|
TYPOLOGIE
und Eschatologie
Für die heilsgeschichtliche Hermeneutik ist
die Typologie in der Bibelauslegung beides -
sowohl Segen als auch Fluch. Sie ist Fluch,
wenn man die Typologie derart
überstrapaziert, dass sie missbraucht und
das Verständnis dessen, was Typologie
eigentlich ist, erschwert wird. Ist sie wie
ein prophetischer Text eine Art biblischer
Offenbarung, oder stellt sie nur eine
Methode zur Auslegung eines Textes dar?
Jede Definition von Typologie muss damit
beginnen, wie die neutestamentlichen
Schreiber den Begriff
typos in Bezug auf andere Textstellen
gebrauchen. Der Ausdruck
typos wird dort nicht einheitlich als
Fachbegriff benutzt. Zuweilen wird er
verwendet, um Ereignisse, Einrichtungen oder
Personen, die sich in zwei Erzähltexten
befinden, miteinander zu vergleichen, und
zwar so, dass der frühere Text den späteren
veranschaulicht (
1Kor 10,11 ). Solch eine
Veranschaulichung gibt über den späteren
Text Aufschluss. Bei anderen Gelegenheiten
bezieht sich
typos auf eine Voraussage: Ereignisse,
Einrichtungen oder Personen der Gegenwart
verweisen auf künftige Sachverhalte bzw.
Personen. Der erste Erzähltext kündigt dabei
ein Ereignis an, das im späteren Text seine
Erfüllung findet (
Röm 5,14 ). In diesem Sinn hat sich
typos als Fachbegriff eingebürgert. Er
wird durch die Verwendung des Begriffs
antitypos (wie in
1Petr 3,21 ) weiter untermauert. In
diesem Fall entspricht die neutestamentliche
Erfahrung (Geistestaufe) der
alttestamentlichen: Noah und seine
Angehörigen gingen in die Arche. Das
gemeinsame Element in beiden Verwendungen
schließt die Bedeutung ein, die im
ursprünglichen Erzähltext zum Ausdruck kam.
Daher ist die Typologie zuallererst die in
einem Erzähltext zum Ausdruck gebrachte
Bedeutung, die für Gottes Handeln mit der
Menschheit als Beispiel gilt. Einige dieser
Musterbeispiele veranschaulichen lediglich
Gottes allgemeines voraussagen, wie Gott
zukünftig in besonderer Weise wirkt. Die
Typologie ist somit nur in einer
untergeordneten Bedeutung eine Methode zur
Auslegung von Erzähltexten.
Eine andere Frage ist, wie man einen
typos in einem Erzähltext erkennt. Wenn
sich ein
typos in einem Erzähltext befindet, kann
man dann beim Lesen diesen beispielhaften
Aspekt gleich erkennen? Als die Christen das
Alte Testament lasen, war ihnen klar, dass
sie Analogien im Blick auf Christus und auf
christliche Erfahrungen vorfanden. Weil man
aber so viele beziehungslose Analogien
erkannte, wurde diese Praxis heftig
kritisiert.
Viele konservative Ausleger haben sich für
die objektiven Kriterien von Bischof Marsh
ausgesprochen
(Lectures on Criticism and Interpretation of
the Bibl e). Nach seinem Vorschlag
enthält eine alttestamentliche Erzählung nur
dann einen
typo s, wenn das Neue Testament dieses
Sachverhalt speziell benennt. Obwohl diese
objektiven Kriterien hilfreich sind, finden
sie sich auch außerhalb der
alttestamentlichen, erzählenden Texte.
Allein anhand der neutestamentlichen
Bezugnahme lässt sich die Bedeutung
erkennen. Gibt es also keine Methode, die es
dem Leser gestattet, das Beispielhafte in
einem Erzähltext selbst zu erkennen?
Es gibt - wenn überhaupt - nur wenige
Anhaltspunkte in einer biblischen Erzählung,
die erkennen lassen, dass ein besonderes
Werk Gottes beispielhaft oder prophetisch
ist. Den normativen Wert eines Beispiels
erkennt man daran, dass der Bericht die
grundlegenden und wiederholten Taten Gottes
so darstellt, wie auch Gott sonst in der
Geschichte mit den Menschen handelt. Die
voraussagende Absicht erkennt man nur, wenn
der Bericht das Beispiel einer vorherigen
Verheißung Gottes ist. Der Bericht erscheint
dann als Beispiel für die Tatsache, dass
Gott hält, was er zu tun verheißen hat, weil
mit seinem Tun in der Vergangenheit nicht
der vollständige Geltungsbereich seiner
Verheißungen in Erfüllung ging.
Daher enthält der eigentliche
voraussagende Typus die Bedeutung, die
in einem Erzähltext zum Ausdruck kommt und
die beispielhaft ist für Gottes künftiges
Werk aufgrund seiner Verheißungen in der
Vergangenheit. Indem ein Gläubiger solche
Typen und Antitypen versteht, erkennt er
immer mehr die Einheit und den Fortschritt
biblischer Offenbarung, wobei die eigene
eschatologische Hoffnung verstärkt wird.
Siehe auch:
Hermeneutik, moderne biblische .
Elliott Johnson
R. M. Davidson,
Typology in Scripture (Berrien Springs,
Mich.: Andrews University, 1981); P.
Fairbairn,
Typology of Scripture (Grand Rapids:
Kregel, 1995).
|