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Poetische Bücher

Die poetischen Bücher

An die Sammlung der zwölf historischen Bücher Josua bis Esther schließen sich Hiob, Psalmen, Sprüche, Prediger und Hohelied an, die man ihrer literarischen Form wegen gern „die poetischen Bü cher" nennt.

Ein besonderes Merkmal

 Die historischen Bücher hatten das Schicksal der ganzen Nation zum Gegenstand. Wohl kommen zahlreiche Einzelgestalten darin vor, de ren Leben und Taten ausführlich beschrieben sind. Allerdings werden sie nur darum und insofern geschildert, als sie für das Ergehen des ganzen Volkes wichtig waren. Das gilt für Josua, für jede der verschiedenen Richtergestalten, für Saul und David, sogar für Ruth und Boas.

Diese Bücher lehren uns, dass der Einzelne immer auch Teil einer Gemeinschaft ist, und dass er das Schicksal dieser Gemeinschaft teilt. Als Israel unter Josuas vorbildlicher Führung das Land der Ver heißung eroberte, kam jeder einzelne Israelit In den Genuss dieser Großtat. Und als Jerusalem zerstört und Juda nach Babylon in die Verbannung verschleppt wurde, war jeder Jude davon betroffen, wie groß auch seine persönliche Frömmigkeit und wie geringfügig auch seine Schuld an diesem bitteren Los gewesen sein mögen.

 Die poetischen Bücher heben nun die genauso wichtige komplemen täre Wahrheit hervor, dass nämlich der Einzelne in seinem Glauben und damit letztlich auch in seinem persönlichen Ergehen nicht vom Volk, in dem er lebt, sondern einzig von Gott abhängig ist. Die poe tischen Bücher zeigen uns, wie der Einzelne mit seinem Gott lebte, während das Volk als Ganzes immer tiefer in Unglauben und Götzen dienst versank.

Wir erleben mit, wie der Einzelne in der Zwiesprache mit Gott seine Nöte und Befürchtungen, seine Ängste und Schicksalsschläge bewältigte, wie er auf diese Weise mit den mannigfaltigen Herausforde rungen des Lebens fertig wurde und immer wieder Gewissheit und Freude durch den Glauben an seinen treuen Herrn und Gott fand. Es ist diese persönliche Note, die diese Bücher so kostbar macht.



 Ich übertreibe wohl nicht, wenn ich sage, dass die poetischen die meistgelesenen und am besten gekannten Bücher des ganzen Alten Testaments sind.


Eine kurze Übersicht

 Bevor wir uns den Büchern Im Einzelnen zuwenden, wollen wir uns eine Gesamtübersicht verschaffen.
Die fünf Bücher haben je einen besonderen Schwerpunkt; zusammen bilden sie ein vollständiges, abgerundetes Ganzes:


Hiob

 Im Buch Hiob geht es um Leiden, und zwar um das Leiden des Gerechten. Darum ist der Name des Buches eben Ijjob:
„Wo ist der Vater?" Womöglich war Hiob als Halbwaise zur Welt gekommen, so dass man ihm in der für jene Zeit typischen Weise einen Namen gab, der an die Umstände seiner Geburt erinnerte.

 Wir übertragen Hiobs Geschick auf jeden Erlösten, der im Leiden tatsächlich wie Hiob die Frage stellen mag, wo denn der (himmlische] Vater geblieben sei. So fragt der Erlöste; der Gottlose hingegen schleudert die vorwurfsvolle Frage zum Himmel: „Wo ist jetzt Gott?" Wohl muss der Erlöste leiden, aber Leiden haben nicht das letzte Wort. Vielmehr gibt uns das Buch Hiob eine Antwort auf das Woher
(Kap. 1 und 2) und vor allem auf das Wozu des Leidens. Es sagt uns, dass das Ende weit herrlicher sein wird als alles, was man durch Lei den verloren haben mag (Kap. 42; vgl. Jak 5,11). Darum ist die zent rale Aussage des Buches Hoffnung. Die Hoffnung auf die kommende Herrlichkeit ist im Neuen Testament stets die Antwort auf das Leiden in der Jetztzeit (Röm 8,17-25).


Psalmen

 Die Psalmen sind alle samt und Gebete, dies im weitesten Sinn: Es sind Lobpreisungen, Danksagungen, Klagen und Bitten, die aber alle an Gott gerichtet sind. Diese Regungen der Seele sind Ausdruck des Glaubens. Und weil der Glaube immer wieder triumphiert, enthält außer Psalm 88 jeder der 150 Psalmen auch Lob. Dies hat dem Buch


 den hebräischen Titel Tehillim (Lobpreisungen) eingetragen. Wer den allmächtigen, allein weisen, den treuen und liebenden Gott kennt, der hat-wenn er diesem Gott glaubt-trotz Not und Pein stets auch ein Lob auf den Lippen. Ist das nicht die Erfahrung jedes Erlösten? Und ist es nicht darum gerade das Buch der Psalmen, das wir öfter und mit größerer innerer Bewegung lesen als jedes andere?

Sprüche

Das Buch der Sprüche lehrt uns Weisheit, und zwar solche Weisheit, die mich tüchtig macht, durch eine Welt der Verführungen (1,10-19) und Verlockungen (2,16-18) den Kurs auf das Ziel nicht zu verlieren. Es gehört zu den Schriften, von denen Paulus sagt, dass sie „weise machen zur Errettung" (2Tim 3,15).
Diese Weisheit spricht als Person zu mir. Ihr Name wird im Neuen Testament offenbart: „Christus Jesus, der uns geworden ist Weisheit von Gott" (IKor 1,30). Das Buch der Sprüche lehrt mich, dass Weisheit nicht eine Sache der Bildung, des Intellekts, der Lebenserfahrung oder der Belesenheit ist, sondern des Herzens. Sie beginnt damit, dass ich Gott fürchte (Spr 9,10), sie äußert sich darin, dass ich Ihm vertraue (3,5), und sie beweist sich darin, dass ich Ihm und seinem Wort gehorche (5Mo 4,5.6).

Prediger

Das Buch Prediger lehrt ebenfalls Weisheit, aber diesmal geht es um die Weisheit, die wir nötig haben, um in der Welt richtig zu leben. Nicht das Ziel - der Himmel -, sondern unser vielleicht siebzigjähriger Aufenthalt „unter der Sonne" steht im Mittelpunkt der Belehrungen.

Daher beschreibt das Buch die verschiedenen geistigen, körperlichen, kulturellen und politischen Aktivitäten des Menschen. Es spricht von Essen und Trinken, von Heiraten und Kinderzeugen, von Häuserbauen und sich Bildung aneignen. Unser Leben ist mit diesen Dingen angefüllt. Wie soll ich sie richtig handhaben? Das bedarf der Weis heit; und die Weisheit besteht darin, dass ich in allem für alles Gott danke, alles bewusst aus seiner Hand annehme; denn ohne Ihn habe


ich nichts und kann darum ohne Ihn auch nichts genießen (2,25). Tue ich es, werde ich Freude empfinden an all den genannten Dingen. Schließe ich aber den Schöpfer aus meiner kleinen Welt aus, wird alles nur „Eitelkeit der Eitelkeiten" und ein elendes „Haschen nach Wind". Nicht Pessimismus, wie häufig gesagt wird, sondern Freude ist die Hauptnote, die dieses Buch durchzieht (siehe 2,26; 3,22; 5,19; 8,15; 9,7; 11,8; 12,1). Die Bedingung wird ganz am Schluss noch ein mal genannt: „Fürchte Gott und halte seine Gebote" (12,13).

Hohelied

Das letzte der poetischen Bücher spricht vom Anfang bis zum Ende vom Höchsten: von der Liebe. Auf Hebräisch hat das Buch den schönen Titel Schirho-schirim, Lied der Lieder, denn es ist das Lied all der 1005 Lieder, die Salomo geschrieben hat 1. IKön 5,12). Es ist, als ob uns Gott mit diesem Buch sagen möchte:
„Das Schönste, das Höchste, von dem ich dir zu sagen, nein, zu singen weiß, ist die Liebe." So ist Gott.

Die Liebe Ist die höchste und schönste Beziehung, die die Schöpfung kennt. Daher ist dieses Buch das Hohelied ehelicher Liebe. Wie dank bar sind wir für dieses Buch, und wie nötig haben wir es gerade in einer Zeit, in der die wundersame Einrichtung der Ehe geschmäht wird und die körperliche Liebe zwischen Mann und Frau zur billigen Ware, zum Schund verkommen ist.

Es ist auch, da das Natürliche dem Geistlichen nachgebildet ist - wie uns Epheser 5,31.32 so schön sagt - ein Hinweis auf die Liebe zwischen dem Erlöser und seiner Braut.

Spricht nun das Hohelied von Liebe, dann haben drei der fünf poeti schen Bücher die drei christlichen Kardinaltugenden als Gegenstand: Glaube (Psalmen), Hoffnung (Hiob) und Liebe (Hohelied).
„Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die größte aber von die sen ist die Liebe" (IKor 13,13).