setzt sein Buch in Beziehung zu den Werken anderer Weiser, die das gleiche Ziel verfolgten, wie er ( Die Worte der Weisen, die einzelnen Sprüche ) und weist auf den göttlichen Ursprung ihrer Autorität hin. Er vergleicht seine Lehre - ebenso wie die der anderen Weisen - mit Stacheln und fest eingeschlagenen Nägeln , womit er sagen will, daß sie eine Anweisung und ein Anreiz zu einem gottgefälligen Leben (zu dem Bild von den Stacheln vgl. Apg 26,14 ) und eine sichere Lebensgrundlage darstelle (vgl. Jer 10,4 ,wo auch von Nägeln gesprochen wird). Die göttliche Autorität seiner Worte (und der anderer Weisheitslehrer) betont Salomo, indem er sagt, daß sie von einem einzigen Hirten gegeben seien; d. h. von Gott, der sich des Menschen fürsorglich annimmt und ihn behütet (vgl. 1Mo 49,24; Ps 80,2; in Ps 95,6-7 wird Gott ebenso wie in Pred 12,1.11 als Schöpfer und Hirte bezeichnet). Aufgrund des besonderen Wertes und der göttlichen Autorität der Worte der Weisen - wofür Salomos Buch ein Beispiel ist - warnt der Prediger seinen Sohn (vgl. "mein Sohn" in Spr 1,8.10.15;2,1;3,1.11.21;4,10.20;5,1.20;6,1.3.20;7,1;19,27;23,15.19;23,26;24,13.21;27,11 ) und alle seine Leser davor, Antworten über das hinaus zu suchen, was der Herr durch die Weisen geoffenbart hat. Wenn sie in vielen anderen Büchern nach weiteren Antworten forschten, so würden sie darüber nur müde werden.


3. Abschließender Rat: Fürchte Gott und halte seine Gebote
( 12,13-14 )


Pred 12,13


Das Buch schließt ( Laßt uns die Hauptsumme aller Lehre hören ) mit der ausdrücklichen Empfehlung: Fürchte Gott und halte seine Gebote . Diese Worte wurden nicht, wie vielfach behauptet wird, von einem anderen Autor angefügt, sondern sie sind die Quintessenz dessen, was im Predigerbuch mehrfach in weniger direkter Form empfohlen wurde: daß der Mensch den Herrn fürchten und ein gottgefälliges Leben führen solle (vgl. den Kommentar zu Pred 2,24-26;7,15-18;11,9-10;12,1 ). Nun bringt Salomo zum Ausdruck, daß diese Ehrfurcht vor Gott und der Gehorsam ihm gegenüber die Pflicht eines jeden Menschen sind.



Pred 12,14


Die Bedeutung der Pflicht des Menschen gegenüber dem Schöpfer wird durch die Feststellung unterstrichen, daß Gott alle Werke vor Gericht bringen wird (vgl. Pred 3,17;11,9 ), auch alles, was verborgen ist (vgl. Mt 10,26 ). Jeder Mensch ist dem Herrn für alles, was er in der Öffentlichkeit oder im Verborgenen tut, Rechenschaft schuldig. Man hat diese Aussage häufig als Hinweis auf ein Gericht nach dem Tod aufgefaßt. Der Vergleich mit Ps 90,7-8 und die exakte Auslegung von Pred 2,24-26;7,15-18 und Pred 11,9-10 machen jedoch deutlich, daß diese Auffassung anzuzweifeln ist. Ein Gericht nach dem Tod wäre zwar eine Lösung des Problems der von Salomo beobachteten ungleichen Verteilung der Gerechtigkeit in der Geschichte der Menschheit (vgl. Pred 7,15;8,14 ), aber es gibt kein Anzeichen dafür, daß der Prediger auf ein solches Gericht anspielt. Er spricht ja stets von diesem Leben ("unter der Sonne") und den Möglichkeiten zur Arbeit (vgl. Pred 9,10 ), zur Verehrung Gottes ( Pred 12,1 ) und zur Freude (vgl. Pred 2,24-26;3,12.22;5,17-19;8,15;9,7-9;11,7-10 ), die es bietet. Seiner Meinung nach hält das Leben im Jenseits keine derartigen Möglichkeiten bereit (vgl. Pred 9,5-6.10 ). Deshalb scheint es für ihn nach dem Tode keine Unterschiede zwischen Gerechten und Gottlosen, Weisen und Toren sowie Menschen und Tieren zu geben.

Viele andere Bibelabschnitte sprechen natürlich von den ewigen Segnungen, die den Gerechten zuteil werden, und den ewigen Strafen, die die Gottlosen erleiden müssen. Salomo bekräftigt jedoch nur seinen Glauben an Gott und dessen Gerechtigkeit (vgl. Pred 3,17; 8,12 b. 13 ). Er gibt sich damit zufrieden, daß das Gericht wie auch alles übrige Gottes Zeitplan untersteht ( Pred 3,17 ), denn "Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit" ( Pred 3,11 ). Daher gibt der Prediger seinen Lesern den Rat, ihr Leben in der Furcht des Herrn zu genießen, soweit Gott es ihnen gestattet. Wenn doch die Menschen, die auf dieser Seite des Kreuzes leben, sich ebenso wie Salomo damit zufrieden gäben, die Rätsel des Lebens Gott zu überlassen, ihm zu dienen und sich im Einklang mit seinem Willen des Lebens zu freuen!



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