Unabhängiger Mehrheitstext geprüft an Eph. 5:9
Teil 1
Es gab eine Zeit, da beunruhigten mich Unterschiede, insbesondere die
von Nestle-Aland im Vergleich zu Mehrheitstext oder Textus-Receptus.
Eigentlich grundlos, wie ich heute weiss, denn das neue Testament ist
uns sehr präzis überliefert. Die Kritiker gehen von den schlechtesten
Codizes aus, welche zwar ein hohes Alter aufweisen und dennoch gut
erhalten blieben, jedoch inhaltlich fehlerhaft sind. Im Textkritischen
Apparat , z. B. CNTTS werden solche Codizes (Sinaiticus und Vaticanus)
als Messlatte verwendet, um andere Handschriften zu beurteilen. Dabei
sind gerade diese im Apparat als sehr gut eingestuft. In diesem CNTTS
werden einzelne Codizes und Frakturen einzeln aufgelistet. Nebst diesen
gibt es auch noch eine Sammlung von Handschrift, die als Mehrheitstext
(MT) aufgeführt sind. Hinter diesem Ausdruck verbergen sich eine
Vielzahl von Handschriften, in Regel fast alle (90%+). Es sind über das
ganze Neue Testament gesehen nicht immer die gleiche Anzahl von
Handschriften vorhanden (Ev. mehr ca. 5000, Briefe ca. 600 ). Mehr als
200 Handschriften sind jedoch überall sicher, die die gleiche Lesart
aufweisen. Sie unterscheiden sich also nicht.
Kann jetzt gesagt werden, dass die Mehrheit immer recht haben muss?
Diese Frage muss fast schon als rhetorische Frage eingestuft werden. Wer
will schon mit ja antworten? Kann eine einzelne Handschrift eine Reihe
von Einzelhandschriften, die gleich sind, überwiegen? Auch hier erfühlt
man die Rhetorik und die passende Antwort dazu, und so ist diese Frage
mit einem Ja zu beantworten. Mit solchen Fragen wird aber kein Ergebnis
erreicht! Vielmehr müssten wir uns fragen, was hinter dem Ausdruck
«Mehrheitstext» oder auch «Byzantinischer Text» steht bzw. zu verstehen
ist. Die einzelnen Handschriften, die je nach Bibelbuch mehr oder
wendiger vorhanden sind, wurden zeitlich und örtlich unabhängig
geschrieben. Es sind keine Kopien von Kopien von Kopien ... Jeder weiss
was passiert, wenn ein Dokument immer wieder durch eine frühere Kopie
kopiert wird. Die Qualität leidet sehr schnell. Man kann sagen, dass
sich diese im Quadrat verschlechtert. Um das zu vermeiden, wird das
Original sorgfältig und so lange wie möglich aufbewahrt, um spätere
Kopien ab diesem Original zu machen oder eine Abschrift daran zu prüfen.
Das wird z. B. auch mit unserem Metermass, Kilomass, etc. gemacht, wenn
diese in einem Institut geeicht werden. Z. B. wurde das
Johannesevangelium min. bis in 6te oder 7te Jahrhundert aufbewahrt und
leider auch als Reliquie verehrt, deshalb wissen wir überhaupt davon.
Daran kann erkannt werden, dass sehr lange vom Original abgeschrieben
werden oder auch vorhandene Handschriften überprüften werden konnten. Da
diese Handschriften über ein vergleichbares kleines Gebiet einzusehen
waren, ist der Text in dieser Region der Handschriften einheitlich.
Nicht so die im Süden zwar ideal gelagerten Codizes, z. B. Sinaiticus,
welche eine sehr grosse Differenz in der Lesart aufweisen. Das zeigt,
dass diese keinen Zugang zu den Originalien hatten und zudem sprachlich
dem Griechisch entfremdet waren. Wenn jemand, so wie ich, kein oder kaum
Griechisch kann und ein oder zwei Verse griechischen Text abschreibt,
wird zu seinem Entsetzen feststellen, dass er ganze Wörter übersprungen
hat (aberratio oculi) und zwar deshalb, weil der Inhalt nicht verstanden
wurde. Die Fehler, die gemacht wurden, sind nicht böswillig oder gar
absichtlich einzustufen, sondern liegt daran, dass in Ägypten das
Griechisch nach und nach verloren ging.
Warum spricht man vom Mehrheitstext?
Bsp. Es gibt zwei Arten wie 100 Kopien gemacht werden können, man stelle
sich ein Kopiergerät vor:
Variante A: Ich lege mein Original auf den Kopierer
und vervielfältige dieses 100-fach. Also ich gebe Anzahl Kopien 100 ein
und drücke OK. Ich erhalte damit 100 Kopien.
Variante B: Ich habe 100 Kopiergeräte mit 100
Angestellten, die jeweils mein Original auf ihrem Kopiergerät auflegen
und OK drücken. Da aber nicht alle gleichzeitig vom gleichen Original
kopieren können, muss dieses Original an alle Kopisten einzeln
weitergegeben werden, damit diese eine Kopie machen können. Ich erhalte
damit 100 Kopien vom Original.
Was ist nun der Unterschied zwischen Variante A und B?
Dass bei B 100 unabhängige Kopisten am Werk waren. Variante A, da war
nur ein unabhängiger Kopist am Werk. Es ist auch klar, dass in Variante
B zeitliche und örtliche Unterschiede liegen. Zwar waren bei Variante B
einzelne Kopisten unabhängig am Kopieren, können aber zusammengefasst
werden als unabhängige Mehrheit, da das Ergebnis auf dem Original
beruht.
In Ägypten wurde Variante A verwendet, jedoch wurde von einer einzelnen
Kopie kopiert und das ist der alexandrinische Archetyp. Im Gegensatz zum
Beispiel, im welchen 100 Kopien gemacht wurden, gab es nur eine. Dies
kann noch heute nachgewiesen werden, denn die Kopien weisen gemeinsame
Fehler auf, die auf eine gemeinsam verwendete Kopie deutet. Solche
Codizes sollten nicht bevorzugt werden, denn wenn ein Fehler in der zu
kopierenden Kopie war, so wurde er immer wieder kopiert und dieser
beibehalten. Z. B. hat P49 den Fehler «Lichtes / Pflanze» an von ihm
abhängige Folgehandschriften weitervererbt. Ein Korrigieren war kaum
möglich, er verschlimmerte sich dadurch eher noch. Vielleicht wurde
nachträglich «Pflanze» in «Licht» abgeändert. Es fehlte das nahe
Original, an dem man dies richtig abgleichen hätte können.
Der «Byzantinischen Text» (solche Byzantinische Texte gab es nicht nur
in Byzanz, sondern überall, deshalb ist der Name missverständlich) oder
«Mehrheitstext» , welcher nach Variante B gemacht wurde, gab es mehr als
100 Kopisten. Einmal vielleicht mehr 200 und bei anderen mehr als 1000
Handschriften. Es waren also eine Vielzahl von Kopisten am Werk, die
noch lange Gelegenheit hatten, vom Original abzuschreiben. Sicher kam es
auch vor, dass eine Kopie von der Kopie gemacht wurde. Gab es jedoch
Streitigkeit bezüglich der Lesart bei Kopierfehlern, so konnte diese am
Original abgeglichen werden (Empfehlung von Tertullian (150-220),
welcher an die Städte der Originalien verwies). Alle Handschriften sind
so genau, dass sie wie eine Handschrift behandelt werden, obwohl diese
unabhängig sind. Besser wäre es von einer unabhängigen Mehrheit zu
sprechen.
Es gäbe noch mehr zu schreiben und werde es auch gerne fortsetzen. In
Eph. 5:9 ist die Sache für mich eindeutig, hier ist mit «Geist» zu
übersetzen und nicht «Licht». Es ist sich zu fragen, wie dieser
Unterschied in Eph. 5:9 entstand. Heute ist es möglich, dass selbst in
Wikipedia Papyri, wie P49 analysiert
werden können und jeder wird dabei feststellen, wie schwierig es ist,
die Handschrift zu entziffern (schmierige Handschrift). Es ist möglich,
dass nicht φωτος (Lichtes) geschrieben steht, sondern φυτος (Pflanze),
was wieder einen anderen Sinn ergibt. Das würde zeigen, dass der
Abschreiber nicht verstand, dass der Geist Früchte bringt. So dachte er
womöglich an eine Pflanze, denn das würde sich besser auf den Kontext
beziehen und weniger metaphorisch, wie das im Bezug auf «Geist» sein
müsste, dass er also das Konkrete dem Abstrakten vorzog. Eine andere
Theorie wäre, dass er, gemeint ist der Kopist, im Text, welchen er zu
abschreiben gedachte, verrutscht ist, denn nur eine Zeile darüber steht
das gleiche Wort, das er dann anstelle von πνευματος mit φωτος
abschreibt. Dies ist die wahrscheinlichste Theorie.
Zu der Eph. 5:9 Stelle könnte noch geschrieben werden, dass es sich im
P49 um ein Nomen Sacrum handeln könnte. Das würde das Argument, dass der
Kopist mit den Augen verrutscht ist, verstärken. Ein Nomen Sacrum wurde
aus Ehrfurcht dem Namen Gottes gegenüber gemacht, jedoch haben die
inspirierten Schreiber des Neuen Testaments dies wohl nicht so
geschrieben. In früheren Papyri gab es die ausgeschriebenen Formen, wie
auch vereinzelnde verkürzte (Nomina Sacra). Zudem haben viele
unabhängige Handschriften des Mehrheitstextes die ausgeschriebene Form.
Wenn der zu kopierende Text das Nomen Sacrum πνς, was für πνευματος
steht, so wäre dies die aus Ehrfurcht gewählte Schreibweise gewesen. Das
Wort ist so um sechs Buchstaben kürzer und damit mit dem zu
verwechselten Wort φωτος, welches fünf Buchstaben aufweist, in der Länge
ähnlicher als das ausgeschriebene. Damit wäre der Schreibfehler dem
Kopisten weniger aufgefallen.
Ergo ist die kurze Schreibweise für eine Verwechslung anfälliger als die
lange.
Haben wir heute eine perfekte Überlieferung an Handschriften und wie gut
sind diese einzuordnen?
Auf der einen Seite haben wir ein Konglomerat aus Sinaiticus und
Vaticanus als angeblicher Grundtext, die als Codizes auftreten. Der
Sinaitcus tritt zudem mit vielen ausserbiblischen Texten auf, die nicht
zum Kanon gehörig sind. Auf der anderen Seite haben wir unabhängige
Handschriften, welche in hundert- ja gar tausendfacher Ausführung uns
heute vorliegen, ganz geschwiegen von denen, die verloren gingen. Diese
stammen von verschiedenen Orten und aus verschiedenen Zeiten her, was
bedeutet, dass sie unabhängig sind. Wenn es Unterschiede in der Lesart
gibt, so sind es hauptsächlich kleine Fehler bei einzelnen Kopisten, z.
B. in der Orthografie. Solche Fehler lassen sich leicht erkennen und
auch rekonstruieren sowie eliminieren. Es bedürfte, um solche Fehler zu
rekonstruieren, sehr viel weniger Handschriften als vorhanden sind. Das
zeigt, dass die Überlieferung des Originals mehr als perfekt ist. Ein
Beispiel: Den langen Markusschluss weisen 1620 Handschriften auf, im
Gegensatz zu denen, die diesen ausliessen, das waren nur drei
(Sinaiticus, Vaticanus und GA (Gregory-Aland Nomenklatur) Nr. 304). Bei
Vaticanus viel auf, dass in diesem genau so viel leerer Platz vorhanden
war, dass der Schluss hineingepasst hätte.
Werden anhand dieser drei schlechten Codizes alle anderen Handschriften
bewertet, so müsste von einer sehr schlechten Überlieferung ausgegangen
werden. Dann stünde man auf der falschen Seite, dann wäre man gegen
Gottes Wort und will dieses schlecht machen. In der Offenbarung des
Herrn Jesu lesen wir über die Gemeinden. Von Ephesus z. B. lesen wir,
dass sie das Böse nicht duldeten und die falschen Apostel mit ihren
Lügen überführte. Es ist für mich sehr gut vorstellbar, dass in dieser
Zeit der Eifer da war, um richtig gute Kopien herzustellen, dass sie
sich gegen die äusseren Einflüsse zu wehren vermochten und schlechte
Kopien und Einflüsse auch nicht duldeten (Vgl. Offb. 2:2-3).
Der Mehrheitstext entspricht dem Original, denn durch die vielen
unabhängigen Handschriften kann kein anderer Schluss gezogen werden, als
eben dieser. Zudem ist es auch gut, dass es heute keine Originale mehr
gibt. Denn wie das Beispiel vom Original des Johannesevangeliums zeigt,
ist dieses zuletzt als Reliquie verehrt worden. Bestimmt würden heute
auch viele bezweifeln, ob es sich wirklich um das Original handelt und
behaupten, es wäre eine Fälschung. Nein, so wie es ist, so ist es
richtig: Viele Kopien von verschiedenen Kopisten, die sich gegenseitig
nicht kannten, die nicht gleichzeitig gelebt haben mussten und nicht in
der gleichen Ortschaft lebten. Nur damit ist es möglich, nachzuweisen,
dass wir heute perfekte Abschriften haben. Nur so ist es möglich, die
vereinzelt schlechten Abschriften eindeutig zu verwerfen.
Übersetzungen
Bis zu diesem Zeitpunkt ging es in diesem Text nur um die Abschriften
des Neuen Testamentes. Übersetzungen waren nicht das Thema. Der
nachfolgende Text soll das ändern.
Wir stellen uns einen Obstbaum im eigenen Garten vor (Buchtipp: Hecken-,
Strauch- und Obstbaumschnitt, Leopold Stocker Verlag, Graz-Stuttgart).
Ein solcher weist oft eine Veredlung auf, mit einer Unterlage, die das
Wurzelsystem darstellt und bis zu der veredelten Stelle reicht. Das
Wurzelsystem und die Baumkrone sind bei einem solchen Baum nicht von der
gleichen Sorte. Z. B. hat die Williamsbirne häufig eine Quittenunterlage
(zumindest die in meinem Garten). So ist es auch mit unseren
Übersetzungen. Wenn auf eine schlechte Unterlage eine sehr gute
Fruchtsorte veredelt wurde, so nützt dies nichts. Der Baum wird wenig
und schlechte Früchte hervorbringen. Auch nützt es nichts, wenn eine
sehr gute Unterlage verwendet, aber eine minderwertige Fruchtsorte
veredelt wird. Zwar wird der Baum Frucht bringen, aber diese sind
ungeniessbar. Es ist daher wichtig, dass die beste Unterlage verwendet
und die beste Fruchtsorte veredelt wird. Das heisst in der Übertragung,
dass die besten Handschriften verwendet werden und darauf die
Übersetzung gemacht wird. Eine Übersetzung ist aber nie das Original, so
wie auch der veredelte Baum nicht die Frucht der Unterlage hervorbringen
wird. Warum wird der Obstbaum veredelt? Weil der Baum damit auf
bestimmte Bodeneigenschaften oder sonstige ortsbezogene Eigenschaften
abgestimmt werden kann, und um so ein Optimum an Ertrag im Verhältnis
zur Lage erhält. So ist es auch in der Übertragung vom Beispiel des
Obstbaumes zum Wort Gottes: Originalsprache oder Übersetzung. Nicht alle
können über mehrere Jahre die Originalsprache von damals studieren, um
dann danach das Wort Gottes zu lesen (im Ideal ist es vermutlich eine
Mischung von beiden). Daher sind Übersetzungen von der besten Sorte
notwendig.
Die Elberfelder 1905 hat als «Unterlage» Textus Receptus und Einflüsse
vom Sinaiticus, letzterer war zu dieser Zeit modern, und so haben wir
trotz einer guten Übersetzung ein paar faule Früchte im Geäst. Diese
können aber ausgedüngt werden. Wenn also von Fehlern gesprochen wird, so
sind es Fehler, die aufgrund einer falschen «Unterlage» entstanden sind
oder weil falsch übersetzt wurde. In Eph. 5:9 ist der Einfluss vom Codex
Sinaiticus oder vom ältere Papyri 49, der zum Fehler führte, erkennbar.
Mit einem guten Bibelsuchprogramm, z. B. BibleWorks, kann das innert
Sekunden festgestellt werden. All dies hat nichts mit dem so gut
überlieferten unabhängigen Mehrheitstext zu tun, sondern weil man damals
meinte, es wäre klug, den Sinaiticus zu verwenden. Wer hat schon die
Geduld, die sogenannten neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse auf ihre
Bewährung abzuwarten? Ich bin überzeugt, dass die Übersetzer der
Elberfelder 1905 heute diese Einflüsse nicht geduldet hätten. Heute
müssen wir uns aber auf ganz andere Weise bewähren. Z. B., dass wir uns
nicht dieser gottlosen Bibelkritik von W/H, N/A und Konsorten hingeben,
und mutlos beginnen, zu relativieren. Oder auch, dass wir prüfen, wer
wie übersetzt, dass die Übersetzer keine falschen Lehren einfliessen
lassen, so wie z. B. Calvinismus, Heilsverlierbarkeit, etc.
Fazit
Es muss zwischen Grundtext und Übersetzung unterschieden, und beides
muss einzeln bewertet werden!
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Unabhängiger Mehrheitstext geprüft an Joh. 1:13
Teil 2, Singular oder Plural
Geprüft anhand von Abschriften, der Grammatik und einer Textanalyse.
Über die Abschriften
Freien Zugang haben wir alle zu den Papyri-Fragmenten und einzelnen
Codizes, wie z. B. der Siniaticus oder Alexandrinus. Schaut man die
Papyri-Fragmente an, so hat man schnell den Eindruck, dass der Grundtext
nicht sehr gut überliefert ist, dass viel Forschung und Fleiß notwendig
sind, die Fragmente zu einem stimmigen Ganzen zusammenzufügen. Wenig
oder kaum Zugang erhalten wir zu den vielen Handschriften, die zum
Mehrheitstext gerechnet werden. Solche Handschriften sind gut lesbar und
weisen keine so große Lückenhaftigkeit auf, wie uns durch die
Papyri-Fragmenten weis gemacht werden will. Dennoch wählt die Mehrheit
diese Fragmente als Maßstab, um andere Handschriften einzuordnen. Da
dieser Maßstab fehlerhaft ist, ergeben sich auch mehr Unterschiede. Es
wäre dann so, wie wenn gesagt würde, dass die Volksbibel der Maßstab
aller Übersetzungen sei, dann könnte gesagt werden, wie schlecht alle
anderen sind, die so sehr von der einen abweichen. Tatsächlich hat man
die denkbar schlechteste Übersetzung zum Vergleich herangezogen. Es mag
sein, dass die Vorgehensweise der wissenschaftlichen Arbeit gewissenhaft
und nachvollziehbar erfolgt. Daran kann kaum ein Vorwurf gemacht werden.
Es stellt sich einzig die Frage nach dem Warum. Warum diese Mühe?
Die Flickenhosenanalogie
Es wäre so, wenn im Schrank Hosen hingen, die einen durchlöchert, nicht
tragbar, die anderen hingegen neu und ohne Makel. Es sind deutlich mehr
von den makellosen Hosen im Schrank als von den durchlöcherten, welche
ein paar vereinzelte sind. Jetzt nimmt sich der Wissenschaftler nicht
eine der makellosen Hosen, sondern eine durchlöcherte. Da er sie so
nicht tragen kann, näht er auf jedes Loch Flicken von den anderen
durchlöcherten Hosen. Er näht die Flicke nicht nur auf, sondern er denkt
sich Operationalisierungen aus, quantifiziert und qualifiziert jeden
einzelnen Flicken danach, indem er die Stelle dieser Hose mit den
anderen Hosen an derselben Stelle vergleicht. Dabei ist seine
Ausgangslage diese, dass er die ältere, bessere Hose flicken würde,
wogegen die makellose Hose die Jüngere sei, und nicht besser sein könne.
Wenn er alle Löcher gestopft hat, zieht er sie auch noch an, und geht
unter die Leute. Die guten Hosen hingegen schließt er sich im Schrank
ein. Ich würde mich nicht trauen, mit so einer geflickten Hose unter die
Leute zu gehen, und gleichzeitig die makellosen Hosen im Schrank vor
allen zu verbergen. Der Flickenhosenträger hingegen verkündet stolz, wie
er jeden einzelnen Flicken erkennen und zuweisen könne. Er kann sogar
sagen, wie viele Flicken die Hosen hat.
Dieses Beispiel soll verdeutlichen, wie verkehrt die Ausgangslage ist.
Dies kommt nicht von ungefähr, sondern wenn man bedenkt, dass E. Nestle
oder auch K. Aland nicht an eine inspirierte Schrift glaubten1 ,
wird der evolutionäre Gedanken erkannt, indem von einer unvollkommenen
Schrift ausgegangen wird, dessen Schreiber fehlerhaft, unvollkommen und
Fälscher waren. Es wird auch nicht an den Kanon des Neuen Testamentes
geglaubt, auch nicht an eine Autorenschaft aus dem ersten Jahrhundert2.
Genau gleich, wie nicht an den Schöpfer geglaubt wird, der alles in
sechs 24 Stunden Tagen erschaffen hat, glaubt man auch nicht, dass
dieser Schöpfer seine Schrift mit sehr vielen Handschriften überliefert
hat, sodass die Überprüfung leichtfällt. Nein, das vermeidet der
Gottlose, indem er allen weis machen will, wie wenig zuverlässige
Handschriften vorhanden sind. Deshalb veröffentlicht er nicht alle
Handschriften und macht sie auch nicht leicht zugänglich, viel lieber
zeigt er die wenigen Papyri-Fragmente und verkündet stolz sein
Flickwerk. Es steht hier nicht die Arbeitsdisziplin am Pranger, sondern
die Ausgangslage, die gegen das Wort Gottes ist. Das Verzeichnis, also
der textkritische Apparat, zeigt diesen Fleiß, und dieser kann für alle
nützlich sein. Die Interpretierung sollte jedoch nicht solchen
überlassen werden, die nicht glauben, dass der Originaltext inspiriert
war. An dieser Stelle von Joh. 1,13 muss nichts interpretiert werden,
denn in jedem vollständigen Text ist der Plural, sowohl im Verb als auch
im Relativpronomen. Es müsste also nachgewiesen werden, dass alle
Abschriften eine falsche Grundlage gehabt hätten. Da das Original bis
ins siebte Jahrhundert aufbewahrt wurde, das lesen wir im Chronicon
Pascale, und demnach wäre diese Grundlage das Original selbst. An dieser
Stelle könnte behauptet werden, dass dieses eben gerade die Fälschung
wäre. Dann jedoch müsste aufgezeigt werden, warum keine Abschrift
auffindbar ist, die die singulare Form verwendete, sowohl für das Verb
als auch für das Relativpronomen.
Grammatik
Interessanterweise verweist gerade Tertullian auf die Originalien mit
Standortangabe (unifr.ch/bkv/kapitel96-35).
Er meint, es könne dort eingesehen werden, um Streitigkeiten zu
vermeiden. Wie kann er also gerade an dieser Stelle so falsch liegen (unifr.ch/bkv/kapitel1906-18) ,
hätte er nicht auch hier auf das Original verweisen können? In seinen
Ausführungen zitiert er, wie es richtig steht, und in diesem Zitat sind
beide Wörter im Plural, und später in seinem Text meint er, es sei
Singular. Er widerspricht sich an dieser Stelle in seinem eigenen Text.
Im Weiteren sollen auch noch andere Bezüge Aufschluss geben, ob die
Behauptung Tertullians begründbar ist, ob das Verb und das
Relativpronomen Singular überhaupt in Frage kommt. Würde das Verb,
dessen Grundform „γεννάω“ (GENNAOh) ist, im Singular flektiert, so
müsste es auch mit dem Subjekt kongruent sein, das heißt der Numerus
muss übereinstimmen. Man könnte hier ganz einfach beide Numeri anpassen,
um den Singular zu begründen und gleichzeitig kongruent zu sein. Da das
Subjekt in Joh 1,13 ein Relativpronomen ist (οἳ, Grundform ὅς hOS), muss
auch das Bezugselement in derselben Kongruenz sein. Das heißt, im
Numerus und Genus, der Kasus hingegen wird vom Satz, in dem das
Bezugselement ist, bestimmt. Das einzige in Frage kommende Element lässt
sich im Vers zwölf finden. Dies entspricht einer „Linksverschiebung“ und
das wäre auch der Normalfall. Es gibt Fälle von „Rechtsverschiebungen“,
jedoch wechselt das Thema in Joh 1,14, sodass eine solche nicht in Frage
käme.
Der Vers zwölf knüpft an Vers elf mit einem Gegensatz an (δὲ). Die, die
IHN annahmen, denen gab ER das Recht Kinder Gottes zu sein, im Gegensatz
zu denen, die IHN nicht annahmen. In Vers zwölf und dreizehn wird die
Gruppe angesprochen, die IHN annahmen. Dabei werden sie als Pronomen
wiederaufgenommen und bilden das Objekt des Satzes. Dieses Objekt passt
im Numerus und Genus zu dem Relativpronomen und Verb in Vers dreizehn.
Dieses Objekt wird mit einer Angabe erweitert. Die Erweiterung ist, dass
das Objekt (denen/αὐτοῖς) des Satzes Kinder Gottes sind. Man könnte
jetzt sagen, dass das Bezugselement im Vers zwölf Gott (θεοῦ) sei, da
dieses im Numerus Singular und im Genus Maskulin ist, und damit zum
Relativpronomen und Verb in Vers dreizehn passen würde, denn das wäre
letztendlich die Konsequenz. Das ist unmöglich, da Gott (θεοῦ) das
Attribut von Kindern (τέκνα) ist und damit nicht in Frage kommen kann.
An dieser Stelle kann gezeigt werden, dass nicht nur einfach ein Wort
angepasst werden kann, sondern es müssten in diesem Fall mehrere Wörter
angepasst werden, da diese im Bezug zueinanderstehen. Auch das „Geblüt“
(αἱμάτων) in Vers dreizehn müsste in den Singular gebracht werden, denn
das spricht von mehreren Vorfahren, die aus Fleisch und Blut sind. Jeder
Mensch hat seine eigene Abstammung und so haben viele Menschen viele
Abstammungen, daher wird der Plural für „Geblüt“ verwendet.
Textanalyse
Unser Abschnitt beginnt mit Vers neun, welcher zeigt, dass Gott für alle
Menschen in die Welt kam. Dieses in die Welt Kommen wird genauer
beschrieben, indem ausgesagt wird, dass ER nicht von allen angenommen
wurde. Nach dieser Aussage werden diejenigen näher beschrieben, die IHN
annahmen. Sie haben das Recht, Kinder Gottes zu sein, weil sie aus Gott
Gezeugte sind durch die Annahme des Herrn Jesu. Vers dreizehn zeigt auf,
wie die Kindschaft zustande kam, nämlich durch die Zeugung Gottes.
Dieser Abschnitt ist in sich konsistent, und der Sinn wird an anderen
Stellen im Neuen Testament aufgegriffen, wie z. B.: 1Pe 1:23; Jam 1:18;
1Jo 3:9; Joh 3:5; 1Pe 1:3; 1Jo 2:29; 1Jo 4:7.
In Vers vierzehn wird das Thema «Wort» aus Vers eins wiederaufgenommen.
Dieser thematische Wechsel verdeutlicht, dass Vers dreizehn mit Vers
zwölf verbunden ist.
Fazit
Da alle Handschriften, einschließlich der Papyri-Fragmente, der Singular
aufweisen und kein Bezugselement im Singular gibt, und auch der
Abschnitt in sich konsistent ist, ist der Plural begründet, sowohl im
Relativpronomen als auch im Verb „gezeugt wurden“. Es ist zudem so, dass
diese Aussage nicht alleinsteht, sondern oft im Neuen Testament gemacht
wird.
Fußnoten
1:
Kurt Aland: «Als die pseudonymen Schriften des Neuen Testaments nur
die Urheberschaft der prominentesten Apostel beanspruchten, war dies
kein geschickter Trick der so genannten Fälscher, um ein höchstmögliches
Ansehen und eine größtmögliche Verbreitung ihres Werkes zu
gewährleisten, sondern die logische Schlussfolgerung aus der Annahme,
dass der Geist selbst der Autor des Werkes war.»
2:
Kurt Aland: «Wenn die katholischen [Anm. allgemeine Briefe: 1. und
2. Pet, Jak, 1.-3. Joh. und Judas] Briefe wirklich von den Aposteln
geschrieben wurden, deren Namen sie tragen, und von Menschen, die Jesus
am nächsten standen (von Jakobus, dem Bruder des Herrn; von Judas, dem
Bruder des Jakobus; vom Fürsten der Apostel, Petrus; von Johannes, dem
Sohn des Zebedäus; wenn das Johannes-Evangelium wirklich von dem
geliebten Jünger Jesu geschrieben wurde), dann stellt sich die
eigentliche Frage: Gab es wirklich einen Jesus? Kann Jesus wirklich
gelebt haben, wenn die Schriften seiner engsten Gefährten so wenig von
seiner Wirklichkeit enthalten? Die katholischen Briefe zum Beispiel
enthalten so wenig von der Realität des historischen Jesus und seiner
Macht, dass es zum Beispiel für Jakobus ausreicht, nur den Namen Christi
am Rande zu erwähnen. Wenn wir dies beobachten - vorausgesetzt, dass die
Schriften, über die wir sprechen, wirklich von ihren angeblichen Autoren
stammen -, dann erscheint es fast so, als wäre Jesus ein bloßes Phantom
und als läge die wahre theologische Macht nicht bei ihm, sondern bei den
Aposteln und der irdischen Kirche...»
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