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Was ist „paulinisches" Evangelium?

Evangelium - wie es Paulus offenbart wurde

Die Verkündigung des Evangeliums unseres erhöhten Herrn, wie es vor allem dem Apostel Paulus geoffenbart wurde, ist zu unterscheiden von dem Evangelium, das Jesus während Seiner Erdenzeit verkündigte und den 12 Aposteln anvertraute. Es handelt sich gleichsam um eine zweite Offenbarungsstufe des Evangeliums Jesu Christi. Hier muss ich nun zunächst einigen Missverständnissen entgegentreten, die sich gern einschleichen:

Verkündigern, die diese Unterscheidung beachten, macht man gelegentlich den Vorwurf: Hier wird Paulus verherrlicht und Jesus verdunkelt; Paulus und seiner Botschaft wird größeres theologisches Gewicht beigemessen als Jesus und Seiner Verkündigung auf Erde; man beschäftigt sich mehr mit den Paulusbriefen als mit den Jesusworten der Evangelien. Demgegenüber muss klar herausgestellt werden, dass niemals Paulus gegen Jesus ausgespielt werden kann und dass Worte des Apostels Paulus nicht gegen Worte Jesu Christi stehen. Jesus hat in Seiner Niedrigkeit persönlich zum Volke Israel gesprochen, und derselbe Jesus hat als der erhöhte Christus zum Apostel Paulus gesprochen. Es gibt nicht zweierlei „Jesus Christus“! Es ist nur ein Herr.

Aber es gibt zweierlei Offenbarungsstufen. Wir kennen Jesus in Seiner Niedrigkeit als Messias für Israel, und wir wissen um den erhöhten Christus als Haupt der Gemeinde. Paulus war nicht 40 Tage in der Wüste, um vom Satan versucht zu werden; Paulus hat nicht im Garten Gethsemane gelegen und dort für alle Schöpfung das entscheidende „Ja, Vater“ gesprochen; Paulus hat auch nicht am Kreuz von Golgatha gehangen und die Sünde der ganzen Welt getragen, noch ist er am dritten Tage von den Toten auferstanden und dann gen Himmel gefahren. Das alles kann nur von Jesus gesagt werden.

Und auch in den Briefen des Paulus geht es immer und überall um Jesus Christus. Christus ist das Ziel, die Mitte und der Inhalt seiner Botschaft. Paulus kannte nur einen einzigen Ruhm, nämlich das Kreuz unseres Herrn Jesus Christus (Gal 6:14).

Aber ebenso ist es Tatsache, dass das Evangelium von Jesus Christus durch die Offenbarung des erhöhten Christus an Paulus einen entscheidende Weiterentwicklung erfahren hat. Mit Paulus ist ein neuer Haushalt Gottes eröffnet worden, die „Haushaltung“ oder „Verwaltung der Gnade Gottes“ (Eph 3:2.9. Elbf. Ü.). Darum ist das von Paulus verkündigte Evangelium ein ganz besonderes Evangelium. Es ist nicht nach Menschenart, keine menschliche Leistung fällt hier ins Gewicht, es herrscht die absolute, vollkommene Gnade. Paulus hat es von keinem Menschen empfangen noch gelernt - weder von Petrus noch Johannes noch Jakobus - sondern durch direkte Offenbarung des erhöhten Christus (Gal 1:11-12)

Bei Paulus haben wir eine Weite der Gottesgedanken, eine Schau der Heilsgeschichte Gottes von den Ursprüngen bis in die letzten Ziele hinein, wie sie sonst nirgends dargestellt ist. Ausmaß und Fülle seines Evangeliums sind einzigartig und vorher nie so gehört worden. Wenn er sagt, er habe das von ihm verkündigte Evangelium durch Offenbarung Jesu Christi empfangen, dann schließt das jede menschliche Vermittlung aus, es ist auch nicht Resultat eigener Überlegungen, obwohl Paulus ein scharfer Denker war. Sein Evangelium ist reines Gnadengeschenk.

Widerspruch von den Juden

Noch einmal möchte ich betonen: Nicht Paulus ist der Inhalt seines Evangeliums, das er im besonderen zu verkündigen hat, sondern immer nur Jesus Christus in Seiner ganzen Fülle. Diesem Evangelium wurde von Anfang an von verschiedenen Seiten her widersprochen. Wohl der schärfste Widerspruch begegnete ihm von Seiten der Juden; denn Paulus hat den Weg des Gesetzes als Heilsweg und Heilungsweg völlig ausgeschaltet. Er hat die Überlieferung des Rabbinats außer Kraft gesetzt. Lehre und Leben werden in der Gesinnung Jesu Christi begründet und nicht im Buchstaben des Gesetzes oder in den Aufsätzen der Ältesten. Er hat ein ganz neues Verständnis von Opfer und Tempel gebracht und damit den Kult Israels mit dem Opferdienst im Tempel außer Kraft gesetzt.

Schließlich ist ihm auch durch ein besondere Offenbarung gezeigt worden, dass nicht Israel als Ganzes zu erst errettet wird, sondern dass Gott dieses Volk auf die Seite setzt und zeitweilig verstockt, um zuerst eine Gemeinde aus allen Nationen und aus einem Überrest Israels herauszurufen und herauszuretten. Erst nach Vollendung dieser Gemeinde wird das Volk Israel wieder seine Heilsbedeutung gewinnen. Nicht zuletzt wurde das von Paulus verkündigte Evangelium von den Juden auch deswegen abgelehnt, weil die Botschaft vom Kreuz jede Religion, jede Religiösität, jedes eigene menschliche Handeln, das dem Heil oder der Heiligung des Menschen dienen soll, konsequent in den Tod führt. Vielmehr ist gerade der verfluchte, ausgestoßene, am Schandpfahl sterbende Jesus Christus das Heil der ganzen Welt, allerdings nicht für leistungsstolze religiöse Menschen, sondern für verlorene Sünder.

Auch ein großer Teil der Judenchristen lehnte Paulus und seine Botschaft ab. Denn Paulus hat die Beschneidung als Zeichen der Zugehörigkeit zum neuen Bundesvolk für die Heidenchristen zurückgewiesen und statt dessen die „Beschneidung des Herzens“ gefordert (Röm 2:28-29). Viele Judenchristen eiferten damals für das Gesetz für den wahren Heiligungsweg, auf dem auch der Christ wandeln und Gott gefallen soll. Paulus hatte in Galatien und schließlich in Jerusalem schwere Auseinandersetzungen mit ihnen zu führen. Auch Apg 21 und Apg 22 müssen wir wohl annehmen, dass auch Judenchristen an der Verhaftung und Überführung des Paulus in die Hände der Römer beteiligt waren.

Widerspruch von den Nationen

Es konnte nicht ausbleiben, dass Paulus auch von den Nationen (den „Heiden“) abgelehnt wurde, und zwar deshalb, weil er in seiner Botschaft vom Kreuz die Torheit der Weltweisheit ganz deutlich aufdeckte (1Kor 1:20-25; 1Kor 2:6-16). Diese Weltweisheit hatte nicht zur Erlösung der Menschen geführt. Außerdem hatte Paulus die Herrschaft der Mächtigen dieser Erde unmittelbar angegriffen, indem er Jesus als den HERRN (kyrios) und HEILAND (sootär) aller Welt ausgerufen hatte (Phil 2:10-11; Phil 3:20-21). Wer sich mit dem Evangelium, das Paulus verkündigte, einsmacht, es wirklich übernimmt, muss bis auf den heutigen Tag mit Ablehnung rechen. Immer noch gilt, was in Apg 28:22 gesagt ist: Diesem Evangelium wird widersprochen in der ganzen Welt. Es wird gut sein, wenn wir die Botschaft des Apostels Paulus von seiner Christusbezeugung vor Damaskus her zu verstehen suchen. Sie dürfte etwa im Jahre 34 n. Chr. stattgefunden haben und eine kirchengeschichtliche und heilsgeschichtliche Bedeutung.

Berufung zum Dienst

Der gelehrte Rabbiner, der leidenschaftliche, fanatische Pharisäer, der reinrassige Jude, der die jüdische Religion wie kaum ein anderer in sich verkörperte, wird von Jesus Christus als Sein besonderes Werkzeug aus den früheren Verhältnissen herausgeholt und zum Dienst berufen. Das war gleichsam ein Attentat Christi im Hauptquartier des Rabbinats, und die Zentrale in Jerusalem stand Kopf. Hatte ihn vorher das Gesetz zu einem Antichristen in seiner Blindheit gemacht, so musste er fortan ebenso entschieden gegen das Gesetz als Heilsweg und Heiligungsweg Stellung nehmen. Jesus Christus hatte gründlich in ihm abgerechnet mit seiner früheren Religion, mit diesem fleischlich religiösen Weg, Gott zu gefallen. Durch Paulus wurde es nun möglich, die Botschaft des Evangeliums von Jesus Christus aus der rein jüdischen Umklammerung zu lösen und in die Weite der Nationenwelt und zu den vorgesehenen göttlich-heilsgeschichtlichen Zielen zu führen. Ohne diesen Durchbruch wäre es nie zu einer Nationengemeinde gekommen, zur Bildung eines Leibes Jesu Christi, das Christentum wäre ein jüdische Sekte geblieben und im 3. oder 4. Jahrhundert n. Chr. von der Bildfläche verschwunden, denn das starre Festhalten der Judenchristen am jüdischen Gesetz erlaubte nie eine Erweiterung in den Raum der Nationenwelt hinei

Aufgrund seiner Christusbegegnung kann Paulus sich als ein „Vorbild“ der Gläubigen bezeichnen (hypotypoosis = Muster, prägendes Vorbild; 1Tim 1:16). An ihm hat Jesus Christus Seine ganze Langmut zur Schau gestellt. Denn gerade dieser Mann, der Seiner Gemeinde in ganz außergewöhnlichem Maße Schaden zufügte, sollte zum Sonderapostel Jesu Christi und Verkündiger der größten und herrlichsten Wahrheiten des Evangeliums werden. Er musste erfahren, dass sein bisheriges Leben im Lichte Gottes völlig verkehrt war (Apg 9; Apg 22; Apg 26). Er hätte nach der Heiligkeit Gottes den sofortigen Tod verdient gehabt. Darum wird er nach seiner Bekehrung immer wieder ins Staunen und in die Anbetung darüber getrieben, dass er Gottes Gerechtigkeit als Begnadigung erfahren darf, ja dass Gott ihn sogar in Seinen Dienst stellt. er weiß sich nun aus Gnade, allein aus Gnade gerettet. Wenn es um die totale Gnade Gottes geht, ist der Apostel Paulus wahrhaftig das einzigartige Präge-Vorbild für alle, die heute, im Haushalt der Gemeinde Jesu Christi, gläubig werden.

Inhalt des paulinischen Evangeliums

Ich möchte nun auf den besonderen Inhalt des paulinischen Evangeliums eingehen und ein Achtfaches nennen:

  1. die Lehre vom Heiligen Geist;
  2. die Lehre vom Sohne Gottes;
  3. die Botschaft vom Leib des Christus;
  4. die Schau von der Versöhnung;
  5. das Evangelium von der totalen Gnade;
  6. die Lehre von der Gerechtigkeit Gottes;
  7. die heilgeschichtlich-prophetische Schau über Israel;
  8. die besondere Erwartung der Leibesgemeinde.

Die Lehre vom Heiligen Geist

1. Paulus predigt eine neue Gegenwart und Wirklichkeit Gottes, und zwar im Heiligen Geist. Das paulinische Evangelium offenbart ein neue göttliches Prinzip: die Erfahrung des Heiligen Geistes - und durch ihn des Vaters und des Sohnes. Der Heilige Geist ist die messianische Endzeit-Gabe Gottes. Das neue Leben eines jeden Christen ist möglich und geschieht im Heiligen Geist. In diesem Geist (als Lehre und Tatsache) liegt der Schlüssel zu allen theologischen Erkenntnisse, Einsichten und Aussagen des Paulus. Hatte die judenchristliche Gemeinde, was das Apostelamt betrifft, noch das historisch-traditionielle Autoritätsprinzip, so stellt Paulus dem ein neues Prinzip entgegen: die Erfahrung des Geistes des erhöhten Christus als Quelle aller christlichen Erkenntnis und Beauftragung. Während sich die Urapostel auf den geschichtlich-irdischen Christus berufen, weiß sich Paulus vom übergeschichtlich-pneumatischen Christus ausgesandt. So hat er es selbst in seiner Bekehrungsstunde erlebt, als er mit dem Heiligen Geist erfüllt wurde (Apg 9:17). Genau das hat ihm vorher gefehlt. Wenn er ihn hier empfangen hat, dann konnte er ihn vorher als jüdischer Rabbiner noch nicht gehabt haben. Nun aber hat er die Geistesgegenwart als Gegenwart des erhöhten Christus und des lebendigen Gottes erfahren.

Besonders in Röm 8:1-17 (wie auch in Gal 5:16-26) spricht er ausführlich vom Heiligen Geist und seinen Wirkungen. In Röm 8 teilt er die Menschen in zwei Gruppen ein, in solche, die nach dem Geist, und solche, die nach dem Fleisch wandeln. Wer nach dem Fleisch wandelt, gefällt Gott nicht; wen aber der Geist Gottes treibt, der ist Gottes Kind. Gottes Geist in uns - das ist Leben Gottes. „Wenn nun der Geist dessen, der Jesus aus den Toten auferweckt hat, in euch wohnt, so wird Er, der Christus aus den Toten auferweckt hat, auch eure sterblichen Leiber lebendig machen durch Seinen Geist, der in euch wohnt“ (Röm 8:11). So steht und fällt die lebendige Auferstehungshoffnung, die wir bezeugen dürfen, mit der Innewohnung des Heiligen Geistes in uns. So vollzieht sich auch das Leben der Heiligung nach Röm 8:13 dadurch, dass wir durch die Kraft dieses Geistes „des Fleisches Geschäfte töten“.

„Welche der Geist Gottes treibt (führt, leitet), die sind Gottes Kinder ...Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind“ (Röm 8:14.16). Solche Menschen sind nicht nur Gottes Geschöpfe, sondern aus dem Geist Gottes heraus gezeugt und geboren. Im Geist der Sohnschaft rufen sie in kindlichem Vertrauen: „Abba, lieber Vater“ (Röm 8:15). Sie sind nicht länger Sklaven, sondern Freie, Söhne und Erben Gottes und Miterben des Christus (Röm 8:17).

Hatte Paulus vorher als Jude geglaubt, im Gesetz die Gegenwart Gottes zu haben, so hat er sie jetzt erlebt durch den Heiligen Geist als den „Christus in uns“.

Die Lehre vom Sohne Gottes

2. Einmalig und unübertroffen ist seine Schau von Jesus Christus als dem Sohne Gottes, Er bekennt sich (Gal 1:15-16), dass er schon von Mutterleib an von Gott ausgesondert worden sei und dass es Gott gefallen haben, Seinen Sohn in ihm zu offenbaren - nicht vor seinen Augen im irdischen Bereich, sondern in ihm, in seinem Geist, in seinem Herzen.

Jesus Christus ist der Sohn Gottes. Als solcher gehört Er nicht zum Geschaffenen. Jesus, der Sohn Gottes, ist nicht Schöpfung, sondern Zeugung aus Gott. Damit hat Jesus ein besonderes Verhältnis zum Vater im Himmel, ein besonderes Verhältnis zur Schöpfung und ein besonderes Verhältnis zu allen, die an Ihn glauben, denn auch sie sind Söhne Gottes. Jubelnd, triumphierend und voller Freude schreibt Paulus in Röm 8:17:

„Sind wir aber Kindern so auch Erben, Erben Gottes und Miterben Christi, wenn anders wir mit leiden... „ und in Röm 8:19: „Denn das sehnsüchtige Harren der Schöpfung wartet auf die Offenbarung der Söhne Gottes“ - „In Seiner Liebe hat Er uns dazu verordnet, dass wir Seine Söhne seien durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen Seines Willens“, so sagt es Paulus in Eph 1:5.

Der Leib des Christus

3. Damit kommen wir zu einer dritten und sehr wichtigen Botschaft im paulinischen Evangelium, die wir in die Worte fassen können: Alle Gläubigen der Gemeinde sind als Söhne Gottes der Leib des Christus, Seine Glieder, deren Haupt Er ist.

Dazu schreibt Paulus in Eph 1:20-23:

„Gott hat Christus gesetzt... über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und was sonst genannt werden mag, nicht allein in dieser Welt (wörtl. Zeitalter), sondern auch in der zukünftigen, und hat alles unter Seine Füße getan und Ihn als Haupt über alles der Gemeinde gegeben, die Sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allen erfüllt.“ Zwischen Christus, dem Haupt und den Gliedern Seiner Gemeinde besteht eine unauflösliche organische Verbundenheit. Da gibt es keine Prothesen, keine toten Glieder, sie sind alle ein Geist in Ihm (1Kor 6:17). Es ist eine organische Geisteseinheit, nicht mystisch, aber real. Das Leben des Sohnes Gottes, so wie Gott es bei Seiner Zeugung i Ihn selbst hineingelegt hat, - dieses unauflösliche, unsterbliche, unverwelkliche Gottesleben - ist auch in den Söhnen. Damit sind sie weit über alles Geschaffene hinausgehoben und mit dem Christus über alle Engel gesetzt, über alle Mächte, Fürstentümer und Gewaltigen (Eph 3:10). Sie besitzen im Glauben schon jetzt in Christus eine Herrlichkeit, wie sie kein Engelfürst und überhaupt nichts Geschaffenes in dieser Welt besitzt. Sie sind in die Hoheits- und Majestätsrechte des Sohnes Gottes eingesetzt und schon jetzt mit Ihm versetzt an den Thron Gottes (Eph 2:6).

Sie haben teil an Seiner ganzen Schöpfung und Herrlichkeit und an Seinem Heilswerk an der ganzen Schöpfung, die Gott einmal vollenden wird Herrlichkeit, Macht und Ehre des Sohnes haben auch die Söhne. (Man lese dazu Eph 2:1-10; Kol 3:1-4 und 1Kor 6:1-3) Ich muss hier noch einen besonderen Gedanken hinzufügen: Das Haupt, Jesus Christus, und alle Glieder Seines Leibes, die heute herausgerufen werden durch Zeugung und Geburt aus Gott, durch Wort und Heiligen Geist - sie alle zusammen sind „der Christus“. So bezeichnet Paulus in 1Kor 1:13 und 1Kor 12:12 (Grundtext). Es ist deswegen so wichtig, weil dies bedeutet, dass die Glieder des Leibes als „der Christus“ an allen zukünftigen Befugnissen, Herrlichkeiten und Machtausübungen Jesu Christi, von denen wir in der Schrift lesen, beteiligt sind so kann Paulus in 1Kor 6:2-3 sagen, dass die Gläubigen, die Glieder der Gemeinde Jesu Christi, einmal die Welt und die Engel „richten“ sollen (beurteilen, herrichten, ausrichten).

Ja, Paulus schriebt sogar in Eph 1:10, dass einmal das gesamte Schöpfungsall - beides, was im Himmel und auf Erden ist - in Christus zusammengefasst werden soll. Das ist eine großartige Schau, die ihm der erhöhte Herr hat zuteil werden lassen. es gibt derzeit keine größere Spannung und Dissonanz als die zwischen Himmel und Erde und zwischen dem Himmel als dem Thronsitz des lebendigen Gottes und der Erde als dem Machtbereich Satans. Diese Spannung wird einmal aufgelöst sein, wenn Gott der Vater dem Sohn alles zu Seinen Füßen gelegt hat. Durch Christus Jesus und Seine Gemeinde wird diese Dissonanz einmal beseitigt werden

Die Schau von der Versöhnung

4. Der Apostel Paulus hat durch den erhöhten Christus eine besondere Schau von der Versöhnung empfangen und weitergegeben. Er hat sie gepredigt in eine Qualität und Quantität, die allumfassend ist. Es handelt sich um einen fundamentalen Teil seiner Botschaft, der später auch wieder von den Reformatoren aufgenommen worden ist.

Neben Kol 1:17-20 ist hier vor allem 2Kor 5:18.19.21 zu nennen: „Aber das alles von Gott, der uns mit sich selber versöhnt hat durch Christus und uns den Dienst gegeben, der die Versöhnung predigt. Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt (den Kosmos mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung... Er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir Gottes Gerechtigkeit würden ihn Ihm.“

Nicht sich musste Gott versöhnen durch den Tod Seines Sohnes, sondern Er musste die Welt mit sich versöhnen durch das Blut Jesu Christi. Es ist ein ganz großer Irrtum, zu meinen, vor Golgatha sei Gott der Welt gegenüber ein zürnender Gott gewesen und erst seit Golgatha habe Er die Welt geliebt. Nicht Gott war zornig auf die Welt, sondern die Welt befand sich in Aufruhr gegen Gott. Gott hat von jeher die Welt geliebt, und eben dies offenbarte Er am Kreuz von Golgatha (Joh 3:16; Röm 5:8). In dem einen Versöhnungsakt im Sterben Seines Sohnes am Kreuz hat Er die ganze Schöpfung mit sich versöhnt. Das Blut und das Leben Jesu ist der teure Preis, den Gott hierfür bezahlt hat. Alle Forderungen des Gesetzes- von Engeln aufgestellt und von Gott genehmigt - hat Er hierdurch bezahlt, und Er hat, in Seinem Sohn, auch den Fluch des Gesetzes getragen (Gal 3:13) Jesus Christus hat das Gesetz vollkommen erfüllt, ja noch mehr: In Ihm kam das Gesetz zu seinem vollen Recht. Es hat sein Ende und sein Ziel gefunden; denn Christus ist des Gesetzes Ende, wer an den glaubt, der ist gerecht (Röm 10:4). Darum gibt es nun auch kein Verdammungsurteil mehr für die, die in Christus Jesus sind (Röm 8:1). Es ist alles vollkommen und für alle Zeiten bezahlt, und das Gesetz ist in Christus Jesus als Forderung außer Kraft gesetzt.

Gott hat für alle Adams und Evas, für alle Kains und Nimrods, für alle großen Sünder wie David und Ahab und wie immer sie heißen mögen, bis auf den heutigen Tag und für immer alles bezahlt. Gottes Versöhnung umfasst alle Sünder, aller Zeiten, sie gilt allen Menschen rückwärts und vorwärts, sie erstreckt sich hinunter bis in die tiefsten Tiefen des Scheols (Totenreichs) und hinauf bis in die höchsten Höhen aller Himmel. Diese Versöhnung umfasst alles, was im Himmel und auf Erden genannt werden mag; darum heißt es auch in Offb 5:13, dass alle Gott und das Lamm anbeten werden.

Die Versöhnung ist allumfassend; darum werden auch einmal, wenn Gott über alles Unrecht Gericht gehalten hat, alle Vorwürfe verstummen - auch alle Selbstvorwürfe. Das Blut Jesu Christi ist der teuerste Preis, den Gott bezahlen konnte, und weil Er in Seinem Sohn alles dahingab, hat Er auch alles zurückgekauft und erlöst. Diese Weite und Tiefe der Versöhnung in Christus Jesus hat Paulus in einzigartiger Weise darstellen dürfen.

Versöhnen heißt alles erneuern; darum verheißt Gott auch: „Siehe ich mache alles neu!“ (Offb 21:5). Versöhnung ist der völlige Tausch, wie wir es vorhin schon gelesen haben (2Kor 5:21): Jesus Christus, der SohnGottes, wurde meine Sünde, ich aber werde Seine Gerechtigkeit. Jesus wurde aber nicht nur meine Sünde, sondern Er wurde die Sünde der ganzen Welt; Gott hat Ihn zur Sünde schlechthin - aller Menschen und aller Zeiten - gemacht, und so sind alle Menschen aller Zeiten, ja Himmel und Erde, für Gott versöhnt und erkauft. Darum dürfen wir auch im Glauben über jeder Sünde und jedem Versagen Gott anrufen.

Hier ist nun freilich auch die seelsorgerliche Frage zu stellen: Haben wir in diese Versöhnung eingewilligt?

Haben wir uns versöhnen lassen? Sind wir mit Gott und allen Seinen Wegen in unserem Leben, die Er uns führt, versöhnt? Haben wir Frieden mit Gott (Röm 5:1-5)? Sind wir mit Gottes Führungen in unserem Leben, den vergangenen und gegenwärtigen, einverstanden? Sind wir auch über verkehrten Wegen zur Ruhe gekommen? Oder klagen wir noch immer: „Ach, hätte ich doch ... ach, wäre doch...“? Dies würde an zeigen, dass wir noch nicht völlig versöhnt sind.

Das Evangelium von der totalen Gnade

5. Folgerichtig können wir nun einen fünften Punkt nennen, der wesentlich zum Evangelium des Apostels Paulus gehört: es ist 'das Evangelium von der totalen Gnade.’ Die Gnadenbotschaft ist aus seinen Briefen nicht fortzudenken. Es gibt viele Stellen, in denen er sie mit großer Klarheit und tiefer Freude verkündigt. (Man lese z.B. Eph 2:8-10; Röm 3:23-24; Tit 3:4-7; 1Tim 1:12-16). Ja, in Eph 3:2 kann er sagen, dass es zu seinem besonderen Auftrag gehört, dass er „die Verwaltung der Gnade Gottes“ von Christus übertragen bekam. Darum soll auch alles Leben der heute Glaubenden „zum Lob Seiner herrlichen Gnade“ sein (Eph 1:6). Paulus predigt nicht nur Gnade, sondern totale Gnade. Gesetz und Leistung des Menschen als Heils- und Heiligungsweg sind ausgeschlossen, wie wir das eingangs schon gesagt haben. Die totale Gnade schließt jeden Beitrag des Menschen - aus seiner Kraft, zu seinem Ruhm - aus.

Es gibt keine „Christus und....“ was das Heil des Menschen betrifft; denn „bei Dir gilt nichts denn Gnad und Gunst, die Sünden zu vergeben (Luther). Alles und in allem ist es nur der Herr, der uns gerettet haat, das einzige, was Er uns ermöglicht zu tun, wo wir beteiligt sein dürfen, ist, das anzunehmen, was sich am Kreuz ereignet hat und vollgültig geschehen ist. Diese totale Gnade führ einzig und allein auch zu einer festen Gewissheit unteres Heils. Alles andere - ob im Judentum oder einer anderen Religion - ist schwankender Grund. Überall da, wo der Mensch noch mit eigenen Leistungen, mit eigenem Tun und Ringen zu seinem Heil etwas beitragen will, befindet er sich auf dem schlüpfrigen Boden der Ungewissheit. Gewissheit schenkt uns nur die totale rettende Gnade unseres Herrn.

Wer die Botschaft von der totalen Gnade hört, wird auch an der paulinischen Lehre von der Erwählung nicht vorbeikommen (Eph 1:3-6). Gott hat mich erwählt vor Grundlegung der Welt. Ehe ich geboren wurde, hat mich Gott erkannt. Er hat mich längst in Seinem Herzen gesehen und durchschaut und gewusst, was ich tun werde. Er hat mich als Sein Werk „in Christus Jesus erschaffen“. (Eph 2:10).

Zwar schließt die göttliche Erwählung die menschliche Wahlfreiheit nicht aus, doch können wir uns für Gott nur entscheiden, weil Er sich längst zuvor für uns entschieden hat. Ich kann nur umkehren, weil Gott sich längst zu mir gewandt hat. Ich kann nur Vergebung erbitten, weil Gott sie mir schon längst durch das Sterben und Auferstehung unseres Herrn bereitet hat. Die Erwählung Gottes zeigt an, dass es Gott allein ist, der rettet. Der Mensch kann Erwählung und Rettung immer nur annehmen; mehr kann er dazu nicht tun. Er kann sie zwar auch ablehnen, aber eines Tages wird ihn Gott durch Gnade und Gericht doch erreichen, denn an Christus kommt niemand vorbei.

Die Lehre von der Gerechtigkeit Gottes

6. Eine weitere Botschaft, die der Apostel Paulus in seinem Evangelium in einer besonderen Weise dargestellt hat, ist die Lehr von der Gerechtigkeit Gottes. Sie trat in der Reformation leuchtend hervor, als Martin Luther sie, ausgehend von Röm 3:21-26, wieder neu herausstellte.

Die Gerechtigkeit Gottes wird offenbart im Evangelium von Jesus Christus (Röm 1:16). Im Alten Testament, im Haushalt des Gesetzes, wurde die Gerechtigkeit vom Menschen gefordert. Der Mensch sollte das Gesetz Gottes halten und dadurch gerecht sein und vor und mit Gott leben. Paulus bezeugt nun, dass die Gerechtigkeit Gottes nur geschenkweise erlangt werden kann, die Rechtfertigung des Menschen ist ein Akt der Liebe und Treue Gottes und wird allein dem Glauben zuteil. Schon Abraham hat auf diese Weise Gerechtigkeit Gottes erlangt (1Mo 15:6; Röm 4:3-5). Nur durch den Glauben an Jesus Christus kann heute ein Mensch die Gerechtigkeit Gottes als Gnadengeschenk empfangen (Röm 3:24; 2Kor 5:21). Nur an einer Stelle hat Gott ganz Recht bekommen, im Sterben Jesu am Kreuz, wo Er das Gericht und die Strafe für uns auf sich genommen hat. Hier gibt es keine Gerechtigkeit mehr zu verdienen, auch nicht durch das Halten der Gebote, es gab nur Einen der die Gerechtigkeit Gottes vollgültig erworben hat: Jesus Christus (Röm 8:3-4)

Wir leben heute in einer Welt der Ungerechtigkeit. Viele Menschen sind gesundheitlich benachteiligt oder werden von anderen Menschen gequält. Welche Gräuel geschahen unter Hitler und Stalin! Wie kann Gott das alles verantworten? Wie stimmt es mit Seiner Gerechtigkeit überein? - Es gibt meines Erachtens auf alle diese Fragen nur eine Antwort, das ist das Evangelium, wie es in Sonderheit Paulus verkündigt hat. Er sagt in Röm 11:32: Gott hat alle und alles unter die Sünde (den Ungehorsam) verschlossen, auf dass Er sich aller erbarme.

Wenn Er sich aller erbarmt, hat am Ende keiner mehr dem anderen etwas vorzuwerfen - weder der Niedere dem Hohen, noch der Hohe dem Niederen, weder der Kranke dem Gesunden, noch der Gesunde dem Kranken. Zu diesem Erbarmen gehört auch die Erstattung durch Gott (Ps 69:5; Hi 42:10; Mt 19:27-29; 2Kor 4:17).

Die heilsgeschichtlich-prophetische Schau über Israel

7. Ein weiterer wichtiger Punkt im Evangelium, wie es Paulus geoffenbart wurde, ist die heilsgeschichtlich-prophetische Schau von Israel, und dies im Zusammenhang mit der Gemeinde und mit der Zukunft, die beide Körperschaften haben.

Paulus hat eines Tages in seinem Herzen eine ganz tiefe Not empfunden (siehe Röm 9:1-5). Er war innerlich erschüttert und bedrängt angesichts der Tatsache, dass nur sehr wenige Juden - Angehörige seines eigenen Volkes, zu dem der Messias gekommen war als H0eiland und Retter - zum Glauben an Jesus Christus kamen. Daraufhin schenkte ihm Gott eine tiefe Schau darüber, welche Absichten und Ziele Gott mit diesem Volk noch hat (Röm 9 - Röm 11) Zuerst zeigt Paulus auf, dass Israel von Gott verstockt wurde und dass es dieser Verstockung auch selbst verschuldet hat. Er weist darauf hin,d ass Israel an Gottes Heil vorbeigeht und nun auch das Evangelium von Jesus Christus ablehnt. Dann aber wird ihm enthüllt - und darüber jubelt sein Herz - , dass Israels Verstockung nur einen Teil Israels betrifft und zeitlich begrenzt ist (Röm 11:25-26). Es kommt der Tag, da ganz Israel errettet wird. Das führt ihn dann zu dem wunderbaren Lobpreis, der in Röm 11:32-36 geschrieben steht.

Es ist Paulus sicher schwer geworden, vom erhöhten Herrn zu erfahren, dass Israel jetzt vorerst auf die Seite gesetzt ist und dass nicht zuerst Israel errettet und vollendet wird, sondern die Gemeinde aus den Nationen (wozu auch ein kleiner Überrest aus Israel gehört). Unter vielen Nöten und Katastrophen, Schlägen und Gerichten wird Israel zubereitet auf den Tag, wo es seinem wahren Messias Jesus begegnen wird. Dann werden sie Ihn sehen, in den sie gestochen haben (Sach 12:10; Offb 1:7), und Israel wird an einem Tag errettet werden und in die Gottesgerechtigkeit eintreten dürfen.

Hätten wir Röm 9-11 nicht, wir wüssten nicht so klar, welches die Zukunft Israels ist und welchen Weg Gott mit Israel geht, um dieses Ziel zu erreichen.

Die besondere Erwartung der Leibesgemeinde

8. Paulus tut uns kund, dass die Gemeinde des Leibes Jesu Christi im Blick auf den kommenden Christus eine besondere Erwartung hat. Das hängt mit der zentralen Stellung zusammen, die die Leibesgemeinde zusammen mit dem Haupt Jesus Christus im gesamten Kosmos hat. Die Gemeinde hat eine zentrale Stellung im ganzen Schöpfungsall; sie ist das Ausführungsorgan für das Haupt. Gott tut alles durch denSohn - anders ausgedrückt: Er tut nichts ohne den Sohn, und der Sohn wiederum, Jesus Christus, tut nichts ohne Seine Glieder, ohne die Gläubigen, die jetzt herausgerufen werden. Alles geschieht mit ihnen und durch sie. Nur beim Apostel Paulus können wir etwas darüber erfahren, welche besondere Erwartung die Gemeinde hinsichtlich des wiederkommenden Herrn und der Eschatologie (der „letzten Dinge“) hat. Wo man diese Dinge erkennt, werden die Wiederkunft Christi und die „letzten Dinge“ weithin in das Heute hinein projiziert. Darum werden heute auch so viele politische und soziale Ziele von den Kirchen angestrebt, und eine Erwartung des wiederkommenden Christus besteht fast nicht mehr. Paulus lehrt, dass die Gemeinde dem Christus als Erstling, noch vor Israel, zugeführt wird (1Thes 4:16-17; 2Thes 2:1) und dass sie einmal mit Ihm zusammen richten, erben und königlich herrschen soll (1Kor 6:2-3; Röm 8:17; 2Tim 2:12).

Der Apostel Paulus unterscheidet ein mehrfaches Kommen Christi:

  1. Das erste Kommen des Sohnes Gottes in Niedrigkeit (Gal 4:4);
  2. das Kommen Jesu heute durch Wort und Geist (Eph 3:17);
  3. das dritte Kommen ist Seine Parusie, Sein Kommen zur Gemeinde Seines Leibes (1Thes 4:13-18 u 1Kor 15:51-52);
  4. zuletzt aber ereignet sich Seine Epiphanie, das Wiederkommen Jesu in Macht und Herrlichkeit mit allen Seinen Heiligen (1Thes 3:13; 2Thes 2:8).

Wer die Botschaft des Apostels über die besondere Erwartung des Leibes Christi nicht übernehmen kann oder will, wird zu einer sehr vagen Lehre von den „letzten Dingen“ kommen, da fließt dann alles in dem sogenannten „Jüngsten Tag“ zusammen. Die Bibel - und besonders der Apostel Paulus - denkt hier viel differenzierter. So wie es verschiedene Auferstehungen gibt und verschiedene Gerichte, so gibt es auch ein verschiedenes Kommen Jesu.

Der Ablauf der Heilsgeschichte

Werfen wir abschließend noch einen Blick auf den Ablauf der Heilsgeschichte unter besonderer Berücksichtigung des mehrfachen Kommens Christi und der zentralen Stellung der Leibesgemeinde im Plan Gottes.

Das erste Kommen Christi in Niedrigkeit galt vor allem Israel. Die Ablehnung des Messias und dann auch die Ablehnung des Heiligen Geistes durch Israel führte dazu, dass Gott Israel zeitweilig auf die Seite setzte. Es wurde nicht verworfen, aber bis zu einer bestimmten Zeit verstockt. - IN der Gegenwart geht es nun um die Auswahl, um die Gemeinde, die der Leib Christi ist. Zwar hat Jesus Christus mit Seinem Kreuzestod das Lösegeld für Israel und für die ganze Welt bezahlt, aber nicht alle wird auf einmal errettet. Jetzt ist Israel als Ganzes nicht an der Reihe, nur einzelne, und jetzt werden auch nicht alle Nationen zu Jüngern gemacht (Mt 28:19).

Man kann in der Missionsarbeit nach der biblisch-heilsgeschichtlichen Schau nicht erwarten, dass jetzt ganze Völker zu Jüngern werden, man kann nur etliche (einzelne) herausrufen, die zur Gemeinde Jesu Christi gehören. Wir brauchen eine klar Schau auch in der Missionsarbeit. Die mancherlei Bemühungen, in der Gegenwart eine weltweite Erweckung herbeizuführen oder ganz Europa unter das Feuer des Heiligen Geistes zu bringen, sind vom heilsgeschichtlichen Denken her nicht nachvollziehbar. Heute wird der Leib des Christus herausgerufen -

Wir leben im sogenannten „bösen Äon“ (Gal 1:4) und innerhalb dieses Äons im Haushalt der Gemeinde Jesu und im „Tag des Heils“ (2Kor 6:2). Der böse Äon enthält einen Haushalt der Gnade und des Heils - beides ineinandeer und nebeneinander. Mitten in diesem Zeitlauf sollen wir als „Kinder des Lichts“ in die Finsternis dieser Welt hineinleuchten (Eph 5:8; Phil 2:15). Wir können noch nicht die ganze Welt erleuchten, aber wir können in der Gesinnung Jesu Christi Positionslichter sein.

Es geht also heute um die Herausrufung der einzelnen aus allen Völkern und Nationen, auch eines Teiles aus Israel. Nach biblischer Schau gibt es heute keine „christlichen Völker“; es geht heute um die Einzelnen aus den Völker, um die Auswahl des Leibes Christi. Wir werden weiterhin mit aller Kraft evangelisieren, aber wir wissen dabei, dass wir nur die einzelnen herausrufen, aber keine Welterweckung auslösen können. Paulus schreibt in 1Kor 9:22: „...auf dass etliche (einige) gerettet werden. „ Dabei ereignet sich Gottes Auswahl und des Menschen Entscheidung, beides greift ineinander. Mit dieser Schau der Dinge bin ich kein Pessimist, sondern nur im heilsgeschichtlichen Sinn ein Realist. Wir freuen uns über jeden, der heute durch das Evangelium von Jesus Christus zum Glauben kommt, aber wir freuen uns auch darauf, dass nach den „Erstlingen“, den Gliedern der Gemeinde, im Plane Gottes auch noch andere an die Reihe kommen.

In unserem Zeitlauf reift alles aus, das Gute wie das Böse (Mt 13:30), und das Böse muss dem Guten dienen. Die Gemeinde Jesu ist mitten in diesen bösen, finsteren Zeitlauf hineingestellt; sie wird in ihm herausgebildet und geformt, aber der gegenwärtige böse Äon muss der Gemeinde dienen. So ist auch Röm 8:28 zu verstehen: „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alles zusammenwirkt zum Guten, denen, die nach dem Vorsatz berufen sind.“ Alles, was jetzt in dieser Welt geschieht, dient dem Geprägt- und Geformtwerden, der Ausreifung und Vollendung der Gemeinde.

In der Welt, in der wir leben, zeichnet sich immer mehr ein Bankrott ab. Immer ratloser und machtloser werden die Herren dieser Welt und die Menschen immer heimatloser und friedloser. Die Völker befinden sich im Aufruhr, die Entwicklung läuft immer deutlicher auf das Reich des Antichristen zu, das in der Bibel für die Endzeit dieses Äons vorausgesagt ist (Dan 7:19-27; 2Thes 2:3-8; 1Jo 2:18; Offb 13).

Doch Jesus wird wiederkommen und in Seiner Epiphanie, Seinem machtvollen Erscheinen mit allen Seinen Heiligen, den Antichristen besiegen, die Völker ins Gericht führen und Israel erretten (2Thes 2:8; Offb 17:14; Offb 19:19-21; Sach 14:2-5.9). Zuletzt aber wird Gott einmal alle Mächte und Herrschaften aufheben, und der Sohn Gottes wird dem Vater eine völlig erneuerte Schöpfung übergeben (1Kor 15:24-28); Offb 21).

Die Gemeinde aber erwartet die Parusie Jesu Christi, die Vereinigung des Leibes mit dem Haupt, das ist die besondere Erwartung, die dieser Gemeinde geschenkt ist (1Kor 15:51-52; 1Thes 4:13-18). Sie hat dann teil an der ganzen Herrlichkeit, Machtfülle und Neuschöpfungskraft des Sohnes Gottes, um zusammen mit Christus durch Gericht udn Herrschaft undNeugestaltung alle Gottesgedanken auszuführen. Der Gott aber, der einmal „alles in allen“ sein wird, will heute schon „alle sin allen“ sein in Seiner Gemeinde, in jedem einzelnen Glied, in mir und in Ihnen (1Kor 15:28; Kol 3:11). Es geht darum, dass schon heute bei uns alles unter die Herrschaft Jesu Christi kommt.

Ich wollte Ihnen mit diesen Ausführungen Mut machen, noch weiter über diese tiefen und wunderbaren Aussagen des Apostels Paulus nachzudenken. Möchten doch recht viele, die diese Botschaft heute hören, einmal dabei sein, wenn wir unseren Herrn sehen von Angesicht zu Angesicht und dann völlig in Seine Herrlichkeit verwandelt werden!