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Oele Bäume Sträucher Heilpflanzen in der Bibel
(Entwurf)
Medizin in der Bibel
→ Akazie; →
Aloe; →
Apfel, Apfelbaum; →
Bakabaum; → Balsam; →
Bohnen; → Buche; →
Dattelpalme; → Dill; →
Distel; → Dornen; →
Eiche; → Feigenbaum; →
Flachs; → Galbanum; →
Gerste; → Granatapfel; →
Gurke; → Hirse; →
Kalmus;
→ Kiefer; → Knoblauch; →
Koriander; → Kümmel; → Kürbis;
→ Lauch; → Liebesäpfel;
→ Lilie; → Linde; →
Linse; → Lotos; →
Mandelbaum; → Maulbeerbaum,
Maulbeerfeige; → Minze; →
Myrrhe; → Myrte; →
Narde; → Nessel; →
Nuss, Nussgarten; →
Öl, Ölbaum; →
Platane; → Rizinus;
→ Safran; → Sandelholz; →
Schilf; → Senfkorn; →
Stakte; →
Tamariskenbaum; →
Terebinthe; → Wacholder;
→ Weide; →
Weihrauch; →
Wein,
Weinstock; →
Weizen; → Wermut; →
Ysop; → Zeder; →
Zimt; →
Zwiebel; → Zyperblume; →
Zypresse
Fauna und Flora .pdf
Fauna und Flora .docx
Heilpflanzen in der Bibel
Myrrhe
Und sie setzten sich, um zu
essen. Und sie hoben ihre Augen auf und sahen: und
siehe, ein Zug Ismaeliter kam von Gilead her; und ihre
Kamele trugen Tragant und Balsamharz und Ladanum; sie
zogen hin, um es nach Ägypten hinabzubringen.
Und Israel, ihr Vater, sprach
zu ihnen: Wenn es denn also ist, so tut dieses: Nehmet
von dem Besten des Landes in eure Gefäße und bringet dem
Manne ein Geschenk hinab: ein wenig Balsam und ein wenig
Traubenhonig, Tragant und Ladanum, Pistazien und
Mandeln.
Ist kein Balsam in Gilead,
oder kein Arzt daselbst? Denn warum ist der Tochter
meines Volkes kein Verband angelegt worden?
Geh hinauf nach Gilead und
hole Balsam, du Jungfrau, Tochter Ägyptens! Vergeblich
häufst du die Heilmittel; da ist kein Pflaster für dich.
Plötzlich ist Babel gefallen
und zertrümmert. Jammert über dasselbe! Holet Balsam für
seinen Schmerz; vielleicht wird es geheilt werden!
Juda und das Land Israel waren
deine Kaufleute; mit Weizen von Minnith und süßem
Backwerk und Honig und Öl und Balsam trieben sie
Tauschhandel mit dir.
|
Weihrauch

Weihrauch gewinnt man im Süden der Arabischen Halbinsel von Bäumen und
Sträuchern, deren Rinde eingeritzt wird.
Dadurch tritt Harz in kleinen Kügelchen aus, das im Laufe des Tages
trocknet und abgeschabt werden kann.
Weihrauch war vor allem in nachexilischer Zeit ein begehrtes
Handelsprodukt, das im Tempelkult reichlich Verwendung fand.
Vor allem beim Räucheropfer wurde Weihrauch in einer Mischung mit
anderen Spezereien verbrannt und diente dem
Wohlgeruch im Tempel. Wegen des weiten Handelsweges von Saudi-Arabien
bis nach Palästina war Weihrauch eine
sehr wertvolle Spezerei.
2.Mose 30,34; 3.Mose 2,1.2.15.16; 5,11; 6,8; 24,7; 1.Chr 9,29; Neh
13,5.9; Hld 3,6; Jes 43,23; 60,6; 66,3; Jer 6,20;
17,26; 41,5; Hes 8,11; Sir 24,21; 39,18; 50,9; Bar 1,10; 1.Makk 4,50; Mt
2,11; Offb 18,13
Kassia = Zimt↓↓↓↓
Zu den Bestandteilen des Salböls für die Salbung des Hohenpriesters
gehörte auch Zimt
(Cinnamomum zeylanicum), der in Indien heimisch war und bis nach Israel
exportiert wurde.
Der Zimtbaum wird 6-10 m hoch.
2.Mose 30,23; Spr 7,17; Hld 4,14; Hes 27,19; Sir 24,20; Offb 18,13
Salbölfläschchen

Salböl, das meist mit wertvollen Stoffen (Narde, Myrrhe, Weihrauch,
Zimt u.a.) versetzt war,
war sehr kostbar und wurde in kleinen tönernen oder gläsernen Fläschchen
aufbewahrt.
Über einen engen Ausguss ließ sich die ausfließende Menge ziemlich genau
regulieren.
Je nach verwendeten Zutaten konnte ein solches Fläschchen bis zu
mehreren Monatslöhnen teuer sein.
2.Mose 30,25.35; Neh 3,8; Mt 26,7; Mk 14,4; Lk 7,37–38.46; Joh 11,2;
12,3
Erdöl
↓↓↓↓↓↓↓
Erdöl
Pflanzen
Pflanze, pflanzen I) Zu den einzelnen in der Bibel genannten P. vgl. die
betreffenden Artikel:
→ Akazie;
Die Akazie. gehört zu den Mimosengewächsen und kommt als strauch- und
baumförmige, dornige Pflanze in wärmeren Gebieten vor. Sie kann leicht
verwechselt werden mit dem gleichnamigen Baum (Robinia Pseudacacia), der
aus Nordamerika stammt und erst seit etwa 1600 n.Chr. in Europa
angepflanzt wurde.
In Palästina und auf der Sinaihalbinsel kommen mehrere Arten vor, u.a.
die Schirm-A., Gemeine A., Negev-A. und die sog. Nil-A. Milieugerecht
wird der Baum im AT nur im Zusammenhang mit der Wüste erwähnt, da er nur
in Trockenregionen wächst.
Die A. (hebr. schiththah) wird als Baum nur einmal in der Bibel genannt
(Jes 41,19), obwohl das Holz für den Bau der Stiftshütte große Bedeutung
hatte (2Mo 25,5ff u.a.). Es war für derartige Zwecke die einzige
brauchbare Holzart der Wüste. Dunkler und härter als Eichenholz, erweist
sich die A. als sehr haltbar. Sie wird von holzfressenden Insekten
gemieden und kann nur im frischen Zustand bearbeitet werden; sie ergibt
dann eine schöne Maserung.
Aloe;
Aloe scheint im bibl. Altertum ein Sammelbegriff für wohlriechende
Holzarten gewesen zu sein, besonders für das harzreiche Holz der
Aquilaria Agallocha (Lignum Aloës) angewandt. Mit der botanischen
Gattung A. hat die bibl. A. nichts zu tun.
Es handelt sich vielmehr um einen Baum aus der Familie der Thymelaceen,
der bes. in Hinterindien heimisch ist. Er hat ein dunkelbraunes, hartes
und sprödes Holz, das ein wohlriechendes, jedoch bitteres Harz enthält.
Auf den großen Handelsstraßen konnte A. bereits im Altertum nach
Palästina und Ägypten importiert werden, wo es sehr geschätzt war. Es
wurde als Räuchwerk (Ps 45,9; Spr 7,17) und als Zusatz bei
Leicheneinbalsamierungen (Joh 19,39) verwendet. In Hld 4,14 wird es
neben anderen wohlriechenden Stoffen erwähnt.
Apfel Apfelbaum
Apfel, Apfelbaum In Palästina kommen Apfelbäume verhältnismäßig selten
vor. Allein in der Umgebung von Aschkelon sind sie häufiger und in guten
Arten anzutreffen. Vor der Einnahme Kanaans durch die Israeliten scheint
der Apfelbaum (hebr. tappuach) jedoch ein bekannter und beliebter Baum
gewesen zu sein, da auch verschiedene Ortsnamen auf ihn hinweisen (vgl.
Jos 15,34.53; 17,7). In späterer Zeit wird er von Joel unter den Bäumen
des Landes aufgezählt (Joel 1,12) und hat einen besonderen Platz im
Hohenlied (Hld 2,3; 7,9; 8,5).
Ein Wort, zur rechten Zeit geredet, vergleicht Salomo in Spr 25,11 mit
einem goldenen Apfel. Das Missverständnis eines Wortes im Vulgatatext
hat in der Kunst zu der falschen Darstellung geführt, nach der Eva einen
Apfel vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen nahm (1Mo 2,9.17). Es
liegt eine Verwechslung des lat. malum (Apfel) und malus (böse) vor. Eva
nahm von der »Frucht« (1Mo 3,6).
Bakabaum Wahrscheinlich anderes Wort für →
Maulbeerbaum oder → Mastixstrauch
Bohnen Bei den in der Bibel genannten B. (hebr.
pol) ist an die Sau- bzw. Ackerbohne (Vicia Faba) zu denken. Sie wurden
entweder frisch gekocht oder getrocknet in einer Handmühle grob gemahlen
und als Grütze oder Grieß mit Knoblauch zubereitet gegessen. Auch als
Viehfutter fanden sie Verwendung.
Nach 2Sam 17,28 wurden David, als er sich auf seinem Feldzug gegen
Absalom befand, u.a. auch B. als Verpflegung für sein Heer gebracht. In
Hungerzeiten verwendeten die Israeliten B. auch zum Brotbacken (Hes
4,9).
Buche Das in der LÜ in Hos 4,13 mit B.
wiedergegebene Wort ist vielleicht richtiger mit → Terebinthe zu
übersetzen. Siehe auch → Eiche.
Dattelpalme 1) Wenn die Bibel von Palmen
spricht, ist stets die D. (Phönix dactylifera) gemeint, die schon sehr
früh nach Palästina eingeführt wurde. Die D. ist 10–20 m, bisweilen auch
50 m hoch. Die Ansätze der abgefallenen Blätter bilden die Rinde des
schlanken Stammes von 30–60 cm Durchmesser. Den Wipfel krönen 40–60
dunkelgrüne, bis zu 3 m lange Blätter (»Palmwedel«; 3Mo 23,40; Neh
8,15). Um die Fruchtbarkeit zu vergrößern, wendet man die künstliche
Bestäubung an. Schon in der rabbin. Literatur wird diese Methode
erwähnt. Früher gab es viel mehr D.n in Palästina als heute. Bekannt war
die Palme der Debora (Ri 4,5). Jericho, »die Palmenstadt« (5Mo 34,3; Ri
1,16), war von einem Palmenwald umgeben, der etwa 20 km lang war. Tamar
(»Palme«; 1Kön 9,18 und Hes 47,19) im Süden des Landes war reich an D.n;
ebenso die Oase En-Gedi oder → Hazezon-Tamar. Die Palme war für das jüd.
Volk von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Außer den Früchten, die der
Baum in großer Menge hervorbringt, liefert der Stamm Bauholz. Die Zweige
werden beim Laubhüttenfest verwendet (3Mo 23,40), mit den Blättern deckt
man die Dächer oder flicht daraus Matten, Körbe und Zäune.
2) Das Bild der D. lieferte ein künstlerisches Motiv für den Schmuck der
Tempelwände (1Kön 6,29; Hes 40,16ff). Tamar kommt auch als Mädchenname
vor (1Mo 38,6; 2Sam 13,1; vgl. Hld 7,8f).
Als Siegeszeichen dienen Palmenzweige beim Einzug Jesu in Jerusalem (Joh
12,13) und in den Händen der großen Schar aus allen Völkern (Offb 7,9).
Auf röm. Münzen aus der Zeit Kaiser Vespasians und seines Sohnes Titus
ist die Palme das Symbol für das 70 n.Chr. besiegte Judäa
(Judaeacapta-Münzen). Beim Bar-Kochba-Aufstand wurde die D. von den
jüdischen Freiheitskämpfern ebenfalls als Motiv auf Münzen geprägt.
Dill (Anethum graveolens)
1) Gleich anderen duftenden Kräutern wie Fenchel und Kümmel gehört der
D. zur Familie der Doldengewächse (Umbelliferae). Es ist eine im
Kaukasus und in den Ländern am Mittelmeer heimische Pflanze, die mit zu
den ältesten Arznei- und Küchenpflanzen gehört. Die ganze Pflanze ist
verwendbar. Ihre Wirkung beruht auf ihrem Gehalt an ätherischen Ölen. –
In der Bibel wird der D. in Mt 23,23 als zehntpflichtig erwähnt.
2) Mit dem hebr. qäsach, das die LÜ in Jes 28,25.27 mit D. übersetzt,
ist der Schwarzkümmel (Nigella sativa) aus der Familie der Ranunculaceae
gemeint. Der schwarze Samen dieser Pflanze von ca. 3 mm Durchmesser
wurde wie der Kümmel (u.a. ins Brot gebacken) und als Heilmittel (gegen
Blähungen) verwendet.
Distel Die D. wird in der Bibel fast nur im Plural
und mit den → Dornen zusammen genannt. Diese Worte meinen keine
bestimmten Pflanzen, sondern sind ein Sammelbegriff für eine Reihe
verschiedener, mit stachligen Schutzorganen versehener Pflanzen, die
gerade in heißen Klimaten bes. häufig sind. Viele Arten sind als
Ackerunkräuter z.B. aus der Ebene Scharon bekannt, die im Herbst ein
einziges Distelmeer ist. – Die häufigsten Arten sind:
1) der wilde Saflor (Carthamus glaucus), eine D.art mit dünnem Stängel
und schmalen, mit Stacheln besetzten Blättern.
2) Eine Kornblumenart (Centaurea pallescens), die zu einer verwandten
Gattung gehört. Die Blätter sind weich, aber die Blütenköpfchen sind von
Stacheln umgeben.
3) Die Kugeldistel (Echinops viscosus), die mit ihren violetten Blüten
überall zu finden ist.
4) Die Notabasis syriaca, eine Art mit weiß geaderten Blättern und roten
Blüten.
5) Die Mariendistel (Silybum marianum), auffallend durch ihre großen,
weiß geaderten Blätter. Die Blütenköpfe sind von Stacheln umgeben.
6) Die Artischocke oder Gartendistel (Cynara Scolymus). Sie wächst
hauptsächlich in den Ebenen, wird bis zu 2 m hoch, hat 30–50 cm lange
Blätter und purpurrote Blütenköpfe.
Die D. ist mit den Dornen zusammen eine Gottesstrafe (1Mo 3,18) und ein
Zeichen der Verwahrlosung des Ackers durch Faulheit (Spr 24,31). →
Nessel
Dornen
Ebenso wie → Disteln sind D. in der Bibel ein Sammelbegriff für dornige
Pflanzen.
Auf den Äckern Palästinas sind so das gelb blühende Stallkraut (Ononis
natrix), das dornige Bäckerkraut (Poterium spinosum) und in der Nähe
Kapernaums der Judendorn (Zizyphus lotus) zu finden. Die letzte Art
meinte Jesus wohl in seinem Gleichnis (Mt 13,7), da der Judendorn nach
der Regenzeit sehr hoch aufschießt und oft das Korn erstickt.
Trockenes D.gestrüpp verbrennt krachend (knatternd), ohne viel Wärme zu
geben. Damit wird in Pred 7,6 das Lachen der Toren verglichen.
Welcher Art die Zweige waren, aus denen die D.-krone Jesu geflochten war
(Mt 27,29), ist nicht eindeutig zu bestimmen. Einige Forscher vermuten,
dass die D.krone aus dem Kreuzdorn (Rhamnus lycioides) hergestellt war.
Sicher waren es nicht die Zweige des sog. Christusdorns (Zizyphus spina
Christi). Diese Pflanze hat wohl lange Zweige und starke D., wächst aber
nur in der Küstenebene, den südl. Wüsten und im Jordantal.
Eiche Die LÜ gibt fünf hebr. Wörter mit E. wieder.
Davon bezeichnet allon als charakteristischer Baum von Baschan
wahrscheinlich die eigentliche E. (Jes 2,13; Hes 27,6; Sach 11,2). In
Jes 6,13 werden allon und ela nebeneinander erwähnt (LÜ: E. und Linde),
ebenso in Hos 4,13 (LÜ: E.n, Linden und Buchen). Daher vermutet man in
ela die Terebinthe. Wieweit die übrigen Wörter bestimmte Arten bzw.
allgemein große, auffallende Bäume bezeichnen, lässt sich nicht sagen.
Heute wachsen in Palästina folgende E.n:
1) Die Kermeseiche (Quercus coccifera), immergrün und stark belaubt. Die
kleinen Blätter sind gezackt und die Eicheln klein und hartschalig.
2) Die griech. E. (Quercus aegilops). Eine Art, die hauptsächlich in
Galiläa, aber auch im Ostjordanland vorkommt, sodass die »Eichen von
Baschan« (Jes 2,13; Hes 27,6) vermutlich dieser Art waren. Die Blätter
sind größer als die der Kermeseiche und werden im Frühling erneuert. Die
langen Eicheln sind essbar und finden in der Gerberei Verwendung.
3) Andere, weniger vorkommende Arten sind die Steineiche (Q. ilex) auf
dem Tabor und die Mooseiche (Q. cerris) auf den niedrigeren Berghängen.
Allein auf dem Libanon gibt es acht weitere verschiedene Arten, darunter
auch unsere Wintereiche (Q. sessiliflora).
4) Vgl. auch → Terebinthe.
In der Bibel werden E.n oft erwähnt. Manchmal hatten sie eigene Namen,
auch Ortschaften wurden nach ihnen benannt (Ri 9,6.37; 1Sam 10,3). Unter
E.n wurden manchmal Tote beerdigt (1Mo 35,8) und Götzenopfer dargebracht
(Hos 4,13). Aus ihrem Holz wurden auch Götzenbilder gefertigt (Jes
44,14ff). Die E. ist Bild für menschliche Größe und Stärke, die aber vor
Gott ohnmächtig ist (Jes 2,12f; Sach 11,2).
Eichgrund (1Sam 17,2) ist das Tal des Wadi es-Samt, neuhebr. Elah
(31.652,34.938), ein breites, fruchtbares Tal mit Baumwuchs und Äckern.
Es beginnt in der Nähe von Libna und ist das einzige offene Tal an der
Westgrenze Judas, daher Einfallstor der Philister. Sein oberes Ende wird
von der Festung → Bet-Zur gesperrt.
Feigenbaum Der F. (Ficus carica) gehört zur
Pflanzenfamilie der Moraceen und ist im ganzen Gebiet des Mittelmeers
heimisch. Sein Heimatland ist Vorderasien. In Syrien und Palästina, wo
sein Anbau sehr alt ist (4Mo 13,23), gedeiht er vortrefflich. Der Baum
wird ca. 6–9 m hoch, hat einen krummen Stamm mit glänzender Rinde, und
das Geäst dehnt sich nach allen Richtungen aus. Die großen, fünflappigen
Blätter fallen zu Beginn des Winters ab, und während des größten Teiles
der Regenzeit ist der Baum kahl, bis er Anfang April wieder neu
ausschlägt und damit den Sommer ankündigt (Mt 24,32).
Die Fruchtbildung ist eigenartig. Die sehr kleinen Blüten sitzen innen
an der Wand eines urnenförmigen Blütenbodens, der z.Zt. der Reife dick
und fleischig wird und die »Feige« bildet. Die Steinchen in der Feige
sind die eigentlichen Früchte, das Essbare ist der fleischig gewordene
Blütenstand.
In Palästina trägt der F. dreimal jährlich Früchte. Die erste Ernte aus
Blütenanlagen des Vorjahres ist bereits im Frühling. Wenn im April die
Endknospen der Zweige die neuen Jahrestriebe formen und dort die ersten
Blätter sprießen, sitzen unter diesen Trieben kleine junge Feigen, die
sog. Vorfeigen (paggim). Sie zeigen an, dass der Winter vorbei ist (Hld
2,13). Sie sind nicht saftig, werden aber trotzdem gegessen, da es zu
dieser Zeit keine anderen Früchte gibt. Wo sie fehlen, ist der Baum
unfruchtbar; darum verfluchte Jesus den F., dessen Blätterkleid
Fruchtbarkeit nur vortäuschte (Mt 21,18ff; Mk 11,12ff; s.u.).
Ungefähr an der gleichen Stelle, wo die Vorfeige gewachsen ist,
entwickeln sich dann im Vorsommer die Frühfeigen (bikkurah; Hos 9,10).
Etwa Ende Mai/Anfang Juni sind sie reif und werden um ihrer besonderen
Saftigkeit willen gern gegessen (Jes 28,4), sind aber nicht haltbar.
Die Triebe, die sich im frühen Vorjahr zu entwickeln begannen, sind
inzwischen ausgewachsen und tragen nun die sog. späten Feigen (tena).
Diese Früchte sind die besten und werden im August geerntet. Sie werden
teils frisch gegessen, teils getrocknet und zu »Kuchen« zusammengepresst
(1Sam 25,18; 1Chr 12,41). Das Holz des F.es ist schwammig und kann nur
als Brennholz verwandt werden. Die Nützlichkeit dieses Baumes besteht
also nur in seiner »Süßigkeit« und »guten Frucht« (Ri 9,11), während ein
fruchtloser Baum unnütz ist und abgehauen wird (Lk 13,7).
Die Ebene um den See Genezareth herum, vor allem aber die Umgebung von
Tiberias, war wegen ihrer F.anpflanzungen berühmt.
Der Feige wird von alters her heilende Kraft zugeschrieben, besonders
bringt ein Feigenpflaster Geschwüre zum Reifen (Jes 38,21). Der F. wird
als Obstbaum oft mit dem Weinstock und Ölbaum zusammen aufgezählt. Man
pflanzte Feigenbäume auch in den Weingärten (Lk 13,6), sodass der
Weinstock sich um den F. rankte. Das »Wohnen unter dem Weinstock und
Feigenbaum« ist Bild des Lebens in gesichertem Frieden (1Kön 5,5; 2Kön
18,31; Mi 4,4; Sach 3,10). Der F. gehört zu den sieben Segnungen, die
den Reichtum des verheißenen Landes darstellen (5Mo 8,8). Dass er in 5Mo
6,11; Jos 24,13 nicht erwähnt wird, liegt daran, dass er gewöhnlich
nicht besonders gezogen wird, sondern überall wächst.
Der F. ist weder im AT noch im NT noch im jüdischen Schrifttum ein
besonderes Symbol für Israel. Kein biblischer Text legt dieses
Verständnis aus sich heraus nahe. Das Gleichnis vom F., der Blätter
treibt (Mt 24,32f; vom Blühen ist nicht die Rede), meint nichts anderes,
als dass die letzten Dinge und das Kommen des → Menschensohns durch
Vorzeichen angekündigt werden. Die Verfluchung des F.s durch Jesus steht
in engem Zusammenhang mit Jesu Kritik am jüdischen Tempeldienst (Mk
11,12–21). Damit ist aber nicht im Entferntesten angedeutet, Jesus habe
Israel (vermeintlich durch den F. symbolisiert) verflucht. Was Jesus
hier über den Tempeldienst sagt, geht nicht über die prophetische Kritik
von Jer 7,1–15 hinaus.
Flachs (Linum usitatissimum; hebr. peschät)
Einjährige Pflanze mit vereinzelten Blättern am ziemlich langen Stängel
und kleinen blauen oder weißen Blüten. Aus den Bastfasern wird nach
entsprechender Bearbeitung das Leinen gewonnen, aus dem Samen
(Leinsamen) das Leinöl.
Palästina ist reich an wilden F.arten, die als Frühjahrsblumen auf
brachliegenden Äckern wachsen. Als alte Kulturpflanze wurde F. besonders
in Ägypten angebaut (2Mo 9,31; Jes 19,9) und von dort nach Tyrus (Hes
27,7) und Palästina (Spr 7,16) ausgeführt. In Palästina wurde F. wohl
nur vereinzelt angebaut. Ein bibl. Beleg findet sich nur für Jericho
(Jos 2,6). Außerbibl. werden Geser und Bet-Schean als Anbaugebiete
genannt. Nachdem der F. gesponnen war, wurde er von den Hausfrauen zu
Leinwand verarbeitet (Spr 31,13). Für die Priesterkleidung war Leinen
vorgeschrieben (2Mo 28; 39; 3Mo 6,3; 16,4.23; Hes 44,17f). Aus dem aus
Ägypten mitgenommenen Leinen wurden die Teppiche, Vorhänge und Decken
für die Stiftshütte angefertigt (2Mo 26,1.31.36). Als Besonderheit wird
dabei die »gezwirnte« Leinwand genannt; hier waren verschiedene feine
Fasern zu einem Faden gedreht, eine Kunst, die die Ägypter ausgezeichnet
verstanden. Auch im privaten Leben waren leinene Ober- und Unterkleider
sehr geschätzt (2Sam 6,14; Lk 16,19 u.a.). Leinen wurde gebraucht, um
die Toten einzuwickeln (Mt 27,59 u.ö.), aus Flachsfäden wurden Seile
gemacht, die leicht brennbar waren (Ri 15,14; 16,9), und auch die Dochte
der Öllampen waren aus diesem Material (Werg: Jes 1,31). → Handwerk II
Galbanum Das hebr. Wort chälbenah, nur in 2Mo
30,34 als Bestandteil des Räuchwerks genannt, bezeichnet den zu einem
gummiartigen Harz eingetrockneten Milchsaft, der durch Einschnitte in
die Wurzel verschiedener Ferula-Arten (die zur Familie der
Doldengewächse, Umbelliferae, gehören) gewonnen wird. Diese etwa 2 m
hohen, aber krautartigen Pflanzen kommen v.a. in Syrien, Persien und
Afghanistan vor. Der Duft beim Verbrennen ist scharf, jedoch nicht
unangenehm, vgl. Sir 24,21. Im Altertum fand das G. ferner als Würze für
Speisen und als Arzneimittel Verwendung.
Gerste (Hordeum sativum; hebr. seorah; griech.
krithä)
In Palästina werden noch heute verschiedene Arten G. angebaut. G. wurde
im November gesät und in der ersten Aprilhälfte z.Zt. des Passafestes
geerntet, in Ägypten bereits im März. Die siebte Plage, der Hagel,
vernichtete dort die Ähren der G. (2Mo 9,31). G. war statt des teureren
Weizens das Brotgetreide des einfachen Volkes (Ri 7,13; Rut 3,15; 2Kön
4,42; Hes 4,9; Joh 6,9.13) und wurde, mit gehacktem Stroh vermischt,
auch an die Pferde verfüttert (1Kön 5,8). Im röm. Heer war G.nbrot die
Nahrung der Sträflinge. Mit fünf G.nbroten und zwei Fischen sättigte
Jesus 5000 Männer, dazu die Frauen und Kinder, die hinaus in die Wüste
gekommen waren, um ihn zu hören (Joh 6,9).
Balsam In der Bibel wird von mehreren B.arten
gesprochen, die von verschiedenen Bäumen und Sträuchern gewonnen werden.
Der echte B. (hebr. bosäm) kommt von dem Balsamodendron opobalsamum syn.
Commiphora opobalsamum. Die Heimat dieses Baumes sind die südarab.
Küstengebiete. In Palästina gab es große Anpflanzungen von B.bäumen bei
En-Gedi und in der Umgebung von Jericho. Hier bestanden sie noch z.Zt.
der Römerherrschaft. An den vielen dünnen Zweigen des B.baumes hängt in
hellgelben Tropfen sein Harz, der B. Zuerst ist der B. flüssig wie
Honig, durch die Lufteinwirkung aber wird er dunkler und ist zum Schluss
ganz fest. Das hebr. Wort ist jedoch oft auch nur Sammelbegriff (1Kön
10,25; 2Chr 9,1.9.24; Hld 4,10.14; LÜ: Spezerei oder Gewürz; u.ö.). Der
B. war u.a. Zutat zum Räucherwerk und Mittel zur Schönheitspflege
(2Mo25,6 u.ö.; Est 2,12; LÜ: Balsam und Spezerei). Die Königin von Saba
schenkte dem König Salomo eine große Menge B. (1Kön 10,10; LÜ: Spezerei;
vgl. Hes 27,22).
Mit dem dt. Wort Balsam gibt die LÜ häufig das hebr. sari = → Harz
wieder (1Mo 43,11; Jer 46,11; 51,8), ebenso in Ps 141,5 das hebr.
schämän = Salböl und in 2Mo 30,34 das hebr. schechelät, das wohl die
Schalen einer Flügelschneckenart bezeichnet, die beim Verbrennen einen
intensiven Geruch verbreiten.
Granatapfel (Punica granatum)
Frucht des strauchähnlichen Granatbaumes, der am ganzen Mittelmeer bis
nach Persien verbreitet ist (4Mo 13,13; 5Mo 8,8; 1Sam 14,2). Seine
duftenden Blüten sind dunkelrot (Hld 6,11; 7,13), die scharlachrote
Frucht hat eine lederartige Schale und ist mit einem saftigen,
säuerlichen Mus und zahlreichen violetten Kernen gefüllt. Die Israeliten
auf der → Wüstenwanderung vermissten den erfrischenden G. sehr (4Mo
20,5); der Mangel an Granat(apfel)bäumen wird in Joel 1,12 als Strafe
Gottes angesehen.
In der Kunst war der G. ein beliebtes Motiv, etwa in den Knäufen der
Tempelsäulen (1Kön 7,18.20; 2Kön 25,17; Jer 52,22) und am Saum des
hohepriesterlichen Leibrocks (2Mo 28,33ff). Auch außerhalb Israels
wurden bereits früh Gefäße mit G.dekoren oder -ornamenten verziert.
Im Besitz des Israel-Museums befindet sich ein Zepteraufsatz in Gestalt
eines Granatapfels aus dem 14./13. Jh. v.Chr.. Aufgrund einer Inschrift
nehmen manche Wissenschaftler an, dieser habe später auch im
Salomonischen Tempel Verwendung gefunden. Allerdings konnte bislang
weder die Interpretation der Inschrift noch ihre Datierung in
salomonische Zeit zweifelsfrei geklärt werden.
Der hebr. Name des G.s, rimmon, ist wohl wegen der Beliebtheit der
Frucht in vielen Ortsnamen enthalten, z.B. En-Rimmon (Jos 15,32),
Gat-Rimmon (Jos 19,45), Hadad-Rimmon (Sach 12,11).
Gurke Da die aus Indien stammende Gartengurke
(Cucumis sativus) in bibl. Zeit in Ägypten und Palästina unbekannt war,
ist die nur in 4Mo 11,5 erwähnte qischschuah die Zuckermelone oder Gelbe
Melone (Cucumis melo), von der es auch gurkenähnliche Sorten gibt. Dann
handelt es sich aber in Jes 1,8; Jer 10,5 nicht um Gurken-, sondern um
Melonenfelder, auf denen Vogelscheuchen und einfache Wärterlauben
standen.
Hirse (Panicum miliaceum) hebr. dochan
Getreideart, die in West- und Südasien, Nordafrika und im südl. Europa
häufig angebaut wird. Die Körner dienen zur menschlichen Nahrung und als
Geflügelfutter, die Halme als Viehfutter. Das Brot, das Hesekiel als
Zeichen für die kommende schwere Zeit Israels backen sollte, bestand
z.T. aus H. (Hes 4,9)
Kalmus Das hebr. qanäh, das sonst Halm, Rohr, Röhre
bedeutet (z.B. 2Mo 25,32ff; Jes 36,6), hat in 2Mo30,23; Hld 4,14; Hes
27,19 (LÜ: Kalmus) und Jer 6,20 (LÜ: östliches Gewürz) die bes.
Bedeutung einer wohlriechenden Schilfart, die offenbar in Palästina
nicht vorkam, sondern »aus fernen Landen« eingeführt wurde (Jer 6,20).
Sie musste gekauft werden (Jes 43,24), und man verwendete sie u.a. zur
Bereitung des heiligen Salböls. Es handelt sich dabei kaum um den
gemeinen K. (Acorus Calamus), sondern wohl um eine Schilfart aus
Vorderindien (Cymbopogon Nardus), die u.a. in Teichen und Moorgebieten
an der Westküste des Hochlandes von Dekkan vorkommt und dort noch heute
zur Gewinnung wohlriechender Öle verwendet wird. Von Indien brachten es
die Phönizier als gut bezahlten Handelsartikel nach Arabien und weiter
nach Tyrus (Hes 27,19).
Kiefer Mit K. ist in Jes 41,19; 60,13 möglicherweise die → Zypresse
gemeint.
Fritz Rienecker u. a., Hrsg., „Kiefer“, Lexikon zur Bibel: Personen,
Geschichte, Archäologie, Geografie und Theologie der Bibel (Witten: SCM
R. Brockhaus, 2017), 675.
Knoblauch (Allium sativum var. vulgare; hebr.
schum) wurde im ganzen Vorderen Orient stets geschätzt und bildete mit
anderen Zwiebeln einen wesentlichen Nahrungsbestandteil der in der
Knechtschaft arbeitenden Israeliten in Ägypten (4Mo 11,5). Herodot
(484–424 v.Chr.) erwähnt, dass für die Arbeiter an der Cheopspyramide
eine hohe Summe für »Rettig, Zwiebeln und Knoblauch« ausgegeben wurde
(II, 125). Später, bei Horaz (65–8 v.Chr.), heißen die Juden wegen ihres
K.geruchs sogar »judaei foetentes« (= stinkende Juden).
Man zerstampfte die K.knollen im Mörser und vermengte sie mit Öl, aß sie
auch roh zum Brot
Koriander Der K. (Coriandrum sativum) gehört zur
Familie der Doldengewächse (Umbelliferae); er wurde in Ägypten wie in
Palästina angebaut. Der kleine, runde, gelblich weiße Same, getrocknet
von anisartigem Aroma, wird gemahlen und über Backwerk gestreut. Er war
bereits früh als Gewürz und Arzneimittel bekannt; mit ihm wird das →
Manna verglichen (2Mo 16,31; 4Mo 11,7).
Kümmel (Hebr. kammon; griech. kyminon)
In Palästina planmäßig angebaute Pflanze (Cuminum Cyminum), deren
würzige Früchte und Kelche als Gewürz und als Arzneimittel verwandt
werden. Der K. wurde mit einem Stecken ausgeklopft (Jes 28,25.27). Nach
Mt 23,23 war er zehntpflichtig (→ Zehnte II,4).
Kürbis (Hebr. qischschuah) bezeichnet in 4Mo 11,5
die in Ägypten und dem Vorderen Orient angebauten fußlangen
Melonengurken (Cucumis melo Chate). Sie sind durch ihren großen
Saftgehalt durstlindernd und wurden deshalb von den Israeliten auf der →
Wüstenwanderung schmerzlich entbehrt.
Lauch Das hebr. chasir, das sonst Gras bedeutet,
bezeichnet in 4Mo 11,5 wahrscheinlich den Porree (Allium Porrum), der in
Ägypten und Palästina angebaut wird. Man isst ihn als Salat, Gemüse oder
als Beikraut zu Fischgerichten.
Liebesäpfel Das hebr. dudaim (von dod =
Liebe), in LÜ mit L. (1Mo 30,14; Hld 7,14) übersetzt, wird von vielen
mit der gelben, hochgiftigen Frucht der Alraunwurzel (Mandragora
officinarum) identifiziert, die zu den Nachtschattengewächsen
(Solanaceae) gehört. Den vollreifen L.n schrieb man ihres Duftes wegen
eine günstige Wirkung auf Liebeskraft und Fruchtbarkeit zu.
Lilie Das hebr. schuschan (1Kön 7,19.22.26; 2Chr
4,5; Ps 45,1; 60,1; 69,1; 80,1; Hld 2,1f.16; 4,5; 5,13; 6,2f; 7,3; Hos
14,6) bezeichnet neben der in Palästina seltenen Lilie des Libanon
(Lilium candidum) auch andere Lilienartige (Schwertlilien, Tulpen) oder
Hahnenfußgewächse (Ranunkeln, Anemonen). Die Lilienblüte diente als
künstlerisches Motiv für die Säulen → Jachin 4 und Boas sowie für das
eherne → Meer (1Kön 7,19.22.26).
Die L. (griech. krinon) auf dem Feld (Mt 6,28; Lk 12,27) ist wohl die
purpurrote Anemone (Anemone coronaria). Sie ist im Frühjahr überall im
Mittelmeergebiet zu finden, in Palästina bes. häufig in der Scharonebene
(vgl. Hld 2,1).
Das hebr. chawassälät, (Hld 2,1; Jes 35,1) bezeichnet viell. den
Affodill (Asphodelus microcarpus) oder die Narzisse (Narcissus tazetta).
Linde Hebr. liwnäh (LÜ in 1Mo 30,37: Pappel)
bezeichnet wahrscheinlich den Storaxbaum oder -strauch (Styrax
officinalis), der 3–6 m hoch wird. Aus seiner Rinde wird ein
wohlriechendes Harz gewonnen (vgl. Stakte). Der hebr. Name (liwnäh =
»die Weiße«) rührt von den weißen Blütentrauben und Blattunterseiten
her.
Andere denken an die Silberpappel (Populus alba), deren Blätter auf der
Unterseite ebenfalls weiß sind.
Linse (Lens esculenta; hebr. adaschah).
In Palästina seit alter Zeit angebaute Hülsenfrucht (1Mo 25,34; 2Sam
17,28; 23,11). L.n wurden gekocht als Brei gegessen, aber auch geröstet
und gemahlen und dann, mit Honig vermengt, zu Kuchen gebacken. In
Notzeiten wurde mit gemahlenen L.n das Gerstenmehl zum Brotbacken
verlängert (Hes 4,9).
Lotos In Hiob 40,21f bezeichnet L. den sog.
Brustbeerbaum oder Kameldorn – Stauden oder Bäume mit stachligen Zweigen
und pflaumenartigen Früchten.
Mandelbaum Der M. (Prunus amygdalus) ist in
Kleinasien, Syrien und Mesopotamien beheimatet. Er ist der erste
Fruchtbaum, der in Palästina im Frühjahr blüht, daher sein hebr. Name
schaqed »Der Wache« oder »Frühe« (vgl. das Wortspiel in Jer 1,11f in der
ZÜ, EB). In 1Mo 30,37 heißt er hebr. luz, was auch der urspr. Name
Bethels ist (1Mo 28,19).
Die schneeweiße (vgl. Pred 12,5: Bild für das weiße Haar) Blüte ist
kelchförmig (2Mo 25,33f; 37,19f EB, ZÜ). Die Frucht war ein wertvolles
Handelsobjekt (1Mo 43,11). – Der grünende Stab Aarons, durch den ihm
Gott sein Priestertum bestätigte, war der Zweig eines M.s (4Mo 17,17ff).
Maulbeerbaum, Maulbeerfeige (Hebr. schiqmah;
griech. sykomorea)
Der M. der Bibel ist der Maulbeerfeigenbaum oder die Sykomore (Ficus
sycomorus) aus der Familie der Moraceae. Er stammt ursprünglich aus
Ägypten (Ps 78,47) und wurde später in Palästina zuerst in der Schefela
(1Kön 10,27 LÜ: Feigenbaum; 2Chr 1,15; 9,27), dann in Untergaliläa und
in der Gegend um Jericho (Lk 19,4) angepflanzt. Für die Pflanzungen in
der Schefela gab es z.Zt. Davids einen eigens dazu bestellten
königlichen Verwalter (1Chr 27,28).
Der bis zu 16 m hohe Baum hat eine gewaltige Krone, in der sich ein Mann
wie Zachäus gut verbergen und dabei doch alles sehen konnte (Lk 19,4).
Der Stamm erreicht einen Umfang von 10 m, das Wurzelwerk ist sehr weit
verzweigt. Die Früchte der Sykomore gleichen äußerlich den Feigen,
sitzen in Büscheln am Stamm und an den dickeren Ästen und sind essbar,
aber nicht sehr wohlschmeckend. Um Reife und Süßigkeit zu fördern,
ritzte man sie auf. Dieses Aufritzen wird in Am 7,14 (LÜ: züchtet)
erwähnt. Das Holz des M.es ist fest, gleichmäßig und sehr haltbar, darum
nach dem Zedernholz das beste Holz für Schreinerarbeiten (→ Haus II,1).
Minze (Griech. hädyosmon)
Wildwachsende Gewürzpflanze (Mentha silvestris aus der Familie der
Labiatae); eine verwandte Art (M. sativa) wurde auch in Gärten gezogen.
Nach Mt 23,23; Lk 11,42 war sie in ntl. Zeit zehntpflichtig.
Myrrhe I) Harz des südarab. Balsamodendron (syn.
Commiphora) myrrha. Dieser dornige Strauch mit wohlriechendem Holz
gehört ebenso wie die Boswellia-Arten (→ Weihrauch) zur Familie der
Balsambaumgewächse (Burseraceae). Sein nächster Verwandter,
Balsamodendron gileadense, ist der Lieferant der »Salbe von Gilead« (Jer
8,22). Die M. des modernen Handels wird von verschiedenen
Commiphora-Arten Arabiens und Afrikas geliefert.
M. (hebr. mor; griech. smyrna) ist ein terpentinartiges, wohlriechendes
Harz, das durch die Risse der Rinde aus den Harzgängen austritt. An der
Luft verhärtet es zu einem rotbraunen Stoff. Die natürlich austretende
M. ist die reinste und beste Sorte (LÜ: »edelste« 2Mo 30,23 oder
»fließende M.« Hld 5,5.13). Geringere Qualitäten werden durch
Einschneiden gewonnen.
M. diente zur Herstellung von wohlriechenden Essenzen; man brauchte es
als Beimischung zum heiligen Salböl (2Mo 30,23), als Parfüm zur
Körperpflege (Est 2,12), für die Kleider (Ps 45,9) und für die
Schlafstätte (Spr 7,17). Frauen trugen Beutelchen mit M. auf der Brust
(Hld 1,13). M. war unter den Geschenken der drei Weisen aus dem
Morgenland an das Jesuskind (Mt 2,11). Die M. im Wein bei der Kreuzigung
(Mk 15,23) war ein Betäubungsmittel (vgl. Spr 31,6f; → Galle). In
Puderform wurde sie bei der Bestattung verwendet (Joh 19,39).
II) Das hebr. Wort loth, das die LÜ in 1Mo 37,25; 43,11 ebenfalls mit M.
wiedergibt, bezeichnet das Harz der Zistrose (Cistus creticus). Es ist
ähnlich wie die M. würzig und duftend und wird als Räucherwerk und
Arzneimittel geschätzt. Von Arabien und Syrien wurde es nach Ägypten
ausgeführt.
Myrte (Myrtus communis, hebr. hadas)
Die M. wächst in ganz Palästina und Syrien wild, wird aber auch in
Gärten gezogen (Jes 41,19; 55,13). Besonders häufig ist sie in
Wassernähe (Sach 1,8), doch findet man sie auch noch bis in 1000 m Höhe,
in den Tälern um Jerusalem und in der Jordanebene. Sie ist ein
mittelhoher Strauch aus der Familie der Myrtaceae mit immergrünen,
dunkel glänzenden Blättern, die um ihres Duftes willen als Schmuck, bes.
bei Hochzeitsfesten, und zu den Laubhütten (Neh 8,15) verwendet wurden.
Die Königin Ester hieß hebr. Hadassa = M. (Est 2,7).
Narde (Hebr. nerd; griech. nardos).
Aromatische Flüssigkeit, die aus Wurzelstock und unteren Stengelteilen
der Nordostachys Jatamansi gewonnen wird, einer Pflanze aus der Familie
der Baldriangewächse (Valerianaceae), die im Himalaja in einer Höhe von
3500–5500 m wächst. Die Hindus gebrauchten die N. schon früh für
medizinische Zwecke und als Handelsartikel; in Israel war sie bereits
zur Zeit Salomos bekannt (Hld 1,12; 4,13f). Der weite Weg nach Palästina
ließ sie jedoch sehr teuer werden (Mk 14,5; → Geld). Die N. wurde,
vermischt mit anderen Substanzen, als Nardenwasser, -öl oder -salbe in
Alabasterflaschen (→ Glas) in den Handel gebracht (Mt 26,7; Mk 14,3).
Nessel Das hebr. qimmos (LÜ: Nessel) kann neben
den in Palästina vorkommenden N.arten der kleinen Brennnessel (Urtica
urens) und der Pillenbrennnessel (U. pilulifera) auch Unkraut im
Allgemeinen bezeichnen, wie es auf Ruinen (Jes 34,13; Hos 9,6) oder
unbearbeitetem Land (Spr 24,31) wächst. Mit dem hebr. malluach
»Salzkraut« (Hiob 30,4) ist wahrscheinlich die Salzmelde (Atriplex
halimus) gemeint, die in Palästina an den Küsten des Mittelländischen
und des Toten Meeres wächst und deren Blätter trotz des herben
Geschmacks zuweilen gegessen werden. Die Bedeutung des hebr. charul, das
LÜ in Zef 2,9 mit »Unkrautfeld«, in Hiob 30,7 und Spr 24,31 mit
»Disteln« wiedergibt, ist unklar; u.a. hält man es für eine
Platterbsenart (Lathyrus ochrus).
Nuss, Nussgarten Da die Haselnuss in Palästina nicht
vorkommt, ist die Nuss der Bibel (hebr. ägos) die Walnuss (Juglans
regia), die teils wild, teils in Gärten wächst. Der Baum, der kühle,
feuchte Plätze liebt, kam am See Genezareth und am Oberlauf des Jabbok
vor. Heute noch gibt es prächtige Exemplare an den Berghängen des
Libanon in der Nähe der zahlreichen Gebirgsbäche. Nur einmal wird in der
Bibel ein Nussgarten erwähnt (Hld 6,11).
Öl, Ölbaum I) Der immergrüne, nur bis 10 m
hohe Ölbaum (hebr. zajit; griech. elaia; Olea europaea sativa) hat eine
rissige, gefurchte Rinde und dunkelgrüne, weidenähnliche Blätter mit
weißlicher Unterseite. Alte Bäume, die hohl geworden sind, teilen sich
manchmal in eine Anzahl knorriger, durcheinanderwachsender Stämme auf.
Die Blütezeit beginnt in Palästina Anfang Mai. Die kleinen, weißen
Blüten stehen in Trauben in den Stielwinkeln der Blätter. Die anfangs
grünen, später dunkelblauen oder dunkelgrünen Oliven sind Steinfrüchte
von etwa 2 cm Länge; ihr Ölgehalt beträgt mehr als 30 %. Die Ernte
beginnt um die Zeit des → Laubhüttenfestes.
Der Ölbaum wächst sowohl auf Kalkboden wie auf Basalt, seine Wurzeln
dringen in die Felsspalten ein (5Mo 32,13). Er ist also auch auf den
Bergen zu finden und kommt in allen Teilen Palästinas vor (5Mo 28,40).
Der Baum wird sehr alt und bleibt dabei fruchtbar; den Ölbäumen in
Gethsemane schreibt man ein Alter von annähernd 2000 Jahren zu. Rund um
den alten Stamm schießen Wurzelschösslinge auf (vgl. Ps 128,3).
Der Ölbaum wird durch Veredelung (vgl. Röm 11,17ff: → Einpfropfen) aus
dem Oleaster (Olea europaea oleaster) gewonnen. Das Verfahren war
bereits den Phöniziern bekannt, und in Palästina gab es vor der israel.
Eroberung schon Olivenpflanzungen (5Mo 6,11). Das Holz ist dunkles,
hartes Kernholz und für Schnitz- und Tischlerarbeiten sehr gesucht. Das
»Ölbaumholz« von 1Kön 6,23.31.33 stammt jedoch nicht vom Ölbaum, sondern
wahrscheinlich von der Ölweide (Eleagnus angustifolia; hebr. es schämän,
wörtl. »Öl-Baum«), einem immergrünen Strauch mit schmalen, auf beiden
Seiten silbrig schimmernden Blättern. Zweige und Früchte sind ölhaltig.
Der Strauch wird auch in Neh 8,15 (LÜ: Balsam[zweige]) und Jes 41,19
(LÜ: Kiefer) erwähnt.
II) Den größten Wert hat der Ölbaum durch das Olivenöl (Ri 9,9), das man
aus dem Fruchtfleisch gewinnt. Die Oliven werden gepflückt, mit einem
leichten Stock abgeschlagen oder auch abgeschüttelt (5Mo 24,20; Jes
17,6; 24,13).
Die besten Früchte werden ausgesucht, in einer Kelter zertreten (Mi
6,15) oder in einem steinernen Mörser oder einer Ölmühle zerquetscht und
in einen Korb geschüttet. Das dann heraustropfende Öl, frei von jeder
Beimischung, ist das »allerreinste, gestoßene Öl« (2Mo 27,20; 3Mo 24,2).
Dann wird der Korbinhalt in der Ölpresse unter einem mit Steinen
beschwerten Balken weiter ausgepresst und ergibt die zweite Qualität,
das »gestoßene Öl« (2Mo 29,40; 4Mo 28,5; 1Kön 5,25). Dem Öl für den
täglichen Gebrauch fügte man auch Teile des Fruchtfleisches und der
Kerne hinzu. Das Öl wurde in Tongefäßen aufbewahrt (1Kön 17,12; 2Kön
4,2; vgl. 1Chr 27,28; 2Kön 20,13).
Oliven und Olivenöl gehören im Mittelmeergebiet zu den wichtigsten
Nahrungsmitteln (4Mo 18,12; Neh 13,5; Spr 21,17.20; Hes 16,13; 2Chr
11,11). Die Früchte werden frisch mit Salz gegessen; man legt sie in
Salzlake bzw. die vollreifen Früchte in Öl ein, früher hat man sie auch
getrocknet. Das Brot wird in Olivenöl getaucht, das vielfach die Butter
ersetzt und auch zum Backen verwendet wird (1Kön 17,12f; → Kuchen).
Das Öl fand weiter in der Körperpflege (→ Salbe), Medizin (→ Arzt) und
als Brennstoff Verwendung (→ Lampe). Es war ein wichtiger Handelsartikel
(Jes 57,9; Hes 27,17; Esr 3,7).
III) Im Zushg. mit dem Gottesdienst wird Öl als Brennstoff des →
Leuchters der Stiftshütte (2Mo 27,20), als Bestandteil des täglichen
Speisopfers (2Mo 29,40) und zur Erzväterzeit als Trankopfer (1Mo 28,18;
35,14) genannt. Weiter diente es zur Salbung der Hohenpriester und
Könige (2Mo 29,7; 1Sam 10,1; → Salbe; → Gesalbter) und wurde so zum Bild
des Heiligen → Geistes (vgl. Sach 4; 2Kor 1,21f; 1Joh 2,27).
IV) Der Ölbaum ist Symbol für die Gottesfürchtigen (Ps 52,10) und das
Volk Israel (Jer 11,16) und wird von Paulus in Röm 11,17–24 als
Gleichnis für die bleibende Erwählung Israels genannt, die durch das
Hinzukommen der Nichtjuden zu Christus nicht infrage steht. Israel
bleibt der von jeher tief verwurzelte Ölbaum, von dessen Wurzeln die
Heidenchristen mitgetragen und mitgenährt werden
Fritz Rienecker u. a., Hrsg., „Öl, Ölbaum“, Lexikon zur Bibel: Personen,
Geschichte, Archäologie, Geografie und Theologie der Bibel (Witten: SCM
R. Brockhaus, 2017), 872–873.
Platane Die Morgenländische P. (Platanus
orientalis) kommt in den östl. Mittelmeerländern häufig vor, hat
5–7-lappige Blätter und eine in großen Stücken abspringende Borke. Der
Baum ist besonders in der Nähe von Brunnen und in den Flusstälern zu
finden und kann sehr groß werden. Sein hebr. Name ärmon ist abgeleitet
von dem Wort für »entblößen«, wohl im Hinblick auf die abblätternde
Rinde.
Rizinus Wahrscheinlich bezeichnet das hebr.
qiqajon (Jona 4,6–10, LÜ: Staude; vgl. EB) den Ricinus communis, ein
sehr schnell wachsendes Wolfsmilchgewächs (Euphorbiaceae), das im
tropischen Afrika als Baum (bis zu 13 m Höhe), im Mittelmeergebiet meist
als Strauch wild und kultiviert vorkommt. Die gewöhnlich pfannengroßen
Blätter können bis zu 1 m breit werden und ähneln in der Form denen der
Rosskastanie. Aus der mit Stacheln besetzten Kapselfrucht wird das
bekannte Öl gewonnen.
Safran Es ist unsicher, welche Pflanze mit dem
hebr. karekom gemeint ist. Infrage kommen:
1) Der Safrankrokus (Crocus sativus) aus der Familie der
Schwertliliengewächse (Iridaceae), der in Norditalien und Westasien
bereits im Altertum häufig gezogen wurde. Die sehr langen Stempel seiner
violetten Blüten liefern getrocknet den »Safran«. Mit Wasser, dem das
ausgepresste, gelbe S.öl zugefügt wurde, besprengte man Kleidung und
Wohnräume, auch Olivenöl wurde mit S. parfümiert. S. diente ferner zum
Würzen und Färben von Speisen und als Arznei bei Magen- und
Darmkrankheiten.
2) Die Gelbwurzel (Curcuma longa) aus der Familie der Ingwergewächse
(Zingiberaceae). Sie wird in ganz Südasien um des gelben Farbstoffs
willen, der in ihrer Wurzel enthalten ist, gezogen. Der Farbstoff
(Curcumin) wurde in ähnlicher Weise wie der S. verwendet.
In Hld 4,14 wird karekom unter anderen Pflanzen indischen Ursprungs
genannt, was für die Gelbwurzel sprechen könnte. Andererseits war der
Safrankrokus in Palästina überall bekannt und hatte in der jüd.
Tradition als Bestandteil des Räucherwerks seine Bedeutung.
Sandelholz Die hebr. Wörter almuggim und algummim bezeichnen ein Holz,
das unter Salomo als große Kostbarkeit aus Ofir und dem Libanon
eingeführt und für die Inneneinrichtung des Tempels und des Palastes
sowie zum Bau von Musikinstrumenten verwendet wurde (1Kön 10,11f; 2Chr
2,7; 9,10f). Die LÜ vermutet hierin S., das Holz einiger botanisch
miteinander nicht verwandter Bäume Ostindiens (weißes S. von Santalum
album, rotes S. von Pterocarpus santalinus), das bes. zu Schnitzarbeiten
und – allerdings nur das weiße S. – zur Gewinnung des aromatisch
duftenden Sandelöls verwendet wird. Da dieses S. jedoch auf dem Libanon
(vgl. 2Chr 2,7) nicht wächst, hat man die hebr. Worte auch als Holz des
Zypressenwacholders (Juniperus phoenicea) gedeutet, der im Libanon
vorkommt und ein sehr gutes Bauholz liefert, andererseits aber keine
außerordentliche Kostbarkeit (vgl. 1Kön 10,11) darstellt. Eine sichere
Entscheidung lässt sich nicht treffen. Mit den »wohlriechenden Hölzern«
in Offb 18,12 könnte neben S. und Zedernholz auch das Holz eines
nordafrikanischen Nadelbaumes, der Sandarakzypresse (Tetraclinis
articulata), gemeint sein, das von den Römern für Schnitzarbeiten
geschätzt wurde. Die Ägypter bereiteten aus dem Harz des Baumes eine
Salbe, die beim Einbalsamieren Verwendung fand
Schilf (auch: Rohr)
I) Die häufigsten S.arten Palästinas und Ägyptens sind:
1) das auch in Europa verbreitete Schilfrohr (Phragmites communis), das
bis zu 4 m hoch wird und an ruhigen Gewässern, Mooren und auf feuchten
Böden wächst;
2) das noch höhere (bis zu 5 m) Pfeilrohr (Arundo donax). Seine
vielknotigen Halme sind schwerer und haltbarer als die des Schilfrohrs.
Daneben gibt es noch eine große Anzahl von Binsengewächsen und
Riedgräsern.
II) Den verschiedenen hebr. Worten, die LÜ mit S. oder Rohr wiedergibt,
lassen sich keine bestimmten S.arten eindeutig zuordnen.
Das hebr. qanäh könnte das Pfeilrohr bezeichnen (1Kön 14,15; 2Kön 18,21;
Hiob 40,21; Ps 68,31 [LÜ: Schilf]; Jes 19,6; 35,7; Hes 29,6f; LÜ: Rohr
bzw. Rohrstab), steht daneben aber auch – ebenso wie das griech. kalamos
in LXX und NT – ganz allgemein für Rohr, Röhre (2Mo 25,32ff; 37,17ff;
LÜ: Arme), das Gelenk (Hiob 31,22), die Messrute (Hes 40,3.5, LÜ, EB;
ZÜ: Messrohr) und das davon abgeleitete Längenmaß, die Rute (Hes 40,5–8
u.ö.). In Hld 4,14; Jes 43,24; Hes 27,19 (qanäh); 2Mo 30,23 (qeneh
bäsäm); Jer 6,20 (qanäh haththow) bezeichnet es eine S.art, aus der ein
wohlriechendes ätherisches Öl gewonnen wurde (LÜ meist → Kalmus).
Die Bedeutung des hebr. suph (2Mo 2,3 [LÜ: Rohr]; Jes19,6; Jona 2,6; LÜ:
Schilf) umfasst neben dem S. vermutlich auch die verschiedenen
schilfähnlichen Pflanzen. Jam suph (2Mo 10,19 u.ö.) ist das »S.meer«.
Hebr. agmon (Hiob 40,26 LÜ: Binsenseil; Jes 9,13; 19,15 LÜ: Stumpf; Jes
35,7; vgl. EB, ZÜ) wäre besser mit Schilf- oder Binsenhalm zu
übersetzen, achu (1Mo 41,2 LÜ: Gras; Hiob 8,11 LÜ: S.) mit Riedgras.
Lediglich das hebr. gomä (2Mo 2,3; Hiob 8,11; Jes 18,2; 35,7) lässt sich
mit einiger Sicherheit bestimmen. Mit diesem Wort ist wahrscheinlich die
Papyrusstaude (Cyperus papyrus) gemeint, die man im Altertum zur
Papierherstellung verwendete. Aus ihren zähen Stängeln flocht man in
Ägypten auch bes. leichte, schnelle Boote, die in Jes 18,2 und (unter
einer anderen hebr. Bezeichnung) in Hiob 9,26 erwähnt werden (LÜ:
schnelle Schiffe).
III) In 2Kön 18,21; Jes 36,6; Hes 29,6 ist der Rohrstab Bild für die
zerbrechende Macht Ägyptens, die den verletzt, der sich darauf stützt.
In Mt 11,7 u. Lk 7,24 ist das schwankende Rohr wohl nicht ein Bild für
mangelnde innere Festigkeit eines Menschen. Vielmehr liegt ein
Doppelgleichnis vor: So wenig man in der Wüste einen Menschen mit
luxuriösen Kleidern finden wird – den sucht man vielmehr in einem Palast
–, ebenso wenig wird man im heißen Wüstensand die Sumpfpflanze Schilf
finden. Jesus schildert hier die falsche Erwartung des Volks gegenüber
den Boten Gottes, nämlich Johannes dem Täufer und Jesus selbst. Der
Gedanke der falschen Erwartung, der man es nicht recht machen kann, wird
in Mt 11,16–19 aufgegriffen und fortgeführt.
Einen Rohrstab als Zepter erhält Jesus bei seiner Verspottung (Mt 27,29;
Mk 15,19).
Senfkorn (griech. sinapi)
Das Samenkorn des Schwarzen Senfs (Brassica nigra), einer einjährigen
Pflanze mit holzigem Stamm, die sehr schnell aufschießt und eine Höhe
von 2,5–3 m erreichen kann. Dieser »Baum« ist ein beliebter Aufenthalt
der Distel- und Goldfinken, die seine ölhaltigen Samenkörner besonders
gern fressen (Mt 13,31f). In Mt 13,31f kann es aber auch als
übertreibende Redefigur Jesu verstanden werden: Aus einem winzigen
Samenkorn wird unerwarteterweise ein riesiger Baum, in welchem Vögel
sogar nisten können (so EB).
Die zerquetschten Senfkörner und das daraus gewonnene Öl werden auch
medizinisch verwendet. Die geringe Größe des S.s (0,95–1,1 mm
Durchmesser) ist sprichwörtlich und wird von Jesus im Gleichnis vom
werdenden Gottesreich verwendet, das kaum bemerkt und unscheinbar seinen
Anfang nimmt und doch eine Dynamik und eine Wachstumskraft entfaltet,
die seine Ausbreitung in alle Welt vorantreibt (Mt 13,31f; Mk 4,31f; Lk
13,19).
In ähnlicher Weise versinnbildlicht das S. in Mt 17,20; Lk 17,6 Wesen
und Kraft des Glaubens, der die größten Dinge zu vollbringen vermag.
Stakte Das hebr. Wort nathaph (eigentl.
»Tropfen«), das LÜ in 2Mo 30,34 nach der LXX (griech. staktä) mit S.
übersetzt, bezeichnet ein Räucherharz, das nur an dieser einen Stelle
und zwar als Bestandteil des heiligen Räucherwerks der Stiftshütte
erwähnt wird.
Ob es sich bei diesem Wort um eine andere Bezeichnung für das Harz des
Mastixstrauchs (→ Mastix) handelt oder um den Storax, das Harz des
Storaxstrauchs (→ Linde), lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden.
Tamariskenbaum (Tamarix; hebr. äschäl)
Der T. hat kleine schuppen- oder nadelförmige Blätter, die eng an den
Zweigen liegen. Er wächst in Palästina in mehreren Arten (die größte,
Tamarix articulata, kann die Größe einer Eiche erreichen), vor allem in
den Wadis der Wüsten- und Steppengebiete (1Mo 21,33; 1Sam 22,6; 31,13).
Terebinthe (Pistacia terebinthus), heute häufig
Terpentinpistazie genannt.
Ein verhältnismäßig kleiner Baum (bis zu 5 m Höhe), der im ganzen
Mittelmeergebiet häufig vorkommt. Er ist zweigeschlechtig, sodass die
kleinen ovalen, dunkelroten Steinfrüchte nur auf den weiblichen Bäumen
zu finden sind. Man schätzt ihn als Schattenspender, doch fallen die
Blätter bereits gegen Ende September ab. Durch Einschnitte in die Rinde
gewinnt man ein wohlriechendes Harz, das als Chios-Terpentin in den
Handel gebracht wird. In der Bibel ist die T. vermutlich mit dem hebr.
Wort elah gemeint, das Luther meist mit → »Eiche« übersetzt hat. Sie
wird als Baum der → Höhen (Hes 6,13; Hos 4,13 [LÜ: Buche]), als
Schattenspender (Ri 6,11.19; 1Kön 13,14) und in bildlicher Verwendung
(Jes 1,30; 6,13) erwähnt. Jakob vergrub die Götzen seiner Familie unter
einer T. (1Mo 35,4). An den herunterhängenden Ästen einer T. blieb
Absalom hängen (2Sam 18,9–14).
Wacholder Das hebr. Wort rotäm bezeichnet nicht,
wie Luther übersetzt, den W., sondern den Retamstrauch (Retama raetam).
Dieser ginsterähnliche Strauch ist ein Schmetterlingsblütler, der in
allen Wüsten Syriens und Arabiens zu finden ist. Die Pflanze ist völlig
blattlos, der kurze Stamm holzig, die sehr zahlreichen Zweige sind grün
und werden mannshoch. Dadurch gibt der Strauch etwas Schatten (1Kön
19,4f). Im Frühling ist er mit schneeweißen, rotgestreiften Blüten
bedeckt, die nach Mandeln duften. Die Wurzeln sind bitter und holzig;
man hat daher in dem hebr. Wort, das die LÜ in Hiob 30,4 mit »ihre
Speise« wiedergibt (lachemam) einen Fehler bei der Zufügung der Vokale
vermutet und will stattdessen lechummam = »um sich zu wärmen« lesen. Im
Übrigen hat Luther an dieser Stelle rotäm mit Ginster übersetzt.
Die GNB übersetzt in Jer 1,11 den Begriff schaqed (eigentlich →
Mandelzweig) mit »Wacholder«, um im Deutschen das Wortspiel mit dem in
V. 2 auftauchenden »wachend sein« (schoqed) deutlich zu machen.
Weide (Baum) Das hebr. arawah, das die LÜ mit W.
oder Bachweide wiedergibt, bezeichnet wahrscheinlich die Euphratpappel
(Populus euphratica). Sie wächst vor allem in Flusstälern (Hiob 40,22;
Jes 44,4) und erreicht die Höhe einer mittelgroßen Linde. Die Äste
beginnen in Mannshöhe (vgl. Ps 137,2). Die Zweige fanden beim
Laubhüttenfest Verwendung (3Mo 23,40).
Die eigentliche Weide (hebr. saphsaphah) ist in Hes 17,5 gemeint
(wörtlich »wie eine Weide«; LÜ: »am Ufer«; vgl. EB).
Weihrauch Durchsichtiges Harz, das von selbst oder durch künstliche
Einschnitte aus den Harzgängen in der Rinde der Boswellia carterii
(Familie der Balsambaumgewächse, Burseraceae) tropft, eines Strauches
mit kleinen Blättern und unansehnlichen Früchten. Der Strauch wächst in
Südarabien (Jes 60,6; Jer 6,20), kommt aber auch an der Westküste des
Roten Meeres vor. Die Ägypter brachten W.bäume aus Punt (→ Put) mit. Von
einer anderen Boswellia-Art, der Boswellia thurifera, stammt der
indische W., der viell. in Offb 18,13 gemeint ist.
Das hebr. Wort lewonah = W. (griech. libanos) ist abgeleitet von dem
Wort für »weiß, glänzend«. Das ausfließende Harz erhärtet langsam und
wird dann zu zylinderförmigen, hellgelben Stückchen zusammengedrückt.
Auf Feuer gelegt, verbrennt es langsam und mit knisternder Flamme
infolge seines hohen Gehaltes an ätherischen Ölen und verbreitet dabei
einen angenehmen Duft, der als Parfüm in den Kleidern hängen bleibt (Hld
3,6).
Im israelit. Gottesdienst nahm der W. einen wichtigen Platz ein. Er war
ein Teil des heiligen Räucherwerks (2Mo 30,34; → Räucheropfer) und
gehörte zum Speisopfer (3Mo 2,1–16), während seine Verwendung beim
Schuldopfer (3Mo 5,11) und Eifersuchtsopfer (4Mo 5,15) ausdrücklich
verboten war.
Unter den Schätzen der Weisen aus dem Morgenland wird auch W. genannt
(Mt 2,11).
Wein, Weinberg, Weinstock I)
Der Weinstock (Vitis vinifera) ist von Natur eine holzige
Kletterpflanze; die schwachen Äste (Reben) und deren Seitentriebe tragen
Ranken, mit denen die Pflanze an einer Stütze Halt sucht. Durch
Beschneiden der Triebe erreicht man reichere Fruchtbildung (vgl. Joh
15,2ff). Der Weinstock kann sehr alt und stark werden. Die Rinde ist
dann ganz verkorkt. Das Holz ist nur als Brennholz zu verwerten (Hes
15,1–6).
II,1) In Palästina sind Boden und Klima für den Wein sehr günstig. Sein
Anbau ist schon früh (1Mo 14,18; vgl. auch 1Mo 9,20) und für fast alle
Teile des Landes bezeugt. Man pflanzte ihn im Land der Philister (Ri
15,5), in der Ebene Jesreel (1Kön 21,1), in der Oase von En-Gedi (Hld
1,14), bes. aber in den Hügelgebieten: in der Nähe Hebrons bei Eschkol
(4Mo 13,23), bei Silo (Ri 21,20f), Sichem (Ri 9,27) und Samaria (Jer
31,5), ebenso im Ostjordanland (Jes 16,8–10; Jer 48,32f) und nach Funden
auch im → Negev.
2) Die Weingärten befanden sich gewöhnlich an den Hängen der Berge (Jes
5,1 EB, ZÜ; Joel 4,18). Damit der fruchtbare Boden nicht von den
Winterregen fortgeschwemmt wurde, legte man Terrassen an. Man umgab den
Garten mit einem Zaun oder einer Mauer, um Schäden durch Wildschweine
und → Schakale zu verhindern (4Mo 22,24; Ps 80,9–14; Spr 24,30f; Hld
2,15; Jes 5,5). Der Boden wurde von Steinen gesäubert, die Weinstöcke
gepflanzt, ein Wachtturm gebaut und eine Kelter ausgehauen (Jes 1,8;
5,1–7; Mt 21,33–41). Ein Weinberg erfordert viel Arbeit (vgl. Mt
20,1–16), bes. im Sommer vor der abschließenden Weinlese (vgl. den
Geserkalender; → Jahr III); in dieser Zeit leben die Familien der
Weinbauern heute noch vielfach in Zelten im Weinberg. Im Übrigen ist der
Boden von Zeit zu Zeit zu lockern und vom Unkraut zu säubern (Spr
24,30f; Jes 5,6); die Reben müssen beschnitten und gereinigt werden (3Mo
25,3; Joh 15,2).
Der eigentliche Stamm des Weinstocks lag gewöhnlich auf dem Boden und
konnte sich dort ausbreiten, während nur die fruchttragenden Äste
gestützt wurden (vgl. Hes 17,6; Hos 10,1). Manchmal ließ man den
Weinstock auch an anderen Bäumen emporranken, dann konnte man unter
seinem Feigenbaum und Weinstock wohnen (1Kön 5,5).
3) Die Trauben geben roten Saft (Jes 63,2; Offb 14,19–20), sie wurden
auch frisch gegessen oder getrocknet (4Mo 6,3; 5Mo 23,25). Aus den
getrockneten Trauben, den Rosinen, presste man → Kuchen (1Sam 25,18;
30,12; → Honig III). Obgleich die ersten Trauben bereits im Juli zu
reifen beginnen, lag die Hauptlese erst im September und konnte bis in
den Oktober hinein dauern. Sie war eine Zeit der Freude (vgl. Jes
16,9.10), bes. wenn mit dem Keltern oder »Traubentreten« begonnen wurde.
Die reifen Trauben wurden gesammelt (Jer 6,9) und in die Kelter
geschüttet, die aus einer flachen Vertiefung bestand, aus der kleine
Abflussöffnungen in einen zweiten, tiefer gelegenen Behälter führten.
Beide waren meist aus dem gewachsenen Felsen ausgehauen. Männer traten
und stampften die Trauben mit nackten Füßen (Neh 13,15; Hiob 24,11; Jes
63,3) und sangen dabei, um im Takt zu bleiben (vgl. Jes 16,10; Jer
25,30; 48,33), während das »Traubenblut« (1Mo 49,11) ihre Haut und
Kleider rot färbte (Jes 63,1–3). Der ausgepresste Saft lief durch die
Öffnungen in den unteren Behälter ab und wurde dann in lederne Schläuche
(Hiob 32,19; Mt 9,17) oder in Tonkrüge gefüllt. Darin ließ man ihn gären
und füllte ihn danach in andere Gefäße um (Jer 48,11f), wobei die →
Hefen (Ps 75,9; Zef 1,12 EB) als Bodensatz zurückblieben. Neben dem
Traubentreten war später auch die Balkenpresse üblich, wie man sie bei
der Ölgewinnung benutzte.
4) Der Traubensaft wurde schon unvergoren als Most (hebr. tirosch)
frisch von der Kelter getrunken und als Erstlingsopfer ins Heiligtum
gebracht (4Mo 18,12; Neh 10,38).
Nach vollendeter Gärung ist der Wein (hebr. jajin) das alkoholhaltige
Getränk, das Trunkenheit verursachen kann (1Mo 9,21). »Gewächs des
Weinstocks« (Mt 26,29; Mk 14,25) war ein althergebrachter Ausdruck der
Juden für den Wein, der bei gottesdienstlichen Festlichkeiten verwandt
wurde, z.B. beim Passamahl und zu Beginn des Sabbats.
Öfter wird von gewürztem Wein (Ps 75,9 EB, ZÜ; Hld 8,2) oder gemischtem
Wein (Spr 23,30 LÜ: was eingeschenkt ist, EB: Mischkrug; Hld 7,3 LÜ:
Getränk, EB: Mischwein; Jes 65,11 LÜ: Trankopfer, EB: Mischkrug)
gesprochen, über die Zutaten bzw. die Art der Mischung wird jedoch
nichts Genaueres berichtet. Unterschieden wird der Wein vom »starken
Getränk«, das aus anderen Früchten (z.B. Datteln), Honig und Getreide
hergestellt wird (Jes 28,7; 29,9; → Trank). Weinsorten werden nach ihren
Herkunftsorten benannt (Hes 27,18; Hos 14,8).
5) Brot, Wein und Öl waren in bibl. Zeit die drei Hauptnahrungsmittel
(2Chr 2,9; Ps 104,14f; Klgl 2,12); der Wein wird als Gottesgabe gerühmt
(1Mo 27,28; 5Mo 8,7–10; Ps 104,15; Pred 9,7; vgl. Joh 2,1–11), gehört
als Trankopfer zu jedem Brandopfer (2Mo 29,38–41) und darf bei der
Festfreude des Gemeinschaftsmahls vor dem Herrn nicht fehlen (5Mo
14,26). Er wurde auch als Heilmittel verwendet (Lk 10,34; 1Tim 5,23;
vgl. Spr 31,6).
Bei Festen am Hof und unter den Reichen wurde jedoch vielfach das rechte
Maßhalten im Trinken versäumt (Jes 28,1.7f; Am 6,6); vor solchem
Missbrauch wird oft und eindringlich gewarnt (Spr 20,1; 23,29–35; Eph
5,18). Den diensthabenden Priestern waren Wein und starkes Getränk (3Mo
10,8–11), den → Nasiräern waren Wein wie Weintrauben in jeder Form
verboten (4Mo 6,3f; Ri 13,4), auch die → Rechabiter tranken keinen Wein
(Jer 35).
III) Im übertragenen Sinn ist der Wein ein häufiges Bild für geistliche
Kräfte und Gaben (Spr 9,2; Jes 55,1), aber auch für die durch Gottes
Gericht bewirkte Verblendung und Verwirrung (Jer 25,15f). Der Herr
vergleicht sein Volk mit einem Weinstock (Ps 80,9–16; Hos 10,1) und ihr
Land mit einem Weinberg (Jer 12,10; vgl. Mk 12,1–9). Das Gleichnis vom
Weinstock, den Reben und dem Weingärtner benutzt Jesus in den
Abschiedsreden, um seinen Jüngern ihr Verhältnis zu ihm und zum Vater
deutlich zu machen (Joh 15,1ff).
IV) Der Eingang am → Tempel VI,1 zur Zeit Jesu war mit Säulen verziert,
um die sich goldene Weinstöcke mit Reben rankten (→ Abb. 878 auf Seite
1155).
Weizen (Triticum; hebr. chiththah; griech. sitos)
Die Urform des W.s, der schon in vorgeschichtlicher Zeit angebaut wurde,
stammt wahrscheinlich aus dem Vorderen Orient. Er galt schon in atl.
Zeit als das beste Brotgetreide (2Mo 29,2) und wird als wichtigste und
häufigste Getreideart in der Bibel vielfach erwähnt (5Mo 8,8; Ri 6,11;
1Kön 5,25; 2Chr 27,5; Esr 6,9; 7,22; Hiob 31,40; Ps 147,14; Jer 12,13;
41,8; Lk 22,31; Joh 12,24 u.ö.).
In Israel wuchs guter W. in der Umgebung von Kapernaum, Chorazin und
bes. im Land Benjamin, wo nicht nur die Ähren außergewöhnlich lang
waren, sondern auch die Halmlänge größer, sodass man viel Stroh erhielt.
Der W. wurde in Israel im November bzw. Dezember nach dem Frühregen
gesät und je nach Lage im April, Mai oder Juni geerntet (→ Jahr). Man
vermahlte ihn zu → Mehl oder aß die (in den Ähren) gerösteten Körner
(Rut 2,14 u.ö.; → Grütze), die auch als Speisopfer dargebracht wurden
(3Mo 2,14).
Im Altertum war Ägypten die Getreidekammer des ganzen Mittelmeergebietes
(1Mo 12,10; 41,57); im Röm. Reich wurden große Mengen Korn von
Alexandria nach Rom verschifft (Apg 27,6.38). Der ägypt. W. ist eine
bes. Art (Triticum compositum), die mehrere Ähren an einem Halm besitzt
(1Mo 41,5). Alte Abbildungen zeigen die gleiche Form, die heute noch
angebaut wird.
Wermut (Artemisia absinthium; hebr. la‘anah;
griech. apsinthos) ist eine Art der Pflanzengattung Artemisia aus der
Korbblütlerfamilie (Asteraceae), eine wild wachsende Pflanze mit
graubehaarten Blättern, kleinen, gelblichen Blütenköpfchen und von
starkem, unangenehmem Geruch und sehr bitterem Geschmack. Die Bitterkeit
des W.s ist in der Bibel Sinnbild der Untreue, des Abfalls von Gott, des
Unrechts (5Mo 29,17; Am 5,7; 6,12; vgl. Spr 5,4), von Gott verhängter
Strafen (Jer 9,14; 23,15; Offb 8,11) und Leiden (Klgl 3,15.19).
Ysop Hebr. ezow. Der eigentliche Y. (Hyssopus
officinalis) kommt in Palästina nicht vor; daher ist es kaum möglich,
den in der Bibel erwähnten Y. botanisch exakt zu identifizieren.
Vorgeschlagen wurden die Oreganogewächse Origanum maru und Origanum
syriacum. Sie gehören zur Familie der Lippenblütler (Labiatae) und
gedeihen überall in Ägypten und Palästina. Die Höhe der Origanum
syriacum-Pflanze wird mit 50–100 cm angegeben. Die Verzweigungen der
vielen kleinen Blättchen macht diesen Y. als Sprengwedel (3Mo 14,4–7;
4Mo 19,18) und Streichquaste für das Blut des Passahlammes (2Mo 12,22)
verwendbar.
Der in 1Kön 5,13 genannte Y. erscheint als niedriges Mauergewächs, was
kaum zur Größe des Origanum syriacum passt. Vielleicht ist hier der
Kapernstrauch (Capparis spinosa) gemeint, der auch in der Westmauer des
Tempels (der sog. Klagemauer) wächst.
Man setzt den biblischen Y. aber auch mit der Mohrenhirse (Sorghum
bicolor) gleich, die fast doppelt so hoch wird wie die Origanum
syriacum-Pflanze und auch sonst zu den biblischen Angaben passt.
Schwierigkeiten bereitet die Zuordnung dieser botanischen Angaben zur
Szene unter dem Kreuz, wo ein Schwamm auf einem Y. zum am Kreuz
hängenden Jesus emporgereicht wird (Joh 19,29). Die Stängel der
genannten Origanum-Pflanzen erscheinen dafür zu schwach – es sei denn,
der Körper des Gekreuzigten habe sich in nur geringer Höhe über dem
Boden befunden. Die Deutung, dass eine geistliche Anspielung auf 2Mo
12,22 vorliege, wo das Blut des Passalamms mit einem Y.büschel
verstrichen wird, dürfte zu weit hergeholt sein (denn der Gekreuzigte
ist im Verständnis des JohEv das wahre Passalamm, spendet also das
erlösende Blut und empfängt es nicht). Das Problem würde sich lösen,
wenn man in Joh 19,29 statt hyssopos (Y.) hyssos (Speer) lesen könnte;
dieses Wort kommt jedoch weder im NT noch im sonstigen urchristl.
Schrifttum vor. Die Schwierigkeit wurde offenbar schon im Rahmen der
Textüberlieferung des NT empfunden; daher lesen Handschriften aus dem 9.
Jh. n.Chr.: »Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig zusammen mit Galle
und Ysop und legten [ihn] um einen Rohrstab.«
Zeder (Cedrus libani; hebr. äräz)
Die Z. des Libanon gehört zu den Nadelbäumen (Coniferae). Sie wird bis
zu 40 m hoch und bis zu 4 m dick. In ihrem Nadelbesatz ist sie
lärchenähnlich, aber immergrün. Ihre bis zu 10 cm hohen, eiförmigen
Fruchtzapfen sind gestielt und stehen aufrecht auf den Zweigen. Von den
ausgedehnten Zedernwäldern, die den Libanon früher bedeckten, sind nur
noch an drei Stellen kärgliche Reste vorhanden.
Die Z. wird in der Bibel oft erwähnt (4Mo 24,6; Ri 9,15; Ps 29,5; 148,9
u.ö.). Sie gilt als vornehmster Baum (1Kön 5,13; 2Kön 14,9) und ist ein
Bild für Kraft und Macht, aber auch für Stolz und Überheblichkeit (Ps
92,13; Jes 2,13; Hes 17,22–24; 31,1–18). Gelegentlich wird sie Z. Gottes
(Ps 80,11) oder Baum des Herrn (Ps 104,16) genannt.
Das braune Zedernholz ist sehr haltbar und wird von Insekten gemieden,
es hat daher seine größte Bedeutung als Baumaterial (→ Lachisch). Doch
auch als Brennholz wird es geschätzt, denn es verbrennt ohne
Rauchentwicklung und hinterlässt wenig Asche. Zedernholz war auch für
bestimmte Reinigungsopfer vorgeschrieben (3Mo 14,4.49; 4Mo 19,6; → Opfer
V,5,c-e). Aus dem duftenden Harz des Baumes wird seit dem Altertum das
Zedernöl gewonnen.
Die Phönizier lieferten David Zedernstämme für den Bau seines Palastes
(2Sam 5,11), Salomo für Tempel (1Kön 5,20–25) und Palast (1Kön 7,1–12),
von dem ein Gebäude nach dem reichlich verwendeten Zedernholz
»Libanon-Waldhaus« (V. 2) genannt wurde. Das Bauholz wurde über das
Mittelmeer transportiert (2Chr 2,15), ebenso später beim Bau des zweiten
Tempels (Esr 3,7). Die Phönizier selbst verwendeten Z. für die Mastbäume
ihrer Schiffe (Hes 27,5). Assyrer und Babylonier führten auf ihren
Kriegszügen auch häufig Zedernstämme als Beute mit fort (Jes 14,8;
37,24), was ihnen wichtig genug war, um es in ihren Siegesinschriften zu
erwähnen.
Zimt (Hebr. qinnamon; griech. kinnamomon)
I) Der in der Bibel öfter erwähnte Z. (2Mo 30,23; Spr 7,17; Hld 4,14;
Offb 18,13) ist der chinesische Z., der bereits im 17. Jh. v.Chr. aus
China über Mesopotamien, Phönizien und Palästina nach Ägypten eingeführt
wurde. Dieser Z. ist die getrocknete, ineinandergerollte innere Rinde
der Zimtkassie (Cinnamomum cassia) aus der Familie der Lorbeergewächse
(Lauraceae).
Man verwendete Z. dazu, Betten (Spr 7,17) und Kleider (Hld 4,14) zu
parfümieren; in 2Mo 30,23 wird er als Bestandteil des heiligen Salböls
genannt.
II) Neben der Zimtrinde werden auch die getrockneten Blüten des
Zimtbaumes unter den hebr. Namen qiddah und qesiah genannt (LÜ: Kassia).
Auch sie wurden zur Bereitung des heiligen Salböls verwendet (2Mo
30,24); ferner waren sie Bestandteil von Salben und Parfüms (Ps 45,9
u.ö.). Kassia wurde durch die Phönizier nach Palästina gebracht (Hes
27,19). Das Wort findet sich auch als Mädchenname (Hiob 42,14 LÜ:
Kezia). → Kalmus
Zwiebel Die Z. (Allium cepa) aus der Familie der
Liliengewächse wurde z.Zt. des AT meist roh gegessen, aber auch gebraten
oder als Gemüse gekocht. Auf der Wüstenreise vermissten die Israeliten
die ägypt. Z. sehr (4Mo 11,5; → Knoblauch). In Palästina werden die Z.
wie der Zwiebelsame gegessen, während man die röhrenförmigen Blätter für
schädlich hält. Als Zutat gehört die Z. bes. zu Linsengerichten.
Zyperblume (Lawsonia inermis oder alba; hebr.
kophär)
Blüte des Hennastrauchs aus der Familie der Weiderichgewächse
(Lythraceae), der bis zu 3,5 m hoch wird und dem europäischen Liguster
ähnelt. Er wuchs in den Weingärten En-Gedis (Hld 1,14), wo er auch heute
noch vorkommt. Seine langen, dunkelgrünen Zweige tragen lanzettförmige,
hellgrüne Blätter und in großen aufrecht stehenden Trauben weiße, stark
duftende Blüten (Hld 1,14; 4,13). In Ägypten wurde aus Stängeln und
Blättern des Strauches ein gelbroter Farbstoff gewonnen, aus dem man
eine Art Nagellack für die Frauen herstellte (weibliche Mumien aus dem
Anfang des 3.Jt. v.Chr. tragen an Finger- und Zehennägeln noch Spuren
dieser Farbe). Noch heute färben sich die orientalischen Frauen mit
Henna Haare (vgl. viell. Hld 7,6), Handflächen und Nägel orange.
Zypresse Aus der Pflanzengattung der Zypressen
(Cupressoideae) kommt in Palästina nur eine Art vor: die
Mittelmeerzypresse (Cupressus sempervirens), allerdings in zwei
Wuchsformen:
1) Die häufigere schlanke Kegelform, die 20 bis 50 m hoch wird. Ihre
Zweige stehen schräg nach oben und liegen eng aneinander.
2) Die seltenere und kleinere Form mit ausgebreiteter, zedernartiger
Krone (Cupressus sempervirens var. horizontalis).
Beide Formen sind wie fast alle Nadelhölzer immergrün (vgl. Hos 14,9).
Die Blätter sind klein und schuppenartig, die Zapfen eiförmig und
holzig. Das Holz ist rötlichgelb, hart und wird von Insekten gemieden.
Zwei hebr. Wörter bezeichnen vermutlich die Zypresse: berosch (1Kön
5,22.24; 6,15.34; 2Kön 19,23; Jes 60,13; Sach 11,2 u.ö.) und teaschur
(nur Jes 41,19; 60,13; Hes 27,6 LÜ: Buchsbaum). Da das erste Wort häufig
genannt wird, das zweite seltener, hat man berosch auch auf die
kegelförmige und teaschur auf die horizontale Wuchsform deuten wollen,
doch das bleibt unsicher. Koehler hält berosch für den
zypressenähnlichen phön. Wacholder (Juniperus phoenicea).
Die Z. wird als ein stattlicher Baum (vgl. Hes 31,8) des Libanon (2Kön
19,23; Jes 14,8; 60,13 u.ö.) und des Senir (Hermon; Hes 27,5) erwähnt,
häufig zusammen mit der Zeder. Sie liefert ein sehr wertvolles Bauholz,
das man vor allem wegen seiner Dauerhaftigkeit schätzte. Salomo
verwandte es zur Täfelung des Tempelinneren (1Kön 6,15.34; 2Chr 3,5);
geliefert wurde es ihm von Hiram von Tyrus (1Kön 5,22.24; 2Chr 2,7).
Planken und Verdeck der tyrischen Schiffe waren aus Z.nholz (Hes 27,5f;
V. 5 berosch, V. 6 teaschur). Vielleicht stellte man auch
Musikinstrumente daraus her (2Sam 6,5; der Text ist hier nicht
eindeutig, vgl. EB Anm., ZÜ). → Arche
Und Jehova sprach zu Mose: Nimm dir wohlriechende Gewürze,
Stakte und Räuchermuschel und Galban, wohlriechende Gewürze und
reinen Weihrauch; zu gleichen Teilen sollen sie sein. Und
mache Räucherwerk daraus, Würzwerk, ein Werk des Salbenmischers,
gesalzen, rein, heilig.
Myrrhen und Aloe, Kassia sind alle
deine Kleider; aus Palästen von Elfenbein erfreut dich
Saitenspiel.
ich habe mein Lager benetzt mit Myrrhe, Aloe und Zimmet. Komm,
wir wollen uns in Liebe berauschen bis an den Morgen, an
Liebkosungen uns ergötzen.
Öl und Räucherwerk erfreuen das Herz,
und die Süßigkeit eines Freundes kommt aus dem Rate der Seele.
Wer ist die, die da heraufkommt von der Wüste her wie
Rauchsäulen, durchduftet von Myrrhe und Weihrauch, von allerlei
Gewürzpulver des Krämers? Siehe da,
Salomos Tragbett: Sechzig Helden rings um dasselbe her von den
Helden Israels.
Kiefer Mit K. ist
in Jes 41,19; 60,13 möglicherweise die → Zypresse gemeint..
Knoblauch (Allium sativum var. vulgare; hebr. schum) wurde im ganzen
Vorderen Orient stets geschätzt und bildete mit anderen Zwiebeln einen
wesentlichen Nahrungsbestandteil der in der Knechtschaft arbeitenden
Israeliten in Ägypten (4Mo 11,5). Herodot (484–424 v.Chr.) erwähnt, dass
für die Arbeiter an der Cheopspyramide eine hohe Summe für »Rettig,
Zwiebeln und Knoblauch« ausgegeben wurde (II, 125). Später, bei Horaz
(65–8 v.Chr.), heißen die Juden wegen ihres K.geruchs sogar »judaei
foetentes« (= stinkende Juden).
Man zerstampfte die K.knollen im Mörser und vermengte sie mit Öl, aß sie
auch roh zum Brot.
Räuchermuschel

Aus den Gewürzen Myrrhe, Zimt, Würzrohr, Kassia und Olivenöl wurde das
heilige Salböl hergestellt, und aus Stakte,
Räuchermuschel, Galban und ⇨Weihrauch das heilige Räucherwerk (2. Mo
30, 22–38). Wenn Maria in Bethanien Haupt
und Füße des Herrn Jesus mit kostbarer Narde salbte, so dass das Haus
vom Geruch des würzigen Salböls erfüllt wurde,
so erkennen wir darin unschwer ein Bild der Anbetung (Mk 14,3ff.; Joh
12,3). Wenn wir als Erlöste unseren Gott und Vater
in Geist und Wahrheit anbeten, dann steigt ein Wohlgeruch zu Ihm empor,
der Ihn erfreut.
Arend Remmers, „Gewürze“, Lexikon Biblische Bilder und Symbole
(Hückeswagen:
Christliche Schriftenverbreitung, 2014), 76.
Wirkung der Salbung
k) 2Mose 30,24ff; Die Wirkung der Salbung
1) Myrrhe = lindert den Schmerz und stillt Blut
2) Zimmet = wie süßes würziges Feuer, scharf, stechend,
wärmend
3) Kalmus = (Würzrohr) würzig, süß,
schmerzlindernd, verdauungsfördernd,
Säure abbauend, wohlriechend, angenehm
im Geschmack
4) Kassia = lindert Brandwunden, nahrhaft
5) Öl = (Olivenöl) nahrhaft, macht haltbar, ge-
schmeidig, weich, glänzend)
Kauffmann, Der Schlüssel, o. J.
Ölbaum
Öl, Ölbaum I) Der immergrüne, nur bis 10 m hohe Ölbaum (hebr. zajit;
griech. elaia; Olea europaea sativa) hat eine rissige,
gefurchte Rinde und dunkelgrüne, weidenähnliche Blätter mit weißlicher
Unterseite. Alte Bäume, die hohl geworden sind,
teilen sich manchmal in eine Anzahl knorriger, durcheinanderwachsender
Stämme auf.
Die Blütezeit beginnt in Palästina Anfang Mai. Die kleinen, weißen
Blüten stehen in Trauben in den Stielwinkeln der Blätter.
Die anfangs grünen, später dunkelblauen oder dunkelgrünen Oliven sind
Steinfrüchte von etwa 2 cm Länge;
ihr Ölgehalt beträgt mehr als 30 %. Die Ernte beginnt um die Zeit des →
Laubhüttenfestes.
Der Ölbaum wächst sowohl auf Kalkboden wie auf Basalt, seine Wurzeln
dringen in die Felsspalten ein (5Mo 32,13).
Er ist also auch auf den Bergen zu finden und kommt in allen Teilen
Palästinas vor (5Mo 28,40).
Der Baum wird sehr alt und bleibt dabei fruchtbar; den Ölbäumen in
Gethsemane schreibt man ein Alter von
annähernd 2000 Jahren zu. Rund um den alten Stamm schießen
Wurzelschösslinge auf (vgl. Ps 128,3).
Der Ölbaum wird durch Veredelung (vgl. Röm 11,17ff: → Einpfropfen) aus
dem Oleaster (Olea europaea oleaster) gewonnen.
Das Verfahren war bereits den Phöniziern bekannt, und in Palästina gab
es vor der israel. Eroberung schon
Olivenpflanzungen (5Mo 6,11). Das Holz ist dunkles, hartes Kernholz und
für Schnitz- und Tischlerarbeiten sehr gesucht.
Das »Ölbaumholz« von 1Kön 6,23.31.33 stammt jedoch nicht vom Ölbaum,
sondern wahrscheinlich von der
Ölweide (Eleagnus angustifolia; hebr. es schämän, wörtl. »Öl-Baum«),
einem immergrünen Strauch mit schmalen,
auf beiden Seiten silbrig schimmernden Blättern. Zweige und Früchte sind
ölhaltig.
Der Strauch wird auch in Neh 8,15 (LÜ: Balsam[zweige]) und Jes 41,19
(LÜ: Kiefer) erwähnt.
II) Den größten Wert hat der Ölbaum durch das Olivenöl (Ri 9,9), das man
aus dem Fruchtfleisch gewinnt.
Die Oliven werden gepflückt, mit einem leichten Stock abgeschlagen oder
auch abgeschüttelt (5Mo 24,20; Jes 17,6; 24,13).
Die besten Früchte werden ausgesucht, in einer Kelter zertreten (Mi
6,15) oder in einem steinernen Mörser oder einer
Ölmühle zerquetscht und in einen Korb geschüttet. Das dann
heraustropfende Öl, frei von jeder Beimischung,
ist das »allerreinste, gestoßene Öl« (2Mo 27,20; 3Mo 24,2). Dann wird
der Korbinhalt in der Ölpresse unter einem
mit Steinen beschwerten Balken weiter ausgepresst und ergibt die zweite
Qualität, das »gestoßene Öl«
(2Mo 29,40; 4Mo 28,5; 1Kön 5,25). Dem Öl für den täglichen Gebrauch
fügte man auch Teile des Fruchtfleisches
und der Kerne hinzu. Das Öl wurde in Tongefäßen aufbewahrt (1Kön 17,12;
2Kön 4,2; vgl. 1Chr 27,28; 2Kön 20,13).
Oliven und Olivenöl gehören im Mittelmeergebiet zu den wichtigsten
Nahrungsmitteln
(4Mo 18,12; Neh 13,5; Spr 21,17.20; Hes 16,13; 2Chr 11,11). Die Früchte
werden frisch mit Salz gegessen;
man legt sie in Salzlake bzw. die vollreifen Früchte in Öl ein, früher
hat man sie auch getrocknet.
Das Brot wird in Olivenöl getaucht, das vielfach die Butter ersetzt und
auch zum Backen verwendet wird (1Kön 17,12f; → Kuchen).
Das Öl fand weiter in der Körperpflege (→ Salbe), Medizin (→ Arzt) und
als Brennstoff Verwendung (→ Lampe).
Es war ein wichtiger Handelsartikel (Jes 57,9; Hes 27,17; Esr 3,7).
III) Im Zushg. mit dem Gottesdienst wird Öl als Brennstoff des →
Leuchters der Stiftshütte (2Mo 27,20),
als Bestandteil des täglichen Speisopfers (2Mo 29,40) und zur
Erzväterzeit als Trankopfer (1Mo 28,18; 35,14) genannt.
Weiter diente es zur Salbung der Hohenpriester und Könige (2Mo 29,7;
1Sam 10,1; → Salbe;
→ Gesalbter) und wurde so zum Bild des Heiligen → Geistes (vgl. Sach 4;
2Kor 1,21f; 1Joh 2,27).
IV) Der Ölbaum ist Symbol für die Gottesfürchtigen (Ps 52,10) und das
Volk Israel (Jer 11,16)
und wird von Paulus in Röm 11,17–24 als Gleichnis für die bleibende
Erwählung Israels genannt,
die durch das Hinzukommen der Nichtjuden zu Christus nicht infrage
steht. Israel bleibt der von jeher tief verwurzelte Ölbaum,
von dessen Wurzeln die Heidenchristen mitgetragen und mitgenährt werden.
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Jg. 1965, verh., drei Kinder, ist seit 1995 Lehrer an der
Bibelschule Brake, seit 2004 Dozent an der STH Basel und seit
2005 Vorsitzender des Bibelbundes; Autor zahlreicher Bücher
1 Krankheit in der Bibel1
In der Bibel geht es nicht nur um den Himmel und das Leben nach dem
irdischen Tod. Zahlreiche Angaben beziehen sich auf die Freuden und
Sorgen des irdischen Lebens. Ein gewichtiger Bestandteil dieses
Lebens ist die Gesundheit. Da sich Gott nicht nur für die Seele,
sondern für den ganzen Menschen interessiert, verwundert es nicht,
dass sich zahlreiche Bibelstellen mit der Gesundheit und Krankheit
des Menschen beschäftigen.
Manchmal finden sich in der Bibel Sammelbegriffe wie Krankheit,
Seuche, Plage, Gebrechen (5Mo 28,58-61; Mt 4,23f; Mk 5,29). Dann
wiederum finden sich recht spezifische Beschreibungen einzelner
Krankheiten, die durchaus auf dem Niveau der damaligen Zeit
rangieren. Als Ausfluss wird
ein schleimiger eitriger Eiterfluss aus der Harnröhre bezeichnet
(3Mo 15,1-15), bei dem es sich möglicherweise um eine
Harnröhrenentzündung (Urethritis) oder eine Gonorrhö
(Geschlechtserkrankung) handelte. Neben zahlreichen Personen, die
unter Aussatz litten, finden sich insbesondere in 3Mo 13
detaillierte Beschreibungen der Krankheitssymptome und dem Umgang
mit Erkrankten. Verdacht auf Aussatz besteht bei Schwellungen,
Ausschlag oder hellen Flecken auf der Haut. Haare werden weiß,
gelegentlich wächst wildes Fleisch, das auch wieder verschwinden
kann, am ganzen Körper verbreitet sich ein weißer oder rötlichweißer
Ausschlag, „wie Schnee“.
Bei vermutetem Aussatz musste
der Betroffene sieben bis vierzehn Tage unter Quarantäne gestellt
und beobachtet werden. Bestätigten sich die Befürchtungen, galt der
Kranke als kultisch unrein. Er musste normalerweise abgesondert von
der übrigen Bevölkerung leben und durfte weder den Tempel noch die
Synagoge besuchen. Heilungen, beispielsweise durch einen
übernatürlichen Eingriff Gottes (4Mo 12,13; 2Kön 5,14; Mt 8,3;
10,8), wurden von einem Priester bestätigt, woraufhin der Betroffene
auch offiziell wieder als gesund galt (3Mo 13,13). Vom
Krankheitsbild her lässt sich der biblische Aussatz sowohl mit Lepra
als auch mit der Schuppenflechte (Psoriasis vulgaris)
identifizieren.
Die Auszehrung führt
zur Abmagerung und zu einem allgemeinen Kräfteverfall (3Mo 26,16;
5Mo 28,22; Jes 10,16). Wahrscheinlich bezeichnen wir diese Krankheit
heute als Tuberkulose (Schwindsucht).
In gewisser Weise erinnert die Besessenheit an
verschiedene psychische Erkrankungen. Im Neuen Testament wird sie
allerdings eindeutig auf übernatürlichen, dämonischen Einfluss
zurückgeführt (Mt 8,28ff.; 9,32f.; 12,22ff.). Durch Stöße oder
Schläge hervorgerufene Schwellungen und Prellungen werden in der
Bibel häufig als Beulen bezeichnet (l Mo 2,23; 2Mo 21,25). Blindheit wurde
den biblischen Berichten entsprechend entweder vererbt (Joh 9,1),
mit zunehmendem Alter erworben (1Mo 27,1; 1Sam 4,15; 1Kön 14,4) oder
durch Gewalt bewusst hervorgerufen (Ri 16,21; l Sam 11,2; 2Kön
25,7), wie z.B. bei Kriegsgefangenen.
Unter Blutfluss verstand
man sowohl die monatlichen Menstruation (3Mo 15,19) und die
Blutungen nach der Entbindung (3Mo 12,7) als auch außergewöhnliche,
langandauernde Blutungen der Frauen (3Mo 15,25; Mk 5,25f). Während
dieser Zeit galten die Betroffenen als kultisch unrein und wurden
weitgehend von öffentlichen und religiösen Anlässen ausgeschlossen.
Auch Brandwunden werden
in der Bibel beschrieben (3Mo 13, 24-28). Im Zusammenhang mit schwer
ausheilenden, infizierten Wunden wird häufig von Eiter gesprochen
(Ps 38,6; Spr 12,4; 14,30). Unter dem Oberbegriff „Fehler“ fasst die
Bibel zahlreiche Missbildungen zusammen,
die den betroffenen Priester vom Opfern disqualifiziert (3Mo
21,17-23). Als Fehler galten Blindheit, Missbildungen an Augen,
Gesicht oder Gliedern, schlecht verheilte Brüche, Zwergwuchs,
Hauterkrankungen, Lahmheit oder Sterilität (5Mo 23,2).
Fieber taucht
in der Bibel nicht nur als Begleitumstand anderer Erkrankungen,
sondern auch als selbstständige Krankheitsbezeichnung auf (3Mo
26,16; 5Mo 28,22; Joh 4,52). Auf mögliche Spezifizierungen verweist
Lukas, der von einem „hohen Fieber“ (Lk 4,38f.) und wiederkehrenden
Fieberschüben (Apg 28,8) berichtet. Flechten auf der Haut von
Menschen und Tieren werden in der Bibel beschrieben (3Mo 21,20;
22,22).
Auch verschiedenartige Geschwüre scheinen
zu biblischen Zeiten weit verbreitet gewesen zu sein. Mit „bösen
Blattern“ werden Beulen bezeichnet, die zu Geschwüren aufbrechen
(2Mo 9,9ff.; 5Mo 28,27). An anderen Stellen wird von „bösen
Geschwüren“ am ganzen Körper berichtet (Hiob 2,7), die eher an Lepra im
heutigen Sinne erinnern. Die bei Hiskia geschilderten Symptome (2Kön
20,7; Jes 38,21) lassen eher auf Furunkel (oder Abszess) schließen.
Im neutestamentlichen Griechisch bezeichnet das Wort eine eitrige
Geschwulst (Lk 16,20f.; Offb 16,2.11). Als Grind wird ein krustiger
oder borkiger Ausschlag an
Kopf und Bart bezeichnet (3Mo 13,6-8.30-37; 5Mo 28,27).
Herzerkrankungen umfassen
in der Bibel sowohl psychische Leiden (1Kön 8,3 8ff.;
Ps 51,11-12.19) wie auch Herzinfarkte (1Sam 25,37f.). Überhaupt
finden sich in der Bibel immer wieder Hinweise auf psychosomatische
Erkrankungen. Nervliche Anspannung und
Überlastung kann zu körperlichen Erkrankungen führen (Dan 8,27). Bei
biblischer Kahlheit geht
es weniger um kosmetische als um medizinische Aspekte. Gelegentlich
tritt sie zusammen mit Aussatz und anderen Hauterkrankungen auf (3Mo
13,40-43; Jes 3,17).
Knochenbrüche werden
in der Bibel im Zusammenhang mit Unfällen (1Sam 4,18), Hinrichtungen
(Joh 19,31) oder kriegerischen Auseinandersetzungen erwähnt.
Schlecht verheilte Brüche disqualifizierten vom Priesterdienst im
Tempel (3Mo 21,19). Bei der alttestamentlichen Krätze (3Mo
21,20; 5Mo 28,27) handelt es sich vermutlich um eine stark juckende
Hautkrankheit, die durch Milben hervorgerufen wird. Auch Krebs scheint
in der Bibel erwähnt zu werden. In 2Tim 2,17 wird die Gangrän (Brand)
beschrieben. Abgestorbene Gewebeteile werden durch Fäulniserreger
zersetzt. Häufig beginnt sie an den Finger- oder Zehenspitzen und
ist auch durch die Amputation der betroffenen Gliedmassen nicht
sicher zu heilen, da sie am Stumpf erneut auftreten kann.
Lahme sind durch Krankheit, Unfall (2Sam 4,4) oder Verstümmelung (Mt
18,8) beim Gehen behindert oder unsicher (Hebr 12,13) und oft auf
fremde Hilfe angewiesen (Hiob 29,15). Einige Menschen scheinen auch
von Geburt an lahm gewesen zu sein (Apg 3,2; 14,8). Die
beschriebenen Lähmungen können
auf geschädigtes Nervengewebe, aber auch auf Gelenkrheuma
zurückgeführt werden. Paulus rät Timotheus, zur Behandlung seiner
nicht näher beschriebenen Magenerkrankung regelmäßig Wein zu trinken
(1Tim 5,23).
Die Symptome des Mondsüchtigen erinnern
an Epilepsie (Mt 17,15; Mk 9,18), werden aber im Zusammenhang mit
dämonischer Besessenheit erwähnt. Möglicherweise beobachteten die
Menschen einen Zusammenfall von Krankheitsausbruch bzw. -verlauf und
Mondzyklus. Die Pest wird
als verheerende Seuche geschildert, die zumeist als Strafe und
Gericht Gottes auftritt (3Mo 26,25; 5Mo 28,21; 2Sam 24,13), oft im
Zusammenhang mit Hunger und Krieg. Der Vater des Publius auf Malta
litt wahrscheinlich an einer Amöbenruhr, die auch zu einem von
Fieber begleiteten Leberabszess führen kann. Bei der
„Eingeweidekrankheit“ König Jorams (2Chr 21,15.18f) könnte es sich
ebenfalls um eine Ruhr gehandelt
haben, die einen schmerzhaften Darmvorfall nach sich zog.
Sammelbezeichnung für alle Arten äußerer Verletzungen war der
Begriff „Schaden“ (2Mo 21,22f; 3Mo 24,20; Dan 6,24). Der durch
ungehinderte Sonneneinstrahlung auf den unbedeckten Kopf ausgelöste Sonnenstich wird
in Ps 121,6 erwähnt. Durch Schläge mit Ruten, Stöcken oder Geißeln
werden Striemen und Wunden hervorgerufen
(Jes 1,6; Apg 16,33). Stummheit wird
im Neuen Testament auf Taubheit (Mk
7,32-37) oder auf dämonischen Einfluss zurückgeführt (Mt 9,32f.;
15,30f; Mk 9,17.25; Lk 11,14). Schwerhörigkeit und Taubheit sind
angeboren oder treten infolge von Ohrenentzündungen und Alter auf
(Mt 11,5; Lk 7,22).
Verrückte (Wahnsinnige)
fallen vor allem durch ihr sonderbares Benehmen auf (2Kön 9,20).
David simuliert Wahnsinn, indem er tobt, mit dem Körper wild gegen
ein Tor stößt und Speichel in seinen Bart laufen lässt (l Sam
21,14ff.; Ps 34,1). Nebukadnezar verhält sich im Wahn wie ein Tier
(Dan 4). Andere Wahnsinnige fallen mit ihren Waffen unberechenbar
über ihre Mitmenschen her (Spr 26,18). Einige in der Bibel
beschriebene Personen leiden unter „verdorrten Gliedmaßen“. Mit
dieser Diagnose wird die vorübergehende Lähmung der Hand Jerobeams
(1Kön 13,4-6) ebenso beschrieben wie die epilepsieähnliche
Erstarrung des Körpers (Mk 9,18) oder eine lang andauernde Lähmung,
die mit allmählichem Muskelschwund einhergeht (Sach 11,17; Mt
12,10). Die Verkrümmung des ganzen Menschen wird in der Bibel als
Krankheit (Lk 13,11) oder als Folge des Alterungsprozesses
beschrieben (Pred 12,3). Als Krüppel werden Menschen bezeichnet, die
von Geburt an oder infolge von Krankheit und Unfall ihre Glieder
nicht mehr normal gebrauchen können (Mt 15,30f; 18,8; Mk 9,43; Lk
14,13.21).
Im Zusammenhang mit Erkrankungen von Herz, Leber oder Lunge können
sich wässrige Flüssigkeiten im Gewebe (Ödem)
oder in der Bauchhöhle ansammeln. Dieses Krankheitsbild wird in der
Bibel „Wassersucht“ genannt (2Chr 16,12; Lk 14,2).
Die Bibel beschränkt sich nicht nur auf die Beschreibung der
Krankheit
Wunden können dem eigentlichen Sinn nach entweder blutige Verletzungen (2Mo
21,25; 2Kön 9,15; Jes 53,5) oder seelische Schädigungen (Ps 38,6;
Jes 1,6; Jer 15,18; 30,12) bezeichnen. Auf eine nicht näher
bestimmbare Wurmerkrankung deutet
der Hinweis, dass Herodes bei lebendigem Leib von Würmern zerfressen
wurde (Apg 12,23). Die – gemessen an ihrer Zeit – umfassende
Auseinandersetzung der Bibel mit körperlichen und seelischen
Krankheiten beschränkt sich nicht nur auf ihre bloße Beschreibung,
sondern versucht sie in ihr ganzheitliches Weltbild zu integrieren.
2 Wertung der Medizin
Der Einsatz von Medikamenten und anderen
medizinischen Therapien wird in der Bibel zumeist positiv gewertet.2 Kritische
Kommentare zur ärztlichen Hilfe finden sich immer dann, wenn Gott
einen Menschen durch Krankheit zur Umkehr rufen will, der
Betreffende aber statt auf Gott zu hören lieber Ärzte konsultiert.
Ärzte und Medizin werden
in der Bibel immer wieder in neutralem oder positivem Zusammenhang
genannt. So finden sich Hinweise auf ägyptische (1Mo 50,2) und
römisch-griechische Medizin (Mk 5,26; Lk 8,43). In Israel wurden
Heilkundige für ihre Arbeit bezahlt (2Mo 21,19). Außer Ärzten werden
auch die medizinischen
Berufe der Hebamme (1Mo 35,17; 38,28; 2Mo
1,19) und des Salbenbereiters (1Mo 50,2; 2Chr 16,14; Offb 3,18)
erwähnt. Lukas, der Begleiter des Paulus, war vermutlich Arzt (Kol
4,14). Sogar Gott (2Mo 15,26) und Jesus Christus (Mt 9,12)
identifizieren sich mit der Funktion des Mediziners und bezeichnen
sich selber als Inbegriff des Arztes: „Ich bin der Herr, dein Arzt.“
(2Mo 15,26).
Die Medizin an sich wird in der Bibel nie kritisiert, nur die
falschen Hoffnungen auf sie
Eigentlich wird die Medizin an sich nie kritisiert, nur der falsche
Umgang mit ihr, bzw. die falschen Hoffnungen, die in sie gesetzt
werden, wenn Menschen von Ärzten erwarten, was nur Gott ihnen geben
kann. Ahasja, der sich in seiner Krankheit an ein heidnisches Orakel
statt an Gott wendet (2Kön l ,6) und Asa, der alle ihm zugänglichen
Ärzte konsultiert, statt Heilung und Vergebung bei Gott zu suchen
(2Chr 16,12), finden schließlich keine Hilfe und sterben. Hiob
erkennt den geistlichen Hintergrund seiner Leiden und bezeichnet
seine Freunde vor diesem Hintergrund als „unnütze Ärzte“ (Hiob
13,4). Israel, das aufgrund seiner gottlosen Lebensweise leidet,
kann durch menschliche Medizin allein nicht geheilt werden (Jes 3,7;
Jer 8,22). In Diskussionen mit den Einwohnern von Nazareth erinnert
Jesus an ein Sprichwort, nach dem sich der Arzt zum Nachweis seiner
Fähigkeit zuerst selber heilen soll (Lk 4,23).
Obwohl die Bibel nicht in erster Linie medizinische Bildung
vermitteln will, werden auch positiv Beispiele
damaliger Therapien genannt. Wunden wurden
ausgedrückt, gereinigt und verbunden (Jes 1,6; 30,26). Erwähnt wird
auch das Desinfizieren (mit
Wein) und Verschließen (mit Öl) offener Wunden durch den
barmherzigen Samariter (Lk 10,34). Andere Erkrankungen (z.B. der
Haut) wurden mit Salben und
Balsam behandelt (Jer 8,22; 46,11). Besonders genannt wird
Augensalbe (Offb 3,18). Knochenbrüche werden verbunden und geschient
(Hes 30,21). Angesprochene pflanzliche
Heilmittel sind Feigen bei Geschwüren (Jes
38,21) und die Früchte der Mandaragora (Liebesäpfel), die gegen
Unfruchtbarkeit helfen sollten (1Mo 30,14). In anderen Fällen wurden
aus Blättern erstellte Arzneimittel verabreicht (Hes 47,12). Mit
Myrre vermischter Wein diente der Schmerzbekämpfung (Mk
15,23).
Paulus rät Timotheus zur Behandlung seiner nicht näher beschriebenen
Magenerkrankung regelmäßig Wein zu trinken (1Tim 5,23). Bei
psychischen Krankheiten versprach man sich von der Musik heilende
Wirkung (1Sam 16,16). Auch der freundliche Zuspruch kann in solchen
Fällen weiterhelfen (Spr 16,24). Gewalttätige Geisteskranke und
Besessene wurden gebunden, um sie daran zu hindern, sich und anderen
Menschen Schaden zuzufügen (Dan 4,12. 20; Mk 5,3f; Lk 8,29). Auch
wenn diese in der Bibel genannten medizinischen Informationen heute
nicht unmittelbar angewandt werden können, lässt ihre Erwähnung
Rückschlüsse auf den geistlich korrekten Umgang des Christen mit der
Medizin der Gegenwart zu.
Demnach ist für den Gläubigen die Nutzung der Medizin seiner Zeit
erlaubt, möglicherweise sogar empfehlenswert, sofern diese nicht in
direkter Konkurrenz zu Gott steht oder Krankheiten beheben will, die
auf individuelle Sünde des Menschen oder Erziehungsmaßnahmen Gottes
(Hebr 12,5ff.) zurückzuführen ist.
3 Krankheitsursachen
Alles spricht dafür, dass es in der ursprünglich von Gott
konzipierten Welt keine Krankheit gegeben hat. Die meisten
Krankheiten beruhen auf Mängelfunktionen des Körpers, doch war der
ursprüngliche Mensch perfekt, ohne jeden Fehler (1Mo 1,31). Viele
Krankheiten führen unbehandelt zum Tod, in der ursprünglichen
Schöpfung aber gab es keinen Tod (1Mo 2,17; 3,14ff.; Rom 5,12ff.).
Auch in dem von der Bibel angekündigten und von Christen erwarteten
Reich Gottes kommen Krankheit, Leiden und Tod zu ihrem Ende (Offb
21,4). Hier wird wieder ein Zustand erreicht, wie er ursprünglich
von Gott gedacht und geschaffen worden war.
Für Christen besteht die entscheidende Beziehung des Lebens im
Verhältnis zu Gott. Gesund ist der Mensch letztlich nur, wenn die
Beziehung zu Gott heil ist (Lk 17,11ff.). Gesundheit ist – wie das
Leben überhaupt – Gabe Gottes. Krankheit ist Ausdruck davon, dass
das Verhältnis zwischen Schöpfer und Geschöpf gestört ist (1Mo
3,1ff.). Der Gläubige erlebt Krankheit deshalb nicht nur als Schmerz
und Bedrohung des Lebens, sondern auch als Infragestellung des
Gottesverhältnisses (Ps 22; 42; 77; 88; Jes 38,1). In Gebeten
sprechen die Kranken nicht nur über ihre körperlichen Qualen und
Leiden, sondern ebenso über ihre Gottverlassenheit. Auch körperliche
Störungen haben ihre Wurzel im gestörten Gottesverhältnis.
In der gegenwärtigen Welt kann Krankheit sowohl von Gott als auch
vom Teufel verursacht werden
In der gegenwärtigen, sich gottlos gebenden Welt, kann Krankheit
sowohl von Gott (5Mo 28,59ff; 32,39; 2Sam 12,15; Apg 12,23; 2Kor
12,7) als auch vom Teufel (Hiob 2,6f; Lk 9,39; 13,16) verursacht
werden.
3.1 Universale Sünde
Irgendwann werden alle Menschen sterben und das zumeist an
Erkrankungen des Herz- Kreislaufsystems, Krebs oder Infektionen. Der
irdische Tod aber auch die Begrenzung des menschlichen Lebens auf 70
bis 80 Jahre, sind Folgen der Sünde (Ps 90,10). Zwar stehen dahinter
nicht unbedingt die individuellen Sünden des heute von Krankheit und
Tod betroffenen Menschen, wohl aber die Sünde Adams und die Sünden
der Zeitgenossen Noahs. Deren Fehlverhalten ist nach biblischer
Information der Ausgangspunkt des gegenwärtigen, unvollkommenen
Zustands der Schöpfung (1Mo 2,17; Röm 5,12ff.).
Infolge der paradiesischen Sünde wurden die Umweltbedingungen, die
Lebenslänge und die genetische Ausstattung des Menschen verändert
(z. B. 1Mo 3,14-24). Lebte der Mensch ursprünglich mit Tieren und
Pflanzen in vollkommener Harmonie, sind sie seit dem Sündenfall
seine Konkurrenten um die für das Überleben notwendigen Ressourcen
der Natur. Dabei schädigen Raubtiere und Bakterien, Schimmelpilze
und Bandwürmer das Leben des Menschen, sodass dieser von Krankheiten
und körperlichen Verletzungen betroffen wird.
Die genetisch bedingte Lebensverkürzung ist die Ursache für die mit
zunehmendem Alter verlangsamte Regeneration des eigenen Körpers. Das
wiederum führt zu einer schleichenden Alterung, die uns in Form von
Krankheiten begegnet (Haarausfall, Arteriosklerose, zurückgehendes
Muskelgewebe usw.). Darüber hinaus wurde das ehemals perfekte Erbgut
des Menschen dem freien Spiel der Naturkräfte überlassen. Durch
Strahlung, mechanische und chemische Einflüsse entstanden und
entstehen zahlreiche Mutationen, die zumeist Krankheiten
hervorrufen, von denen Menschen bis heute betroffen sind (Sehfehler,
Missbildungen an inneren Organen, Bluterkrankheit usw.).
Diese Krankheiten haben zwar auch ihren Ursprung in der Sünde, nicht
aber unbedingt in der des heute von ihr betroffenen Menschen
Diese Krankheiten haben zwar auch ihren Ursprung in der Sünde, nicht
aber unbedingt in der des heute von ihr betroffenen Menschen.
Vielmehr sind sie notwendige Begleiterscheinungen der von Gott
getrennt existierenden Schöpfung.
3.2 Individuelle Sünde
Gott straft einzelne Menschen für ihre Überschreitung seiner
Ordnungen (3Mo 26,14ff.; 2Chr 21,12ff.; 1Kor 11,30; 1Petr 3,10).
Ungehorsam des Menschen Gott gegenüber kann Krankheit nach sich
ziehen (5Mo 28,21ff.35.58-61). Eigene Ausschweifungen und
Jugendsünden können eine Ursache für Krankheit darstellen (Hiob
20,11; Hos 7,5). Beispiele dafür lassen sich zahlreich im Alten und
Neuen Testament finden. Mijram bekommt Aussatz, weil sie
ungerechtfertigt gegen ihren Bruder Mose revoltiert (4Mo 12,10).
Saul fällt in zeitweilige Depression und gewalttätigen Wahnsinn
(1Sam 16,14ff.), weil er gegen den direkten Befehl Gottes handelt
und an der Stelle eines Priesters opfert (1Sam 13,9ff.) und aus
Gewinnsucht den Besitz der Feinde an sich nahm (1Sam 15,9ff.).
Gehasi, der Mitarbeiter Elisas, erkrankt, weil er Naeman, den
Patienten seines Lehrers belügt und ungerechtfertigt dessen Geld an
sich nimmt (2Kön 5,1-27). Hananias und Saphira sterben an einem
Hirnschlag oder Herzinfarkt weil sie die Gemeindeleitung von
Jerusalem wissentlich belügen (Apg 5,1-11). Christen aus Korinth
sind erkrankt, weil sie nicht zwischen dem Abendmahl und ihren
normalen Mahlzeiten unterschieden haben (1Kor 11,27-34). Da
Krankheit auf individuelle Sünde zurückgehen kann, ermahnt Jakobus
die Christen zuerst die Sünden zu bekennen und dann andere Wege der
Heilung zu suchen (Jak 5,16). In der Bibel finden sich allerdings
nicht nur Beispiele von Menschen die aufgrund eigener Schuld von
Krankheit betroffen sind, sondern auch Fromme, die schuldlos leiden
(Hiob; Lk 13,2ff.; Joh 9,2ff.; 11,4).
3.3 Fremde Sünde
Immer wieder werden, insbesondere im Alten Testament, Beispiele
dafür genannt, wie Menschen wegen der Sünde ihrer Volks- oder
Familienangehörigen mitleiden (2Mo 20,5; 2Kön 5,27). Manchmal, wie
im Fall Achans, der illegal Beutestücke für sich behält (Jos 7;
22,20) oder der Hartherzigkeit des Pharaos, der trotz mehrfacher
Aufforderung Israel nicht aus der Sklaverei entlässt (2Mo
9,1ff.8ff.), leidet sogar das ganze Volk aufgrund der Sünde eines
Einzelnen (vgl. Jes l, l ff). Auch im Neuen Testament finden sich
Beispiele für die negativen Auswirkungen von Sünde im direkten
Lebensumfeld des Schuldigen (Mt 11,21ff.; Lk 19,41-44). Sicher
empfinden manche das als ungerecht, doch machen die negativen Folgen
der Sünde auch losgelöst von Gott kaum einen Unterschied zwischen
schuldig und unschuldig. So mussten unter den Folgen des Zweiten
Weltkrieges sowohl Nazis wie auch deutsche Widerständler leiden. Die
atomaren Strahlen von Tschernobyl kennen ebenfalls keinen
Unterschied zwischen schuldigen Angestellten des Kernkraftwerkes und
unschuldigen Anwohnern. Im Alten Testament finden sich aber auch
Beispiele dafür, dass ganze Völker mit Leid und Krankheit von Gott
gestraft werden, weil der überwiegende Teil ihrer Bevölkerung sich
gegen Gott gestellt hat (Hes 14,19ff.; Jer 21,6). Außerdem erwähnt
die Bibel negative Folgen sündigen Verhaltens bei Kindern und
Enkeln, in Folge eines direkten strafenden Eingriffs Gottes oder
einer belastenden Ausgangsposition durch Verschwendungssucht oder
Alkoholismus ihrer Eltern (1Kön 11,11; 1Sam 15,26; Jer 29,32; 36,31;
Am 7,17).
Manchmal straft Gott nicht nur aufgrund persönlicher Sünde mit
Krankheit oder Tod, sondern statuiert ein abschreckendes Exempel, um
die anwesenden Beobachter rechtzeitig davor zu warnen, seine
Ordnungen zu überschreiten. Die oft als unverhältnismäßig streng
empfundene Strafe richtet sich also nicht nur gegen die eigene
Sünde, sondern auch gegen die potentiell zu erwartende Sünden im
Umfeld des Betreffenden. Diese Interpretation liegt überall da nahe,
wo die Krankheit in besonderer Weise pädagogisch hervorgehoben und
wo die Strafe von Gott öffentlich, vor Publikum ausgesprochen und
vollzogen wird. Als typisches Beispiel kann sicher die Bestrafung
von Hananias und Saphira angesehen werden (Apg 5,1ff.); ebenso auch
Gottes Urteil über Achan (Jos 7,25).
Häufig leiden Menschen unter dem bewusst sündigen Handeln ihrer
Zeitgenossen. Weintrinker erkranken, weil der Händler seinem
Erzeugnis billigen Methanolalkohol beigemischt hat. Eine Frau
stirbt, weil ihr HIV-positiver Freund seine Erkrankung bewusst
verschwiegen hat. Ein Autofahrer liegt wochenlang wegen eines
Beckenbruchs im Krankenhaus, weil ein Betrunkener mit dessen
Fahrzeug kollidiert ist. In all den genannten Beispielen haben
Menschen die ihnen von Gott gegebene Freiheit benutzt, um anderen zu
schaden.
Wieder könnte man fragen, warum Gott nicht verhindert, dass Menschen
unter dem falschen Verhalten eines anderen leiden müssen. Das hängt
damit zusammen, dass Gott keinen Menschen zwingen will, mit ihm und
nach seinen Ordnungen zu leben. Gott will eine freiwillige
Liebesbeziehung zu jedem Menschen. Nur die Möglichkeit, diese
Menschen haben die ihnen von Gott gegebene Freiheit benutzt, um
anderen zu schaden
Freiheit auch wirklich zu missbrauchen, eröffnet auf der anderen
Seite die Chance einer echten, ungezwungenen Gottesbeziehung.
Natürlich könnte Gott den Menschen falsche Entscheidungen treffen
lassen, deren Ausführung aber verhindern, sofern sie anderen Schaden
zufügen. Dann allerdings wäre jede echte Entscheidungsmöglichkeit
hinfällig, denn wer wollte noch einen Kollegen belügen, wenn die
Falschaussage im Hals stecken bleibt oder wer würde sich
entscheiden, seinen ungeliebten Nachbarn zu verprügeln, wenn die
erhobene Hand wie gelähmt in der Luft erstarren würde. Da Gott es
mit der Freiwilligkeit ernst meint, nimmt er in Kauf, dass manchmal
auch „Unschuldige“ unter sündigen Entscheidungen ihrer Mitmenschen
zu leiden haben, bis hin zu Verletzungen, Krankheit und Tod. Als
biblische Beispiele können die vergewaltigte Frau des Leviten (Ri
19) oder der verwundete Mann herangezogen werden, der vom
barmherzigen Samariter medizinisch versorgt wird (Lk 10,25ff.).
3.4 Teuflische Absichten
Satan benutzt Krankheiten, um Menschen von Gott wegzuziehen
Der Satan benutzt biblischem Zeugnis entsprechend Krankheit, um
Menschen von Gott wegzuziehen, sie verbittert und missgünstig Gott
gegenüber zu machen (Hiob 2,7; Lk 13,16; Hebr 2,14). Diese Aktivität
des Teufels ist unabhängig vom sündigen oder nichtsündigen Handeln
des betroffenen Menschen. Zuweilen entsteht sogar der Eindruck, als
konzentriere sich der Gegenspieler Gottes insbesondere auf
vorbildliche Gläubige, um sie zu Fall zu bringen (Hiob 1,1.8ff.;
2,3; Lk 22,31; 1Petr 5,8). Allerdings scheinen durch den Teufel
verursachte Krankheiten unter göttlicher Genehmigungspflicht zu
stehen und deshalb zeitlich eng beschränkt zu sein (Hiob 1,1.8.12;
2,6f; Mt 24,21f.). Manchmal taucht Krankheit in biblischer
Diagnostik auch als Nebeneffekt von dämonischer Besessenheit auf.
Besessene sind stumm (Mt 9,32; Mk 9,17), blind (Mt 12,22),
entwickeln eine krankhafte Aggressivität (Mk 5,1-20), schreien,
wälzen sich auf der Erde oder bekommen Schaum vor dem Mund (Mk
9,18f; Lk 9,37ff.). Die in der Bibel beschriebenen Beispiele zeigen
deutlich, dass alle Krankheitssymptome sofort verschwinden, wenn der
Dämon den Menschen verlassen und er sich Gott gegenüber geöffnet hat
(Lk 11,20ff.). Materialistisch-medizinische Therapien müssen bei
diesen Erkrankungen allerdings erfolglos bleiben. Scheinbar ist es
auch möglich, dass Krankheiten durch Zauberei und Magie
hervorgerufen werden können. Hier geht die Aktivität nicht direkt
vom Teufel aus, sondern von einem missgünstigen Zeitgenossen, der
seinem Mitmenschen Schaden zufügen will. Da er dazu selbst nur
bedingt in der Lage ist, macht er sich die Hilfe des Satans zunutze
(2Mo 7,22; 8,3; 4Mo 22,6; 5Mo 18,10; Mt 24,24; 2Thess 2,9).
3.5 Prüfung Gottes
Gelegentlich werden Leid und Krankheit in der Bibel auch als
göttliche Prüfung gedeutet (Hiob 32-37; Spr 3,1ff.; Hebr 12,5; Jak
1,2f.). In diesem Fall ist ihre Absicht nicht, den Menschen in
Verzweiflung zu stürzen oder von Gott weg zu bringen, sondern echtes
von falschem geistlichem Wachstum zu unterscheiden. Paulus und
Jakobus fordern den Christen sogar auf, sich über Anfechtungen und
Bedrängnis – zu denen auch Krankheit gehören kann – zu freuen, weil
sie Standhaftigkeit, Hoffnung und Echtheit fördern (Röm 5,3ff.;
Jak 1,2ff.). Petrus verweist auf die relative Kürze allen irdischen
Leides und ermutigt, Krankheit zu ertragen, wenn sie eine göttliche
Prüfung ist, weil das dadurch erprobte Vertrauen bei Gott mit „Lob,
Ehre und Herrlichkeit“ belohnt würde (1Petr 1,6ff.;4,19).
3.6 Verherrlichung Gottes
Dass für Gott nicht nur der einzelne Mensch mit seinem zeitlich
begrenzten Leiden im Mittelpunkt steht, zeigt sich unter anderem
daran, dass er die Krankheit mancher Menschen lediglich deshalb
zulässt, um sich zu verherrlichen. Im biblischen Kontext gibt es
wichtigere Ziele als die Abwesenheit von Krankheit und Leiden, so
beispielsweise Gerechtigkeit, Heiligkeit oder die Herrlichkeit
Gottes.
Als sie einem Mann begegnen, der von Geburt an blind war, beginnen
die Jünger über die möglichen Ursachen der Krankheit zu spekulieren.
Nachdem Jesus ihnen erklärt, dass dieser Blinde nur deshalb krank
ist, damit Gott jetzt an ihm seine Allmacht demonstrieren kann,
heilt er den Mann (Joh 9,1-7). Als Jesus einige Zeit darauf zum
sterbenskranken Lazarus gerufen wird antwortet er ganz ähnlich:
„Diese Krankheit ist nicht zum Tode, sondern um der Herrlichkeit
Gottes willen, damit der Sohn Gottes durch sie verherrlicht
werde.“ (Joh 11,4.40).
Scheinbar müssen Christen auch mit Krankheiten rechnen, die eine
Zeit lang ertragen werden sollen, damit Gott sich zu dem von ihm
anvisierten Zeitpunkt durch eine Heilung verherrlicht (vgl. 1Petr
4,11ff.).
3.7 Pädagogische Absicht
Gott zeigt Paulus, dass dieses Leiden ihn vor Überheblichkeit
bewahren soll
Wie der Schlag auf die Finger das Kleinkind davon abhalten soll,
sich am Elektroherd zu verbrennen, so scheint auch Gott gelegentlich
zu agieren, um Menschen vor eigenen Schwächen und Fehlern zu
schützen, um sie davon abzuhalten, falsche Entscheidungen zu treffen
oder um durch eine gewisse Portion Leid wertvolle Eigenschaften wie
Geduld, Vertrauen und Mitgefühl zu fördern, die ansonsten
vernachlässigt würden (2Kor 4,17; 1Petr 1,7; 5,10). Insbesondere
kann das Leiden helfen, sich stärker mit Jesus zu identifizieren und
die Sehnsucht nach seiner Wiederkunft zu erhöhen (Apg 5,41; Phil
3,10; Hebr 10,34; 1Petr 1,13). Dass Gott auch durch Leid und
Krankheit erzieht, wird in der Bibel immer wieder erwähnt. Obwohl
diese Erziehungsmaßnahmen wehtun können, wird der Glaubende
aufgefordert, sich über das Handeln Gottes zu freuen, beweist es ihm
doch, wie viel Gott an ihm liegt:
„Siehe, glücklich ist der Mensch, den Gott zurechtweist! So
verwirf denn nicht die Züchtigung des Allmächtigen!“ (Hiob 5,17;
vgl. 5Mo 8,5; Ps 94,12; Spr 3,11-12; Hebr 12,5f.11)
Im Neuen Testament finden sich einzelne Beispiele von Gottes
pädagogischem Handeln durch Krankheit. Das bekannteste von ihnen ist
wahrscheinlich Paulus, der Gott drei mal bittet, eine nicht näher
beschriebene Krankheit von ihm zu nehmen. Nachdem das nicht
geschieht, zeigt Gott Paulus, dass dieses Leiden ihn vor
Überheblichkeit bewahren soll (2Kor 12,7ff.). Jünger erkennen am
Beispiel eines Blinden, dass Krankheit nicht immer durch Sünde
verursacht ist (Joh 9,1-7). Menschen lernen vom Hauptmann von
Kapernaum, wie sich echtes Gottvertrauen angesichts aussichtsloser
Krankheit äußert:
„Ich sage euch, selbst nicht in Israel habe ich so großen
Glauben gefunden.“ (Lk 7,9).
Die pädagogische Absicht, die Gott mit Krankheit verfolgt, kann sich
also manchmal auf den Erkrankten selbst, manchmal aber auch auf die
ihn umgebenden Menschen beziehen. So können Christen, die in ihrer
Krankheit auf Gott vertrauen und sich von ihm gebrauchen lassen,
anderen Gesunden eine Ermutigung und Herausforderung sein.
3.8 Warnung vor Schaden
Eine besondere Form des erzieherischen Einsatzes von Krankheit ist
die Warnung vor größerem Schaden. In diesem Zusammenhang geht es
weniger um das Training positiver Eigenschaften, als vielmehr um die
Verhinderung zukünftiger Probleme.
In Gottes Augen ist die als schlimm empfundene Krankheit im
Vergleich zu dem erwarteten Schaden das geringere Übel
Der Mensch soll durch eine Krankheit gezwungen werden, nachzudenken
oder durch seine Schwächung außerstande sein, weitere falsche
Handlungen zu unternehmen. In Gottes Augen ist die als schlimm
empfundene Krankheit im Vergleich zu dem erwarteten Schaden das
geringere Übel. Gott wartet hier nicht erst, bis der Mensch einen
Fehler begangen hat, um ihn nachher zu bestrafen. Er versucht ihn
schon im Vorfeld seiner Tat davon abzuhalten – manchmal allerdings
auch erst, nachdem der Betreffende schon mit seinem negativen
Vorhaben begonnen hat.
Gott kann eine Grippe dazu benutzen, um dem umtriebigen Manager eine
Ruhepause zu verschaffen, ehe sein gestresstes Herz endgültig den
Dienst aufgibt oder ehe er seine Familie und Gemeinde
unwiederbringlich schädigt. Gott kann auch den Jugendlichen nach
durchzechter Nacht durch einen schweren Kater davor warnen, zu einem
gewohnheitsmäßigen Trinker zu werden.
Die Bibel erwähnt Jona, den Gott durch Todesangst und Seekrankheit
davor warnen will, sich weiterhin seinem Auftrag zu widersetzten
(Jona 1). Als König Asa von Juda immer mehr auf sein diplomatisches
Geschick als auf Gottes Führung zu vertrauen beginnt, warnt Gott ihn
erst durch den Propheten Hanani und dann durch eine Fußkrankheit.
Nachdem Asa weder auf die eine noch auf die andere Ermahnung hört,
sondern beide mit menschlichen Mitteln zu bewältigen versucht, lässt
Gott ihn sterben (2Chr 16,1-13). Möglicherweise ist auch die
Blindheit, die Paulus nach seiner Begegnung mit Jesus vor Damaskus
erleidet eine solche Warnung Gottes, die ihn hindern soll, noch mehr
Christen zu verfolgen und zu quälen (Apg 9,1-19; 22,1-13).
Gott kann auch durch die Krankheit eines anderen den Menschen
ansprechen, den er warnen will. Beispiele dafür sind der Pharao, der
durch die Krankheiten seiner Bevölkerung gewarnt wird (2Mo 9,8ff.;
12,29ff.), sich weiterhin gegen den Willen Gottes zu stellen, oder
der Tod des Hananias, der die Gläubigen Jerusalems warnen soll,
Frömmigkeit und Hingabe nicht nur zu heucheln (Apg 5,1-11).
3.9 Bedeutung und Grenzen verschiedener Kategorien von
Krankheitsursachen
Die genannten Kategorien geben natürlich nur exemplarisch Auskunft
über die wahren, biblischen Hintergründe von Leid und Krankheit. In
einem konkreten Fall mischen sich zumeist verschiedene
Krankheitsursachen und lassen sich nicht eindeutig voneinander
unterscheiden. So kann das Leiden aufgrund der Sünde anderer
Menschen gleichzeitig auf eigenes Versagen hinweisen oder bei seiner
Überwindung Gott verherrlichen oder im Ertragen desselben einem
pädagogischen Ziel dienen. Manchmal sind die hier unterschiedenen
Krankheitsursachen auch nur zwei Seiten einer Medaille. So
beschreibt dann die eine Zuordnung stärker den Anlass und eine
andere die Absicht, die mit der Krankheit verbunden ist.
Schlussendlich aber sind alle genannten Krankheitsursachen und
-zwecke definitiv zeitlich befristet. In der erneuerten Schöpfung,
dem zukünftigen Reich Gottes, haben Leid, Tod und Krankheit keinen
Platz mehr (Ps 103,3; Jes 33.24; 65,17ff.; Offb 21,1ff.). In der
verbleibenden Zwischenzeit dienen sie der Liebe Gottes, die den von
ihm entfernten Menschen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln in
die ganzheitliche Gemeinschaft mit seinem Schöpfer zurückführen
will.
Für den Kranken der gegenwärtigen, irdischen Welt ist es von
Bedeutung, den Hintergrund des eigenen Leidens zu erkennen. Nur dann
nämlich kann er richtig darauf reagieren und so der eigentlichen
Absicht Jahwes entsprechend zu einer vertieften Gottesbeziehung
kommen – ganz gleich, ob die Krankheit in diesem Prozess
verschwindet oder mit dem Beistand des himmlischen Vaters bewältigt
werden kann. Von einer garantierten Krankheitslosigkeit, wie sie
gelegentlich fälschlich in die Prophetie von Jes 53,4f.
hineingelesen wird, weiß die Bibel nichts. („Jedoch unsere Leiden –
er hat sie getragen, und unsere Schmerzen – er hat sie auf sich
geladen … Die Strafe lag auf ihm zu unserm Frieden, und durch seine
Striemen ist uns Heilung geworden.“) Natürlich heilt Gott im Alten
wie im Neuen Testament von Fall zu Fall. Insbesondere in den
Evangelien häufen sich diese übernatürlichen Heilungen an Glaubenden
und Nichtglaubenden (Frommen und Gleichgültigen), um die Gegenwart
Gottes in seinem Sohn Jesus Christus zu augenscheinlich zu machen
(Lk 7,20-23). Abgesehen davon wird den Christen im Neuen Testament
an keiner Stelle Krankheits- oder Leidenslosigkeit zugesagt. Im
Gegensatz dazu wird uns von dem relativ kurzen Leben der Apostel und
von den Krankheiten ihrer durchaus frommen Mitarbeiter berichtet (z.
B. 1Tim 5,23; 2Tim 4,20). Die in Jes 53,4f. angekündigte
Leidensfreiheit hingegen wird für die Zeit des Reiches Gottes
angekündigt (Offb 21,1-4).
4 Heil und Heilung
Krankheit und Tod stehen im Gegensatz zu
Gottes ursprünglicher Schöpfung (1Mo
1,31; 2,17; 3,14ff.; Röm 5,12ff.). Auch im zukünftigen Reich Gottes
wird es keine Krankheit und kein Leid mehr geben (Offb 21,4). Sie
haben ihren Ursprung in der Trennung des Menschen von Jahwe. Doch
auch in der gegenwärtigen, von Sünde gekennzeichneten Welt sind die
Menschen der Krankheit nicht pauschal ausgeliefert. Gott selbst
bezeichnet sich als Arzt, der von Krankheit heilt (1Mo 20,17; 2Mo
15,26; Hiob 5,18; PS 103,3); ihn sollen die Menschen um Heilung
bitten (2Kön 1,2ff.). Die Ernsthaftigkeit ihrer Hinwendung zu Gott
brachten die Menschen zum Ausdruck, indem sie gleichzeitig auf
Nahrung verzichteten (2Sam 12,16ff.) und sich bewusst von falschem
Verhalten distanzierten (4Mo 25). Prinzipiell will Gott den
Leidenden von seiner Krankheit befreien. Durch sein heilendes
Eingreifen will er den Menschen seine Gnade (Phil 2,27), seine Liebe
(Jes 38,17) und seine Macht (Lk 5,17) konkret vor Augen führen.
Auch im Neuen Testament wird Krankheit
als gottfeindliche Macht betrachtet (Lk
13,11.16). Jesus ist gekommen, um „die Werke des Teufels zu
zerstören“ (1Joh 3,8). Er heilt Kranke und eröffnet sündigen
Menschen einen Weg zur Vergebung ihrer Schuld. Seine Heilungen sind
dabei von keiner festen Zeremonie abhängig. Jesus heilt Menschen die
ihm unmittelbar gegenüberstehen (Mk 1,31; Mt 4,23), aber auch weit
entfernte Kranke (Mt 8,13). Manchmal legt der den Betroffenen seine
Hände auf (Mk 6,5; Lk 13,13), manchmal genügt die Berührung seiner
Kleider (Mt 14,35f; Mk 5,27-34) oder ein vollmächtiges Wort (Mt
8,8.13).
Im Handeln von Jesus verwirklicht sich die alttestamentliche
Ankündigung des Knechtes Gottes, durch dessen Leiden Krankheit und
Wunden der Menschen geheilt werden können (Jes 53,3-5.10; Mt 8,17).
Gleichzeitig werden die spektakulären Heilungen als Beleg der
göttlichen Vollmacht von Jesus verstanden (Mk 16,17.20; Joh 2,23;
20,30; Apg 2,19.22). In seinem Auftrag sind auch von Jesus Jünger in
der Lage Menschen von ihren Krankheiten zu heilen, böse Geister
auszutreiben und sogar Tote aufzuerwecken (Mt 10,1; Mk 6,13; Lk
9,1-10,9; Apg 3; 5,12.15f; 28,8f.). Ganz allgemein werden von Jesus
auch für die spätere Gemeinde Krankenheilungen vorhergesagt, an
denen Andersgläubige die Größe Gottes erkennen sollen (Mk 16,17-20).
Dem Eingreifen Gottes geht im Neuen Testament zumeist die vertrauensvolle
Bitte des Kranken um Heilung voraus. Dieser
wendet sich entweder direkt an Jesus oder im Gebet an Gott (Mt
8,10.13; 9,22; Mk 5,34; 10,52; Lk 18,42; Apg 14,9f.). Einzelne
Christen erhalten vom Heiligen Geist die Gabe
der Krankenheilung (1Kor 12,9), um damit Gott
zu verherrlichen und den Glaubensgeschwistern zu helfen. Jeder
kranke Christ wird aufgefordert alle noch nicht vergebenen Sünden
Gott zu bekennen, um jede individuelle Sünde als Krankheitsursache
auszuschalten. Dann soll er sich an die Ältesten seiner Gemeinde
wenden, die aufgefordert werden über dem Kranken zu beten und ihn
mit Öl zu salben (Jak 5,14). Dabei werden
weder ein spezieller Ritus noch eine bestimmte Ölmischung genannt;
sodass angenommen werden kann, dass nicht das Öl, sondern das totale
Vertrauen in Gottes Macht Voraussetzung der Heilung ist. Wie Naeman
sich einer medizinisch unsinnigen Waschung im Jordan unterzieht
(2Kön 5,1ff.), oder der Blinde sich von Jesus vertrauensvoll
Straßendreck auf die Augen schmieren lässt (Joh 9,6), so soll der
gläubige Christ seinen Kopf oder sein erkranktes Körperteil mit Öl
bestreichen lassen, um seinem Vertrauen in Gott Ausdruck zu
verleihen, der heilen kann wann und wie er will.
Personifiziert zuständig für das umfassende Heil des Menschen ist
Gott als sein „Heiland“ (1Chr 16,35; Ps 17,7; 51,16; 85,5; Jes 43,3;
1Tim 1,1; Tit1,3). Er allein kann sowohl alle Krankheiten heilen als
auch die eigentliche Ursache jeder Krankheit beseitigen, die nach
biblischer Diagnose vor allem im chronischen Konflikt des Menschen
mit Gott zu suchen ist. Im Neuen Testament wird Jesus Christus als
Heiland Israels (Lk 2,11; Apg 5,31), der Gemeinde (Eph 5,23), so wie
aller übrigen Menschen bezeichnet (Joh 4,42; 1Joh 4,14).
Neben der rein menschlich medizinischen Bekämpfung von Krankheit
(3Mo 13,37; Jos 5,8; 2Chr 21,18) wird in der Bibel die
Wiederherstellung der Lebensordnung Gottes als „Heilung“ bezeichnet.
Dieses Eingreifen Gottes kann auch körperliche Regeneration
umfassen. Gott befreit Abimelechs Frau von ihrer Unfruchtbarkeit
(1Mo 20,17) und Mirjam vom Aussatz (4Mo 12,13), auch alle übrigen
Erkrankungen werden von ihm geheilt (Ps 103,3). Jesus hilft Lahmen,
Blinden, Stummen, Krüppeln (Mt 14,14; 15,30) und Besessenen (Mt
12,22).
Wenn Gott einen Menschen krank werden lässt, um ihn zur Einsicht zu
bewegen, kann kein Arzt ihn wieder gesund machen Gott
erzieht sein Volk, indem er es straft und ihm vergibt (Gericht
und Gnade 5Mo 32,39; Hiob 5,18; Hos 6,1). Wenn Gott einen Menschen
krank werden lässt, um ihn zur Einsicht zu bewegen, kann kein Arzt
ihn wieder gesund machen (Jer 14,19; 15,18). Wenn ein Mensch aber
einsichtig ist, sein falsches Verhalten verändert und Gott um
Vergebung bittet (Jes 19,22; Jer 3,22), macht er ihn wieder gesund
und heilt die Wunden (Jer 30,17) und die zerbrochenen Herzen (Ps
147,3; Lk 4,18). Diese göttliche Heilung umfasst sowohl die
Sündenvergebung als auch ihre handfesten Folgen (2Chr 7,14; Ps 41,5;
103,3; 1Petr 2,24). Wer aber uneinsichtig ist und weiterhin ein
Leben im Gegensatz zu Gottes Ordnungen führt kann weder mit Heilung
noch mit Vergebung rechnen (2Chr 36,16).
Angesichts unbeschränkter
Heilungsversprechungen durch pfingstlerische und charismatische
Propheten ist allerdings dringend zur Vorsicht
geraten. An keiner Stelle in der Bibel findet sich die
verpflichtende Zusage Gottes, den Glaubenden schon während seines
irdischen Lebens von jeder Krankheit und jedem Leiden zu befreien.
Im Gegensatz dazu wissen wir von zahlreichen alt- und
neutestamentlichen Glaubensvorbildern, dass sie trotz ihres festen
Vertrauens in Gott gequält wurden, unter Krankheiten litten und
starben (Hiob, Elia, Jeremia, Paulus, Timotheus). Jesus selbst
verheißt, dass seine Jünger wie er selbst Leiden und Verfolgung
ausgesetzt sein werden (Mt 10,17; 23,34; Mk 13,9ff.; Röm 8,17ff.;
2Kor 4,16ff.; 1Petr 1,6-9). Darüber hinaus warnt er vor Wundertätern
der Endzeit, die als falsche Propheten in Erscheinung treten und
durch ihre spektakulären Auftritte viele Christen verführen werden
(Mt 7,15-23; 24,4f.11; Apg 8,9ff.).
Übrigens sollte es auch
nachdenklich machen, dass charismatische Christen ebenso häufig an
Krebs, Depression oder Herzinfarkt leiden und
ebenso durch Krankheiten einen irdischen Tod sterben, wie andere
Menschen auch und das trotz ihres Glaubens. Sicher, Gott heilt, aber
Christen sollten auch bereit sein zu akzeptieren, wenn Gott sich
momentan nicht durch die Beseitigung einer Krankheit, sondern durch
seinen Beistand in der Krankheit verherrlichen will. Krankheiten,
die als Strafe, als Warnung oder infolge von Sünde den Menschen
quälen, werden von Gott natürlich auch nicht durch das machtvolle
Wort des Propheten oder die intensive eigene Einbildung überwunden,
sondern nur durch die Behebung der wirklichen Krankheitsursache
(Buße, Reue, Vergebung, Neubesinnung).
Im Deutschen kommt die inhaltliche Verwandtschaft von „heil“ und
„heilig“ auch sprachlich besonders gut zum Ausdruck. Als „heilig“
werden in der Bibel, Personen, Gegenstände oder Worte bezeichnet,
die sich in vollkommener Harmonie mit Gott befinden. Menschen oder
Dinge werden von dem gewöhnlichen Irdischen getrennt und speziell
für den Dienst Gottes reserviert. Heiligkeit bezeichnet den Zustand
der Reinheit und Fehlerlosigkeit vor Gott, der den Gegensatz zum
normalen Zustand der gegenwärtigen Welt bildet. Gott allein ist
heilig (Jes 6,3; Mt 1,18; Lk 1,35) und nur er allein kann heilig
machen (Hes 37,28). Eine Person, Sache oder Zeit wird erst dann
heilig, wenn sie in totalem Einklang mit Gott steht und von ihm
gebraucht wird. Nicht der Mensch schafft die Heiligkeit, sondern
alle Heiligkeit geht von Gott selber aus. Weil er heilig ist, sollen
auch die Gläubigen heilig sein (3Mo 11,44f.; 19,2).
Heiligkeit ist dementsprechend der Zustand vollkommenen Heils, also
das extreme Gegenteil von Krankheit und SündeAls besonderes Eigentum
Gottes ist das Volk Israel heilig (2Mo 19,6), ebenso die Priester,
die ihren ganzen Dienst auf Gott ausrichten sollen (2Mo 28,36; 3Mo
21,1-9). Die Orte an denen sich Gott offenbart werden als heilig
bezeichnet, weil sie von Gott in Besitz genommen wurden (2Mo 3,5;
Jes 48,2); ebenso die Zeiten, die der Erinnerung und Ausrichtung auf
Gott dienen sollen (2Mo 35,2; 3Mo 23,4ff.). Selbst Gegenstände, die
im Dienste des heiligen Gottes stehen, werden heilig, so die
Bundeslade (2Chr 35,3), die Opfer (Hes 42,13), die Schaubrote (1Sam
21,5) oder der Zehnte (3Mo 27,32). Heiligkeit ist dementsprechend
der Zustand vollkommenen Heils, also das extreme Gegenteil von
Krankheit und Sünde. Heiligkeit ist der Zustand, den Jesus Christus
dem kranken Menschen vermitteln will, mehr noch als die Abwesenheit
von Krankheit; die Rückführung des Menschen in eine ganzheitliche
Harmonie mit seinem Schöpfer.
5 Was tut der Christ bei Krankheit?
Christen sollten sich bei Krankheit zuerst vertrauensvoll im Gebet
an Gott wendenIst jemand krank sehnt er vor allem seine verlorene
Gesundheit zurück. Generell sollte er sich mit diesem Anliegen
zuerst an Gott wenden. Zahlreiche biblische Tips zum Umgang des
Christen mit seinen Krankheiten fallen für Allgemeinmediziner heute
in die Kategorie alternativer Heilmethoden (Gebet, Salbung,
Handauflegung). Das individuelle Vorgehen ist natürlich abhängig von
der vermuteten oder bekannten Ursache der Erkrankung und dabei solle
nicht nur nach den rein innerweltlich, materialistischen Ursachen
wie Bakterien oder Blutfett gesucht werden, sondern auch geistliche
und psychische Hintergründe Beachtung finden. Christen sollten sich
bei Krankheit zuerst vertrauensvoll im Gebet an Gott wenden, der
versprochen hat ihr Gebet zu erhören (Ps 30,3; 107,18ff.). Jesus ist
nicht gleichgültig, sondern mitfühlend mit dem Kranken (Jes 53,4; M
t 8,16f.).
5.1 Gott vertrauen
Ganz gleich, ob die Krankheit einen geistlichen oder rein
körperlichen Hintergrund hat, sollte der Christ Gott um Heilung
bitten (2Chr 16,12; Jes 38,2f.14) und wenn sein Gebet erhört wird,
Gott öffentlich für sein Eingreifen danken (Ps 103,1-3; Jes 38,19f;
Lk 17,15; Apg 3,8). Diese Hinwendung an Gott fordert natürlich das
Vertrauen des Menschen in die Kraft und den Willen Gottes, Krankheit
zu beseitigen (Mt 9,28f.; Mk 5,34; 10,52).
In einer überwiegend materialistisch geprägten Umwelt müssen
Christen darauf achten, Gott nicht in einen Randbereich der
Krankheitsbewältigung abzuschieben. Auch in diesem Zusammenhang soll
er nicht den Mediziner, sondern Gott zum ersten Adressaten seiner
Bitte um Gesundheit machen. Natürlich ist es auch schon an dieser
Stelle geraten, sich mit der Bitte
um Gebetsunterstützung an andere
Glaubensgeschwister zu wenden.
5.2 Sünde bekennen
Sollte Gott auf die Gebete nicht unmittelbar mit Heilung antworten,
gilt es, mögliche Hintergründe oder göttliche Bedingungen der
Krankheit zu erkennen. Der Christ muss sich die Frage stellen, ob er
sich nur halbherzig an Gott gewandt hat oder Gott tatsächlich ein
Eingreifen zutraut. Möglicherweise muss er an dieser Stelle seinen
Unglauben und Zweifel Gott bekennen (Mk 9,24; Lk 7,9; 17,5f.). Immer
wieder ist Sünde Anlass für Krankheit. Deshalb sollte der Christ
sein Gewissen auf unvergebene Sünde hin überprüfen, diese bekennen
und Gott um Vergebung bitten (1Mo 20,17; Jak 5,16; 1Joh 1,9). Selbst
wenn die jetzt genannte Sünde nicht Ursache der Erkrankung sein
sollte, wird sie das Verhältnis zu Gott vertiefen und dem Christen
eher ermöglichen, Gottes Reden zu hören oder mit den
Begleiterscheinungen der Krankheit leben zu können.
5.3 Medizin nutzen
In einer nächsten Phase sollte der kranke Christ sich an die
etablierte Medizin wenden, die mit den von Gott in die Natur
gelegten Mitteln versucht den Menschen zu heilen. In vielen Fällen
benutzt Gott die Überlegungen und Hände von seinen Geschöpfen, um
hier auf der Erde zu handeln. Gott kann durch die chirurgische
Geschicklichkeit des Arztes oder die chemische Wirkung
pharmazeutischer Substanzen Heilung von Krankheit bewirken. Dabei
sollte nicht gewertet oder unterschieden werden. In ihrer Wertigkeit
ist eine auf Gebet folgende Spontanheilung genauso Wunder Gottes,
wie sein Wirken durch die Möglichkeiten der Medizin. Für beide
sollte Gott auch in gleicher Weise öffentlich gedankt werden.
5.4 Alternative Heilmethoden probieren
Auch alternative Heilmethoden, die mit Wasser, Luft, Bewegung,
Heilpflanzen, Musik oder Düften Krankheit bekämpfen, sind für
Christen nicht generell tabu. Sollte eine Therapie nicht anschlagen,
ist es durchaus kein Zeichen von Unglauben, noch einen anderen Arzt
zu konsultieren oder eine andere Methode auszuprobieren.
Auch alternative Heilmethoden, die mit Wasser, Luft, Bewegung,
Heilpflanzen, Musik oder Düften Krankheit bekämpfen, sind für
Christen nicht generell tabu, sollten aber auf ihre Glaubwürdigkeit
und ihre religiösen Wurzeln hin überprüft werden. Heilungsangebote,
auch wenn sie sich fromm anhören, sollten immer auf ihre geistlichen
Nebenwirkungen und theologischen Hintergründe hin untersucht werden.
Trotz legitimer medizinischer Möglichkeiten muss der Christ manchmal
anerkennen, dass Heilung durch natürliche Mittel alleine nicht
erreicht werden kann (5Mo 28,27; 2Chr 21,18). Spätestens aber, wenn
sich trotz jahrelanger Bemühungen keine Besserung einstellt, sollte
der Christ erneut nach anderen, geistlichen Hintergründen der
Krankheit suchen, um diese geistlich zu bewältigen und die
Möglichkeit erwägen, dass Gott sich nicht durch die Beseitigung
sondern durch das Ertragen der Krankheit verherrlichen will. Denkbar
wäre auch, dass diese Krankheit mit der von Sünde gekennzeichneten
Welt, mit sündigem Verhalten anderer, mit Versuchung, Warnung oder
Erziehung Gottes zu tun hat (vgl. Ps 31,2-9; Jes 38,12.15).
5.5 Älteste rufen
Sicher nicht bei jedem Schnupfen, wohl aber bei schweren oder
hartnäckigen Krankheiten sollte sich der Christ mit Bitte um Gebet
und Salbung an die Ältesten seiner Gemeinde wenden (Jak 5,14f.).
Nach der im Jakobusbrief genannten geistlichen Prüfung und
Vorbereitung sollten mehrere Älteste den Kopf oder das kranke
Körperteil mit Öl bestreichen und sich in der intensiven Bitte um
Heilung für den betroffenen Bruder vereinen. Gleichgültig scheint
dabei die Rezeptur oder Menge des Öls, da nicht die benutzte
Substanz, sondern der im Vertrauen gerufene Gott die Linderung oder
Heilung bewirkt.
5.6 Krankheit ertragen
Wenn trotz aller geistlichen und medizinischen Bemühungen kaum
positive Veränderungen sichtbar werden, sollte der Christ seine
Gebete und Planungen stärker dem Leben mit der Krankheit, statt dem
Kampf gegen die Krankheit widmen. Sicher kann Gott auch noch nach
jahrelanger Leidenszeit plötzlich Heilung schenken, doch ist es auch
möglich, dass er dem Christen helfen will mit dem vom Sündenfall
herrührenden Verfallsprozess, der destruktiven Versuchung des
Teufels, den logischen Folgen eigener Sünden oder dem geistlichen
Zuchtmittel zur Erreichung von Geduld, Demut, Langmut usw. leben und
freudig ihm nachfolgen zu können. Christen sollten dagegen kämpfen,
dass die Krankheit das Verhältnis zu Gott nachhaltig zu trüben
beginnt, statt dessen sollten sie sich darum bemühen, dass die
Krankheit zu einem Bereich des Lebens wird, in dem Gott in
besonderer Weise erfahren werden kann. Gott lässt es gelegentlich
zu, dass der Gläubige durch Krankheit geprüft wird (Hiob 2,5f.).
Während der Krankheit sagt Gott dem Gläubigen allerdings seine
Stärkung, Trost (Ps 41,4) und Bewahrung (Ps 91,3-7) zu und der
Mensch kann das Eingreifen Gottes intensiver erfahren als zu anderen
Zeiten des Lebens (Hiob 33,19-24; Ps 107,17-21).
Der souveräne Gott lässt sich nicht zwingen, unserem Wunsch nach
sofortiger Heilung zu entsprechenDer souveräne Gott lässt sich nicht
zwingen, unserem Wunsch nach sofortiger Heilung zu entsprechen.
Diese Erwartung resultiert aus einer falschen Perspektive, die den
Menschen und nicht Gott in den Mittelpunkt rückt. Heilung ist aber
nicht nur Selbstzweck, genauso wenig wie Gott lediglich
Dienstleister des Menschen ist. Immer wieder wird in der Bibel
hervorgehoben, dass Gott heilt, um den Menschen seine Größe und
Macht zu demonstrieren. Natürlich steht es ihm frei, seine
Herrlichkeit statt dessen dadurch unter Beweis zu stellen, dass er
Christen befähigt in Krankheit fröhlich und zuversichtlich zu
bleiben. Sicher sollte der Christ auch die Versuchung zurückweisen,
Gott durch wohlklingende geistliche Versprechungen bestechen zu
wollen. Wer so denkt fällt leicht dem Irrtum des Simon Magus zum
Opfer, der die Kraft Gottes für käuflich hielt (Apg 8,5-13).
5.7 Hoffnung erhalten
Sollte der Christ bis zu seinem irdischen Lebensende in und mit
Krankheit leben müssen, darf er aber nie vergessen, dass Gott in der
Zukunft alle Krankheiten und jedes Leid endgültig beseitigen wird
(Offb 7,17; 20,14; 21,4). Auch wenn es jetzt noch Gründe gibt, warum
Gott Krankheit zulässt oder gar benutzt, steht schon heute dahinter
die unumschränkte Liebe Gottes, die jeden Menschen zu seinem eigenen
Wohl warnen, umgestalten und zu seinem ursprünglich von Gott
gedachten Idealbild transformieren will. Obwohl es gelegentlich
schwierig erscheint, ist es wichtig, diese Perspektive angesichts
des eigenen, begrenzten Leidens nicht aus den Augen zu verlieren,
und Gott auch schon in der unangenehmen gegenwärtigen Situation
willentlich für seine Liebe, seine Kraft Krankheit zu ertragen und
seine letztliche Beseitigung jeden Leides zu danken (Röm
8,17f.26-39; 1Petr 1,6-9).
5.8 Leidenden helfen
Da Gott den Christen nicht nur als isoliertes Individuum, sondern
als Gemeinschaftswesen gedacht und geschaffen hat, gibt die Bibel
nicht nur Auskunft über den Umgang mit eigener Krankheit, sondern
fordert dazu auf, das Leiden anderer Menschen mit zu tragen. Er soll
Mitgefühl mit den Leidenden zeigen (Ps 35,13), für sie beten (Apg
28,8; Jak 5,14f.) und sie besuchen (Mt 25,34.36.40.43).
6 Alternative Heilmethoden beurteilen
War die rein materialistische Schulmedizin noch bis vor einigen
Jahren allgemein akzeptierter Standard und wurden esoterisch
gesinnte Anhänger alternativer Heilverfahren in der Öffentlichkeit
belächelt, hat sich der medizinische Mainstream zwischenzeitlich
grundlegend gewandelt. Fast jeder Allgemeinmediziner bietet seinen
Kunden heute neben den etablierten Verfahren Unmengen mehr oder
weniger gesicherter Therapien der Komplementärmedizin an
(„Alternativen“ zur materialistisch- naturwissenschaftlichen
Medizin). Zu den bekannteren alternativen Heilmethoden zählen
beispielsweise: Akupunktur, Traditionell Chinesische Medizin,
Homöopathie, Ayurveda, Yoga, Anthroposophische Medizin,
Chiropraktik, Bach-Blütentherapie, Autogenes Training, Farbtherapie,
Pendeln, Rebirthing, Edelsteintherapie, Reiki usw.
„Seit langem fühlt sich eine noch
wachsende Zahl von Menschen der westlichen Industrieländer von
der sogenannten Schulmedizin unbefriedigt und sucht Hilfe bei
Vertretern der alternativen Medizin. Hierbei handelt es sich um
eine bunte Palette so genannter sanfter Untersuchungs- und
Behandlungsformen, die sich größenteils aus volksmedizinischen,
vorwissenschaftlichen Traditionen ableiten. … Häufig werden
stark suggestive Praktiken ins Spiel gebracht, die auf magische,
nicht diskursive3 Weise
wirken […].“4
Die Vielzahl alternativer Heilmethoden kann grob unterteilt werden
in:Schon immer waren kranke Menschen bemüht durch jedes nur mögliche
Mittel die verlorene Gesundheit wieder zu erlangen
-
Verfahren mit einem medizinischen Gesamtkonzept oder einer
medizinischen Philosophie (manchmal historisch überliefert oder
aus anderen Kulturen und Religionen übernommen),
-
Verfahren, die direkt auf magische oder okkulte Kräfte Bezug
nehmen,
-
Verfahren, die sich in ihrer Wirksamkeitserklärung auf
naturwissenschaftlich nicht nachweisbare „Energien“ oder
„Schwingungen“ berufen,
-
Ernährungstheorien und Diäten,
-
Verfahren, die eine allgemeine Steigerung der Funktion des
Immunsystems bewirken sollen,
-
Verfahren, die den Zellstoffwechsel positiv beeinflussen sollen,
-
Bioenergetische Verfahren,
-
Einzelmittel (Pflanzliche Extrakte, mineralische oder tierische
Substanzen).
6.1 Offen für Alternativen in der Medizin
Schon immer waren kranke Menschen bemüht durch jedes nur mögliche
Mittel die verlorene Gesundheit wieder zu erlangen. Bis zur
Entwicklung einer modernen naturwissenschaftlichen Medizin wurden
religiös-okkulte und physisch-wissenschaftliche Methoden
undifferenziert nebeneinander praktiziert.
Die Weltbilder einer überwiegenden Zahl von alternativen
Heilmethoden gleichen sich frappierend und entstammen größtenteils
asiatischen Welt- und Medizinvorstellungen. Unabhängig von ihrer
Glaubwürdigkeit wurden die verschiedenen Heilmethoden in der vagen
Hoffnung auf Linderung angewandt. Erst nachdem die
naturwissenschaftliche Medizin ihre durchschlagenden Erfolge gegen
die Infektionskrankheiten errang, verschwanden alternative
Heilmethoden in der Vergessenheit. Erst die Skepsis gegenüber dem
medizinischen Fortschrittsdenken in der Mitte des 20. Jahrhunderts,
gepaart mit dem hemmungslosen Genussstreben einer säkularisierten,
lediglich auf das Diesseits ausgerichteten Gesellschaft, schob die
Bedenken gegenüber religiös magischen Medizinvorstellungen beiseite.
In der Hoffnung die Grenzen der bisherigen Naturwissenschaft
überschreiten und wie auch immer das eigene Leben möglicherweise
verlängern zu können, traten alternative Heilmethoden gleich welcher
Herkunft und Glaubwürdigkeit einen Siegeszug durch die westlichen
Industriegesellschaften an. Darin mischen sich asiatische, magische,
schamanistische, okkulte, alchemistische und Pseudopsychologische
Medizinkonzepte zu einem unübersichtlichen, esoterischen
Therapieangebot. Die Weltbilder einer überwiegenden Zahl von
alternativen Heilmethoden gleichen sich frappierend und entstammen
größtenteils asiatischen Welt- und Medizinvorstellungen.
Die frühsten Nachrichten über die asiatische Medizin erreichten
Westeuropa durch franziskanische und vor allem jesuitische
Missionare des 16. und 17. Jahrhunderts. Neben diesen ist uns
insbesondere der niederländisch-ostindische Schiffsarzt Andreas
Clyder namentlich bekannt, der sich schon früh um den Import
heilkundlicher Kenntnisse aus China bemühte. Die fremdartigen und
skurril anmutenden Techniken der Traditionell Chinesischen Medizin
(TCM) wurden neugierig registriert, nicht aber für die eigene
medizinische Praxis übernommen. Im 18. und 19. Jahrhundert fanden
vor allem die philosophischen und religiösen Überzeugungen der
Chinesen Anklang bei europäischen Gelehrten. Dazu gehörten Wolff,
Lessing, Goethe und Schopenhauer, vor allem aber französische
Denker, die durch den Handel und das entstehende französische
Kolonialreich in Asien eine intensivere Beziehung zu China
entwickelten. In Frankreich gab es um 1840 eine regelrechte
Akupunkturmode. Dort wurde 1937 auch die älteste bestehende
Gesellschaft für Akupunktur gegründet.
Trotz zahlreicher weiterer nationaler Akupunkturgesellschaften kam
es erst durch die Veröffentlichungen von James Reston, über seine
Erfahrungen mit der Akupunktur in China, in der New York Times zu
einer breiten öffentlichen Diskussion um die Akupunktur. 1979 hielt
dann die Welt-Gesundheits-Organisation (WHO) in Peking einen
Kongress über Akupunktur, Moxibustion und Akupunkturanalgesie ab,
auf dem eine Liste von fast 100 Krankheiten vorgestellt wurde, gegen
die sinnvoll auch Akupunktur eingesetzt werden könne.
Weitreichendere Bedeutung erhielten die alternativen Heilmethoden
erst durch die Skepsis gegenüber der Wissenschaft, insbesondere
gegenüber der modernen Medizin. Der seit dem 19. Jahrhundert
angefachte Fortschrittsoptimismus erweckte den Eindruck alles sei
durch die Macht von Forschung und Technik beherrsch- und erreichbar.
So war es nur eine Frage der Zeit, wann diese Erwartungen enttäuscht
werden mussten. Diese neue Skepsis gegenüber den Aussagen und
Möglichkeiten moderner medizinischer Wissenschaft wird bis heute
immer wieder von Vertretern alternativer Heilkonzepte benutzt, um
die Notwendigkeit der eigenen Methode zu begründen.
Hier einige diesbezügliche Beispiele: Theodor Meyer Steinhagen
schreibt:
„Die Medizin verhindert in vielen
Fällen das Sterben, macht aber nicht gesund. Sie bewirkt den
Zustand des chronischen Leidens.“5
Thure von Uexküll schließt sich dieser Beurteilung moderner Medizin
an:
„Am Ende weiß der Patient worunter
er gewiss nicht leidet; aber was ihm wirklich fehlt, erfährt er
nicht. Die moderne Medizin ist für den Kranken längst zu einem
Milchstraßensystem geworden, in dem er sich hoffnungslos verirrt
– und in dem mit zunehmender Spezialisierung die kompetenten
Berater und Helfer des Kranken unweigerlich aussterben“6
Auch Christen sollten diese Begrenzungen ehrlich sehen und keiner
falschen
Absolutsetzung westlicher Medizin das Wort redenAuch Christen
sollten diese Begrenzungen ehrlich sehen und keiner falschen
Absolutsetzung westlicher Medizin das Wort reden. Eine darüber
hinausgehende Skepsis gegen den methodischen Atheismus
westlich-wissenschaftlicher Medizin und den weitgehenden Ausschluss
seelischer und geistlicher Zusammenhänge bei Erkrankungen ist für
den Christen ebenfalls geboten.
Auf der anderen Seite führt der Schweizer Arzt und Psychologe C.G.
Jung Tragweite und mögliche Gefahr umfassender Aufnahme östlichen
Gedankenguts vor Augen:
„Man bedenke, was es heißt, wenn der
praktische Arzt, der ganz unmittelbar mit dem leidenden und
darum empfänglichen Menschen zu tun hat, Fühlung mit östlichen
Heilsystemen nimmt! So dringt der Geist des Ostens durch alle
Poren ein und erreicht die wundesten Stellen Europas. Es könnte
eine gefährliche Infektion sein, vielleicht ist es aber auch ein
Heilmittel.“7
6.2 Alternative Heilmethoden – gestern und heute
Der Medizinhistoriker Robert Jütte
verweist in seinen Arbeiten darauf, dass der Streit um die richtige
medizinische Therapie nicht erst in jüngster Zeit entbrannt ist,
sondern sich in jeder Epoche nachweisen lässt.8
Immer ist es die Auseinandersetzung der herrschenden medizinischen
Schule mit neu aufkommenden, nicht etablierten Konkurrenten, die
schnell als „Quacksalber,, oder „Kurpfuscher“ diffamiert werden.
Auch die zahllosen Irrtümer der etablierten Medizin warnen davor,
sich dieser
bedenkenlos auszuliefern. Nun verbirgt sich dahinter nicht immer die
Geschichte des gerechten, den reinen Fortschritt verteidigenden
David gegen die Übermacht des selbstgefälligen, lediglich auf
Tradition bauenden Goliath. Machmal erwies sich die etablierte
Medizin tatsächlich als befangen, vorläufig und sachlich im Irrtum.
Immer wieder bestätigten sich allerdings auch die Bedenken der
Skeptiker gegenüber den alternativen Heilmethoden. Allzu viele
Therapien stellten sich als weitgehend wirkungslos, als ideologisch
festgefahren, als wissenschaftlich widerlegbar oder als reiner
Betrug heraus. So kann der neutrale Beobachter auch im historischen
Rückblick seine Sympathien nicht vorschnell dem Kritiker des
Etablierten und dem Schöpfer einer neuen medizinischen Sicht
schenken. Andererseits warnen die zahllosen Irrtümer der etablierten
Medizin davor, sich dieser bedenkenlos auszuliefern. So unterzogen
Universitätsmediziner des 19. Jahrhunderts einen Großteil der
Kranken völlig nutzlosen Aderlässen oder verabreichten
Quecksilberpräparate bei Syphilis. Trotz eindeutigen empirischen
Ergebnissen weigerten sich Ärzte lange Zeit zwischen den
Behandlungen die Hände zu desinfizieren und verantworteten damit
unwissentlich zahlreiche Todesfälle. Willkürliche Therapien mit
Elektroschocks, radioaktiver Bestrahlung, mit Hirnoperationen
(Stereotaxie) und hochdosierten Psychopharmaka, ausgeführt von
etablierten Medizinern des 20. Jahrhunderts, kosteten zahllosen
Patienten Gesundheit und Leben. Selbstverständlich ließen sich auch
viele Fortschritte und Erfolge moderner Medizin nennen. Nur ist die
Auseinandersetzung zwischen anerkannter Medizin und alternativer
Heilmethode eben nicht immer ganz so eindeutig, wie manche
Stellungnahmen nahezulegen versuchen.
Wenn sich gegenwärtig alternative Heilmethoden einer wachsenden
Beliebtheit erfreuen, so hat das nicht zuletzt damit zu tun, dass in
den Industrienationen seit dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts
kaum noch Menschen an Infektionskrankheiten (Tuberkulose, Grippe,
Cholera, Diphtherie usw.) sterben – Seuchen, die im 19. Jahrhundert
noch als „Geißeln der Menschheit“ galten. An dieser Stelle nämlich
erfuhren die Menschen des 19.Jahrhunderts den Erfolg moderner
Medizin am einschneidensten. Nicht mehr die Infektionskrankheiten
bestimmen nunmehr die Diskussion, sondern die chronischen
Krankheiten alter Menschen zusammen mit den sogenannten
„Zivilisationskrankheiten“ (z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und
der „neuen Morbidität“ (Psychosomatische Krankheit). Gerade für
diese Erkrankungen hat die naturwissenschaftlich orientierte
Hochschulmedizin, wie einige ihrer Vertreter durchaus zugeben,
häufig keine erfolgreichen Therapien anzubieten; wobei Optimisten
das entscheidende Wörtchen „vorläufig“ hinzufügen und für mehr
Forschungsanstrengungen plädieren. Da die Schulmedizin in diesem
Bereich wenig Hoffnung machen kann, suchen die Patienten Hilfe bei
der Alternativmedizin.
Wer heute mit der
sogenannten Apparatemedizin unzufrieden ist, hat
die Qual der Wahl. Das Angebot ist fast unüberschaubar geworden.
Aktuelle Übersichten über die in westlichen Industrieländern
praktizierten unkonventionellen Verfahren zählen über vierhundert
verschiedene Heilmethoden auf. Alphabetisch reicht das Spektrum von
Ayurveda bis Zen. Populäre Komplementärmedizin der Vergangenheit
präsentiert eine Illustration der damals weitbekannten Zeitschrift
„Die Gartenlaube“ (1878):
„Der bunte Reigen der Heiler beginnt
links unten mit dem Kräuterweib. Über ihr befindet sich der
Vertreter der Naturheilkunde, der auf Luft- und Lichttherapie
schwört, gefolgt von einem Allopathen, der hochmütig auf den ihm
zugesellten Homöopathen blickt. Oben in der Mitte preist eine
stämmige Frau die Wirkung der Heilquelle an. Auf der linken
Seite setzt sich der Reigen mit dem Elektrotherapeuten und dem
Kneipparzt fort. Es folgt der Rohköstler oder
‘Kohlrabi-Apostel’, wie man die Vegetarier gelegentlich nannte.
Auch die Mutter Gottes von Lourdes als Vertreterin der
religiösen Medizin darf in diesem Tableau nicht fehlen. Und in
der Mitte schließlich preist ein Mann marktschreierisch seine
Universal- oder Geheimmittel gegen alle möglichen Krankheiten
an.“9
Der relative Erfolg alternativer
Heilmethoden führte zu heftigen Verteilungskämpfen auf dem
GesundheitsmarktIn den medizinischen Diskussionen unserer Tage darf
der interessierte Patient nicht nur eine rein wissenschaftliche
Auseinandersetzung sehen. Schließlich geht es gleichzeitig um
persönliche, wissenschaftliche Karrieren der Betroffenen und um
Milliarden, die jedes Jahr im Gesundheitswesen zu verdienen sind.10 So
führt der relative Erfolg alternativer Heilmethoden folgerichtig zu
heftigen Verteilungskämpfen auf dem Gesundheitsmarkt. Gelegentlich
versucht man deshalb, ganz unwissenschaftlich, mit Hilfe des Staates
den lästigen Konkurrenten auszuschließen. Ähnlich zogen auch schon
die medizinischen Pauschalkritiker des 19. Jahrhunderts gegen
allerlei alternative Heilmethoden zu Felde. Schon Friedrich der
Große begegnete 1744 einem solchen Unterdrückungsversuch mit einer
Bestätigung der grundsätzlichen Freiheit für alle medizinischen
Angebote. In den meisten Fällen fanden unkonventionelle Heilweisen
schon recht früh nachhaltige Unterstützung bei Juristen und
Parlamentariern, die sich für den Erhalt der Therapievielfalt und
für Patientenrechte einsetzten. Immer wieder wurde von der
Rechtsprechung die Therapiefreiheit hochgehalten und die
„Staatsmedicin“, wie man damals die Schulmedizin noch nannte, in die
Schranken gewiesen. Als wegweisend kann hier ein Gutachten der
Juristischen Fakultät der Universität Leipzig aus dem Jahr 1830
angesehen werden:
„Es muss dem Arzte (also noch mehr dem Kranken) die Wahl des
Systems der Medizin freibleiben, schon deshalb weil mit der
Verwerfung derselben, jede Fortbildung der Wissenschaft für
unzulässig erklärt werden würde.
Das sogenannte homöopathische Heilverfahren beruht auf
Ansichten, die, gleichviel, ob sie materiell richtig oder
unrichtig sind (welche Frage nicht zur Kompetenz des Richters
gehört), dennoch in formell-wissenschaftlicher Hinsicht soweit
ausgebildet sind, dass ihnen der Name eines Systems nicht
abgesprochen werden kann.“ 11
Homöopathen verwiesen auf Statistiken, die eine erheblich geringere
Sterberate in
homöopathischen Hospitälern konstatierenIn der Auseinandersetzung um
den Einsatz alternativer Heilmethoden werden heute, wie vor 150
Jahren nicht nur wissenschaftliche sondern auch rein pragmatische
Argumente benutzt. Neben dem verkürzten Streit, ob eine Therapie
statistisch wirksam ist, steht die Frage der Kosten. Beide, sowohl
die etablierte als auch die alternative Medizin nehmen für sich in
Anspruch die kostengünstigere Behandlung anzubieten.
Interessanterweise erschienen bereits in den 1840er Jahren
Statistiken, in denen Homöopathen den Nachweis zu führen versuchten,
dass ihre Therapie billiger sei. Während ihnen die Gegner vorwarfen,
mit den „Nichtsen“, d.h. mit unglaublich hochverdünnten
homöopathischen Arzneimitteln benetzten Streukügelchen viel Geld zu
verdienen, verwiesen die Homöopathen auf Statistiken, die eine
erheblich geringere Sterberate in homöopathischen Hospitälern
konstatieren. Ebenso überzeugend wirkte schon damals der nicht
unproblematische Nachweis, dass in den homöopathischen
Krankenhäusern die Aufenthaltsdauer erheblich kürzer war (20-21 Tage
zu 28-29 Tage bei den zum Vergleich herangezogenen Kliniken).
Unabhängig davon, ob diese Berechnungen tatsächlich stimmen, kann
die Wirtschaftlichkeit alleine natürlich keine Auskunft über die
medizinische bzw. ethische Legitimität einer Behandlung geben.
Sarkastisch könnte man ansonsten, nach dem Vorbild der Eskimo, den
freiwilligen Selbstmord als ernsthafte Alternative in der
geriatrischen Medizin fordern, oder die magischen
Beschwörungsrituale asiatischer Schamanen in der Zahnarztpraxis.
Unabhängig davon muss ferner beachtet werden, dass die meisten
alternativen Heilkonzepte lediglich als Ergänzungen zu etablierten
Therapien eingesetzt werden, weshalb nur wenig reale
Kosteneinsparungen zur Diskussion stehen. Auch der bloße Hinweis
darauf, dass alternative Heilmethoden, wie die Volksmedizin des
19.Jahrhunderts, vor allem von der einfachen, ungebildeten
Bevölkerung in Anspruch genommen würde ist unsachlich und unwahr. In
Deutschland und in den USA war es im 19. Jahrhundert das
Besitzbürgertum, das in Scharen zu Homöopathen, Naturheilkundlern
und Chiropraktikern lief. In Frankreich und im Zarenreich hatten
alternative Heilweisen insbesondere im Adel und im Klerus eine große
und vor allem einflussreiche Anhängerschaft. Ähnlich verhält es sich
heute, wo Bessergestellte und Gebildete im Krankheitsfall weit
schneller zu alternativen Heilmethoden greifen, ganz gleich wie sehr
sie sich vorher darüber mokiert haben mögen.
6.3 Bewertung alternativer Heilmethoden – Vorüberlegung
Ein Christ kann nicht jede alternative Heilmethode problemlos
akzeptieren, weil für ihn nicht nur der mutmaßliche Heilungseffekt,
sondern auch der Ursprung der Heilung (Gott/okkult) und deren
mögliche geistlichen Nebenwirkungen (materiell, ethisch, geistlich)
von einschneidender Bedeutung sind.
Eine Liste der für Christen akzeptablen alternativen Heilmethoden
endgültig zusammenzustellen ist nicht möglich, weil
-
ständig neue Methoden erfunden, entdeckt und verändert werden,
-
Therapien zum Teil nach einigen Jahren die Namen wechseln,
-
die anerkannte Wissenschaft ständig Fortschritte auf den
Gebieten der Biochemie, Psychologie, Pharmazeutik, klinischen
Forschung usw. macht, teilweise auch alte Ergebnisse revidiert
und oft durch wissenschaftliche Schulen geprägt ist,
-
wenig neutrales Material über alternative Heilmethoden vorliegt,
sodass zuverlässige, dauerhafte Beurteilungen in den meisten
Fällen nicht getroffen werden können.
6.4 Alternative Heilmethoden – zwischen Akzeptanz und Ablehnung
In der Bibel findet sich keine prinzipielle Ablehnung alternativer
TherapienEs ist grundsätzlich falsch, alle alternativen Heilmethoden
in einen Topf zu werfen und generell abzulehnen. Vom christlichen
Glauben her empfiehlt es sich nicht, alles scheinbar Fremde
abzulehnen, denn zum einen ist in der Bibel keine prinzipielle
Ablehnung dieser Therapien zu finden, zum anderen ist aber auch
keine Rechtfertigung der klassisch materialistischen Medizin
vorhanden. Da gebietet es der Glaube zu prüfen, sich über die
Vielfalt der von Gott geschenkten Welt zu freuen, den Verstand zur
Erforschung und Beurteilung zu gebrauchen und Gott um Weisheit bei
der Bewertung zu bitten.
Nur weil sie sich gegen den Materialismus der klassischen Medizin
stellt kann allerdings auch nicht jede alternative Heilmethode von
Christen gutgeheißen werden. Es ist notwendig, deutlich zwischen der
Bewertung des angestrebten Ziels (Gesundheit) und des gewählten
Weges (Heilmethode) zu unterscheiden und zumindest die Möglichkeit
offenzuhalten, dass ein gutes Ziel durch eine inakzeptable Methode
korrumpiert werden kann. Christen vertrauen den Maßstäben, Wertungen
und Welterklärungen der Bibel. Diese grundsätzliche Entscheidung
schließt bestimmte andere Maßstäbe, Wertungen und
Welterklärungsmodelle zwangsläufig aus.
Deshalb berücksichtigen Christen in ihrer Auseinandersetzung mit
alternativen Heilmethoden was in der Bibel über Krankheit und
Gesundheit, über Medizin und Ärzte und über Heil und Heilung zu
lesen ist. Auch wenn keine Beurteilungen einzelner Heilmethoden
unmittelbar aus der Bibel zu entnehmen sind, so kann doch das Welt-
und Menschenbild der entsprechenden Therapie an den in diesem
Zusammenhang relevanten Aussagen der Bibel gemessen werden. Dazu
gehören biblische Aussagen darüber, wie Gott Leid und Krankheit
zulässt und sogar einsetzt, Aussagen über den Tod, Geduld, und
unheilbare Krankheiten, aber auch Berichte von übernatürlichen
Heilungen. Im Blick auf Krankheit und Gesundheit gilt es zur
Kenntnis zu nehmen, dass Gott Ziele gesteckt hat, die es zu
erreichen gilt (gegen Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung),
dass Leid und Arbeit Kennzeichen des normalen Lebens sind (gegen
Erlebnishunger und Genusssucht) und dass Krankheit von Gott als
Strafe und Hilfe gebraucht werden kann (gegen medizinische
Allmachtsansprüche und Gesundheitsfanatismus). In der Prüfung
alternativer Heilmethoden müssen darüber hinaus folgende
erkenntnistheoretische Denkvoraussetzungen beachtet werden:
-
Die Welt beschränkt sich nicht nur auf das Sichtbare, rein
Materielle, sondern umfasst eine nur bedingt zugängliche
Dimension übernatürlicher Kräfte und Mächte, die mit Menschen in
Kontakt treten und ihr irdisches Leben beeinflussen kann. Diese
geistliche Dimension entspringt nicht menschlichem Willen oder
menschlicher Vorstellung, sie lässt sich nicht von Menschen
steuern oder kontrollieren.
-
Eigene oder fremde individuelle Erfahrungen (Heilungen,
Empfindungen, Ahnungen usw.) sind in der Bewertung alternativer
Heilmethoden nur eingeschränkt verwertbar, solange sie nicht aus
plausiblen Gründen verallgemeinert werden können und solange sie
sich nicht im Einklang mit eindeutigen statistischen,
naturwissenschaftlichen und geistlichen Beobachtungen befinden.
Individuelle Erfahrungen sind immer interpretationsbedürftig.
-
Es ist sinnvoll, mit dem Verstand logische und für den Rahmen
dieser Welt der Realität entsprechende Aussagen zu machen. Das,
was den Prinzipien der Logik grundsätzlich widerspricht ist im
höchsten Grade unwahrscheinlich und muss verworfen werden.
-
Plausibel begründete und den Aussagen der Bibel nicht
widersprechende wissenschaftliche Ergebnisse werden in einem
hohen Grad als wahrscheinlich akzeptiert und in die Beurteilung
alternativer Heilmethoden miteinbezogen.
(Für die konkrete Entscheidungsfindung sei auf das Buch von Michael
Kotsch verwiesen. d.Red.)
|
Unsere Zeit ist überreich an konträren Standpunkten. Während die
meisten Menschen den Gang zum Arzt oder den Griff zur Tablette
gewissermaßen im Nebenbei vollziehen, so als gälte es ein
Fenster zu öffnen oder eine Fliege zu scheuchen, gibt es jene
anderen Zeitgenossen, die selbst die größten Herrlichkeiten des
pharmakologischen Fortschritts ungerührt ins Klo versenken, weil
sie das „Gift“ nun mal nicht mögen. Sie halten sich lieber an
das „Natürliche“, das schon bei Tante Emma so gut half. Und an
den über die Landesgrenzen hinaus berühmten Alternativheiler,
den sogar Nachbarin Polde wärmstens empfiehlt.
Bei Christen kann das Mißtrauen gegenüber dem Arzt und jeder Art
von ärztlicher Weisheit gelegentlich Züge annehmen, die jeden
Beurteiler irritieren.
Bei Christen kann das Mißtrauen gegenüber dem Arzt und jeder Art
von ärztlicher Weisheit gelegentlich Züge annehmen, die jeden
Beurteiler irritieren. Sollte man ihr Gottvertrauen bewundern
– oder ihren Starrsinn schelten? Ich erinnere mich an einen
Glaubensbruder, der sich – aus geistlichen Gründen, wie er
meinte – konsequent weigerte, bei der schweren Niederkunft
seiner Ehefrau einen Arzt zu holen. Die arme Frau wäre bald
gestorben. Er aber blieb fest bei seiner Meinung. Was soll man
dazu sagen? Der Gang zum Arzt – ein Akt des schnöden Unglaubens?
Medizinischer Fortschritt – Geschenk Gottes in einer gefallenen
Welt
Alle Krankheiten und Seuchen, jede Form von Gebrechlichkeit und
Hinfälligkeit – das Altern und Sterben – sind Merkmale einer
gefallenen Welt.
Eine Grundwahrheit muß sich der bibelorientierte Christ
allerdings beständig vor Augen halten: Alle Krankheiten und
Seuchen, jede Form von Gebrechlichkeit und Hinfälligkeit – das
Altern und Sterben – sind Merkmale einer gefallenen Welt. In
Gottes ursprünglicher Schöpfung, wie sie im Anfang aus seiner
Hand hervorging, gab es das noch nicht. Und in Gottes neuer
Welt, die kommen soll und gewiß kommen wird, wird es das nicht
mehr geben (Offb 21,4). So gesehen ist die ärztliche Kunst und
die medizinische Wissenschaft ausschließlich eine Sache dieses
Weltzeitalters. In dieser Welt allerdings hat sie ihre große
Bedeutung, die nicht unterschätzt werden sollte. Wie die Sonne,
die Gott täglich über Gerechte und Ungerechte aufgehen läßt, so
ist auch sie ein Ausdruck der welterhaltenden Güte Gottes.
Unterhalb dieser biblisch-heilsgeschichtlichen Einordnung darf
nun doch einmal das Erfreuliche und Lobenswerte der
medizinischen Wissenschaft herausgestellt werden, denn es gibt
wirklich beeindruckende Segnungen und Großtaten der Medizin.
Pest, Pocken und Grippe
Erinnern wir uns beispielsweise an die Pest, jene furchtbare
Geißel des Mittelalters. Von 1347 bis 1351 raffte der „schwarze
Tod“ – wie man die Seuche nannte – etwa ein Drittel (!) der
gesamten Bevölkerung Europas dahin. Bei ihrem Wiederaufflackern
in Norwich, England, um 1579 fielen ihr abermals ein Drittel der
Einwohner zum Opfer. Und als sie 1630 in Mailand erneut
ausbrach, raffte sie gar die Hälfte der Bevölkerung weg. Nächst
Gott ist es dem medizinischen Fortschritt zu danken, daß die
Pest heute praktisch eine besiegte Krankheit ist.
Oder denken wir an die Pocken, eine üble Seuche schon der
vorchristlichen Zeit. Durch die Europäer wurde sie nach Amerika
eingeschleppt und grassierte hier in unvorstellbarem Ausmaß. Mit
starken wissenschaftlichen Gründen treten einige Historiker
dafür ein, daß nicht zuerst Pferde und Feuerwaffen, sondern die
Pocken (und andere Viren) die wahre Ursache für die Dezimierung
der indianischen Urbevölkerung darstellten. Heute existiert das
Variola- oder Pockenvirus – soweit bekannt – nur noch in zwei
Hochsicherheitslaboratorien in Atlanta und in Moskau. Sobald
alle 175000 Basenpaare des Variola-Genoms sicher bestimmt sind,
will man sämtliche Laborbestände vernichten. Dann wäre dieses
Virus die erste Spezies, die der Mensch vorsätzlich und mit
gutem Grund ausgerottet hat. Wenn einmal die letzten
Variola-Kulturen vernichtet sind, wird, außer einer gewissen
Zeichensequenz auf einer Computerdiskette, nichts mehr an diese
furchtbare Geißel vergangener Jahrhunderte erinnern.
Die simple Grippe wäre in diesem Zusammenhang ebenfalls zu
nennen. Wer macht sich schon klar, daß diese Krankheit, die
heute für die meisten Menschen nach wenigen Tagen mit
Unpäßlichkeit, Kopfschmerzen und Fieber ausgestanden ist, noch
um 1918 mehr als 20 Millionen Todesopfer dahinraffte. Die damals
sog. „spanische Grippe“ hatte Einfluß auf das Ende des 1.
Weltkrieges. An ihr starben so viele deutsche Soldaten, daß
allein dadurch ihre letzte große Offensive weitgehend zum
Erliegen kam. Weniger tödliche, aber territorial weit
ausgedehnte Grippeepidemien traten noch in den Jahren 1957, 1968
und 1977 auf. Weil das Grippevirus die Eigenschaft hat, sich auf
genetischer Ebene fortwährend zu verändern, kann leider nicht
davon gesprochen werden, daß es grundsätzlich besiegt sei.
Jederzeit kann eine solche Epidemie erneut ausbrechen. Und es
gibt keinerlei Gewähr dafür, daß sie nicht wieder solche Ausmaße
wie 1918 annimmt. Wenn beispielsweise ein koreanischer
Geschäftsmann auf dem überfüllten Flughafen von Honululu niest,
kann ein Virus, das er sich eine Woche zuvor in China zuzog,
innerhalb weniger Stunden auf New York, London, Brüssel, Paris
oder Berlin übergreifen. Es wird aber viel getan, um genau diese
Wahrscheinlichkeit so gering wie möglich zu halten. Beständig
werden Viren aus allen Teilen der Welt an gewisse
epidemiologische Laboratorien gesandt. Mit hektischer
Betriebsamkeit, arbeitet man dort Jahr um Jahr im Vorhinein an
serologischen Abwehrwaffen, die sofort bereit stehen müssen,
wenn da oder dort eine Epidemie „zum Schlag ausholt“. Das
Ergebnis dieser Bemühungen: die – zu Unrecht ignorierte
– spätherbstliche Grippeschutzimpfung.
Auch bei den Erbkrankheiten gibt es inzwischen bemerkenswerte
Fortschritte. So gelang es 1993 den molekularen Hintergrund der
Chorea Huntington aufzuklären. Seither besteht die realistische
Hoffnung, daß einmal eine Therapie möglich wird.Ähnliches deutet
sich auch für die Multiple Sklerose, für die Alzheimersche
Krankheit und für manche Formen von Krebs an.
„Ein vernünftiger Mensch verschmäht den Arzt nicht.“
Natürlich ist die medizinische Wissenschaft nicht allvermögend.
Auch für sie gilt: „Stückwerk bleibt, was man treibt.“ Aber es
ist nicht zu übersehen, daß ihr enorme Fortschritte gelungen
sind. Wer je einmal ein Lehrbuch der historischen Medizin in der
Hand hatte, wird erleichtert aufatmen, daß er in diesem
Jahrhundert leben darf. Wer hier innehält und einen Schritt
zurücktritt, wird mit voller Überzeugung sagen können: Es ist
ein beständiger Grund zur Dankbarkeit gegen Gott, daß es dieses
Geschenk der medizinischen Wissenschaft gibt. Was wäre der
Diabetiker ohne sein Insulin, der Asthmatiker ohne seinen Spray,
der Epileptiker ohne sein Medikament? Wie stünden wir da, ohne
die Hilfe der modernen Apparatemedizin? Ein gläubiger Urologe
meinte einmal, keiner wisse mit dem Begriff der Erlösung einen
tieferen Inhalt zu verbinden, als der Prostata-Kranke, der nach
einem akuten Harnverhalten eine erfolgreiche Katheterisierung
erlebte. Im Blick auf das reichhaltige medizinische Angebot
sollten wir es grundsätzlich mit der zwischentestamentlichen
Weisheit aus Sir 38 halten:
„Ein vernünftiger Mensch verschmäht den Arzt nicht.“
Der Irrgarten der Paramedizin
Diese volle und klare Anerkennung muß leider dem versagt werden,
das es jetzt zu besprechen gilt: Neben dem Gottesgeschenk der
medizinischen Wissenschaft, gibt es auch die sog. „Paramedizin“.
Darunter versteht man ein breites Spektrum von Verfahren, von
denen behauptet wird, daß sie sich zur Erkennung und Behandlung
von Krankheiten eignen, ohne daß dies bisher wissenschaftlich
belegt wäre.
Paramedizin darf nicht mit den Naturheilverfahren verwechselt
werden.
Zur Klarstellung: Paramedizin darf nicht – was leider immer
wieder geschieht – mit den Naturheilverfahren z. B.
Kneipp-Kuren, Massagen, Bäder, Gymnastik, Diäten, Kräuterkuren,
usw. verwechselt werden. Diese gründen sich auf natürliche und
nachprüfbare Wirkungen der Mittel und Methoden, und haben
insbesondere für die Gesundheitspflege ihren Wert.
Dagegen baut die Paramedizin gewöhnlich auf spekulativen,
unbelegten Vorstellungen auf und bedient sich
esoterisch-magischer Theorien. Man werfe nur einen Blick auf die
Angebote unter „Gesundheit/Lebenshilfe“ in unseren
Buchhandlungen. Da zucken ungewöhnliche Begriffe aus den
Regalen: Auraskopie, Ayurveda, Bach-Blüten, Bioresonanztherapie,
biologisch-dynamischer Landbau, Bombastus-Heilkräuter,
Channeling/Kinesiologie, Chakren, Demeter-Produkte,
Dreck-Apotheke, Edelstein-Therapie, Fang-Schui,
Fußzonenreflexmassage, Hildegard-Medizin, Homöopathie,
Irisdiagnostik, Hand- und Fußdiagnostik, Quigong, Radiästhetik,
Reiki, Tantra, Weleda – um nur einige zu nennen. Was ist davon
zu halten? Alles gut und nützlich, wenn es mit Danksagung
genossen wird?
Alles prüfen – aber nicht alles glauben!
Leider kann die kindliche Einfalt auf diesem Gebiet nicht
empfohlen werden. Denn die Paramedizin ist ein ungemein
erfolgreicher Tummelplatz verschiedenartigster Gestalten. Da
sind einerseits die verkannten Genies, die von ihrer Sendung
völlig überzeugten medizinischen Außenseiter, die unentwegten
Enthusiasten mit Sondereinsichten (die, wie sie überzeugt sind,
von der arroganten Schulmedizin zu Unrecht ignoriert werden),
sodann die Eigenbrötler, Geistheiler und Spökenkieker; und nicht
zuletzt die Scharlatane und Augenauswischer, deren Zahl Legion
ist (denn ihrer sind viele). Die biblische Empfehlung lautet
daher: „Prüfet!“ (1Thess 5,22). Prüfen aber heißt kritisch sein.
Und Kritik bedarf der Kriterien!
Wie soll man prüfen? Eine äußerst schätzenswerte – und dabei
viel zuwenig gehandhabte – Grundregel lautet: „Sapere aude!“
Bediene dich deines Verstandes!
Wenn ein Christ beispielsweise erfährt, daß Lebensmittel, um
vollwertig zu sein, von den Sternen herstammende „Astralkräfte“
enthalten sollten, dann müssen sofort alle roten Raketen
hochgehen.
Wenn ein Christ beispielsweise erfährt, daß Lebensmittel, um
vollwertig zu sein, von den Sternen herstammende „Astralkräfte“
enthalten sollten, dann müssen sofort alle roten Raketen
hochgehen. Kühe, so hört man, könnten mit ihren Hörnern
„Astralstrahlen“ auffangen. Man fülle also Kuhhörner mit Kuhmist
und vergrabe sie im Boden. Nach einem Jahr wird der Inhalt
wieder herausgekratzt und in starker Verdünnung auf den Acker
gesprüht (biologisch-dynamischer Landbau!). Das Ergebnis dieser
ungewöhnlichen Wirtschaftsweise sind dann die sog.
Demeter-Produkte. Noch Kommentare nötig? Sapere aude! Stets ist
tiefstes Mißtrauen angesagt, wenn die Wirkungsweise gewisser
Mittel und Methoden auf „astrale Kräfte“, „kosmische Energien“,
„animalischen Magnetismus“, „Erdstrahlen“ und „geistig-seelische
Schwingungen“ zurückgeführt wird. Häufig wird die Paramedizin
auch als „sanfte Medizin“, als Erfahrungsheilkunde oder
Alternativmedizin bezeichnet. Diese Begriffe suggerieren, daß
ihre Verfahren über Eigenschaften verfügen, die die „verstaubte
Schulmedizin“ eben nicht aufzuweisen vermag. Während man dort
sofort die großkalibrigen pharmakologischen Geschütze auffährt,
versucht man es hier noch mit den „sanften Streicheleinheiten“
der alternativen Methoden. Zugegeben, es ist mehr als ein
Körnlein Wahrheit an diesem Vorwurf. Aber der eigentliche
Unterschied liegt an anderer Stelle: Während sich die
konventionelle Medizin wissenschaftlicher Methoden bedient, um
ihre Verfahren und Behandlungsweisen immer wieder zu überprüfen
und zu korrigieren, lehnen die Vertreter der paramedizinischen
Verfahren die sorgfältige wissenschaftliche Überprüfung
überwiegend als „für sie unangemessen“ ab. Wissenschaftliche
Untersuchungen sind jedoch unabdingbar, wenn man wirksame
Verfahren von unwirksamen trennen will.
Homöopathie: Heilkraft durch Verdünnen und Schütteln?
Bei den „mit Mist gefüllten Kuhhörnern“ dürfte die
„Entscheidungsfindung“ relativ leicht fallen. Was aber ist bei
Mitteln und Methoden, die sogar von der Ärzteschaft kontrovers
diskutiert werden? Z. B. bei der Homöopathie? Ein Sechstel aller
niedergelassenen Ärzte in Deutschland soll, so das Ergebnis
einer Umfrage, zumindest gelegentlich homöopathische Mittel
verschreiben.
Das homöopathische Behandlungskonzept, vor etwa 200 Jahren von
dem deutschen Arzt Samuel Hahnemann aufgestellt, beruht auf
mehreren Grundprinzipien, von denen zwei besonders erwähnt
seien: das „Simile-Prinzip“ und das „Potenzieren“. Das
Simile-Prinzip – gefunden nach Selbstversuchen mit Chinarinde
– lautet nach des Meisters klassischer Formulierung:
„Wähle, um sanft, schnell, gewiß und dauerhaft zu heilen, in
jedem Krankheitsfall eine Arznei, die ein ähnliches Leiden
(homoion pathos) für sich erregen kann, als sie heilen soll!
Similia similibus curantur!“ (= Ähnliches wird durch
Ähnliches geheilt.)
Das zweite homöopathische Hauptprinzip ist das sog.
„Potenzieren“: Man versteht darunter die Einstellung der
„richtigen Stärke“ durch Verdünnungen, die sich an einer
Zehnerreihe orientieren. Bei flüssigen Arzneimitteln geht man
aus von einer Urtinktur, einem konzentrierten Extrakt des
Arzneistoffs. Dieser wird im Verhältnis 1 zu 10 mit verdünntem
Alkohol gemischt und zehnmal geschüttelt. Es entsteht die
Tinktura decimalis 1 (D1). Durch abermaliges Verdünnen (und
Schütteln!), stets im Verhältnis 1 zu 10, entsteht D2, D3, usw.
Was sagt die heutige Wissenschaft zu diesen Prinzipien? Dem
Simile-Prinzip mögen etliche zutreffende Erfahrungen zugrunde
liegen. Hahnemann hatte sicher seinen Grund, wenn er z. B.
schrieb:
„Der Kaffee erregt in großer Gabe Kopfschmerzen, in mäßiger
Gabe vermag er Kopfschmerzen zu stillen.“
Im Ergebnis führte es jedoch zur gleichartigen Behandlung
unterschiedlichster Krankheiten und rief darum die Skeptiker auf
den Plan: Pulsatilla D6 soll gegen Ischias helfen, hilft aber
auch bei krankhafter Eifersucht der Mädchen. Ambra D3 ist
empfehlenswert bei Keuchhusten, hilft aber auch bei Ehesorgen.
Nux vomica wird bei heftiger Streitsucht empfohlen, soll aber
auch bei Migräne, verklebten Augenliedern und Impotenz helfen,
usw.
Mit besonderer Heftigkeit wandte sich die Kritik von
naturwissenschaftlich Denkenden auch gegen das
„Potenzierungsprinzip“. Hier sind es die geradezu extrem hohen
Verdünnungsgrade, der höheren „D-Stufen“, die den Widerspruch
herausfordern. Daß eine stark wirkende Substanz in 1000-facher
(D3) oder 10000-facher Verdünnung noch wirken kann, ist ein
nachvollziehbarer Gedanke. Doch wird sich die Mehrzahl der
Patienten kaum klar machen, was etwa hinter der Angabe „D20“
oder gar „D200“ auf der kleinen braunen Flasche steht. „D20“ ist
eine Verdünnung von 1 : 10 hoch 20. Sie entsteht, wenn eine
Aspirintablette im Atlantik (!) aufgelöst und gleichmäßig
verteilt wird.
Aber das ist noch längst nicht der Gipfel homöopathischer
Verwegenheit: Es gibt Verschreibungen mit Verdünnungsgraden von
1:10 hoch 1500. Das geht weit über jegliches Vorstellungsmaß
hinaus. Diese Verdünnung erreicht man, wenn man eine
Substanzmenge von der Größe eines Reiskorns in einem Wasserball
von der Größe des Sonnensystems auflöst, einen Tropfen davon
nimmt, ihn nochmals in der gleichen Wassermenge verdünnt und
dies 2 Milliarden mal wiederholt (nach J. Randi)! Hier vermag
alles Reden von „feinstofflicher Wirksamkeit“ und „energetischer
Betrachtungsweise“ nicht weiterzuhelfen: Derartige
homöopathische Hochpotenzen sind absolut leer an jeglicher
Wirksubstanz.
Es ist ein Irrtum zu meinen, eine Substanz sei beliebig
verdünnbar. Denn jede Substanzmenge besteht aus einer zwar sehr
großen, aber doch endlichen Anzahl von Molekülen. Rechnerisch
kann sie mittels der Loschmidt’schen Konstante (N=6,026 x 10
hoch 23 Moleküle pro Mol) bestimmt werden. Das heißt, daß etwa
ab D23 auch nicht ein einziges Molekül der Urtinktur vorhanden
ist. Hinzu kommt dann noch die Rolle des Schüttelns beim
Verdünnen:
Hierdurch soll etwas vom „geistigen Wesen“ der Ursubstanz auf
das Lösungsmittel übertragen werden. Spätestens hier wird
deutlich, daß das homöopathische Konzept die wohlbegründeten
Grenzlinien des naturwissenschaftlich Nachvollziehbaren
überschreitet – und zwar hin zum Spekulativen und zum Magischen.
Im Rahmen seiner Zeit beurteilt, war Hahnemann durchaus ein
brillanter Kopf mit einer bemerkenswerten Beobachtungsgabe. Aber
er wußte noch nichts von Bakterien und Viren, von Atomen,
Molekülen und der Loschmidt’schen Konstante.
Im Rahmen seiner Zeit beurteilt, war Hahnemann durchaus ein
brillanter Kopf mit einer bemerkenswerten Beobachtungsgabe. Aber
er wußte noch nichts von Bakterien und Viren, von Atomen,
Molekülen und der Loschmidt’schen Konstante. Die Mehrzahl
heutiger Medizinwissenschaftler kommt darum nicht umhin
festzustellen:
Für die „sanfte“ homöopathische Methode fehlen (noch immer) die
harten Beweise. Die Medizinische Fakultät der Universität
Marburg erklärte im Ärzteblatt vom 3. März 1993 die Homöopathie
zur (medizinischen) Irrlehre.
Warum aber sind unwirksame Verfahren oft so populär? Weil die
Patienten vielfach von der Anonymität und dem Massenbetrieb des
modernen Gesundheits(un)wesens abgeschreckt sind. Sie fühlen
sich bei einem „Alternativmediziner“ viel wohler. Dieser geht
endlich einmal auf ihre Persönlichkeit ein. Schon das Vertrauen
in einen Therapeuten, in die Wirksamkeit einer Therapie oder
eines Medikaments kann Prozesse im Körper auslösen, die die
Heilung fördern. Diese Wirkungen einer Behandlung, –
wissenschaftlich noch weitgehend unverstanden – faßt man unter
dem Sammelbegriff Placebo-Effekt zusammen. Es gibt auch das
Gegenteil des Nocebo-Effekts: Allein die Angst vor schädlichen
Folgen vermag bereits negative Auswirkungen im Körper
hervorzurufen. Der Placebo-Effekt kann sehr stark sein.
Experimente ergaben, daß insbesondere das Schmerzempfinden durch
ihn stark beeinflußt werden kann. Will man dagegen herausfinden,
ob eine bestimmte Therapie wirklich (!) wirksam ist, muß
methodisch sichergestellt werden, daß der stets mögliche
Placebo-Effekt die Test-Ergebnisse nicht verfälscht.
Um Medikamente oder Therapien zu testen, muß man daher zwei
Patientengruppen bilden: Die eine Gruppe erhält das zu testende
Medikament (Verum), die Kontrollgruppe dagegen ein völlig
unwirksames Scheinmedikament (Falsum bzw. Placebo). Werden beide
Gruppen ansonsten völlig gleich behandelt (um dies
sicherzustellen, muß der Test doppelblind durchgeführt werden,
d. h. weder die Patienten noch die behandelnden Ärzte dürfen
wissen, ob jeweils das echte Medikament oder das Placebo
verabreicht wird), dann ist der Placebo-Effekt in beiden Gruppen
gleich, und Unterschiede zwischen den Gruppen gehen tatsächlich
auf das getestete Medikament oder die Therapie zurück.
Während dieses Vorgehen in der wissenschaftlichen Medizin und
bei der Zulassung von Arzneimitteln Standard ist, lehnen
Vertreter unkonventioneller Heilmethoden solche Prüfungen meist
als unangemessen ab. Sie verweisen statt dessen auf
beeindruckende Fallbeispiele von geheilten Patienten. Für „Otto
Jedermann“ mögen diese sehr überzeugend sein – wissenschaftlich
sind sie ohne jede Beweiskraft. Denn es bleibt völlig unklar,
bei wieviel Patienten die Behandlung erfolglos war. Hinzu kommt,
daß viele Krankheiten in Schüben verlaufen oder von selbst
wieder heilen, und daß auch bei chronischen Erkrankungen
Spontanheilungen vorkommen.
Fazit: An das Solide halten
Zunächst einmal ist es an sich schon eine betrübliche Sache,
wenn der Christ den dubiosen Heilungsversprechen ungezählter
Quacksalber, Geistheiler, Schwärmer und Scharlatane auf „friß
Vogel oder stirb“ ausgeliefert ist. Zum anderen aber besteht die
Gefahr, daß er über Bachblüten und Hahnemann’schen Hochpotenzen,
und trotz sündhaft teurer (aber völlig unwirksamer)
Abschirmungsgeräte gegen „Erdstrahlen“ die wirksamen
Behandlungsmethoden versäumt. Er steht dann da, „ärmer am
Beutel“ aber beileibe nicht „gesünder am Herzen“, und schleppt
weiter an den Lasten seiner Tage. Darum nochmals: Sapere aude!
Gebrauche deinen Verstand. Und was ist, wenn man da schon vieles
falsch gemacht hat? Dann höre man einfach auf damit und halte
sich an das Solide: nämlich an das Gebet des Glaubens und an die
hinlänglich begründete vernünftige Einsicht, die den Arzt nicht
verschmäht.
Und im Übrigen wollen wir uns gegenseitig helfen, nicht gegen
Gottes Ratschluß zu murren, der uns die ganze Erlösung unseres
Leibes erst für „jenen Tag“ in Aussicht stellt (Röm 8,23).
Literatur:
-
Oepen, I. (Hrsg.): Unkonventionelle medizinische Verfahren.
Gustav Fischer Verlag, Stuttgart 1993.
-
Oepen, I., Sarma, A. (Hrsg.): Parawissenschaften unter der
Lupe. Lit-Verlag, Münster 1995.
-
Müller, Georg: Heilkraft durch Verdünnen? CLV, Bielefeld,
1992. (Besonders empfehlenswert!)
-
Prokop, O.: Homöopathie. Was leistet sie wirklich? Ullstein,
Frankfurt, 1995.
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