Gedanken zum Schöpfungsbericht
Dr. W. J. Ouweneel
in 1. Mose 1
Einleitung
Mit der babylonischen Sprachenverwirrung begannen für alle Völker die
Zeiten der Unwissenheit (Apg 17,30; vergl. 14,16). Es blieb ihnen keine
andere Kenntnis Gottes als das Zeugnis der Schöpfung (Röm 1,20) und des
Gewissens (Röm 2,14. 15) und die Erinnerung an die Sintflut, d. h. an
einen Gott, der das Böse straft. Aber statt diesen Gott als Schöpfer und
Richter zu verehren, „verfielen sie in ihren Überlegungen in Torheit,
und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert", so daß sie begannen,
anstelle des einen Schöpfers viele Geschöpfe zu verehren (Röm 1,21-23).
In dieser selben Finsternis befand sich auch das Volk Israel. In Ägypten
diente es den Götzen (Hes 20,5-9) und hatte wenig oder gar keine
Kenntnis von dem wahren Gott. Es bewahrte höchstens die Erinnerung an
die unbereubaren Verheißungen Gottes den Vätern gegenüber und an Seine
Wege mit ihnen.
Aber als Gott in der Passahnacht das Gericht von diesem Volke abwendete
und es durch das Rote Meer hindurch aus dem Schmelzofen Ägypten erlöste,
wurde alles anders. Er hatte Israel erwählt, Ihm zum Eigentumsvolk zu
sein aus allen Völkern, die auf dem Erdboden sind (5. Mo 7,6), und um es
zu pflanzen auf den Berg Seines Erbteils (2. Mo 15,17). Aber ehe Jehova
dies tat, brachte Er es erst zu einem anderen Berg, dem Sinai, um sich
ihnen dort kundzutun. „Ich bin Jehova, dein Gott, der ich dich
herausgeführt habe ans dem Lande Ägypten, aus dem Hause der
Knechtschaft. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir" (2. Mo
20,2. 3). Was für ein machtvolles Zeugnis gab dieser Gott dort dem
bangen, sündigen Volk von Sich selbst! Und Er tat es durch Seinen Knecht
Mose, den Mann, zu dem Jehova sprach „von Angesicht zu Angesicht, wie
ein Mann mit seinem Freunde redet" (2. Mo 33,11). Solch ein vertrautes
Verhältnis zwischen einem Menschen und seinem Gott ließ Mose zu dem
Instrument werden, durch das dem Volke die Worte Gottes verkündigt
wurden.
Aber was noch viel bemerkenswerter ist: Gott gebrauchte ihn auch, um
Seine Wege niederzuschreiben, die Er mit dieser Erde gegangen war, ehe
Israel bestand. Das haben wir im , 1. Buch Mose. Es ist die Offenbarung
(in erster Linie für Israel bestimmt, um ihm die Torheit und die
Abscheulichkeit der Abgötterei zu zeigen) des einen wahren Gottes, durch
dessen Wort die Welten bereitet wurden. Ferner offenbart es, wie durch
den Ungehorsam des ersten Menschenpaares die Sünde in die Welt kam. Dann
- in großen Zügen - wie Gott ihre Nachkommen ihrer eigenen
Verantwortlichkeit überließ, was dann zur Sintflut führte. Danach die
Sünde Noahs, die Sünde Babels, die Zerstreuung der Menschheit und die
Erwählung Abrahams. Mit diesem letzten beginnt eigentlich schon die
Geschichte Israels. Aber wie wichtig ist alles, was vor diesem Zeitpunkt
stattgefunden hatte (1. Mo 1-11). Mögen die Neomodernisten die
geschichtliche Echtheit dieser Kapitel auch verwerfen, sie dürfen nicht
erwarten, dann noch etwas Vernünftiges über den Ursprung und die
Geschichte Israels vorbringen zu können. Mit großer Genauigkeit teilt
Jehova mit, was der Berufung Seines Volkes voraufging und zu dieser
Berufung führte. Und Er tat es durch Mose - wir haben dafür das Zeugnis
des Herrn Jesus und der Apostel. Und Er kann es nur zur Zeit der
Wüstenreise getan haben, nach der wunderbaren Offenbarung des einen
Gottes Seinem auserwählten Volk gegenüber, während Er alle anderen
Völker in der Dunkelheit der Abgötterei ließ.
Was für eine Torheit der Historiker, daß der Monotheismus (Glaube an
einen einzigen Gott) sich aus dem Polytheismus (Vielgötterei) entwickelt
haben soll! In Wirklichkeit offenbart Gott selbst uns in Seinem Wort,
daß der eine wahre Gott im Anfang alle Dinge schuf, daß aber die
Menschen nach der Sintflut die Herrlichkeit des einen Schöpfers ersetzt
haben durch die Verehrung vieler Götzen, die im Grunde nichts anderes
als Dämonen sind (5. Mo 32,17; 1. Kor 10,20), also Geschöpfe, und
dargestellt werden durch Abbildungen von Menschen oder Tieren. So
begreifen wir auch das Entstehen der babylonischen Schöpfungsgeschichte,
die man in Keilschrift auf alten Tontafeln gefunden hat. Der Unglaube
hat behauptet, der biblische Schöpfungsbericht sei hieraus entstanden
und in seiner endgültigen Form während der babylonischen Gefangenschaft
abgefaßt worden. Aber Unglaube ist immer blind. In Wirklichkeit verhält
es sich ja genau umgekehrt! Die babylonische Überlieferung ist ein
treffendes Bild davon, wie die Kenntnis des wahren Gottes nach der
Sintflut verdunkelt und mit dämonischen Vorstellungen vermengt worden
ist; diese Überlieferung ist also entstanden aus der Wahrheit, die in 1.
Mose 1 vorgestellt wird, und nicht umgekehrt. Die Wissenschaft und die
Tontafeln bestätigen nicht die Wahrheit der Schrift, sondern umgekehrt:
die Schrift entscheidet, was an dem Weltbild der alten Weisen und der
modernen Gelehrten wahr ist und was nicht.1. Mose 1 ist die Wahrheit
Gottes. Die Völker von altersher bis heute haben diese Wahrheit
verdorben und die Dämonen mehr verehrt als den Schöpfer.
Aus dieser Welt der Abgötterei führte Gott Abraham (Jos 24,2. 3) und
ebenso Israel hinaus. Aber es war ein Volk, das nicht besser als andere
Völker war. Bis zur Wegführung hielten sie am Götzendienst fest. Und
obwohl „das Haus" Israel seither „leer" ist, „gekehrt und geschmückt"
(weil kein Götzendienst mehr da ist, wenn auch nichts anderes an seine
Stelle trat), wird der Dämon der Abgötterei in den Tagen des
Antichristen ärger als je zuvor nach Israel zurückkehren (Mt 12,43-45).
Aber selbst in jener Zeit wird Gott aufrechterhalten, was Er vor 3400
Jahren im ersten Buch Mose bezeugte: „fürchtet Gott und gebet ihm Ehre
... und betet den an, der den Himmel und die Erde gemacht hat und das
Meer und die Wasserquellen" (Off 14,7). Wie wichtig ist darum Gottes
Zeugnis in 1. Mose 1-11! Es zeigt uns, wer Gott in Seiner Größe als
Schöpfer und Richter ist, und es zeigt uns, wer der Mensch ist, gut aus
der Hand Gottes hervorgegangen, aber in Sünde gefallen. Und nicht nur
mußte Gott durch Mose die Geschichte des Menschen bis auf Abraham
offenbaren, sondern 1. Mose 1 mußte dem notwendigerweise voraufgehen. Es
war von der größten Wichtigkeit, daß sie verstanden: nichts von allem,
was in den Himmeln und auf der Erde ist, ist ewig, es ist „nur"
Erschaffenes, geworden durch das Wort des Ewigen Absoluten. Wie töricht
dann, das vergängliche Geschöpf vor dem ewigen Schöpfer zu verehren.
So ist 1. Mose 1 nicht nur das erste Kapitel des ersten Buches Mose,
sondern der ganzen Bibel, aber außerdem - und hier berühren wir einen
wichtigen Grundsatz - es kann nur verstanden werden, wenn wir auch die
übrige Bibel kennen. Das Wort des Petrus, daß keine Weissagung der
Schrift eine eigene Auslegung zuläßt (2. Pet 1,20), ist auch hier
anzuwenden. Keine einzige Schriftstelle steht für sich selbst, denn e i
n Autor steht hinter allen 66 Büchern der Bibel (Vers 21), und jeder
Text wird nur verstanden durch den anderen. Ich denke, es gibt kaum ein
Kapitel in der Bibel, über das so viel geschrieben worden ist wie über
das erste, aber wie wenig hat man sich in vielen dieser Betrachtungen
Rechenschaft gegeben von der übrigen Bibel. Nicht nur bringen andere
Teile der Bibel Erklärungen zu 1. Mose 1, sondern das allgemeine Studium
des Wortes Gottes lehrt uns Grundsätze, die für das Verständnis von 1.
Mose 1 unerläßlich sind.
Das erste Buch Mose zeichnet uns den ersten Adam als durch Gott
geschaffen, danach in Sünde gefallen und seitdem in dem Stande der
Verantwortlichkeit Gott gegenüber. Das ist wichtig Nicht eine einzige
Wahrheit wird in der Bibel direkt und vollständig in einem Buch
dargestellt. Und dies gilt wohl besonders für die höchste Wahrheit: die
ewigen Ratschlüsse, die Gott in Christus Jesus gefaßt hat; die konnten
erst geoffenbart werden, nachdem der Mensch in seiner Verantwortlichkeit
auf jede erdenkliche Weise auf die Probe gestellt und sein natürlicher
Zustand völlig ans Licht getreten war. Sie wurden nämlich erst
geoffenbart (und zwar durch den Heiligen Geist), nachdem der Herr Jesus
verworfen, gestorben, auferweckt und verherrlicht worden war. Sogar die
zeitlichen Ratschlüsse Gottes, die nur auf die gegenwärtige Erde Bezug
haben und die im tausendjährigen Reich erfüllt werden sollen (obwohl sie
von Grundlegung der Welt her datieren; siehe u. a. Matth 25,34), werden
erst in 1. Mose 12 Abraham geoffenbart (und dann nur im ersten Ansatz)
und ausführlicher nach der Opferung Isaaks in 1. Mose 22, d. h. im
Vorbild nach dem Tode Christi (Gal 3,16). Also auch hier erst, nachdem
die Menschheit als solche in ihrer Verantwortlichkeit erprobt worden war
und Gott sie in Völker auseinandergeschlagen hatte, die Er fortan auf
ihren eigenen Wegen gehen ließ.
Das erste Buch Mose beginnt also nicht mit dem, was von Ewigkeit her bei
Gott war, mit Seinen ewigen Ratschlüssen, sondern es beginnt da, wo die
Zeit anfängt: „Im Anfang". Das ist bezeichnend für das Alte Testament.
Es beschäftigt sich mit den irdischen Dingen und spricht darum nie
direkt (wohl in Bildern) von dem, was vor der Zeit liegt, und
ebensowenig von dem, was nach dem tausendjährigen Reich kommt, wenn die
Zeit wieder aufhören wird. Das ist der Unterschied zum Neuen Testament,
das die himmlischen Dinge offenbart. Der Judaismus datiert von
Grundlegung der Welt, das Christentum aber ist die Offenbarung der
himmlischen Dinge, die bis dahin zurückgehen, ehe irgend etwas
geschaffen war, und die reichen bis in die Ewigkeit. Darum greift der
„Anfang" von Joh 1,1 viel weiter zurück als der von 1. Mose 1, und zwar
bis zu dem, was von aller Ewigkeit her ist. In gleichem Sinne übernimmt
Petrus wohl den Ausdruck „neue Himmel und neue Erde" aus Jesaja 65 (2.
Pet 3), weitet seine Bedeutung aber aus von der Anwendung auf das
tausendjährige Reich bis zur neuen Schöpfung im ewigen Zustand nach dem
Friedensreich (siehe auch Off 20-22).
1. Mose 1 fängt also an mit dem Beginn der Zeit. Es werden nicht viele
Worte gemacht über die Existenz Gottes, sondern „im Anfang" war Er
einfach da. Auch über die Erschaffung der Engel wird hier nicht
gesprochen, obwohl wir wissen, daß sie erschaffen sind (Kol 1,16). Sie
waren sogar schon vor dem Weltall erschaffen, denn sie jauchzten, als
Gott die Erde gründete (Hiob 38,7). Aber hier wird darüber nicht
gesprochen, ebensowenig wie über den Fall Satans, von dem wir erst viel
später hören. Hier geht es nur um die Erde, die zukünftige Wohnstätte
des ersten Adam in seiner Verantwortlichkeit als Bild Gottes. Dies ist
der Gegenstand des ganzen Buches. Die Erlösung wird man vergeblich darin
suchen. Diesem Begriff begegnen wir erst in 2. Mose 14,13, wo Jehova im
Begriff ist, Sein Volk durch das Meer aus Ägypten zu erlösen, um es zu
Seiner Wohnstätte zu bringen. Auch dieses, einen Gott, der bei den
Menschen wohnt, finden wir nicht im ersten Buch Mose. Gott wohnte nicht
bei Adam, nicht bei Henoch, nicht bei Abraham, sondern Er wohnte bei
Israel.
Das Fehlen dieser Wahrheiten im ersten Buch Mose wird jedoch
„aufgewogen" durch eine Menge von Vorbildern, die, erläutert durch das
Neue Testament, ihr Licht auf diese Wahrheiten vorauswerfen.
Von diesem Reichtum an Vorbildern dürfen wir gleich in 1. Mose 1 vollauf
genießen.
Aber die eigentliche Offenbarung ist: die Zubereitung einer Erde, auf
der der erste Adam auf die Probe gestellt werden soll. Schöpfung steht
also im Gegensatz zu Gnade, weil sie mit Verantwortlichkeit verbunden
ist.
Die Gnade erhebt jemanden über die erste Schöpfung und macht ihn zu
einer neuen Schöpfung, jetzt dem Geiste nach, bald auch dem Leibe nach.
Der erste Adam versagt unmittelbar, als die Prüfung kommt. Aber dies
gibt gleichzeitig Anlaß zur Entfaltung einer neuen Wahrheit - wenigstens
im ersten Ansatz - nämlich der der Sühnung, der „Bedeckung" durch die
Haut eines unschuldigen, stellvertretenden Opfers.
Die weitere Entfaltung dieser Wahrheit wird im Verlauf der Schrift
zeigen, daß die Verbindung mit dem zweiten Adam (in der neuen Schöpfung)
eine viel höhere und herrlichere Stellung einschließt, als in dem ersten
Adam (der ersten Schöpfung) je besessen wurde.
Wenn wir über alle diese Punkte nachdenken, lernen wir besser sehen, was
der Charakter von 1. Mose 1 ist. Es ist viel darüber gestritten worden,
wie wir den biblischen Schöpfungsbericht lesen müssen, aber um es noch
einmal zu sagen: die rechte Auslegung finden wir nur in Verbindung mit
dem ganzen Inhalt der Schrift. Im allgemeinen hat man angenommen, die
Bibel gebe die Entstehung der Welt in 1. Mose 1 auf eine der drei
folgenden Weisen wieder: Erstens hat man behauptet, 1. Mose 1 sei ein
Gedicht, eine Hymne, in der die Größe und Majestät Gottes besungen
werde. Im Rahmen einer Anzahl poetischer, harmonisch geordneter Bilder
(die wenig oder gar keine historische Bedeutung haben) werde uns
vorgestellt, wer Gott ist und wie Er hinter allen Dingen steht. Zweitens
kann man behaupten, 1. Mose 1 sei eine rein historische Beschreibung,
die genau wiedergebe, auf welche Weise Himmel und Erde zustande gekommen
sind. Drittens ist die Annahme denkbar, 1. Mose 1 sei eine
naturwissenschaftliche Abhandlung, die Art und Ursprung aller Dinge
erklärt. Welche dieser drei Auffassungen ist nun die richtige? Es gibt
nur eine Antwort: keine von den dreien.
1. Mose 1 ist keine Hymne oder Rahmenerzählung. Die modernen Theologen
hätten kaum eine törichtere Auffassung über das erste Kapitel der Bibel
vorbringen können, um deutlicher ihre Unkenntnis der Schrift zu
verraten. Der poetische Stil ist im Hebräischen und sogar in unseren
Übersetzungen sehr leicht zu erkennen. Er hat einen gewissen Rhythmus
und ist voll blumenreicher Sprache. Psalm 104 und Hiob 38 sind solche
dichterischen Abhandlungen über die Schöpfung. Aber 1. Mose 1 ist Prosa,
genau wie der Rest des Buches. Gewiß, es hat einen erhabenen Stil, denn
es spricht in der Tat von der Größe Gottes. Aber es besingt diese Größe
nicht, es spricht nicht direkt davon. Wir müssen diese Größe indirekt
aus der schlichten Beschreibung der Taten Gottes ableiten. 1. Mose 1 hat
durchaus nicht den direkten Zweck zu sagen: Sieh nur, wie groß und
mächtig Gott ist! Das tun Psalm 104 (der Mensch Gott gegenüber) und Hiob
38 (Gott dem Menschen gegenüber). Aber wie wir gesehen haben: 1. Mose 1
lehrt uns zuallererst, daß Gott über die Schöpfung erhaben ist, denn Er
war da, ehe die Schöpfung war, und die Schöpfung ist durch Ihn geworden.
Und zweitens: dieser Gott hat in sechs Tagen alles so zubereitet, daß
ein idealer Lebensraum entstand, in den der erste Adam gestellt und in
dem er erprobt werden 37 konnte Es ist durchaus nicht so, daß der Mensch
hier Gott und Seine Werke besingt, sondern umgekehrt: Gott spricht und
offenbart durch Inspiration das, was der Mensch unmöglich wissen und
entdecken konnte, nämlich auf welche Weise Er alles vollkommen gut
gemacht hat, ideal für den Menschen, daß er darin auf die Probe gestellt
werden konnte.
So verstehen wir auch, warum die zweite und die dritte angeführte
Auffassung falsch sind. Nirgendwo in der ganzen Schrift
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gibt Gott eine rein historische oder wissenschaftliche Abhandlung über
irgend etwas, als ginge es um die Geschichte oder die Wissenschaft
selber. In dieser Hinsicht haben die Modernisten recht: es geht in der
Schrift nicht um die nackten historischen oder wissenschaftlichen
Tatsachen, sondern um die „Botschaft" - aber das ist dann auch eine
Binsenwahrheit. Natürlich ist es Gottes Absicht nicht, uns Geschichte
oder Naturwissenschaft zu lehren, wie wir sie in der Schule lernen,
sondern Er möchte uns Seine Wege und Gedanken zu erkennen geben. Das
sehen wir zum Beispiel deutlich in den Evangelien, die nicht einen rein
historischen Bericht von dem Leben des Herrn Jesus geben wollen, sondern
eine Botschaft predigen, der die Tatsachen dienstbar gemacht sind (siehe
z. B. Joh 20,30. 31).
Aber aus diesem wichtigen und naheliegenden Grundsatz wird in der
modernen Theologie ein absurder Schluß gezogen, auf den leider viele
hereinfallen. Der Grundsatz, daß es in der Schrift nicht um die
historischen und naturwissenschaftlichen Fakten als solche geht,
bedeutet durchaus nicht, daß die Tatsachen, wie die Bibel sie berichtet,
darum vielfach unzuverlässig und unrichtig sind. Es geht in der Bibel
nie um die bloßen Tatsachen selbst, aber wenn Gott sie mitteilt, sind
sie immer richtig! Das ist wesentlich. 1. Mose 1 ist nicht ohne weiteres
ein historischer Bericht, denn dafür ist er viel zu kurz gefaßt und -
was noch auffallender ist - zu sehr ausgewählt. Eine gewisse Art von
Tatsachen wird beleuchtet, nämlich die, die Gottes Absicht deutlich
machen: das Zubereiten der Erde als Ort der Erprobung für den ersten
Adam. Gott nennt nur die Tatsachen, die Er nötig hat, aber die sind dann
auch richtig. Wenn sie es nicht wären, warum sollte Gott dann nicht die
richtigen Tatsachen mitgeteilt haben? Wenn es Gottes Absicht gewesen
wäre, Seine Taten anhand unrichtiger, erfundener Fakten mitzuteilen,
dann hätte Er - mit Ehrfurcht gesagt - 1. Mose 1 besser
weglassen können. Was für einen Sinn hat es, eine Lücke in der Kenntnis
des Menschen durch unrichtige Tatsachen auszufüllen? Ich wiederhole: Wir
können das nur verstehen, erstens wenn wir festhalten, daß 1. Mose 1
nicht die Gedanken des Menschen über Gott, sondern die wörtliche
Offenbarung Gottes an den Menschen wiedergibt. Und zweitens, wenn wir
erkennen, was die Absicht des Schöpfungsberichts ist, wie schon
dargelegt. Die Theologen können uns dabei nicht helfen, denn wenn man
die Historizität des Sündenfalls leugnet, nimmt man sich von vornherein
die Möglichkeit, 1. Mose 1 zu verstehen.
Die Tatsachen sind also richtig, aber kurz gefaßt und ausgewählt und dem
eigentlichen Zweck untergeordnet. 1. Mose 1 ist eine göttliche
Komposition, die gerade genug Tatsachen mitteilt, um Gottes Absicht
begreiflich zu machen, und zwar für alle Gläubigen aller Zeiten. Sie
gibt allgemeine, allgemein verständliche Tatsachen. Sie betrachtet die
Tatsachen als vorhanden und nicht mehr; nicht das „wie" oder „wozu" der
Dinge wird mitgeteilt, sondern sie sind einfach da. Gott sagt: So gut
war das Lebensklima des Menschen, ehe er in (die) Sünde fiel und die
Schöpfung unter den Fluch brachte. Und überdies: Es kam alles durch das
Wort Gottes zustande; zehnmal lesen wir: „Und Gott
sprach". Er rief „das Nichtseiende,
wie wenn es da wäre" (Röm 4,17). Wie groß und reich
diese Dinge sind, wie wunderbar in Art und Bau, darüber kann uns die
Wissenschaft viel erzählen. Aber Gott hat das nicht getan - es war für
Seinen Zweck nicht nötig. Er befriedigt nie unsere Neugierde, sondern Er
offenbart Seine Absicht. Außerdem, wenn Er es in der Sprache der
heutigen Wissenschaft getan hätte (und was taugt die in 300 Jahren
noch?), dann hätte in früheren Zeiten kein Mensch es begriffen und die
meisten Menschen heute auch nicht.
Die Bibel ist für Menschen aller Zeiten und unterschiedlichster Bildung.
Gott berichtet nicht mehr als nötig ist: die allgemeinen, einfachen
Tatsachen. Wahre, vorsichtige Wissenschaft, die nicht weiter geht als
ihre eigene beschränkte Reichweite, hat die schöne Aufgabe, den Inhalt
dieser Tatsachen auszufüllen und uns ihre Schönheit und ihren Reichtum
aufzuzeigen. Wahre Wissenschaft kann unsere Ehrfurcht vor dem Schöpfer
und vor 1. Mose 1 nur vermehren und nicht vermindern. Viele aufrichtige
Gelehrte haben anerkennen müssen, daß man ohne vorgefaßte Meinung in 1.
Mose 1 nicht eine einzige wissenschaftliche Unrichtigkeit finden kann,
Seite 15 sondern im Gegenteil die Wahrheit einer so alten Schrift voller
Staunen bewundern muß*).*) Ein Beispiel für viele: in Amerika gibt es
eine internationale Gesellschaft von mehr als 300 Naturwissenschaftlern
(die „Creation Research Society"), die alle den Herrn Jesus als ihren
Herrn und Heiland bekennen und an die wörtliche Inspiration der Schrift
und die historische Unfehlbarkeit von 1. Mose 1-11 glauben.
Um dies zu verdeutlichen, ist es nötig, etwas über den Charakter der
Naturwissenschaft zu sagen, weil die Wissenschaft, wie sie in der Praxis
betrieben wird, allerdings häufig mit 1. Mose 1 in Konflikt gerät.
Die Naturwissenschaft beschäftigt sich mit dem Beobachten von
Erscheinungen, dem Ordnen der gewonnenen Gegebenheiten; auf Grund davon
werden Hypothesen aufgestellt. Aus diesen gehen Lehrsätze hervor, die
durch neue (experimentelle) Beobachtungen geprüft werden, wonach man die
ursprünglichen Hypothesen auf Grund der neuen Gegebenheiten korrigiert.
Das Fundament dieses Gebäudes ist also die sinnliche Wahrnehmung. Aber
damit ist zugleich die Begrenztheit der Naturwissenschaft aufgezeigt.
Sie kann sich nur mit dem Wahrnehmen beschäftigen. Das würde nun gar
keine Schwierigkeit bedeuten, wenn man sich dieser Begrenztheit bewußt
wäre und einer nicht wahrnehmbaren, nicht materiellen Wirklichkeit
Rechnung trüge, die eventuell sogar die wahrnehmbare Wirklichkeit
beeinflußt. Aber der Materialismus, der die naturwissenschaftliche
Forschung allgemein beherrscht, hat diese Möglichkeit bewußt
abgeschnitten. Welche Torheit zu meinen, daß das, was wir sehen, hören
und fühlen können, auch das einzig Vorhandene sei. Dieser Gedanke ist
bestimmt nicht „wissenschaftlich", aber die Schwierigkeit liegt darin,
daß „Wissenschaft" keine unabhängige Existenz hat, sondern durch
Menschen betrieben wird, die leider zum großen Teil Materialisten sind.
Nicht die „wahre Wissenschaft" kommt in Konflikt mit der Bibel, sondern
es sind die blinden Materialisten, die mit der Schrift in Konflikt
geraten (vgl. 1.Tim 6,20.21).
„Wahre Wissenschaft" studiert Erscheinungen und stellt gewisse
Gesetzmäßigkeiten fest, die für diese Erscheinungen gelten, aber über
das Vorhandensein der Erscheinungen selbst kann sie nichts sagen. Sie
kann gewisse Naturgesetze entdecken, aber nichts über ihren Ursprung
sagen. Sie untersucht das Vorhandene, weiß aber nichts über seine erste
Ursache. Sie beschäftigt sich wohl mit Ursachen, aber jede Ursache, die
sie untersucht, ist selbst auch wieder verursacht. Das Allerhöchste,
wozu sie vielleicht gelangen kann, ist zu sagen: Es muß eine erste
Ursache da sein. Aber nur die Schrift kann sagen: Es ist eine erste
Ursache da, und sie kann sogar sagen, wer und was diese erste Ursache
ist. Und warum kann sie das? Weil Gott, der die erste Ursache ist,
selbst auch der Autor der Bibel ist. Aber die Materialisten, die nicht
über den Horizont hinaussehen können, denken, weil sie nicht weiter
sehen können, werde auch wohl hinter dem Horizont nichts mehr sein. Sie
lehnen es jedenfalls ab, mit dem zu rechnen, was eventuell dahinter
liegt. Wenn es nun diese verblendete „Religion" ist, die mit 1. Mose 1
in Widerspruch kommt, was sollen wir uns dann darüber beunruhigen?
Außerdem hat man auch eine tüchtige Portion Glauben nötig, um den
Materialismus zu akzeptieren. Man hat Glauben nötig, um anzunehmen, daß
die wahrnehmbare Wirklichkeit die einzige Wirklichkeit ist. Gewiß gehört
Glauben dazu, die Existenz Gottes anzunehmen, aber es gehört noch viel
mehr Glauben dazu, die Existenz Gottes zu leugnen.
Ich wiederhole: Es liegt im Wesen der Naturwissenschaft, daß sie über
erste Ursprünge nichts sagen kann. Will der Mensch darüber doch etwas
wissen, dann braucht er Glauben. Aber welchen Glauben? Die Wissenschaft
ist (mit Recht) auf die einfachste Erklärung aus, die für bestimmte
Erscheinungen gefunden werden kann. Nun, was ist einfacher, zu glauben,
daß z. B. das Leben entstanden ist durch eine einmalige, übernatürliche
Schöpfung, oder daß es spontan aus lebloser Materie entstand? Dieser
letzte Gedanke konnte vor 150 Jahren Anklang finden, in einer Zeit, da
man noch an eine Urzeugung glaubte (d. i. die Auffassung, daß aus
lebloser Materie lebende Organismen entstehen). Aber nun dieser Gedanke
endgültig ins Reich der Fabel verwiesen ist, sollen wir da noch weiter
glauben, daß das Leben vor Milliarden von Jahren doch spontan entstanden
ist? Mathematiker haben bewiesen, daß selbst Milliarden von Jahren nicht
im Entferntesten ausreichen, um auch nur einigermaßen den Gedanken zu
rechtfertigen, daß das Leben spontan entstanden sei *).
*) Siehe z, B. „Mathematical challenges
of the neo=Darwinian Interpretation of evolution"
(1967); Wistar Inst. Press, Philadelphia.
Je mehr man entdeckt, wie unglaublich kompliziert selbst die
„einfachsten" Organismen sind, um so unmöglicher erweist sich diese
Theorie. Und dann soll man trotzdem weiter daran glauben?
Ja, man braucht wirklich einen großen Glauben, um ein Materialist zu
sein. Selbst wenn irgendwann einmal im Laboratorium lebendes Protoplasma
hergestellt werden sollte, dann würde man damit nur zeigen, wie das
Leben entstanden sein könnte, aber nicht, wie es entstanden ist.
Außerdem würde man für eine solche Leistung derartig großes technisches
Können und hohe Intelligenz brauchen, daß man, wenn es gelänge, damit
nur bewiesen hätte, daß das Leben nur durch den Intellekt und die
Tätigkeit eines großen Gehirns entstanden sein kann. Man braucht also
tatsächlich einen großen Glauben, um ein Materialist zu sein; ja
eigentlich müßte man sagen: man muß wohl sehr verblendet sein. Manche
haben Schwierigkeiten damit und können sich schlecht vorstellen, daß die
„Religion" solcher gelehrten Köpfe so töricht ist. Aber ist das nicht
das Zeugnis der Schrift? „Und gleichwie sie es nicht
für gut fanden, Gott in Erkenntnis zu haben, hat Gott sie
dahingegeben in einen verworfenen Sinn, zu tun was sich nicht geziemt" (Röm
1,28). „Die Gesinnung des Fleisches ist Feindschaft
gegen Gott, denn sie ist dem Gesetz Gottes nicht Untertan, denn sie
vermag es auch nicht" (Röm 8,7). „Wenn
sie Moses und die Propheten nicht hören, so werden sie auch nicht
überzeugt werden, wenn jemand aus den Toten aufersteht" (Lk
16,31). Im allgemeinen basiert die wissenschaftliche Forschung leider
nicht auf Römer 1,20, sondern auf Vers 21.
„Wahre Wissenschaft", die ihre Grenzen kennt, bestätigt nur 1. Mose 1.
Wie schon gesagt, bedeutet das natürlich nicht, daß 1.
Mose 1 „wissenschaftlich" ist. Es sollen uns nicht ohne weiteres
wissenschaftliche Tatsachen mitgeteilt werden, aber wenn Tatsachen
genannt werden, die auch im Bereich der
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wissenschaftlichen Forschung liegen, dann sind die Tatsachen immer
richtig. Nur müssen wir dabei bedenken, daß die berichteten Tatsachen
knapp gefaßt sind; die Wissenschaftler dürfen sie näher erforschen.
Zweitens sind sie subjektiv, das heißt von einem bestimmten sittlichen
Standpunkt aus gesehen, weil sie dem Ziel, das Gott mit 1. Mose 1 hat,
dienstbar gemacht und dazu sorgfältig ausgewählt sind. Drittens sind sie
stark „anthropozentrisch", das heißt sie werden stets in ihrer Beziehung
zum Menschen gesehen. So werden die Pflanzen in den Versen 11 und 12
eingeteilt nach der Bedeutung, die sie für den Menschen haben. Viertens
werden die Tatsachen behandelt wie im gewöhnlichen, alltäglichen
Sprachgebrauch. Man mag das vielleicht „unwissenschaftlich" nennen; sei
es! Wenn man das nur nicht verwechselt mit „ungenau" oder „unrichtig",
wie es oft geschieht.
Aber es gibt noch einen anderen Grund, warum 1. Mose 1 nicht
„wissenschaftlich" ist. Es ist nämlich mehr als das. Gott teilt uns in
diesem Kapitel Dinge mit, auf die die alten Weisen nie hätten kommen
können und worüber auch die moderne Naturwissenschaft nichts sagen kann,
sondern die wir nur durch Offenbarung kennenlernen können. Und die
erweisen sich gerade als die Dinge, die 1. Mose 1 unter den
Begriff „(er)schaffen" faßt. In den drei einzigen Versen, in denen
dieses Wort vorkommt (V. 1,21 u. 27), werden gerade drei Probleme
gelöst, die zu den großen Rätseln gehören, vor denen die
Naturwissenschaft steht, nämlich der Ursprung der Materie, der Ursprung
des beseelten Lebens und der Ursprung der menschlichen Vernunft. Wir
haben bereits gesehen, daß diese „Ursprünge" jenseits des
Gesichtskreises der Naturwissenschaft liegen. Wir werden auch sehen, daß
nicht einer der alten Philosophen auch nur eine Ahnung von dem
biblischen „(er)schaffen" gehabt hat. Es ist etwas, das Gott uns
geoffenbart hat und das nur durch den Glauben angenommen werden kann.
Nach Hebräer 11 ist es sogar das erste Element des Glaubens, so wichtig
ist es. Was soll man 1. Mose 1 dem Urteil materialistischer
Naturwissenschaftler oder moderner Theologen unterwerfen? Torheit! 1.
Mose 1 sind die Worte Gottes, die Er durch Seinen Knecht zu Seinem Volk
gesprochen hat. Es setzt Glauben voraus. Nur durch Glauben verstehen
wir, daß die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind. Es gibt
Menschen, denen 1. Mose 1 ein Hindernis ist, die Bibel zu akzeptieren.
Aber man muß die Sache umdrehen: Wenn man die Bibel nicht als das
inspirierte Wort Gottes annimmt und alles glaubt, was Gott darin gesagt
hat, wird man auch von 1. Mose 1 nie eine Silbe begreifen. Man wird
nicht einmal die erste Bedeutung des Kapitels verstehen, geschweige denn
die herrlichen geistlichen Vorbilder und Belehrungen, an denen das
Kapitel so reich ist.
Im Anfang
Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde. (Vers 1)
Wir vergessen oft, wie ungemein alt der Schöpfungsbericht ist.
Wir sind nicht einmal sehr erstaunt, wenn sich zeigt, daß die
Naturwissenschaft nach vielen Jahrhunderten zu einem gewichtigen Schluß
kommt, der schon Tausende von Jahren in der Bibel steht - und obendrein
viel besser. Es gibt Menschen, die einwenden, so etwas dürfe man nicht
sagen. Sie behaupten, Bibel und Naturwissenschaft dürfe man nie
miteinander vergleichen, weil sie auf verschiedenen Ebenen lägen und
beide ihren eigenen Geltungsbereich hätten. Das klingt sehr schön, ist
aber grundfalsch. Außerdem tastet dieser Gedanke die Autorität des
Wortes Gottes an. Wenn man sagt, die Wissenschaft habe nur einen
beschränkten Autoritätsbereich, dann ist alles in Ordnung. Wenn man das
aber von der Bibel behauptet, dann ist man ganz bedenklich im Irrtum.
Die Bibel hat universale Gültigkeit. Sie hat auf allen Gebieten des
Lebens etwas zu sagen, auch auf dem Gebiet der Wissenschaft.
Würde jemand sagen, die Bibel tue das aber nicht auf „wissenschaftliche"
Weise (nach gelehrten Maßstäben), dann sage ich: Was soll das? Sind
unsere naturwissenschaftlichen Methoden absolut und unanfechtbar? Wir
kommen damit in der normalen wissenschaftlichen Arbeit zurecht, aber in
den Randgebieten (wie z. B. schon angedeutet, über den Ursprung des
Lebens) lassen sie uns im Stich. Außerdem bin ich nur froh, daß die
Bibel nicht „wissenschaftlich" über die Dinge schreibt; sie tut es
geistlich, göttlich. 3. Mose 11 z. B. mag dann wohl keine reine
biologische Einteilung des Tierreiches geben, aber die Einteilung, die
wir dort finden, ist weit erhabener und tiefgründiger. Hat die Bibel
also etwas über Biologie zu sagen?
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Gewiß, aber besser als wir, wenn auch kurz. Wir dürfen bescheiden die
Lücken ausfüllen. Aber bessere Biologen als Adam (1. Mo 2,19. 20) oder
Salomo (1. Kön 4,29-34) müssen erst noch geboren werden. Gehen wir noch
einen Schritt weiter: Gibt es eine christlich ausgerichtete
Wissenschaft? Ja gewiß. Sie mag vielleicht nicht immer genügen, aber das
sagt nicht viel.*)
*) Auf diesem Gebiet geschieht mehr, als man denkt. In den USA gibt es
eine ganze Reihe höherer Schulen und Universitäten (u. a. die Bob Jones
Universität in Greenville) und verschiedene Gesellschaften, die
orthodox* christliche Naturwissenschaft betreiben (neben der schon
genannten Creation Research Society auch die Bible=Science Association,
in Kanada die Inter» national Christian Crusade, in England die
Evolution Protest Movement usw.).
Was hat das alles mit 1. Mose 1,1 zu tun? Dies: In unserem Jahrhundert
ist man auf viele ganz verschiedene Weisen zu der Überzeugung gekommen,
daß unser Weltall nicht ewig ist, sondern einen ganz bestimmten Anfang
gehabt haben muß. Und man kommt durch ganz verschiedene Methoden sogar
zu ziemlich übereinstimmenden Altersangaben des Weltalls. Hinter diese
Altersbestimmungen kann man - wenn man will - ein Fragezeichen setzen,
aber es ist schon interessant genug, daß man zu der Vermutung gekommen
ist, daß das Weltall ein begrenztes Alter hat. Denn alle alten
griechischen Philosophen nahmen an, die Schöpfung, oder wenigstens die
Urmaterie (das „Chaos"), sei ewig. Ein Anfang des Weltalls oder eine
Erschaffung aus dem Nichts war ein völlig unbekannter und fremder
Gedanke.
Ich behaupte nicht, daß die Gelehrten jetzt etwa an eine „creatio ex
nihilo" (Erschaffung aus dem Nichts) glauben, aber sie haben die ersten
Schritte in dieser Richtung getan. Sie werden auch nicht viel weiter
kommen, denn das begrenzte naturwissenschaftliche Gesichtsfeld läßt es
nicht zu, viel mehr über den Beginn des Weltalls zu sagen, als daß
dieser Beginn gewesen sein muß (wohlgemerkt: sein muß, nicht: ist). Aber
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in der Bibel steht schon 3400 Jahre lang, daß Gott im Anfang die Himmel
und die Erde erschaffen hat. Nicht: erschaffen haben muß, sondern:
erschaffen hat. War das von Mose nicht reichlich absolut und
selbstsicher ausgedrückt? Es ist doch niemand dabei gewesen? O doch,
eine ganze Menge sogar! Derselbe Gott, der die Welten geschaffen hat,
war der Gott, der mit Mose sprach von Angesicht zu Angesicht (2. Mo
33,11). Und haben die Engel nicht zugeschaut und gejubelt, als Gott
schuf? Und sind sie es nicht, durch deren Anordnung die Thora (das
Gesetz) in die Hände Moses übergeben wurde (Hiob 38,7; Apg 7,53; Gal
3,19)? Und in jener hebräischen Thora werden in 1. Mose 1,1 in sieben
Worten und vier mal sieben Buchstaben eine ganze Reihe Irrlehren mit
einer Hand vom Tisch gefegt. Und das nicht etwa auf Grund der neuesten
Erkenntnisse, denn der Schöpfungsbericht ist älter als alle Irrlehren,
die ich hier aufzählen möchte.
(1) Wir lachen heute über die Phantastereien und den märchenhaften
Unsinn, denen wir in den alten Überlieferungen der Ägypter*), der
Babylonier (ich erinnere an den bereits genannten babylonischen
Schöpfungsbericht) und der Hindus **) begegnen.
*) Moses war in aller Weisheit der Ägypter unterwiesen (Apg 7,22).
Er war bestens informiert über all ihre mythologischen Geschichten über
die Entstehung der Welt - über den Sonnengott, geboren aus einem Ei, das
auf dem Urozean schwamm, der vier Kinder bekam: die Atmosphäre (zwei
Kinder), die Erde und den Himmel, usw. Diese Lehre spielte in jener Zeit
im ägyptischen Gottesdienst eine große Rolle, aber der Heilige Geist
bewahrte Mose davor, diesen populären Glauben in 1. Mose 1 aufzunehmen.
**) Die Hindus glaubten, die Erde werde von Elefanten, die auf einer
großen, im Weltmeer umherschwimmenden Schildkröte stünden, auf dem
Rücken getragen. Die Bibel enthält nichts an derartigem Unsinn.
Aber auch was unsere eigenen Gelehrten vor hundert Jahren geschrieben
haben, läßt uns jetzt belustigt lächeln. Und was wird man in hundert
Jahren von unserem „wissenschaftlichen" Geschreibsel sagen? Aber in 1.
Mose 1 finden wir nichts von solchem bombastischen Unsinn, wir finden
nicht einmal etwas, das sich als wissenschaftlich falsch erwiesen hätte
(zumindest ohne vorgefaßte Meinung). Wie ist das bei einem so alten Buch
möglich? Oh, man hat auch über die Bibel gespottet! Man hat gelacht über
Ur,
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das nicht bestanden haben, über Sodom, das es nicht gegeben haben
sollte, über die Hethiter, die nie gelebt, über Belsazar, der nie
existiert haben sollte. Bis alles das durch die archäologische Forschung
aufgefunden wurde und es sich erwies, daß das alles ganz entschieden
bestanden hat. Dann suchte man aufs neue nach Gründen, um die Bibel zu
verspotten. Der Hase sollte nicht wiederkäuen, die Ameise sollte im
Sommer keine Nahrung sammeln, der Strauß sollte seine Eier nicht durch
die Sonne im Sand ausbrüten lassen. Aber auch da zeigte es sich, daß man
besser die biologische Forschung abgewartet hätte, ehe man suchte,
Gottes Wort lächerlich zu machen.
(2) Unsere westliche Kultur basiert auf der Kultur der alten Griechen.
Was haben sie uns über die Schöpfung gelehrt? Nichts anderes als ganz
gewöhnliche, alltägliche Evolutionslehre. Es gibt nichts Neues unter der
Sonne. Die Evolutionslehre ist schon so alt wie die älteste
Naturphilosophie (500 - 600 v. Chr.) Thaies lehrte, das Wasser sei der
Urstoff, aus dem die Welt entstanden sei, für Heraklit war es das Feuer,
für Anaximenes die Luft. Pythägoras meinte, „die Zahl" sei das Urprinzip
aller Dinge. Anaximänder lehrte, die Tiere hätten sich unter dem Einfluß
von Hitze und Feuchtigkeit aus der Erde entwickelt. Empedokles (ca. 450
v. Chr.) äußerte, die menschlichen Körperteile hätten zuerst ein
separates Dasein geführt und sich dann allmählich aneinandergefügt. Auch
Plato und Aristoteles (4. Jahrhundert v. Chr.) kannten den
Schöpfungsgedanken nicht und brachten eine Art Evolutionslehre. Und laßt
uns sie deswegen nur nicht zu hart verurteilen! Um 1600 schrieb der
südniederländische Chemiker J. B. van Helmont noch, daß Mäuse aus Lumpen
entstehen können. Und der moderne Neo-Darwinismus ist um keinen Deut
vernünftiger, wenn er uns glauben machen möchte, die ganze Schöpfung mit
allen lebenden Organismen habe sich wirklich durch nichts anderes als
blinden Zufall aus der Urmaterie entwickelt. In der Bibel finden wir
nichts von diesem Unsinn wieder. Sie steht weit darüber. Woran liegt das
wohl? Ganz einfach: Das Geschöpf kann nie weiter denken als bis zum
Horizont der Schöpfung selbst. Aus sich selbst kann es nie auf den
Gedanken an einen Schöpfer kommen, der außerhalb Seiner Schöpfung steht.
Es kann höchstens Seine ewige Kraft und Göttlichkeit wahrnehmen (Röm
1,20), aber nie Seine Person, über und getrennt von der Schöpfung. Auch
die modernen Naturwissenschaftler können das nicht. Und weil sie es
nicht können, wollen sie es auch nicht. Wie wenn ein Kind von etwas, das
es nicht kann, geringschätzig sagt: Ich will ja gar nicht! So haben die
Naturwissenschaftler eine „naturwissenschaftliche Methode" aufgestellt,
die jedes außer-und übernatürliche Element ausschließt. Wohlgemerkt, ich
sage nichts Schlechtes über diese Methode, denn sie ist ausgezeichnet
innerhalb des Rahmens, für den sie geeignet ist. Ich spreche aber von
den Materialisten, die eine Religion daraus gemacht haben.
(3) Der erste Vers von 1. Mose 1 verurteilt auch alles, was sich
„theistisch" nennt. Theisten oder Atheisten, Pantheisten oder
Polytheisten, ihre sämtlichen Lehren werden durch 1. Mose 1,1 widerlegt.
Das ist ja gerade die große Lektion dieses einen Verses: Es gibt einen
Gott, der da war, ehe die Schöpfung war, und der außerhalb und über der
Schöpfung steht; der nicht beständig am Erschaffen ist, sondern einmal,
am Anfang, Himmel und Erde schuf. Also kein Polytheismus, sondern der
eine wahre Gott ist es, der die Welt schuf. Auch kein Pantheismus; Gott
ist nicht eine Abstraktion, die die ganze Welt beseelt, sondern Er ist
eine Person (denn eine Abstraktion „erschafft" nicht), die über die
Schöpfung erhaben ist und schon da war, ehe die Schöpfung war. Die
modernen Theologen bestreiten, daß Gott „transzendent" ist (wie sie es
nennen); ihre Lehre, daß wir Gott in dem Nächsten begegnen, ähnelt schon
verdächtig dem Pantheismus. Sie müssen dann freilich den Anfang der
Schrift umgehen, wo der wahre Gott zu uns kommt. Also schon überhaupt
kein Atheismus. Es ist wohl sehr kümmerlich, die Existenz eines Gottes
zu leugnen, der sich uns majestätisch offenbart und sagt: „Wer
ist es, der den Rat verdunkelt mit Worten ohne Erkenntnis? ... Wo warst
du, als ich die Erde gründete? Tue es kund, wenn du Einsicht besitzest" (Hiob
38,2-4).
Und dann der Theismus: die am wenigsten weitgehende und darum
heimtückischste Lehre, die leider für viele Gläubige
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Anziehungskraft besitzt. Sie sind begeistert von der sogenannten
„theistischen Evolutionslehre", die in Holland u. a. durch Jan Lever und
in Amerika u. a. durch Bernard Ramm vertreten wird. Diese Lehre besagt,
daß Gott die Welt mittels des Evolutionsprozesses „geschaffen" habe. Die
Evolutionslehre wird vollständig akzeptiert, aber in die Hände Gottes
gelegt: Gott hat das Weltall und alle Lebewesen im Rahmen der
Evolutionsgesetze bereitet. Das aber ist Unsinn. Es ist nämlich weder
Fisch noch Fleisch, weder wissenschaftlich noch biblisch. Die
Evolutionslehre ist ein geschlossenes System, das sich selbst erklärt
und Gott überhaupt nicht nötig hat. Aus seiner Sicht hat Huxley mit
Recht gesagt, die Evolutionslehre sei der Todesstoß für das Christentum,
weil sie Gott überflüssig macht. Der Theist macht sich in den Augen
eines eingefleischten Evolutionisten nur lächerlich.
Aber der Theist hat auch die Bibel nicht auf seiner Seite! Erstens muß
er von 1. Mose 1 eine „Hymne" oder eine „Rahmenerzählung" machen, und
wir haben bereits gesehen, daß das unmöglich ist. Zweitens versteht er
nichts von „erschaffen"; er verwechselt nämlich „Erschaffung" mit
„Vorsehung". Der Schöpfer aller Dinge ist etwas ganz anderes als der
Erhalter aller Dinge (z. B. Aufrechterhalter der Evolutionsgesetze).
Erschaffen ist: „Er sprach, und es war; Er gebot, und
es stand da". (Ps 33,9; vgl. auch Vers 6 und Römer
4,17; Heb 11,3). Erhalten ist: „ ... der alle Dinge
durch das Wort seiner Macht trägt" (Heb 1,3); beachte
den Unterschied zu Vers 2.) Der theistische Evolutionist macht Gott zum
Gefangenen seiner eigenen Naturgesetze. Gott steht nicht darüber, Er
durchkreuzt sie nicht, sondern Er kann nur gemäß diesen Gesetzen
handeln. Aber 1. Mose 1,1 lehrt uns die Souveränität Gottes! Unser Gott
wirkt alles nach dem Rate Seines Willens (Eph 1,11). Er hat alle Dinge
erschaffen, und Seines Willens wegen waren sie und sind sie erschaffen
worden (Off 4,11). Er brauchte nicht zu erschaffen. Er hätte ewig ohne
Schöpfung bleiben können - aber Er schuf. Er hätte auch beständig
erschaffen können, immer neue Dinge - aber Er schuf im Anfang, Er schuf
am fünften und Er schuf am sechsten Tag. Konkret und in freier Ausübung
Seiner Macht. Er brauchte es nicht, aber Er tat es. Er ist darin
souverän. Und daran kann der Theist nichts ändern. Die Wahrheit von 1.
Mose 1,1 ist absolut. Man mag „auslegen" wie man will, die Wahrheit
steht darüber und ist unabhängig davon. Und ohne dem Wort Gewalt
anzutun, kann man nicht leugnen, was dieser Vers uns klar, unumwunden
und sachlich mitteilt.
Laßt uns, um das zu sehen, noch etwas näher auf den Vers eingehen. Im
Anfang schuf Gott (vgl. Heb 1,10). Wann dieser Anfang war, läßt sich
nicht sagen. Im Hebräischen fehlt der Artikel, so daß der Anfang völlig
unbestimmt ist. Es w a r einmal ein Anfang - ein Anfang des Zeitablaufs,
ein Anfang von Gottes Werken. Diesen Anfang muß man unterscheiden von
dem „Anfang" in Johannes 1,1, der noch viel weiter zurückgeht, bis in
die Ewigkeit, die hinter uns liegt (vgl. damit Spr 8,22. 23). Wie weit
man auch zurückgeht in die Ewigkeit, das Wort war da, es war von aller
Ewigkeit bei Gott und war Selbst Gott. Auch 1. Johannes 1 beginnt mit
einem „Anfang", aber da handelt es sich um den Anfang des Dienstes des
Herrn Jesus (vgl. damit Joh 15,27; Apg 1,22). Wenn wir nun bedenken, daß
der Gott, der die Welt schuf, Gott der Sohn war (siehe später), dann
bildet dieser dreifache „Anfang" ein harmonisches Ganzes: das Wort war,
das Wort schuf, das Wort wurde Fleisch (Joh 1,1. 3. 14). Und es liegt
noch eine weitere Bedeutung in dem Wort „Anfang": Gott schuf im Anfang,
aber Er ist auch selbst „der Anfang". Er hat keinen Anfang, denn ehe die
Berge geboren waren und Er die Erde und den Erdkreis erschaffen hatte,
ja von Ewigkeit zu Ewigkeit ist Er Gott (Ps 90,2). Aber Gott (und zwar
Gott der Sohn) ist der Anfang (siehe Kol 1,18) - der Anfang der
Schöpfung Gottes (Off 3,14), d. h. der Ursprung, aus dem die Schöpfung
hervorgegangen ist. Er ist das Alpha und das Omega, der Erste und der
Letzte, der Anfang und das Ende (Off 21,6; 22,13).
Gott schuf. Das Wort für „(er)schaffen" (bara) ist bezeichnend für Gott;
es wird in der Schrift nie für jemanden anders gebraucht. Wir begegnen
in 1. Mose 1 und 2 auch den Ausdrücken „machen" und „bilden", die auch
für Menschen gebraucht werden. Aber (er)schaffen kann nur Gott. Es
braucht nicht immer zu bedeuten „erschaffen aus nichts", aber es deu-
Seite 27
tet immer auf etwas Einzigartiges hin, das nur Gott machen kann. Es
kommt in drei Versen unseres Kapitels vor (Vers 1,21 und 27) und stets
weist es auf etwas Einzigartiges hin, das noch nicht war und das auch
nicht noch einmal geschaffen werden wird. In unserem Vers könnte man
sagen, Gott schüfe aus dem Nichts, obwohl der Ausdruck nicht sehr
glücklich ist. Wo Gott ist, da ist nicht „nichts", sondern da erschafft
Er „aus Sich Selbst", es ist Seine eigene Energie - mit Ehrfurcht
gesprochen, und wenn ich es so ausdrücken darf - die Er da zu Materie
zusammenballt. In Vers 21 erschafft Er das Leben aus der Materie, also
bestimmt nicht aus „nichts". Aber das beseelte Leben ist etwas
Einzigartiges und grundsätzlich verschieden von der leblosen Materie,
und darum ist es eine „Schöpfung". So auch der Mensch: was seinen Leib
betrifft, „gemacht" oder „gebildet" (1,26; 2,7), aber als vernünftiges
Wesen neu und einzigartig, also „erschaffen" (1,27). So ist auch der
neue Mensch etwas ganz anderes, etwas Einzigartiges: „eine neue
Schöpfung" (2. Kor 5,17). In gewissem Sinn ist also jede „Schöpfung" -
obwohl sie bereitet sein kann aus etwas, das schon da war - doch etwas
ganz Neues, das als solches noch nicht vorhanden war. Darum wird das
Wort auch gebraucht für bemerkenswerte, einzigartige Taten Gottes in
Seinen Regierungswegen (4. Mo 16,30; Jer 31,22). Gott „ruft
das Nichtseiende, wie wenn es da wäre" (Röm 4,17).
„Was man sieht, ist nicht aus Erscheinendem geworden" (Heb
11,3).
Gott erschafft nicht durch Taten, sondern durch Sein Wort. Oder anders
ausgedrückt: Was Er ist und tut, wird vollkommen zum Ausdruck gebracht
durch Sein Wort. Gott der Sohn konnte sagen, daß Er ganz das sei, was Er
auch redete (Joh 8,25). Wer Sein Wort verwarf, verwarf den, der das Wort
gesprochen hatte und der das Wort war (Joh 12,48). Er ist das Wort
Gottes, der vollkommene Ausdruck davon, wer Gott ist (Joh 1,1. 14; Off
19,13). Alle Dinge sind durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde
auch nicht eines, das geworden ist (Joh 1,3). Durch das Wort Gottes sind
die Welten bereitet worden (Heb 11,3). Er hat sie ins Dasein gerufen
(Röm 4,17). „Durch Jehovas Wort sind die Himmel
gemacht, und all ihr Heer durch den Hauch Seines Mundes ... Denn Er
sprach, und es war; Er gebot, und es stand da" (Ps
33,6. 9). Durch dasselbe schöpferische Wort ruft der Sohn die toten
Sünder, so daß sie leben, und wird Er alle, die in den Gräbern sind,
rufen, so daß sie hervorkommen (Joh 5,25. 28), wie es am Grab des
Lazarus geschah (Joh 11,43). Allein durch Sein göttliches Wort wurden
Aussätzige gereinigt, böse Geister ausgetrieben, wurden Blinde sehend,
Taube hörend und Lahme gehend (Mk 1,25. 41; 2. 11; 7,34; Lk 18,42).
Im Anfang schuf Gott. Wie an den weitaus meisten Stellen, wo es im Alten
Testament vorkommt, ist das Wort für Gott hier Elohim, das ist die
Mehrzahl von Eloah. Obwohl es also ein Wort in der Mehrzahl ist, hat es
die Bedeutung einer Einzahl, was man immer an der Tatsache erkennen
kann, daß das Tätigkeitswort („schuf") in der Einzahl steht. Ein
einziges Mal steht auch das Tätigkeitswort in der Mehrzahl, und dann hat
Elohim die Mehrzahl-Bedeutung von „Götter" (in dem Sinne von Götzen,
Engel oder irdische Richter). Es ist übrigens sehr beachtenswert, daß
das Wort in der Mehrzahl mit einem Tätigkeitswort in der Einzahl
verbunden wird. Für die jüdischen Theologen bleibt dies eine merkwürdige
Sache*), solange die Decke auf ihren Herzen liegt, wenn Mose gelesen
wird (2. Kor 3,14. 15).
*) B. Jakob behauptete zwar, solche Wörter kämen im Hebräischen öfter
vor, aber er nennt nur zwei Beispiele, von denen er selbst bezweifelt,
ob es wohl echte Mehrzahl-Wörter sind. Überdies, für welches Wort gilt,
daß es, verbunden mit einer Satzaussage in der Einzahl, in Einzahl und
Mehrzahl dasselbe bedeutet, während wenn die Satzaussage in der Mehrzahl
steht, die Bedeutung eine ganz andere ist?
Aber im Licht des Neuen Testaments liegt hierin offensichtlich eine
tiefe Wahrheit verborgen. Es ist der
eine Gott, der (er)schafft. Es sind nicht Götter, die erschaffen,
sondern Gott erschafft. „Jehova, unser Gott (Mehrzahl!), ist
ein einiger Jehova" (5. Mo 6,4). Aber dieser eine Gott
ist eine Person in der Mehrzahl! Drei Personen sind in der Gottheit,
jede wahrhaftig Gott, und doch ein Gott.
Diese drei göttlichen Personen haben die Welten geschaffen. Der Vater
entwarf die Pläne, der Sohn führte sie aus, und Er tat es in der Kraft
des Heiligen Geistes. Wir sehen das in 1. Kor 8,6; alle Dinge sind von
dem Vater (Er entwarf sie), aber sie sind durch Jesus Christus (Er
machte sie). Und daß auch der Geist dabei beteiligt war, lehrt uns 1. Mo
1,2. Die Schöpfung war ein gemeinsames Werk der gesamten Gottheit, so
wie übrigens bei jedem Werk Gottes alle drei göttlichen Personen
beteiligt sind (es gibt zuviele Beispiele, um sie hier aufzuzählen).
Doch ist es so, daß das eigentliche
Schöpfungswerk durch den Sohn ausgeführt wurde, und nicht durch den
Vater und den Geist. Wir lesen nirgends, daß die Welt durch den Vater
geschaffen sei (in dieser Hinsicht liegen alle Glaubensbekenntnisse
schief) oder durch den Heiligen Geist. Sie waren ohne Zweifel daran
beteiligt, aber es war der Sohn, der schuf. Durch das Wort sind alle
Dinge erschaffen worden (Joh 1,3). Der Sohn ist das Bild des
unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung, denn in Ihm,
durch Ihn, und für Ihn sind alle Dinge geschaffen worden (Kol 1,15. 16).
Gott hat zu uns geredet „in [dem] Sohne", durch den Er auch die Welten
gemacht hat (Heb 1,1. 2). Nicht Gott der Vater schuf durch den Sohn,
sondern Gott, der dreieinige Gott, sprach „im Sohne", oder genauer „in
Sohn" - im Griechischen fehlt der Artikel -, das heißt, Gott Selbst
sprach, und zwar in der Person des Sohnes, der auch die Welten schuf. Er
schuf sie nicht als Mensch; als solcher ist Er unterschieden von Gott
(nicht dem Vater, sondern dem dreieinigen Gott), der alle Dinge
geschaffen hat (Eph 3,8. 9). Aber der Mensch Christus Jesus ist Gott der
Sohn, und als solcher ist Er der Schöpfer. Das Lamm, das in Offenbarung
5 inmitten des Thrones Gottes steht, unterschieden von Gott, ist
Derselbe wie der, der in Offenbarung 4 als Gott der Sohn und Schöpfer
auf dem Thron sitzt (vgl. Vers 8 mit Jes 6,2. 3 und Joh 12,41)! Gott
Selbst sagte zu Christus, dem leidenden Menschen, daß Er (Christus) der
Schöpfer sei, aber Gott konnte das nur sagen, weil der leidende Messias
derselbe war wie Jahweh, der ewige Schöpfer (Ps 102; Heb 1,10).
Unbegreifliches Geheimnis! Wunderbarer Heiland! In tiefer Armut und
Niedrigkeit kam Er auf diese Erde und nahm einen Platz ein, geringer als
die Tiere (Lk 2,7; 9,58), aber zugleich war Er ihr Schöpfer, dem sie
völlig unterworfen waren (Mt 8,32; 17,27; Mk 1,13; Lk 5,4-6; 10,19). Er
konnte
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Hunger leiden und Er konnte fünf Brote vermehren für mehr als
zehntausend Menschen (Mt 4,2; 14,19-21). Er konnte ermüdet und durstig
sein und Er konnte sechshundert Liter Wasser in Wein verwandeln (Joh
2,6-9; 4,6-7; 19,28). Wer war Er doch, daß Er sogar den Winden und dem
Wasser gebot und sie Ihm gehorchten? (Lk 8,25). Er war der Erhalter
aller Dinge, der Schöpfer von Himmel und Erde.
Der Ausdruck „Himmel und Erde" umfaßt in der Schrift die Gesamtheit der
sichtbaren geschaffenen Dinge, auch wohl „Welt" oder „Welten" genannt,
also das Weltall. Siehe z. B. 1. Mo 2,1; Neh 9,6; Ps 89,11; Jer 10,12;
Mt 5,18; Apg 17,24; Off 21,1. Die Engel gehören nicht zum Weltall. Das
„Heer des Himmels" sind nicht die Engel, sondern die Himmelskörper (5.
Mo 4,19; vgl. 1. Kor 15,40. 41). Die Engel waren schon vor dem Weltall
da (siehe Hiob 38,7), und sie werden da sein, wenn der jetzige Himmel
und die jetzige Erde vergangen sein werden. Die Menschen gehören wohl zu
dieser ' „gegenwärtigen Schöpfung", und wenn der neue Himmel und die
neue Erde gekommen sein werden, dann werden auch alle Menschen neue,
unsterbliche Leiber empfangen haben. Aber 119 die Engel haben kein Teil
an dieser Erneuerung.
Der Himmel ist also der Raum, in dem sich die Himmelskörper befinden.
Nun kann man objektiv gesehen sagen, daß die Erde auch ein Himmelskörper
ist und also nicht hätte genannt zu werden brauchen. Aber die Bibel ist
nicht objektiv, sondern subjektiv: alle Dinge werden durch Gott nach dem
geordnet, was E r das Wichtigste, den Mittelpunkt, nennt. Die Bibel ist
„geozentrisch", denn die Erde ist der Ort, wo die Menschen wohnen (Ps
115,15. 16), und die Bibel spricht von (Gottes Beziehungen zu) den
Menschen. So wie Gott, als Er die Menschenkinder voneinander schied, die
Grenzen der Völker nach der Zahl der Kinder Israel feststellte (5. Mo
32,8), und so wie Er Israel den Mittelpunkt (eigentlich „Nabel") der
Erde nennt (Hes 38,12; vgl. 5,5), so
ist die Erde der moralische Mittelpunkt des Weltalls. Das weitere von 1.
Mose 1 beschäftigt sich denn auch vornehmlich mit der Erde, und mit dem
Himmel lediglich in seiner Bedeutung für die Erde als zukünftige
Wohnstätte für den Menschen (Verse 14-18).
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Das will jedoch nicht sagen, daß die Bibel auch nur irgendwo lehrt, die
Erde sei zugleich der kosmographische Mittelpunkt des Weltalls. Die
Theologen in den Tagen des Kopernikus dachten das*), aber die
Modernisten in unseren Tagen scheinen es immer noch zu denken!
*) Hier muß mit einem Irrtum aufgeräumt werden. Es ist durchaus nicht
so, daß Männer wie Kopernikus und Galilei bekämpft wurden, weil die
Kirche damals die Bibel wörtlicher auslegte. Das Weltbild der damaligen
Kirche (16. Jahrh., Anfang des 17. Jahrh.) war nämlich absolut nicht auf
die Bibel gegründet, sondern auf die alten Lehrsätze von Plato und
Aristoteles, die durch Augustinus (ca. 400) und vor allem durch Thomas
von Aquino (ca. 1250) übernommen und der herrschenden kirchlichen
Philosophie angeoaßt worden waren.
Sie unterschieben der Bibel ein falsches, überaltertes Weltbild und
holen es dann triumphierend wieder hervor, um zu beweisen, daß die Bibel
veraltet und unwahr sei. Sie sagen, die Bibel lehre, die Erde sei flach
und ruhe auf Pfeilern, mit dem Weltozean darunter und dem Himmel darüber
als halbkugelförmiger Kuppel. Aber die Bibel lehrt nichts von diesem
Unsinn. Erstens lehrt die Bibel schon überhaupt keine Kosmographie,
sondern nennt nur gewisse kosmographische Tatsachen, wenn sie dem
beabsichtigten Zweck dienen. Zweitens spricht die Schrift deutlich von
einer kugelförmigen Erde (Jes 40,22; das Wort „Kreis" ist als etwas
Gewölbtes aufzufassen, wie dasselbe Wort in Hiob 22,14 zeigt; vgl. dort
die englische JND-Übersetzung), die frei im Himmelsraum hängt (Hiob
26,7b). Drittens dürfen wir nicht vergessen, daß wir in den poetischen
Büchern eine blumenreiche Bildersprache finden, die mit einem veralteten
Weltbild nichts zu tun hat. Wenn ein heutiger Dichter von dem Himmel als
einer „Kuppel von Azur" sprechen würde, dann wäre doch niemand so naiv,
diesem Dichter vorzuwerfen, er sei dumm und überholt?
Außerdem scheint man diese biblische Bildersprache oft einfach verkehrt
verstehen zu wollen. Wenn der Dichter von den „Grundfesten" oder
„Pfeilern" der Erde spricht (Ps 104,5; Hiob 38,4-6), ist es dann nicht
naiv zu denken, der Dichter lehre damit, die Erde sei eine platte
Fläche, die auf Pfeilern ruhe? Ist es nicht logischer, an die Fundamente
der Erde zu denken, nämlich die harten Erstarrungsgesteine, auf denen
die
Seite 32
Erdschichten ruhen? Ich sage natürlich nicht, daß der Dichter daran
gedacht oder das gemeint habe, sondern daß der Sprachgebrauch der
Schrift Raum läßt für eine spätere wissenschaftliche Auslegung der
benutzten Ausdrücke. Die biblischen Schreiber mögen zwar nicht unsere
Kenntnis gehabt haben, aber Gott, der sie inspirierte, ist allwissend,
und E r sorgte dafür, daß sie sich vollkommen ausdrückten - was von
unseren Naturwissenschaftlern leider nicht gesagt werden kann. Ein
anderes Beispiel sind die Lebewesen in den Wassern unter der Erde (s. z.
B. 2. Mo 20,4; 5. Mo 4,18). Man kann böswillig behaupten, die Bibel
lehre, unter dem Erdboden seien Wasser, in denen Fische schwämmen. Aber
darf ich mir dann die Frage erlauben, wieso den Israeliten verboten
werden konnte, von mysteriösen Fischen unter der Erde Abbilder zu
machen, wenn sie solche Fische noch nie gesehen hatten, weil diese
Wasser nur Fabeln waren? Auch hier ist die Bedeutung klar und einfach;
so wie wir sagen, daß jemand unten an einem Berg oder unterhalb eines
Berges wohnt (ohne dabei zu meinen, er wohne unten i n dem Berg), so
sagt die Bibel, daß die Wasser (die Meere) unter der Erde seien, das
heißt, daß der Wasserspiegel niedriger ist als die Erdoberfläche. Wir
werden das bei 1. Mose 1,9. 10 deutlich sehen.
Noch einen dritten Ausdruck gibt es, über den die Modernisten lächeln,
nämlich „der die Himmel ausspannt gleich einer Zeltdecke",
oder „der die Himmel ausgespannt hat wie einen Flor" (Ps
104,2; vgl. Jes 40,22b). Selbst wenn dieser Text wirklich sagen sollte,
der Himmel sei wie ein Zelt über der Erde ausgespannt, selbst dann wäre
gegen diese poetische Bildersprache nichts einzuwenden. Aber wenn wir
bedenken, daß die Erde nicht flach, sondern kugelförmig ist (Jes 40,22),
dann ist die Atmosphäre - denn das bedeutet „Himmel" hier, wie das
Tätigkeitswort „ausspannen" und der Vergleich mit 1. Mose 1,6-8 anzeigt
- in der Tat eine Art Mantel um die Erde herum! Manche denken bei diesem
Vers auch daran, daß die Atmosphäre um die Erde herum so dünn und zart
ist wie ein ausgespannter Flor, ein hauchdünner Schleier. Siehe später
bei Vers 6.
Dies gibt Veranlassung zu einer weiteren Bemerkung über die Worte
„Himmel" und „Erde". Wenn wir in 1. Mose 1
Seite 33
sorgfältig lesen, dann sehen wir, daß beide Wörter in einer doppelten
Bedeutung vorkommen: in einer engeren und weiteren. In den Versen 6-8
wird das, was „ausgespannt" ist zwischen den Wassern über der Erde (den
Wolken) und den Wassern auf der Erde, also die Atmosphäre, „Himmel"
genannt. Aber in Vers l wird der ganze Raum außerhalb der Erde mit dem
Wort „Himmel" bezeichnet. Das ist wissenschaftlich durchaus zu
verantworten, denn unsere Atmosphäre ist gegen den Raum außerhalb nicht
scharf abgegrenzt. Die Luftschichten um die Erde herum werden nach außen
hin immer dünner und dünner, bis sie zuletzt übergehen in den
unglaublich feinen „Dampf", der im ganzen Raum hängt, die sogenannte
interstellare Materie.
Etwas Ähnliches haben wir bei dem Wort „Erde". In Vers 10 wird das
Trockene „Erde" genannt, im Unterschied zu den Meeren. Aber in Vers l
haben wir die ausgedehntere Bedeutung, denn da wird die ganze Erdkugel
„Erde" genannt, und das während die ganze Erde noch mit Wasser bedeckt
war! Das ist eigentlich recht merkwürdig. In Vers 10 wird die „Erde" von
den Wasser unterschieden, aber obwohl in Vers l und 2 bislang nur Wasser
zu sehen sind, wird doch von „Erde" gesprochen. Das zeigt, daß die Bibel
sich nicht nach den alten Philosophen richtet, die behaupteten, die Erde
treibe auf dem Weltozean oder die Erde sei aus dem Wasser entstanden.
Sondern in der Bibel sehen wir, daß die eigentliche Masse der Erde der
„Boden" oder „Grund" ist, und nicht das Wasser, ja, daß die Erde nicht
auf dem Wasser treibt, sondern daß im Gegenteil die Wasser auf dem
Erdboden ruhen, denn in Vers 9 erhebt sich der Erdboden über das Wasser.
Ich wiederhole : Die Bibel lehrt dies alles nicht, aber die Bibel lehrt
noch viel weniger ein altes, heidnisches Weltbild, das überholt ist. Die
Bibel lehrt überhaupt keine Kosmo- oder Geographie, aber wenn die Bibel
über derartige Dinge spricht, dann mag das kurz sein, oder subjektiv
oder poetisch - und dann müssen wir das berücksichtigen - aber immer
schließt sich die wissenschaftliche Forschung dem wunderbar an.
Wir haben also erstens den Himmel als Firmament und dann den Himmel als
Weltraum, also den Wolkenhimmel und
Seite 34
den Sternenhimmel. Dies zusammen bildet den geschaffenen, materiellen
Himmel. Darüber hinaus spricht die Schrift auch noch von einem nicht
materiellen Himmel. Das ist der Ort, wo die Engel wohnen, wo die
Entschlafenen sind, wo der Thron Gottes steht und wohin auch wir in
Christus versetzt sind. Ein Bild hiervon haben wir in der Stiftshütte.
Der Vorhof ist der Ort, wo der Altar stand; das ist das Kreuz, an dem
Christus zwischen Himmel und Erde hing, erhöht von der Erde, im Weltall
hängend, dem „ersten Himmel". Die Stiftshütte selbst ist ein Bild des
nicht-materiellen Himmels. Das Heilige ist der „zweite Himmel", das sind
die himmlischen örter im Epheserbrief; alles spricht da von unserer
Stellung und unserem Wandel in den himmlischen örtern. Dort sind auch
die Engel, und dort hat auch der Satan Zutritt (vgl. Hiob 15,15). Das
Allerheiligste ist der „dritte Himmel" (2. Kor 12,2-4). Dort steht der
Thron Gottes, dort ist das Paradies, wo die Entschlafenen sind. Da hat
Christus, der als der wahre Hohepriester „durch die Himmel gegangen ist"
(Heb 4,14), das Blut auf den Versöhnungsdeckel gesprengt, und da haben
wir im Geiste den freien Zugang, weil der Vorhang zerrissen ist (Heb
10,19-22), so daß der zweite und der dritte Himmel nun ein Ganzes bilden
(wenn auch ein Unterschied bestehen bleibt). Darum kann jetzt auch
gesagt werden, daß der Thron Gottes in den himmlischen örtern steht (Eph
1,20). Im Alten Testament wird die Wohnstätte Gottes manchmal „Himmel
der Himmel" genannt (vgl. 5. Mose 10,14; 1. Kön 8,27; 2. Chr 2,6; 6,18).
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Und die Erde war wüst und leer (eigentlich „Wüstheit
und Leere"), und Finsternis war über der Tiefe (eigentlich
„Wassertiefe", s. Fußnote Elberfelder Übersetzung), und der Geist Gottes
schwebte über den Wassern." (Vers 2)
Hier beginnen die Probleme der Auslegung erst richtig. Es ist für die
weitere Erklärung von 1. Mose 1 ganz entscheidend, wie man diesen Vers
auslegt. Die große Frage bei diesem Vers ist ja, ob der Zustand, der
hier beschrieben wird, der ursprüngliche Zustand der Erde ist (also so,
wie die Erde in Vers l geschaffen wurde), oder ob die Erde ursprünglich
in einem Zustand der Herrlichkeit geschaffen wurde und erst später in
einen Zustand der Wüstheit und Leere geriet. Diese zweite Auffassung
vertraten schon verschiedene alte Kirchenväter wie Justinus der
Märtyrer, Basilius, Origenes und Augustinus. Calwin verwarf sie jedoch,
und die meisten protestantischen Theologen sind ihm hierin gefolgt, mit
wenigen Ausnahmen, wie dem Lutheraner Franz Delitzsch. Ich hoffe aber zu
zeigen, daß die alten Kirchenväter ganz entschieden recht hatten. Dann
erhebt sich natürlich die Frage, was die Ursache gewesen ist, daß die
Erde in einen derartigen Zustand von Verfall geriet, wie er in Vers 2
beschrieben wird. Es ist unmöglich, diese Frage mit dogmatischer
Bestimmtheit zu beantworten, weil die Schrift hierüber wenig mitteilt.
Doch hoffe ich wohl zeigen zu können, daß viel dafür spricht, daß dieser
Zustand der Wüstheit und Leere durch den Fall Satans verursacht worden
ist. Auch dieser Gedanke ist schon sehr alt. Es ist interessant, daß er
sogar in den königlichen Gesetzen des Königs Edgar von England (10.
Jahrh.) vorkommt und noch früher in dem biblischen Gedicht des
englischen Barden Caedmon (7. Jahrh.), obwohl dieser den Fall Satans mit
Judas Vers 9 in Verbindung bringt, was nicht richtig ist.
Noch ein weiteres Problem müssen wir näher in Augenschein nehmen. Das
ist allerdings hauptsächlich ein naturwissenschaftliches Problem, aber
da es bei jeder Besprechung von 1. Mose 1-11 auftaucht und häufig zu
einer falschen Schriftauslegung führt, müssen wir ausführlich darauf
eingehen. Wir wissen nämlich, daß die harte kristalline Unterlage der
Erdkruste (das sogenannte Erstarrungsgestein) mit sogenannten
Ablagerungsgesteinen bedeckt ist, d. h. Gesteinen, bestehend aus den
Materialien Sand, Kreide, Kalk usw., die durch Wind, Eis und vor allem
strömendes Wasser auf der Unterlage abgesetzt worden sind und einige
Dezimeter bis einige Kilometer dick sein können. In vielen dieser
sogenannten „Erdschichten" sind Milliarden von Fossilien gefunden
worden, d. h. versteinerte Reste aller möglichen Arten von Organismen,
die teilweise ausgestorben sind und teilweise noch vorkommen. Die
weitaus meisten Geologen glauben, es seien Millionen von Jahren nötig
gewesen, diese Erdschichten zu bilden. Diesen Glauben haben sie nicht
immer gehabt. Bis 1800 glaubten praktisch alle Geologen, die
Erdschichten und die darin vorkommenden Fossilien seien alle oder zum
Teil durch die Sintflut gebildet worden. Auch bei dem jüdischen
Gelehrten Philo und bei den alten Kirchenvätern Tertullian,
Chrysostomus, Augustinus und bei Luther finden wir diesen Gedanken.
Mit den Theorien des Barons Georges Cuvier wandelte sich diese Ansicht
völlig. Cuvier glaubte, eine Sintflut habe nicht imstande sein können,
alle Erdschichten zu formen, und lehrte daher, es habe eine große Anzahl
Katastrophen stattgefunden, von denen die Sintflut die letzte gewesen
sei. Sein Nachfolger, Alcide d'Orbigny, lehrte sogar, jeder dieser
Katastrophen sei eine völlig neue Schöpfung tierischen Lebens gefolgt.
Wann sollten diese Dutzende von vorsintflutlichen Katastrophen
stattgefunden haben? Dr. Thomas Chalmers, ein Theologe in England,
verkündigte schon 1814, der Platz für diese Katastrophen müsse zwischen
Vers 1 und 2 von 1. Mose 1 gesucht werden. Diese schrecklichen
Umwälzungen, bei denen Millionen von Organismen umkamen und in den bei
diesen Katastrophen gebildeten Erdschichten begraben wurden, sollten
dann zu dem Zustand des Verfalls geführt haben, der in 1. Mose 1,2
beschrieben wird. Es dauerte nicht lange, und auch
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die Sintflut verlor ihre Stellung als letzte Katastrophe und wurde
degradiert zu einer zwar universalen Überschwemmung, die jedoch keine
großen geologischen Folgen hatte. Diese Theorie wurde zum erstenmal im
Jahre 1826 durch den schottischen Prediger John Fleming publiziert. Die
Auffassung, daß die Erdschichten zwischen Vers 1 und 2 von 1. Mose 1
gebildet worden sein sollten, wurde in England unter den Theologen
außerordentlich populär und wird durch verschiedene orthodoxe
Schriftausleger noch immer aufrechterhalten. Der Gnadenstoß wurde der
Sintflutgeologie durch den Theologen John Pye Smith versetzt, der von
1839 an lehrte, die Sintflut sei nichts anderes als eine örtliche
Überschwemmung im Mittleren Osten gewesen. Und das ist heute die
Überzeugung der meisten Theologen.
Kaum hatten jedoch die Theologen die Auffassungen von Cuvier, Chalmers
und Fleming akzeptiert, da schworen die Geologen diesen Theorien ab und
tauschten dagegen die Lehren von Sir Charles Lyell (1830) ein. Dieser
verwarf alle Katastrophen und lehrte, die Erdschichten seien allmählich
entstanden, nach genau denselben Prozessen, die wir auch heute in der
Natur beobachten. Dieser Gedanke des sogenannten Aktualismus, der noch
immer die Grundlage der historischen Geologie bildet, eroberte die
wissenschaftliche Welt im Sturm, ja so rasch, daß z. B. der Geologe
William Buckland von Oxford, der noch 1823 die Sintflut (die er Diluvium
nannte) als die letzte einer Reihe von weltweiten Katastrophen
beschrieb, dies schon 1836 öffentlich widerrief. Die „Unsterblichkeit"
des Aktualismus-Gedankens wurde durch die Tatsache garantiert, daß im
Jahre 1859 Charles Darwin seine Evolutionslehre auf dieses Prinzip
gründete, wie er auch dankbar anerkannte. Würde der Aktualismus
wegfallen, würde damit auch die Evolutionslehre zusammenbrechen. Ist
dieses Prinzip denn eine bewiesene 221 Sache? Weit gefehlt! Die Lehre,
daß die Erdschichten nicht durch Katastrophen entstanden seien, wird -
wie wir sehen werden - durch die Tatsachen immer mehr Lügen gestraft.
Aber der Aktualismus und die Evolutionslehre sind unausrottbar, solange
es Materialisten gibt, denn die einzige Alternative: Schöpfung und
Sintflut, ist für sie unannehmbar. Nicht daß ihre Theorien moderner
wären; im Prinzip sind ihre Dogmen dieselben wie die von Aristoteles,
nicht nur was die organische Evolution betrifft (wie wir bei Vers l
gesehen haben), sondern auch was die geologische Geschichte der
Erdkruste angeht. Das Kommen des Christentums vertrieb diese Lehren zum
großen Teil, bis die Modernisten im vorigen Jahrhundert dem christlichen
Glauben Lebewohl sagten und zum Heidentum zurückkehrten.
Aus Vorstehendem kann man ableiten, daß es unter den christlichen
Wissenschaftlern und Theologen seit dem vorigen Jahrhundert vier
verschiedene Auffassungen über die Entstehung der Erdschichten gibt. Die
meisten von ihnen hängen leider einer theistischen Entwicklungslehre an,
die ich vorstehend zu widerlegen gesucht habe, und akzeptieren also auch
den Aktualismus vollkommen. Die übrigen drei Auffassungen sind:
1. Die Erdschichten sind zwischen 1. Mose 1,1 und 1,2 entstanden. Diese
Auffassung findet man gegenwärtig z. B. in den Erläuterungen der
Scofield Reference Bible und in den Schriften verschiedener „Brüder".
2. Die Schöpfungstage sind als enorm lange geologische Perioden
aufzufassen, während welcher die Erdschichten gebildet wurden. Diese
Auffassung finden wir schon bei Cyprian (ca. 250). Sie ist im vorigen
Jahrhundert durch die Schriften von u. a. Hugh Miller und F. Bettex
bekannt geworden und wird im Augenblick durch christliche
Naturwissenschaftler wie Walter J. Beasley vertreten.
Ich glaube, daß wir beide Auffassungen auf Grund von Gegebenheiten der
Schrift verwerfen müssen, wie ich zu zeigen hoffe. Außerdem sind sie
ganz und gar nicht mit der modernen Naturwissenschaft in Einklang zu
bringen, wie man oft optimistisch hofft und wozu man sie auch
aufgestellt hat! Es bleibt also die
3. Auffassung übrig, nämlich, daß die Erdschichten größtenteils durch
die Sintflut entstanden sind.
Ich werde hierfür Argumente sowohl der Schrift als auch der
Naturwissenschaft
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anführen und es dann dem kompetenten Leser überlassen, zwischen den
vorgestellten Auffassungen eine schriftgemäße Wahl zu treffen.
Glücklicherweise haben viele christliche Maturwissenschaftler sich für
die Sintflut-Auffassung entschieden. Im vorigen Jahrhundert hielten
christliche Fachleute wie Kirby, Fairholme, Young, Twemlow und Bosizio
und sogar Ungläubige wie Howorth an dieser Auffassung fest und
widerstanden der Lyellschen Theorie. Zu Beginn unseres Jahrhunderts
wurde vor allem George McCready Price als gläubiger Sintflut-Geologe
bekannt. Zum Schluß nenne ich einige zum größten Teil neuere Werke von
gläubigen Gelehrten, die die Sintflut-Auffassung vertreten:
Sehr zu empfehlen: (Diese
Bücher sind zu haben bei
Uit het Woord der Waarheid,
Winschoten/Nederland)
John C. Whitcomb & Henry M. Morris: The Genesis Flood (1961) (Dieses
Buch wurde in den USA ein Bestseller)
Alfred M. Rehwinkel: The Flood
(1951). (Dieses Buch erschien
unlängst in holländischer Übersetzung unter dem Titel „De
Zondvloed")
Mit Vorbehalt zu empfehlen:
Harold W. Clark: Fossils, Flood and Fire (1968)
Donald W. Patten: The Biblical Flood and the Ice Epoch (1966).
Wir wollen nun die genannten Probleme näher ins Auge fassen. Dabei
möchte ich kurz und Punkt für Punkt die Richtigkeit der folgenden
Ansicht aufzuzeigen versuchen:
I. Die Erde ist nicht wüst und leer geschaffen, sondern so geworden,
vermutlich durch den Fall Satans.
II. Die Erdschichten wurden nicht zwischen 1. Mose 1,1 und 1,2 gebildet.
III. Die geologische Zeittafel, die Millionen von Jahren für die Bildung
der Erdschichten ansetzt, ist sehr anfechtbar.
IV. Die Theorie, daß die Schöpfungstage enorme geologische Perioden
darstellen, ist sinnlos und unhaltbar.
V. Die Schöpfungstage sind gewöhnliche, irdische Tage.
VI. Die Erdschichten wurden wahrscheinlich durch die Sintflut
gebildet.
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Ia. Argumente dafür, daß 1. Mose 1,2 nicht den ursprünglichen Zustand
der Erde wiedergibt.
1.
Wenn die Erde wüst und leer geschaffen worden wäre, dann wäre Vers 2
eine Beschreibung der Erde in Vers 1. Aber der Ausdruck „Himmel und
Erde" deutet nirgendwo in der Schrift auf ein ungeordnetes Urchaos,
sondern immer auf den geordneten Weltraum, wie wir ihn kennen. Der
Gedanke, daß die Erde aus einem Urchaos (ungeordnete Materie) entstanden
sei, spielt nicht nur in der modernen Astronomie und Geologie eine große
Rolle, sondern kommt schon in allen alten Mythologien vor und ist also
heidnisch. Nur die Bibel macht eine Ausnahme; sie beginnt nicht mit
einem Chaos, das geordnet wird, sondern mit einer vollkommenen,
geordneten Erde, die wüst und leer wird.
2.
In Hiob 38,7 steht, daß die Engel bei der Grundlegung der Erde (d. h. 1.
Mose 1,1) jubelten; hätten sie das getan, wenn sie nichts als Wüstheit
und Leere angeschaut hätten?
3.
Daß Vers 2 nicht den Zweck hat, den ursprünglichen Zustand von „Himmel und
Erde", wie sie in Vers l geschaffen wurden, zu beschreiben, ist auch
daraus zu ersehen, daß in Vers 2 ausschließlich von der Erde gesprochen
wird und nicht vom Himmel. Nur von der Erde wird gesagt, daß sie wüst
und leer war, so daß der Himmel es offenbar nicht war. Die Finsternis
war über der Wassertiefe, nicht im ganzen Weltall. Es steht auch nicht
da, daß Gott am ersten Tag das Licht schuf, sondern Er rief es von
anderswoher auf die Erde. Nur auf der Erde herrschte in Vers 2 also ein
Chaos, und muß dorthin also erst später gekommen sein.
4.
Die Verfechter der Ansicht, daß Vers 2 den Zustand des in Vers 1
Geschaffenen beschreibt, behaupten häufig, Vers 1 sei also gewissermaßen
eine Überschrift über 1. Mose 1, die angebe, daß Gott Himmel und Erde
schuf, wonach die folgenden Verse beschreiben würden, wie Er es tat. Es
gibt jedoch einen ganz einfachen Hinweis dafür, daß dies falsch ist,
nämlich das Wörtchen „und" zu Beginn von Vers 2. Dies deutet ein neues
Ereignis an, das auf das vorhergehende folgt. Jeder Vers in 1. Mose 1
beginnt mit diesem Wörtchen, und immer leitet es eine neue Phase ein.
Sollte Vers 2 dann eine Ausnahme sein? Es ist deutlich, daß Vers 2 eine
neue Situation beschreibt, unterschieden von Vers 1. Dort sind Himmel
und Erde erschaffen, hier ist die Erde dann wüst und leer. Daß „und"
außerdem oft den Sinn von „dann" oder „danach" hat, sehen wir z. B. aus
1. Mose 2,8. 21; 3,7. 13 usw. Oft hat dies Wörtchen auch die Bedeutung
eines Gegensatzes („aber"); vergleiche 1. Mose 1,30; 2,17. 20 b; 3,3.
Wenn Vers l eine Überschrift sein sollte, würde Vers 2 nicht mit „und"
beginnen. Das ist aus den vielen Stellen zu ersehen, wo es sich wohl um
eine Überschrift handelt und wo der folgende Satz nicht mit „und"
beginnt, wie in 1. Mose 5,1; 6,9; 25,19;
37,2.
5.
Daß wir es mit einem neuen Ereignis zu tun haben, das auf das von Vers l
folgt, ist auch aus dem Vorhandensein des selbständigen Zeitwortes
(„war") zu schließen. Dieses Wort, das im Hebräischen viel mehr ist als
ein Hilfszeitwort, deutet einen vergangenen Zustand an im Vergleich zu
dem, was folgt, einen Zustand jedoch, der nie gleichzeitig ist mit dem,
was im Text voraufgeht. Wenn es die Absicht gewesen wäre, uns den
Zustand der Erde aus Vers l zu beschreiben, hätte dieses Zeitwort sicher
gefehlt, wie es im Hebräischen sehr häufig der Fall ist. Dies sieht man
deutlich aus den folgenden Satzteilen von Vers 2, wo das Zeitwort
tatsächlich fehlt, weil es da um Zustände geht, die mit dem ersten Teil
von Vers 2 zeitlich parallel laufen: „Und die Erde war
wüst und leer, und Finsternis (war) über der Tiefe; und der Geist Gottes
(war) schwebend über den Wassern". Ebenso: „Gott
sah, daß (es) gut (war)" (Verse 4. 10. 12 usw.). Weil
„war" also etwas bezeichnet, das auf das Vorangegangene folgt, hat es
häufig den Sinn von „wurde" oder „ist geworden" oder „war geworden", und
das nicht nur in 1. Mose 1,2, sondern wohl zwanzigmal hat „war" in 1.
Mose 1 den Sinn von „wurde" oder „ward". In der Elberfelder Bibel ist es
auch meistens so übersetzt, siehe z. B. die Verse 3,7,9,11,15, siehe
auch 1. Mose 2,7; 4,2; 19,26. Die Aramäische und die Griechische
(Septuaginta) Übersetzung des Alten Testamentes haben meistens auch „war
geworden".
6.
Der Ausdruck „Wüstheit und Leere" (es sind in der Tat Hauptwörter und
nicht Eigenschaftswörter) kommt außer hier nur noch zweimal im Alten
Testament vor, nämlich in Jesaja 34,11 und in Jeremia 4,23. Es ist sehr
bedeutsam, daß an beiden Stellen die Wüstheit und Leere einen Zustand
von Verfall andeuten, der die Folge des Gerichtes Gottes ist. In Jesaja
34 lesen wir, daß Gott „die Meßschnur der Öde und das
Senkblei der Leere" über Edom zieht wegen ihrer
Sünden. Und in Jeremia 4 schildert der Prophet das Land, nachdem es
wegen der Sünden Israels verwüstet ist: „Ich schaue die
Erde an, und siehe, sie ist wüst und leer; und gen Himmel, und sein
Licht ist nicht da". Nun möchte ich fragen: Sollte die
Wüstheit und Leere in 1. Mose 1,2 dann nicht die Folge von Verfall und
Verderben sein, die - um welcher Ursache willen auch immer - eingetreten
sein muß? Für jeden, der weiß, wie genau und konsequent der Wortgebrauch
der Schrift ist (inspiriert durch einen Geist), ist dies keine Frage.
Das Wort für „Leere" (bohu) kommt
sonst im Alten Testament nicht vor, aber „Wüstheit" (tohu, abgeleitet
von „erschreckt", „in Bestürzung versetzt werden") findet man an noch
vielen anderen Stellen in Verbindung mit Verfall und Verderben, oft als
Folge von Gericht; siehe z. B. 5. Mo 32,10; Hi 26,7; Jes 24,10; es ist
der Ort, wo kein Weg ist (Hiob 6,18; 12,24; Ps 107,40). Wenn wir diese
Stellen genau untersucht haben, können wir dann noch meinen, Vers 2
stelle uns die Erde so vor, wie sie aus der Schöpferhand Gottes
hervorgegangen ist? Hinzu kommt noch, daß es eine Stelle gibt, die dies
ausdrücklich verneint. Jesaja 45,18 sagt wörtlich, Gott habe die Erde
nicht „als eine Öde (tohu) geschaffen",
sondern „um bewohnt zu werden, hat er sie gebildet "(siehe dazu
auch Ic 4).
7. 1. Mose 1,2 spricht sodann von „Finsternis", und auch dies ist ein
Begriff, der stets mit Bösem und Gericht in Verbindung steht. Siehe z.
B. Hiob 10,22; Ps 107,10; Jes 9,1 und vor allem im Neuen Testament: Mt
27,45; Lk 22,53; Joh 1,5; Eph 4,18; 5,11. 13; 1. Pet 2,9.
Seite 43
8. Die „Wassertiefe", die dann in unserem Vers genannt wird, hat in der
Schrift fast immer eine ungünstige Bedeutung. Es ist die unermeßlich
tiefe Wassermenge („der Abgrund"), die die Erde bedeckte und die in Vers
6 einen Gegensatz zu der unermeßlich hohen Ausdehnung bildet (vgl. 1. Mo
49,25; 5. Mo 33,13). Es sind diese ungeheuren Wassermengen (Ps 33,7),
mit denen Gott später in den Tagen Noahs die Erde zum Gericht bedeckte
(1. Mo 8,2; Ps 104,6), mit denen Er auch Tyrus verwüstete (Hes 26,19)
und in die Er den Überrest bringen (Ps 42,7) und aus denen Er ihn
erlösen wird (Ps 71,20).
9. Der Geist Gottes schwebte über den Wassern. Auch die Aktivität des
Geistes finden wir in der Schrift gerade sehr häufig in Verbindung mit
einem Zustand der Verdorbenheit (vgl. Ps 104,29. 30). Es soll uns sicher
nicht nur mitgeteilt werden, daß auch der Heilige Geist beim
Schöpfungswerk beteiligt war; nein, der Geist ist hier aktiv, weil in
diesem verfallenen Zustand der Erde ein erneuerndes und
wiederherstellendes Werk getan werden muß. Es ist dieser selbe Geist,
der in dem Tal der dürren Totengebeine wehen und die Getöteten anhauchen
wird, damit sie lebendig werden (Hes 37,1. 9. 10. 14). Auch dort ein
Zustand von Tod und Verderben, wo der Geist neues Leben weckt. Und ist
es so nicht auch in der Wiedergeburt? War unser Zustand von Natur nicht
auch ein Zustand der Wüstheit und Leere und eines verfinsterten Gemütes?
In diesem Zustand hat der Geist Gottes begonnen zu wirken: „Der Wind (=
Geist) weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht,
woher er kommt, und wohin er geht; also ist jeder, der aus dem Geist
geboren ist" (Joh 3,6. 8). (Sowohl im Hebräischen als im Griechischen
gibt es ein Wort, das sowohl „Wind" als auch „Geist" bedeutet).
10. Zum Schluß: der Geist „schwebte". Das ist ein merkwürdiges Wort. Es
kommt sonst im Alten Testament nur zweimal vor, aber das ist
ausreichend, um die Bedeutung zu verstehen. In Jeremia 23,9 steht, daß
die Gebeine des Propheten „schlotterten"; dies war ein Zittern, das
durch einen Zustand großer Verdorbenheit (der Propheten) und durch
Gottes Gericht verursacht war. Das zweite Mal kommt das Wort in einer
Intensiv-Form vor (dieselbe Form wie in 1. Mo 1,2)
in 5. Mose 32,11. Vers 10 beschreibt da Israel in der „Wüstheit" (tohu), aber
Jehova leitete sie von dort hinaus, „wie ein Adler sein
Nest aufstört, über seinen Jungen schwebt, seine Flügel ausbreitet, sie
aufnimmt, sie trägt auf seinen Schwingen". Hier wird
das Wort also gebraucht für einen Vogel, der über seinen Jungen
„schwebt" zum Schutz gegen Bedrohung und Fallen. Die Grundbedeutung des
Wortes ist „hin und her bewegen", daher „schlottern" in Jeremia 23 und
„schweben" (eigentlich „flattern") in 5. Mose 32 und 1. Mose 1. In allen
drei Fällen ist es eine Aktivität voller Bewegung als Folge von Gericht
und/oder als Schutz vor dem Verderben. Gibt das nicht ein schönes Bild
von dem Wirken des Geistes in unserem Vers? Seine Aktivität ist die
Folge des Verderbens, in dem die Erde sich befindet, sie dient aber
zugleich dazu, weiterem Verderben entgegenzutreten und die Erde zu
beschützen und zu erneuern. Wie ein Vogel seine Flügel beschützend über
seine Jungen ausbreitet (vgl. Mt 23,37), so schwebt der Geist Gottes
über den Wassern. Es ist nicht „hin und her schweben", wie der Wind
weht, sondern „auf und nieder schweben", wie der Vogel über seinen
Jungen. Einige haben in Anlehnung an die Bedeutung eines verwandten
syrischen Wortes gemeint, das Wort habe die Bedeutung von „brüten", aber
diese Erklärung findet in dem Gebrauch des Wortes in der Schrift keine
Stütze.
Seite 45
Ib. Argumente dafür, daß der Zustand von 1. Mose 1,2 durch den Fall
Satans verursacht wurde.
1. Hierfür muß erst klar sein, daß der Satan vor Vers 2 geschaffen
wurde. Der Satan war ursprünglich ein „schirmender Cherub" (Hes 28,16)
und gehörte also zu den Engeln, die - wie der Satan selbst (Hes 28,15) -
durch Gott den Sohn geschaffen wurden (Kol 1,16). Diese Engel müssen vor
1. Mose 1,1 geschaffen worden sein, denn bei der Grundlegung der Erde
jubelten die „Morgensterne" und die Söhne Gottes (Hiob 38,7), das
sind die Engel (Hiob 1,6; 2,1). Der Satan war ursprünglich auch ein
„Morgenstern" (Jes 14,12), 243 also ein glänzender Lichtträger (vgl. 2.
Kor 11,14). Wir dürfen daher wohl folgern, daß, als die Erde geschaffen
wurde, der Satan schon geschaffen, aber noch nicht gefallen war.
2. Vermutlich war die Erde, ehe Satan zu Fall kam, der
Herrschaftsbereich Satans. Die Tatsache, daß manche Engel „Morgensterne"
genannt werden, scheint anzudeuten, daß sie über Himmelskörper gesetzt
sind. Jedenfalls hat der Satan auch nach seinem Fall noch immer einen
starken Einfluß auf die Erde. Er konnte mit Recht sagen, daß alle Reiche
des Erdkreises mit all ihrer Macht und Herrlichkeit ihm übergeben waren
(Lk 4,5. 6). Einige seiner Teufel (oder Dämonen, die „Engel Satans",
vgl. 2. Kor 12,7) sind über bestimmte Gebiete der Erde bestellt und
werden „der Fürst des Königreiches Persien", „der Fürst von
Griechenland" usw. genannt (Dan 10,13. 20). Der Satan durchstreift auch
beständig sein Gebiet (Hiob 1,7; 2,2). Seit dem Kreuz wird er der „Fürst
dieser Welt" oder „dieses Zeitlaufs" (Joh 12,31; 14,30; 16,11) und der
„Gott dieser Welt" genannt (2. Kor 4,4). Es scheint daher auf der Hand
zu liegen, daß auch vor seinem Fall die Erde sein Herrschaftsbereich war
und daß sie durch seinen Sturz in Verfall geriet.
3. Der Fall Satans wird in den Weissagungen über den König von Babel
(Jes 14,12-15) und den König von Tyrus (Hes 28,11-19) deutlich
beschrieben. Hinter diesen Königen wird der Satan als ihr böser Geist
gesehen. Als dann auch ihr Untergang beschrieben wird, geht der Prophet
in seiner Beschreibung viel weiter, als je auf diese Könige anwendbar
sein kann, und weist er zurück auf den Fall dessen, der sie beseelte.
Nun ist es sehr bemerkenswert, daß beide Weissagungen mitteilen, daß der
Satan nach seinem Hochmut (vgl. 1. Tim 3,6) aus dem Himmel geworfen und
auf die Erde hinabgestürzt wurde. Warum ausgerechnet auf die Erde?
Deutet das nicht auch darauf hin, daß der Satan vorher in einer
besonderen Verbindung mit der Erde stand und daß er durch seinen Fall
die Erde verdarb? Es erinnert uns stark an den zweiten Herrscher über
die Erde, Adam, dem auch die ganze Erde unterworfen war, der aber auch
durch Hochmut zu Fall kam (wodurch er in die Gewalt Satans geriet und
dieser seine alte Vorherrschaft über die Erde zurückgewann). Überdies:
auch der Fall Adams brachte genauso einen Zustand des Verfalls und
Verderbens für die Erde mit sich, und auch Adam wurde in gewissem Sinne
auf die Erde „geworfen", d. h. aus dem Garten Eden vertrieben auf einen
verfluchten Erdboden, um ihn zu bebauen.
4. Dieser Parallelismus ist bedeutsamer, als es vielleicht den Anschein
hat. Wenn doch die Schrift tatsächlich lehrt, daß die Erde nicht wüst
geschaffen, sondern wüst geworden ist - und das habe ich versucht
aufzuzeigen - dann muß die Schrift doch auch irgendwo den Schlüssel für
diesen Verfall der damaligen Erde enthalten. Nun, wir kennen in der
Schrift keine anderen Ursachen für das Böse und das Verderben als
erstens den Fall Satans und zweitens den Fall des Menschen. Beide
wahrscheinlich in derselben Stellung (Herrscher über die Erde), beide
durch dieselbe Sünde gefallen, beide wahrscheinlich mit vergleichbaren
Folgen für die Erde. Der Zustand von Vers 2 kann nicht durch den Fall
des Menschen verursacht sein, denn der Mensch war damals noch nicht da;
kann dieser Zustand dann durch irgend etwas anderes als durch den Fall
Satans verursacht worden sein?
5. Sehr wichtig ist auch, daß der Zustand der Erde in 1. Mose 1,2 uns
stark an den gefallenen Satan erinnert. Ich habe vorhin aufgeführt, wo
im Alten Testament „Wüstheit" (tohu) vorkommt,
aber jetzt muß ich ergänzend sagen, daß das Wort noch eine zweite, damit
verwandte Bedeutung hat, nämlich „Eitelkeit" oder „Nichtigkeit", siehe
Jesaja 29,21 (engl. Übers. JND), im Sinne von „gering" (Jes 40,17. 23;
44,9) oder „vergeblich" (Jes 45,19; 49,4), aber vor allem auch als
Bezeichnung für die nichtigen, eitlen Götzen (1. Sam
12,21; Jes 41,29; 59,4). Und wir wissen, daß Götzen nichts anderes sind
als Engel Satans (5. Mo 32,17; 1. Kor
10,20). In 1. Mose 1,2 wird also, um die Erde zu beschreiben, ein Wort
benutzt, das auch gebraucht wird, um Dämonen zu bezeichnen.
6. Auch die Finsternis ist von Bedeutung. Wir haben gesehen, daß der
Satan ursprünglich ein Lichtträger („Lucifer") war, ein Morgenstern, ein
Sohn der Morgenröte (Jes 14,12), bedeckt mit kostbarem Edelgestein und
wandelnd inmitten feuriger Steine (Hes 28,13. 14), ein Engel des Lichts.
Aber nach seinem Fall ist er der Weltbeherrscher der Finsternis
geworden, die geistliche Macht der Bosheit in den himmlischen örtern
(Eph 6,12). Sein war die Gewalt der Finsternis (Lk 22,53). Und alle, die
in seiner Macht sind, befinden sich in der Finsternis (Joh 3,19. 20;
8,12; Apg 26,18; Eph 5,8-11; Kol 1,13). Es liegt also auf der Hand, daß,
wenn der Fall Satans die Ursache für den Verfall der damaligen Erde ist,
dies auch bedeutet, daß sein Fall die Erde in tiefe Finsternis
versetzte.
Widerlegung von Einwänden gegen die in Ia und Ib genannten Argumente.
Einige behaupten, 1. Mose 1,1 sei ganz entschieden eine
Überschrift, weil gemäß 1. Mose 2,1-3 und 2. Mose 20,11 Himmel und Erde
nicht in einem Augenblick, sondern in sechs Tagen geschaffen worden
seien. Wer das behauptet, übersieht jedoch einen wesentlichen Punkt,
nämlich den Unterschied, den die Schrift macht zwischen „(er)schaffen"
und „machen". Wir lesen nirgends in der Schrift, daß Gott Himmel und
Erde in sechs Tagen geschaffen habe. Im Anfang schuf Gott Him
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mel und Erde, und in sechs Tagen machte Er sie, d. h. bereitete Er sie
zu. Dies wird in 1. Mose 2,3 sehr treffend ausgedrückt, wo wörtlich
steht „ ... all sein Werk, das Gott geschaffen hatte,
um (es) zu machen" (s. Fußnote engl. Übers. JND), d.
h. um es zuzubereiten und für den Menschen einzurichten. Vers l ist also
ein ganz gesondertes Geschehen, das dem Zustand in Vers 2 und dem Werk
der sechs Schöpfungstage voraufgeht. Ich habe bereits darauf
hingewiesen, daß das Wort „(er)schaffen" in 1. Mose 1 ferner nur
gebraucht wird, wenn es um ausgesprochen neue und einzigartige
Schöpfungen Gottes geht. Sonst steht immer „machen" oder „bilden" da.
2. Natürlich haben viele den Einwand vorgebracht, es liege absolut kein
echter Beweis dafür vor, daß die Erde durch den Fall Satans wüst
geworden sei. Aber das tut in Wirklichkeit überhaupt nichts zur Sache.
Worum es geht, ist, daß wir einsehen, daß der Vers klar macht, daß die
Erde nicht wüst geschaffen, sondern wüst geworden ist. Was die Ursache
dafür ist, darüber kann man verschiedener Meinung sein, aber das kommt
erst in zweiter Linie. Ich habe übrigens noch nie gehört, daß jemand
eine andere Ursache in der Schrift finden könnte als den Fall Satans.
3. Unsere Gegner sagen auch häufig, wir würden „vollkommen" und
„vollständig" miteinander verwechseln. Sie argumentieren: Alles was Gott
schafft und macht, ist vollkommen, aber es ist nicht immer sofort fix
und fertig; Er hätte in einem Augenblick die Erde fix und fertig
zubereiten können, aber es beliebte Ihm, sich sechs Tage damit zu
beschäftigen, so daß bei Beginn der sechs Tage die Erde noch ganz
ungeordnet und leer aussah. Aber diese Beweisführung ist unhaltbar.
Sollen wir wirklich annehmen, daß die wüste, leere, dunkle Erde in Vers
2 sich in einem vollkommenen, wenn auch unvollständigen Zustand befand?
Wir haben gesehen, daß „wüst" durchaus nicht „unvollständig" bedeutet,
sondern gerade „verdorben", als Folge von Sünde und Gericht. Ist das das
Bild eines vollkommenen Schöpfungswerkes Gottes?
4. Ebenso bringt man auch oft vor, Jesaja 45,18 wolle sagen, Gottes
schließliches Ziel mit der Erde sei gewesen, daß sie
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bewohnbar werde und nicht eine Wüste bleibe. Man sagt dann, der Vers
beziehe sich auf das Ende der sechs Schöpfungstage und nicht auf ihren
Anfang. Aber auch hier liest man nachlässig, was noch begünstigt wird
durch die Tatsache, daß der Vers oft falsch übersetzt wird. Es steht
nämlich durchaus nicht da (wie in manchen Übersetzungen), Gott habe die
Erde nicht geschaffen, auf daß sie eine Wüste sei. Sondern es steht da:
„Er hat die Erde nicht-tohu geschaffen", was man nur gut wiedergeben
kann, indem man übersetzt, „nicht a l s eine Öde (oder:
nicht öde) geschaffen" (wie die Elberfelder Übers,
auch richtig sagt). Das bedeutet nichts weniger als dies: Als die Erde
in 1. Mose 1 entstand, war sie keine Wüste; das war sie erst in Vers 2.
Wenn der Sinn von Jesaja 45,18 hätte sein sollen: „auf daß sie eine
Wüste sei", dann hätte dastehen müssen: letohu (die
Vorsilbe le- bedeutet „für" oder
„zu"), wie es in Vers 19 steht in der Bedeutung „zur Eitelkeit", d. h.
vergeblich. Das wird noch deutlicher, wenn wir sehen, daß wohl dasteht
„sondern zum Bewohnen (oder „um bewohnt zu werden"), hat er sie
gebildet". Hier konnte nicht stehen „als Wohn(stätte)", denn hier geht
es tatsächlich um das schließliche Ziel, das Gott mit dieser Erde hatte,
nämlich daß sie durch den Menschen bewohnt werden sollte. Dies wird
durch die Tätigkeitswörter bewiesen; zuerst 247 steht „(er)schaffen" da,
und wir haben bereits gesehen, daß die Erde in 1. Mose 1,1 geschaffen
wurde und nicht während der sechs Schöpfungstage. Im Anfang schuf Gott
die Erde, nicht als eine Öde. Aber danach gebraucht Jesaja 45,18 das
Wort „bilden", das bezieht sich nicht auf 1. Mose 1,1, sondern auf die
sechs Tage, an denen Gott die Erde zubereitete, damit sie für den
Menschen bewohnbar würde. Wer die unglaubliche, göttliche Genauigkeit
der Schrift ein wenig kennt, wird auch hier unter den Eindruck der
zwingenden Deutlichkeit und Beweiskraft dieser Schriftstelle kommen.
5. Schließlich wendet man sehr häufig ein, dieser Zwischenraum zwischen
1. Mose 1,1 und 1,2, in dem der Fall Satans und der Verfall der Erde
stattfand, mute im Verlauf des Kapitels doch recht unnatürlich an. Wenn
man den Text in Ruhe liest, so wird gesagt, bekommt man durchaus nicht
den Eindruck einer kolossalen Veränderung zwischen Vers 1 und 2; und
wenn diese Veränderung wirklich stattgefunden hätte, warum berichtet 1.
Mose 1 dann nichts davon? - Das ist nun wirklich ein schwaches Argument.
In Ruhe lesen heißt noch nicht immer genau und (sach)verständig lesen.
Wenn wir den Wortgebrauch der Schrift ganz genau kennten, würden wir
ohne jeden Zweifel beim Übergang von Vers 1 nach Vers 2 fühlen: Hier ist
etwas Schlimmes geschehen. So empfanden es jedenfalls die alten
Kirchenväter, und noch früher brachten es die siebzig Gelehrten in ihrer
griechischen Übersetzung, der Septuaginta, so zum Ausdruck. Daß die
Schrift die Ursachen dieses Verderbens hier nicht berichtet, ist ganz
verständlich, wenn wir einsehen, was das Ziel von 1. Mose 1 ist: die
Beschreibung der Zubereitung der Erde als Lebens- und Erprobungsraum für
den Menschen, wie im Anfang schon ausführlich dargelegt ist. Daher eilt
Gott nach Vers 1 zu dem Zustand der Erde, der für uns und für das übrige
Kapitel wichtig ist, ohne daß es auch nur irgendwie nötig oder
angebracht wäre, uns das Dazwischenliegende mitzuteilen. Und wie oft
geschieht es doch sonst in der Schrift, daß (manchmal in einem Vers)
Zeiträume von Tausenden von Jahren in der Beschreibung überschlagen
werden. So zum Beispiel tausend Jahre in Johannes S, 29 (vgl. Off 20,5)
und zweitausend Jahre in Jesaja 61,2 und in Daniel 9,26. 27. Mutet das
an diesen Stellen etwa „natürlich" an?
Seite 51
IIa. Biblische Argumente dafür, daß die Erdschichten nicht in der
Periode zwischen 1. Mose 1,1 und. 1,2 entstanden sind.
1. Es geht hier in der Hauptsache darum, daß die Erdschichten
millionenfach Überreste von Organismen enthalten, die früher auf der
Erde gelebt haben. Wenn die Erdschichten vor 1. Mose 1,2 entstanden
wären, würde das bedeuten, daß vor diesem Zeitpunkt schon lebende
Organismen durch Gott geschaffen waren. Es scheint mir jedoch von großer
Wichtigkeit zu sein, daß die Schrift - soviel ich weiß - nicht die
geringste Andeutung enthält, daß vor 1. Mose 1,2 irdisches Leben
bestanden hätte. Im Gegenteil, in 1. Mose 1,21 wird das Entstehen der
lebendigen Wesen eine Schöpfung genannt, und das deutet immer auf etwas
Neues hin, auf etwas Einzigartiges, das noch nicht da war. Dies wäre
fehl am Platze, wenn schon vorher lebendige Wesen auf der Erde existiert
hätten. Man denkt vielleicht, das seien eben ausgestorbene Tiere
gewesen, und Gott habe in 1. Mose 1,21 neue Tiere geschaffen, aber das
ist absolut nicht wahr. Die meisten Fossilien sind Überreste von
Pflanzen und Tieren, die völlig mit den augenblicklich lebenden
übereinstimmten oder nahe mit ihnen verwandt waren. Es ist ganz
deutlich, daß die Erdschichten zusammen Zeugnis ablegen von einer
ebensolchen Pflanzen- und Tierwelt wie die unsere. Zwar sind eine Anzahl
Formen ausgestorben, aber wir werden sehen, daß das noch nicht so lange
zurückliegt; außerdem werden auch immer mehr Formen wiedergefunden, die
man für ausgestorben hielt. Liegt es wirklich auf der Linie der Schrift,
anzunehmen, Gott habe eine Tierwelt gleich der unsrigen vernichtet und
danach von neuem geschaffen? Warum tat Er das dann nicht bei der
Sintflut, sondern machte sich da die Mühe, von allen Landtieren
Exemplare in eine Arche aufzunehmen? Außerdem: die in 1. Mose 1,21
geschaffenen Tiere waren Seetiere; es ist doch undenkbar, daß die alle
in den Wassern von 1. Mose 1,2 umgekommen sein sollten, was ja auch in
der Sintflut nicht geschah? Überdies: wie konnte Adam über alle Tiere
regieren, und allen Tieren Namen geben, wenn schon viele ausgestorben
waren? Man kann natürlich mutmaßen, was man will; es fragt sich nur, ob
wir auf der Linie der Schrift bleiben wollen oder ob wir es wagen, uns
zu ihr in Widerspruch zu setzen.
2. Aber das ist noch nicht alles. Die Erdschichten enthalten auch viele
Spuren von Menschen. In den Erdschichten des sogenannten Quartärs wurden
ziemlich viele fossile Knochen von Menschen gefunden; darunter sind
viele degenerative Typen wie der Neandertaler und der Pithekanthropus,
aber die ältesten menschlichen Schädel (die aus dem Tertiär) sind den
unseren ganz gleich. Dies ist bewiesen durch Funde in Calaveras
(Kalifornien), Castenedolo und Olmo (Italien); im Jahre 1842 wurde sogar
ein „moderner" Schädel in einer Braunkohlenschicht gefunden. Solche
Funde lassen nicht nur die angenommene Evolution des Menschen
zusammenbrechen (sie werden daher durch die Geologen entweder
wegdisputiert oder einfach geleugnet), sondern sie beweisen auch, daß
die Erdschichten nach der Erschaffung des Menschen entstanden sind. Und
das gilt nicht nur für die obersten Erdschichten, sondern auch für
tiefer gelegene. Man hat nämlich menschliche Fußabdrücke gefunden in der
Kreide (am Ufer des Paluxy River bei Glen Rose in Texas) und im Karbon
(an vielen Orten in den USA); selbst im Kambrium (in Antelope Springs,
Utah) und sogar im Präkambrium sollen menschliche Fußabdrücke gefunden
worden sein (Woodstock). Ich frage: Wenn man mir sagt, die Erdschichten
seien vorl. Mose 1,2 entstanden, sollen wir dann glauben, daß es schon
Menschen gegeben habe, ehe Adam geschaffen wurde? Menschen, die uns
vollkommen glichen? Ist nicht das ganze - wohlgemerkt: das ganze -
menschliche Geschlecht aus einem Blute gemacht (Apg 17,26)? Wenn vor
Adam auch Menschen existiert hätten, dann wäre das menschliche
Geschlecht aus mindestens zweierlei Blut gemacht, und Eva wäre nicht die
Mutter aller Lebendigen (1. Mo 3,20).
3. Mein drittes Argument ist m. E. ebenso wichtig. Die Erdschichten sind
Zeugen von Tod und Verderben. Ich möchte fragen: Gibt die Schrift mir
das Recht anzunehmen, der Tod habe schon vor dem Sündenfall bestanden?
Wir wollen die
Seite 53
Schrift in bezug auf diesen Punkt genau untersuchen. Wie ist
der Tod in die Welt gekommen? Der Tod ist durch den Menschen (1. Kor
15,21), durch nichts anderes. Römer 5,12 zeigt das auch deutlich: Der
Tod ist durch die Sünde Adams gekommen. Wohlgemerkt: Es steht nicht da,
daß durch seine Sünde der Tod seinen Einzug gehalten habe nur in die
Menschenwelt, sondern in den Kosmos. Auch aus anderen Stellen geht
deutlich hervor, daß die Sünde Adams nicht nur auf das menschliche
Geschlecht Einfluß hatte, sondern auf die ganze Schöpfung. Aus tl. Mose
1,29. 30 ist klar zu ersehen, daß Mensch und Tier vor dem Sündenfall nur
pflanzliche Nahrung aßen. Pflanzen sterben natürlich auch, wenn sie
gegessen werden, aber wir sprechen jetzt nur von dem Tod des beseelten,
bewußten Geschöpfs. Pflanzen sind keine lebendigen Wesen oder Seelen,
darum steht auch nicht da, daß sie geschaffen seien. Ober den Tod und
das Gegessen-Werden von Tieren lesen wir erst nach dem Sündenfall (1. Mo
4,4; 9,3-6). Auch auf den Erdboden und die Pflanzenwelt, ja auf die
ganze Schöpfung hatte der Sündenfall Einfluß (1. Mo 3,14-19). Dies ist
auch die deutliche Belehrung von Römer 8,19-22: Die ganze Schöpfung ist
der Nichtigkeit unterworfen, ist in der Knechtschaft der Vergänglichkeit
und seufzt in Geburtswehen bis jetzt. Und das wird so bleiben bis zur
Offenbarung der Söhne Gottes, das ist bei der Wiederkunft Christi. Dann
wird der Fluch von der Schöpfung weggenommen werden, so daß dann die
Menschen auch nicht mehr sterben, es sei denn nach offenbarer Empörung
(Jes 65,20. 22; Sach 8,4), und dann werden die Tiere einander auch nicht
mehr verschlingen, sondern pflanzliche Nahrung fressen (Jes 11,7;
65,25). Auch hier also stellt sich die Frage: Hat man die Schrift auf
seiner Seite, wenn man behauptet, der Tod habe schon vor dem Fall Adams
im Tierreich geherrscht? Gewiß, die Sünde war schon da: Der Satan war
schon gefallen und hatte die ursprüngliche Erde vermutlich in Verfall
gebracht; aber wir lesen nirgends, seine Sünde habe den Tod im Gefolge
gehabt. Außerdem hatte Gott in sechs Tagen die Erde vollkommen
wiederhergestellt, und Er konnte nach jeder Phase sagen, daß das, was Er
gemacht hatte, gut war; und zum Schluß sah Er alles, was Er gemacht
hatte, und siehe, es war sehr gut (1. Mo 1,31). Würde Er das gesagt
haben, wenn damals schon Tod und Verderben auf der Erde
Seite 54
herrschten? Oder sollen wir annehmen, daß der Tod vor 1. Mose 1,2
herrschte, danach aufgehoben wurde und beim Sündenfall aufs neue seinen
Einzug in die Welt hielt?
4. Mein letztes Argument enthält eine Warnung. Wir müssen uns darüber
klar sein, daß die Theorie von dem Entstehen der Erdschichten vor 1.
Mose 1,2 seinerzeit ein Versuch war, die Behauptungen der damaligen
historischen Geologie, nämlich die Katastrophentheorie von Cuvier und
anderen, und später den Aktualismus von Lyell mit der Schrift in
Übereinstimmung zu bringen. Aber ein leichtfertiges Annehmen dieser
Lehren ist lebensgefährlich, denn sie tasten grundsätzlich das Wort
Gottes an. Wenn man einmal beginnt, das Aktualitätsprinzip von Lyell zu
akzeptieren, dann ist es nur noch ein ganz kleiner Schritt bis zu der
darauf gegründeten Evolutionslehre Darwins. Das Aktualitätsprinzip steht
absolut im Widerspruch zur Schrift. Wenn man das sagt, entrüsten sich
manche und meinen: „Das Aktualitätsprinzip besagt nichts anderes, als
daß früher dieselben Naturgesetze geherrscht haben wie heute"! Aber
diese Leute sind einfach nicht auf der Höhe, denn diese Binsenwahrheit
war schon lange bekannt, ehe Lyell geboren wurde. Nein, Lyell kam mit
seinem Grundprinzip, um darin zum Ausdruck zu bringen, daß die
Erdschichten durch Prozesse entstanden seien, die wir heute wahrnehmen,
und nicht durch Katastrophen, wie sie auch heute nicht stattfinden. Nun,
erstens hat sich das als ganz falsch herausgestellt, denn durch die
Prozesse, die wir jetzt wahrnehmen, entstehen überhaupt nicht solche
Erdschichten, wie wir sie kennen. Aber zweitens leugnet dieser Grundsatz
die Macht Gottes, weltweite Gerichte über die Erde zu bringen, wie
deutlich in 2. Pet 3,3-7 vorhergesagt wird: in den letzten Tagen würden
Spötter kommen, die spotten würden: „Wo ist die
Verheißung seiner Ankunft? Denn seitdem die Väter entschlafen sind,
bleibt alles so von Anfang der Schöpfung an". (Das ist
haargenau das Aktualitätsprinzip!) Denn nach ihrem eigenen Willen ist
ihnen verborgen, daß tatsächlich eine weltweite Katastrophe
stattgefunden hat, nämlich die Sintflut, durch welche die damalige Welt
unterging. Und ebenso wird auch die gegenwärtige Schöpfung Gottes
Gerichte erleben. Wir wollen uns daher hüten, die Behauptungen dieser
geologischen Philosophie
Seite 55
leichtfertig zu akzeptieren und ihr zwischen 1. Mose 1,1 und 1,2 einen
Platz einzuräumen. Dieser Optimismus ist völlig fehl am Platze, denn
wenn man die Erdschichten zwischen 1. Mose 1,1 und 1,2 unterbringt,
erreicht man gerade ganz und gar nicht das erstrebte Ziel, nämlich die
Behauptungen der Wissenschaft mit der Bibel in Einklang zu bringen.
Gemäß derselben Wissenschaft, die man mit der Bibel in Übereinstimmung
zu bringen sucht, ist es nämlich ganz unmöglich, daß die Erdschichten
vor Ereignissen entstanden sind, wie sie in 1. Mose 1,2-31 beschrieben
werden. Dies mag aus dem folgenden Abschnitt deutlich werden.
Seite 56
IIb . Offiziell-geologische Argumente dafür, daß die Erdschichten nicht
in der Periode zwischen 1. Mose 1,1 und 1,2 entstanden sind.
Dieser Abschnitt ist für die bestimmt, die meinen, sie
seien alle naturwissenschaftlichen Probleme los, wenn sie die
Erdschichten und die Fossilien zwischen 1. Mose 1,2 und 2,2
unterbringen. Sie erklären ja 1. Mose 1,1. 2 folgendermaßen: Im Anfang
schuf Gott die Erde vollkommen und herrlich, ausgestattet mit einer
Pflanzen- und Tierwelt; dann kamen allerlei Gerichte über die Erde, in
denen allmählich alle Organismen umkamen und die Erdschichten entstanden
(sei es durch eine Reihe von Katastrophen, sei es nach dem
Aktualitätsprinzip); diese Periode endete schließlich mit dem
chaotischen Zustand, der in 1. Mose 1,2 beschrieben wird. Nun, ist das
in Harmonie mit der Geologie? Weit gefehlt! Denn sie lehrt genau das
Gegenteil. Ihr zufolge war es gerade nicht so, daß die Erdgeschichte mit
Ordnung begann und nach und nach ein Chaos wurde, sondern umgekehrt: Die
Erde begann mit einem Chaos und erreichte allmählich einen immer höheren
Ordnungsstand. Die Geologie will nichts wissen von einer enormen
Umwälzung zwischen dem Zeitabschnitt, der durch die jüngsten
Erdschichten dargestellt wird (das Pleistozän) und der gegenwärtigen
Periode. Mit Recht betont sie den lückenlosen Zusammenhang zwischen den
Fossilien, die den jetzt lebenden Formen gleichen und der gegenwärtigen
Pflanzen- und Tierwelt. Eine weltweite geologische Katastrophe (1. Mo
1,2), ein Aussterben aller Tiere und Menschen und eine Neu-Schöpfung der
meisten, auch des Menschen, ist für den modernen Geologen völlig
unannehmbar.
Wie kann man so leichtfertig meinen, durch diese Theorie alle
wissenschaftlichen Konflikte mit der Bibel einfach mit einem Schlage
aufzulösen? Dieser Optimismus war vielleicht vor siebzig Jahren in den
Schriften gläubiger Schriftausleger denkbar, aber heute gewiß nicht
mehr. Damals war es begreiflich, daß diese Ausleger unter dem Eindruck
der damaligen Behauptungen der Gelehrten standen und allzu leicht
geneigt waren, diesen Behauptungen Glauben zu schenken. Aber jetzt,
viele Jahrzehnte später, zeigt es sich, daß von vielen Behauptungen
nichts übrig geblieben ist, daß die Voraussagen der evolutionistischen
Geologen und Biologen nicht eingetroffen sind und daß das
Beweismaterial, das den Aktualismus und den Evolutionismus widerlegt,
beständig wächst. Dies hat sogar dazu geführt, daß Hunderte von
Gelehrten heute von der hoffnungslos überholten geologischen Zeittafel
nichts mehr wissen wollen, die nichts anderes als ein Hirngespinst ist.
Dies ist ein so wichtiger Punkt (auch im Hinblick auf den Wahn, die
Schöpfungstage seien enorm lange Zeiträume gewesen), daß ihm der ganze
folgende Abschnitt gewidmet sein soll.
Seite 58
III. Wissenschaftliche Einwände gegen die geologische Zeitskala
Es ist klar, daß wir im Rahmen dieses Buches nur sehr kurz
auf diesen Gegenstand eingehen können. Ich kann lediglich eine Anzahl
Hauptpunkte aufgreifen, die hier für uns vor. Bedeutung sind; für ein
weiteres Studium dieses Gegenstandes möchte ich auf die bereits
genannten Bücher verweisen. Die geologische Zeitskala ist ein
hypothetisches System, das aus einer Anzahl hypothetischer geologischer
Zeitabschnitte besteht. In jedem dieser Zeiträume sind, so behauptet
man, gewisse Arten von Erdschichten gebildet worden, von denen jede
gekennzeichnet wird durch gewisse „Leitfossilien", die jedes nur in
einer bestimmten Zeitperiode vorkamen und nicht in anderen. Diese
Erdschichten nun sind in der geologischen Zeitskala so geordnet, daß in
den „ältesten" Erdschichten die einfachsten Organismen vorkommen, und je
jünger die Erdschichten sind, um so höhere, kompliziertere Organismen
finden sich darin. Diese hypothetische Zeitskala gebraucht man dann als
„Beweis" dafür, daß während Millionen von Jahren eine Evolution
stattgefunden hat von niedrigeren zu höheren Lebewesen. Auf diese
vermeintliche Evolution kommen wir später noch zurück, zuerst wollen wir
einmal die Fundamente dieses geologischen Bauwerks unter die Lupe
nehmen.
1. Man sollte vielleicht erwarten, daß an vielen Orten der Erde auch
tatsächlich alle Erdschichten vorkommen, die in der geologischen
Zeitskala angegeben werden. Diese Zeitskala umfaßt jedoch außer den
untersten, fossil-losen Gesteinen (dein Präkambrium) nicht weniger als
zehn oder zwölf geologische Hauptzeitspannen, von denen die zugehörigen
Erdschichten zusammen eine Dicke von etwa 155 Kilometern haben würden In
Wirklichkeit sind die Erdschichten an einer bestimmten Stelle nur etwa
0,5 m - 3000 m dick und selten mehr als 10.000 m. Das bedeutet, daß an
einer Stelle höchstens drei (oft nicht aufeinanderfolgende) geologische
Perioden vertreten sind.
2. Nun sollte man sagen, man könnte doch von allen Orten der Erde die
vorhandenen Erdschichten miteinander kombinieren zu einer Zeitskala.
Aber wie soll man wissen, welche Erdschichten in Amerika und Europa zur
gleichen Zeit entstanden sind? Jeder Geologe weiß, daß es nicht den
geringsten direkten Beweis dafür gibt (wenn man nicht von unbewiesenen
Grundvoraussetzungen ausgehen will), daß z. B. das Silur an allen Orten
der Erde tatsächlich gleichzeitig verlief.
3. Ferner sollte man erwarten, daß es doch die ältesten
Ablagerungsgesteine mit Fossilien wären, die auf dem Präkambrium liegen.
Aber auch das trifft nicht zu. Jede beliebige Erdschicht, bis zur
jüngsten, kann direkt auf dem Präkambrium liegen. Auch zwischen höheren
Erdschichten kommen sehr häufig solche enormen Hiaten (zeitlichen
Lücken) vor, oft ohne daß der geringste Hinweis dafür vorhanden ist (z.
B. Erosin), daß enorme Zeitspannen zwischen der Bildung dieser
Erdschichten liegen.
4. Aber, möchte man sagen, wir dürfen doch zumindest erwarten, daß die
Erdschichten wenigstens in der Reihenfolge vorkommen, wie sie in der
geologischen Zeitskala angegeben stehen. Hier haben wir jedoch wohl
einen der größten Schläge für die Zeitskala. Man hat nämlich an vielen
Orten auf der Erde die Erdschichten in völlig umgekehrter Reihenfolge
angetroffen, so daß die „älteren" Erdschichten über den „jüngeren"
lagen. Manchmal stellte man fest, daß dies die Folge einer Faltung der
Erdkruste war, aber häufig zeigten sich (wie in Kanada), daß diese
verkehrte Reihenfolge sich über Tausende von Quadratkilometern
erstreckte, ohne daß auch nur die geringste Spur einer gewaltsamen
Faltung oder Umkehrung der Erdkruste zu finden war. Es ist klar, daß
solche „Fehler" in der Erdkruste in Wirklichkeit auf ernsthafte Fehler
in der geologischen Zeitskala hindeuten.
5. Aus dem allem geht hervor, daß aufgrund der Erdschichten selbst
(ihrer Lage, ihrer Reihenfolge, auch ihrer Zusammensetzung) absolut
keine geologische Zeitskala aufzustellen ist.
Wie ist man denn nur dazu gekommen? Wie kommt es, daß der Geologe doch
so genau zu sagen weiß, in welchem Zeitabschnitt eine bestimmte
Erdschicht gebildet wurde? Jeder Geologe kann einem das erzählen, und
man findet es in jedem geologischen Handbuch: das relative Alter einer
Erdschicht mit Sicherheit bestimmen kann man nur an Hand der
Leitfossilien, die die Erdschicht enthält. Aber wie kann man wissen,
welche Fossilien älter sind und welche jüngeren Datums?
Das weiß man nur aus der geologischen Zeitskala, denn darin sind die
Erdschichten mit den einfachsten Organismen zuunterst placiert, als ob
sie die ältesten wären (obwohl sie häufig obenauf liegen), und die
höheren Organismen liegen in höheren, „jüngeren" Erdschichten. Merken
Sie, was für eine kolossale Schein-Beweisführung hier dahinter steckt?
Eine Schein-Beweisführung, die auch in vielen gelehrten Werken zugegeben
wird. Das Alter einer Erdschicht bestimmt man anhand der Fossilien, die
sie enthält, und das Alter eines Fossils bestimmt man anhand der
geologischen Zeitskala. Aber die Zeitskala ist so aufgestellt, daß darin
ein Aufsteigen von niedrigeren zu höheren Organismen zu sehen ist, und
nichtsdestoweniger wird dieselbe Zeitskala gebraucht, um zu beweisen,
daß eine Evolution von niedrigeren zu höheren Organismen stattgefunden
hat! Daß dies wirklich so ist, wird z. B. durch die Tatsache bewiesen,
daß in vielen Fällen das angegebene Alter einer Erdschicht erhöht bzw.
erniedrigt wird, wenn man darin später niedrigere bzw. höhere fossile
Organismen antrifft.
6. Ein großer Schock für die geologische Zeitskala ist auch
die Tatsache, daß man je länger je mehr fossile Arten in ein und
derselben Erdschicht findet, von denen man ursprünglich annahm, daß sie
viele geologische Perioden (also viele Millionen Jahre) nacheinander
gelebt hätten. Ich brauche nur an die menschlichen Überreste zu
erinnern, die man in allen möglichen Erdschichten gefunden hat, wie
bereits berichtet. Nach der Theorie ist der Mensch erst im Quartär (dem
jüngsten Zeitabschnitt) entstanden. Aber nicht nur hat man ganz moderne
Menschentypen im (älteren) Tertiär gefunden, sondern man hat auch
menschliche Fußspuren (genau analysiert und oft nicht zu widerlegen) in
der Kreide gefunden, zusammen mit Fußspuren von Dinosauriern, die nach
der Theorie schon siebzig Millionen Jahre vor dem Entstehen des Menschen
ausgestorben waren, sogar ehe es Säugetiere gib. Ganz zu schweigen von
menschlichen (versteinerten) Fußabdrücken und einem „modernen" Schädel
im Karbon (der Steinkohlenperiode), als selbst die Reptilien und die
Samenpflanzen noch nicht existierten, und sogar im Präkambrium, in dem
praktisch überhaupt keine Fossilien vorkommen. Es ist tragisch zu sehen,
wie die Geologen sich oft bemühen, derartige Funde zu bagatellisiaren
oder zu leugnen oder in einzelnen Fällen sogar zu verfälschen (ich hoffe
später noch Beispiele zu bringen).
7. Ebenso schockierend für die evolutionistischen Geologen und Biologen
ist es, daß man immer wieder lebende Tierarten entdeckt, von denen man
annahm, sie wären schon Millionen von Jahren ausgestorben. Das heißt,
daß Fossilien dieser Lebewesen in den „älteren" Erdschichten vorkamen,
aber nicht mehr in den „jüngsten". Außerdem waren das häufig Formen, die
als wichtige Übergangsformen in der Evolution angesehen wurden und die,
nachdem sie sich zu höheren Formen entwickelt hatten, nicht mehr in der
Erdgeschichte vorkamen, ... bis man sie quicklebendig entdeckte, ganz
identisch mit ihren „Millionen Jahre alten" Voreltern, ohne daß in den
dazwischenliegenden Perioden auch nur die geringste Spur von ihnen
vorkam. Weltberühmte Beispiele sind die Funde des Fisches (Coelacanth) Latimeria (1939)
und des Weichtieres Neopilina (1957).
8. Schließlich sind eine Unzahl Anzeichen bekannt geworden dafür, daß
die Erdschichten überhaupt nicht allmählich entstanden sein können nach
Prozessen, die wir gegenwärtig auch wahrnehmen. Es wird immer
deutlicher, daß unter normalen Umständen überhaupt keine Erdschichten
und Fossilien entstehen, sondern daß sie die Folge gewaltiger
Überschwemmungen von kolossaler Kraft und enormem Umfang sind, wie man
sie sich bei einer Sintflut, wie sie im ersten Buch Mose beschrieben
wird, vorstellen kann (siehe Paragraph VI). Das geht auch daraus hervor,
daß die Geologie sich allerlei Katastrophen (so!) hat ausdenken müssen,
um die Entstehung von Erdschichten und Fossilien zu erklären, wie
Eiszeiten, enorme Erdrutsche (Gebirgsbildung), vulkanische
Gesteinsbildung usw. Es ist doch merkwürdig, wie die Geologen trotz
ihres notwendigen Aktualitätsprinzips also doch immer gezwungen sind,
katastrophale Ereignisse einzuführen, um ihre Befunde zu erklären.
9. Von großer Bedeutung ist auch, daß viele Geologen von jeher darauf
hingewiesen haben, daß die Erdschichten immer wieder Beweise liefern,
daß sie in sehr kurzer Zeit gebildet wurden. Die deutlichsten Hinweise
hierfür sind die vielerlei Massengräber, in denen Hunderttausende von
Tieren übereinandergehäuft liegen, die offenbar in sehr kurzer Zeit
lebendig begraben wurden. Massengräber von Fischen und Muscheltieren
kommen sogar hoch in den Alpen vor. Auch die Mammuts in Sibirien müssen
sehr schnell durch das Eis überfallen worden sein, denn viele hatten
noch das Futter im Maul, und ihre Körper sind nicht verwest. Auch die
ölfelder und Steinkohlenlager können nach vielen Geologen nur durch ein
schnelles, katastrophales Begrabenwerden großer Mengen von Pflanzen und
Bäumen entstanden sein. Ferner hat man auch häufig große versteinerte
Baumstämme gefunden, die vertikal (oft auf dem Kopf stehend) quer durch
eine Anzahl Erdschichten hindurch steckten, und zwar so, daß man zu
keinem anderen Schluß kommen kann, als daß diese Erdschichten sehr
schnell nacheinander gebildet worden sein müssen, so schnell, daß, als
solch ein Baumstamm darin zu liegen kam, noch keine einzige von ihnen
versteinert war.
10. Es will mir scheinen, daß jeder, der die vorigen neun Punkte
überdenkt und ihrer Richtigkeit in den genannten Büchern über die
Sintflutgeologie nachgeht und eventuell sogar die enorme geologische
Literatur zu Rate zieht, auf die in diesen Büchern verwiesen wird, zu
keinem anderen Schluß kommen kann, als daß die geologische Zeitskala ein
Hirngespinst ist, - es sei denn, daß so einer ein Materialist ist, der
sich keine Alternative zu seinen evolutionistischen Ansichten leisten
kann, so daß sein Unterbewußtsein sich automatisch gegen alles sträubt,
was seine Vorstellungen logisch und unwiderlegbar umwirft. Es kann aber
noch ein Problem sein, das den interessierten Leser verwirren könnte,
und das ist die Tatsache, daß die Gelehrten behaupten, Methoden zu
haben, durch die das absolute Alter eines Gesteins oder eines Fossils
eindeutig bestimmt werden kann. Dies sind vor allem die radioaktiven
Altersbestimmungen.
In der Tat ist der radioaktive Zerfall (durch den sogenannts radiogene
Isotope aus primären Isotopen entstehen) ein ziemlich genau zu
bestimmender Prozeß (obwohl in letzter Zeit verschiedene unerwartete
Fehlerquellen bekannt wurden), aber viele Fachgelehrte haben
nachgewiesen, daß man, um aufgrund dieses Prozesses eine absolute
Altersbestimmung durch zu führen, so viele (teils sehr
unwahrscheinliche) unbewiesene Grundvoraussetzungen nötig hat, daß diese
Altersbestimmungen nicht die geringste Beweiskraft besitzen. (Siehe vor
allem das Buch von Whitcomb und Morris, die allein diesem Problem schon
siebzig Seiten widmen). Die wichtigsten dieser Voraussetzungen, für die
nicht der geringste Beweis oder auch nur Hinweise vorliegen, sind: (1.)
daß alle in einem Gestein gefundenen radiogenen Isotope in der Tat aus
primären Isotopen entstanden sind und nicht bereits zu einem Teil in dem
ursprünglichen Gestein vorhanden waren, und (2.) daß die Geschwindigkeit
des radioaktiven Zerfalls früher dieselbe war wie heute. Die erste
Voraussetzung ist in Widerspruch mit der Schöpfung in 1. Mose 1,1 und
die zweite Voraussetzung wird hinfällig durch die Existenz einer
Sintflut, die eine Periode von ganz anderen kosmischen und
meteorologischen Verhältnissen abschloß und sogar enorme Veränderungen
in diesen Verhältnissen verursachte. Aber außerdem: es trifft überhaupt
nicht zu, was man oft denkt, daß solche Altersbestimmungen für sehr
viele Erdschichten durchgeführt worden sind. In Wirklichkeit ist dies
nur für bitter wenige gut definierte Erdschichten geschehen, und keine
der Altersbestimmungen ist unanfechtbar, so daß sie in Wirklichkeit für
die behaitptete Richtigkeit der geologischen Zeitskala keine große
Bedeutung haben.
Seite 64
IVa. Biblische Argumente dafür, daß die Schöpfungstage keine enorm
langen geologischen Perioden gewesen sind
Wenn wir durch die unter III genannten Punkte überzeugt
sind, daß die geologische Zeitskala eine unzureichende wissenschaftliche
Grundlage hat, sehen wir auch sofort ein, daß die
„Schöpfungsperiodentheorie" absolut keinen Sinn hat. Diese Theorie war
ja ausgedacht worden, um den Behauptungen der Naturwissenschaft
entgegenzukommen. Die Theologen nahmen an, daß es tatsächlich enorm
lange geologische Zeitalter gegeben habe, und um die Schrift damit in
Einklang zu bringen, wurden die Schöpfungstage zu enormen Zeiträumen
erhoben. Aber da sich nun inzwischen gezeigt hat, daß die geologischen
Zeitalter auf einem Hirngespinst beruhen, ist damit auch die
„Schöpfungsperiodentheorie" sinnlos und unhaltbar geworden. Ich möchte
darauf gern noch näher eingehen, denn diese Theorie ist nicht nur
sinnlos, sondern ich hoffe zu zeigen (ähnlich wie in Abschnitt II), daß
sie darüber hinaus erstens in Widerspruch steht zu den Aussagen der
Schrift und zweitens durchaus nicht zu der gewünschten Harmonie mit der
offiziellen Naturwissenschaft führt. Gehen wir zunächst auf das erste
ein.
Verschiedene der unter Ha genannten Argumente gelten auch hier. Die
Tatsache, daß nach dem Zeugnis der Schrift der Tod lebendiger Wesen erst
nach dem Sündenfall Adams seinen Einzug hielt, ist auch hier von
ausschlaggebender Bedeutung. Sie zeigt, daß die fossilhaltigen
Erdschichten weder vor dem Sündenfall entstanden sein können, noch
zwischen 1. Mose 1,1 und 1,2, noch
während der Schöpfungstage; nur die Sintflut kommt daher für ihre
Entstehung in Frage, wie wir später sehen werden. Verschiedene andere
Punkte hängen damit zusammen, z. B.
die Tatsache, daß es vor dem Sündenfall,
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oder jedenfalls vor der Erschaffung Adams, auf der Erde nicht geregnet
hat (1. Mo 2,5), was ebenfalls mit der Schöpfungsperiodentheorie nicht
zu vereinbaren ist. Und auch hier gilt, was, unter da 4 gesagt ist, daß
man sich hüten muß, so ohne weiteres das Aktualitätsprinzip zu
übernehmen (das auch mit der Schöpfungsperiodentheorie in Verbindung
steht), weil man dadurch mit der Schrift in Konflikt gerät und außerdem
nur einen Schritt von der Evolutionslehre entfernt ist.
2. Jeder Gedanke an allmähliche, langdauernde Schöpfungsprozesse (wie
sie durch die oben abgelehnte theistische Evolutionslehre gelehrt wird),
ist 1. Mose 1 fremd. Immer wieder wird dort von einschneidenden
Schöpfungstaten gesprochen, nicht von Prozessen. „Er
sprach, und es war; Er gebot, und es stand da" (Ps
33,9). Nehmen wir z. B. den ersten Schöpfungstag; brauchte das Licht
eine lange Zeitspanne, um die Finsternis zu vertreiben? Nehmen wir den
dritten Tag: Die Erde sollte Gras „hervorsprossen" lassen, Kraut, das
Samen hervorbringt usw. Denkt man bei „hervorsprossen" an einen sehr
lange währenden Entstehungsprozeß? Beachten wir auch den immer
wiederkehrenden Ausdruck: „Gott sprach ... und es ward
also".
3. Von großer Bedeutung ist auch, daß 1. Mose 1 und 2 in allerlei
Einzelheiten immer wieder andeuten, daß die „Schöpfungswoche" sehr rasch
verflossen ist. Ich kann nicht genug darauf hinweisen, daß der
eigentliche Gegenstand in 1. Mose 1 ja ist, die Erde als Lebens- und
Erprobungsraum für den Menschen zuzubereiten. Alles, was in 1. Mose 1
geschieht, ist für den Menschen. Aber dann konnte diese Woche auch
schwerlich viel länger dauern als sieben gewöhnliche Tage! Für wen
machte doch Gott die Früchte am dritten Tag? Für den Menschen. Aber dann
mußte dieser Mensch auch kurze Zeit-später auf der Bildfläche
erscheinen, um von diesen Früchten essen zu können. Und für wen wurden
die Sonne und der Mond am vierten Tag gemacht? Sie sollten zu „Zeichen"
sein für den Menschen. Aber sie konnten als Zeichen nur fungieren, wenn
der Mensch dann auch wenig später auf der Erde wohnte. Wozu die Tiere am
fünften und sechsten Tag? Um dem Menschen unterworfen zu sein. Hat man
dann die Schrift
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auf seiner Seite, wenn man sagt, die Tiere hätten schon Millionen Jahre
existiert und viele von ihnen wären schon lange ausgestorben gewesen,
ehe ihr Herrscher erschien? Außerdem ... arme Landtiere! Ihnen wurde
ihre Nahrung erst zugewiesen, nachdem der Mensch erschaffen war (1. Mo
1,29. 30), das war wohl möglich, wenn ein paar Stunden, aber nicht, wenn
Millionen von Jahren dazwischen lagen.
4. Vor allem mit dem sechsten und siebenten Tag kommen die Anhänger der
Schöpfungsperiodentheorie in Schwierigkeiten. Wenn der sechste „Tag"
Millionen Jahre dauerte, dann muß Adam bis zum Sündenfall auch Millionen
Jahre gelebt haben. Selbst wenn er am Ende des sechsten Tages geschaffen
worden wäre, dann käme erst noch die ellenlange „Nacht" zwischen dem
sechsten und dem siebenten Tag und dann noch ein ganzer siebenter „Tag",
der, wenn man konsequent sein will, doch auch wohl enorm lang gewesen
sein müßte. Aber jetzt sitzen wir ganz fest. Nach 1. Mose 5,3 war Adam
130 Jahre alt, als er Seth zeugte; damals war sein ältester Sohn Kain
schon ein erwachsener Mann, und vor dessen Geburt hatte der Sündenfall
bereits stattgefunden. Tatsächlich muß der Sündenfall schon sehr bald
nach der Erschaffung von Adam und Eva stattgefunden haben, denn
unmittelbar danach bekamen sie schon den Auftrag, fruchtbar zu sein,
sich zu mehren und die Erde zu füllen; aber als der Sündenfall geschah,
hatten sie noch nicht ein einziges Kind. Es bleibt also nicht viel übrig
von dieser langen Nacht und diesem langen siebenten lag. Ich weiß wohl,
daß manche sagen, der siebente Tag dauert immer noch an, weil Gott nicht
mehr erschafft, aber der Einwand ist nicht stichhaltig. Können wir
sagen, daß Gott augenblicklich ruht bei einem sündigen
Menschengeschlecht und einer verfluchten Schöpfung? Er mußte zu Israel
sagen: „Du hast mir zu schaffen gemacht mit deinen
Sünden, du hast mich ermüdet mit deinen Missetaten" (Jes
43,24) Und der Herr Jesus sagte: „Mein Vater wirkt bis
jetzt, und ich wirke" - gerade um anzuzeigen, daß es
für Ihn kein Sabbat sein konnte (Joh 5,17. 18). Wenn der siebente Tag
schon eine lange Periode gewesen wäre, dann hätte er doch nicht länger
dauern können als bis zur Sünde Adams; und war das eine Periode von
Millionen Jahren?
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5. Zum Schluß möchte ich fragen: Kann man wirklich behaupten, bei dem
Buchstaben der Schrift zu bleiben, wenn man die Schöpfungstage zu langen
geologischen Perioden macht?
Überdies, wenn man die „Tage" bildlich nimmt, welchen Weg hat man dann
eingeschlagen? Warum sollte man nur die „Tage" bildlich verstehen? Es
ist dann nur noch ein kleiner Schritt bis dahin, daß man auch den Garten
Eden bildlich nimmt; dann werden auch Adam und Eva bildlich als
Bezeichnung für das älteste Menschengeschlecht. Am Ende ist auch der
Sündenfall symbolisch, und ehe man sich versieht, nagt man an den
Fundamenten des christlichen Glaubens. Denn wenn man einen historischen
Adam und einen historischen Sündenfall leugnet, leugnet man auch die
Aussprüche des Herrn Jesus und der Apostel; und wenn man die Worte des
Herrn Jesus nicht glaubt, was ist dann der Glaube an Seine Person noch
wert? Diese Warnung ist keine Bangemacherei von einem, der Gespenster
sieht; es ist bekannt, daß viele, die am Ende die Historizität von 1.
Mose 1-11 völlig leugneten, angefangen haben damit, daß sie die
Schöpfungstage zu geologischen Perioden erhoben.
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IVb. Offiziell-geologische Argumente dafür, daß die Schöpfungstage
keine enorm langen geologischen Perioden gewesen
sind.
Ebenso wie unter IIb gilt auch hier, daß eine Theorie, die
die Erdschichten in 1. Mose 1 einordnet, ganz und gar nicht die so
ersehnte Harmonie mit der Naturwissenschaft bringt. Wenn man nicht
empfänglich ist für die unter III genannten Argumente, daß die
geologischen Zeitalter auf einem Hirngespinst beruhen, wenn man nicht
einmal die unter IVa genannten biblischen Einwände gegen die
Schöpfungsperiodentheorie akzeptieren will, weil man von der offiziellen
Geologie so beeindruckt ist, dann muß man schließlich enttäuscht
feststellen, daß die Periodentheoria ganz und gar nicht mit der
offiziellen Geologie in Übereinstimmung ist. Ich nenne einige Punkte.
1. Die historische Geologie lehrt absolut nicht, daß es sechs große
geologische Perioden gegeben habe, wie die Schöpfungsperiodentheorie
will. Die Geologen unterscheiden insgesamt vier oder fünf große
Hauptzeitabschnitte, jeder unterteilt in zwei bis sieben Perioden. Wenn
man diese Zeitabschnitte so ordnet, daß sechs künstliche Gruppen
entstehen, macht man Trennungen und Verbindungen, die für den Geologen
absolut unannehmbar sind.
2. Der erste, zweite und vierte Schöpfungstag haben überhaupt keine
geologischen Spuren hinterlassen und kommen daher schon ganz und gar
nicht als geologische Perioden in Betracht. Übrigens, welcher Geologe
glaubt wirklich, daß die Sonne erst in der Mitte der Erdgeschichte als
Himmelslicht an das Firmament gesetzt wurde und vorher (in ihrer
heutigen Gestalt und/oder Funktion) noch nicht da war?
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3. Es ist gewiß wahr, daß es eine oberflächliche Harmonie gibt zwischen
dem Aufsteigen von niedrigeren zu höheren Organismen in der
Evolutionslehre und dem Fortschreiten, das 1. Mose 1 uns zeigt. Aber
wenn wir erkennen, daß es in der Tat Gottes Absicht war, in Seinen
Schöpfungswerken immer weiter fortzuschreiten zu höheren Lebewesen, bis
Er am Ende den Menschen schuf, während die Evolutionslehre gerade
behauptet, daß das Höhere nicht nach dem Niedrigeren geschaffen ist,
sondern sich daraus entwickelt hat, so sehen wir, daß diese
Übereinstimmung nur äußerlich ist, ja sogar auf der Hand liegt, während
der Unterschied zwischen beiden viel grundsätzlicher ist. Diese
äußerliche Übereinstimmung kann also unmöglich als Beweis dafür dienen,
daß die Schöpfungstage mit der geologischen Zeitskala übereinstimmen.
Die Evolutionslehre glaubt an eine Entwicklung vom Niedrigeren zum
Höheren mittels Kampf, Tod und Verderben; 1. Mose 1 lehrt
aufeinanderfolgende Schöpfungen von niedrigeren und höheren Lebewesen
ohne Kampf und Tod.
4. Außerdem ist die Übereinstimmung zwischen dem Aufsteigen vom
Niedrigeren zum Höheren in der Evolutionslehre und in 1. Mose 1 nur
oberflächlich. Es gibt ganz wesentliche, unüberbrückbare Unterschiede
zwischen beiden. Z. B. sagt 1. Mose 1, daß die samenbringenden Pflanzen
vor den Tieren da waren; aber nach der Paläontologie (Lehre von den
versteinerten Organismen) gab es bereits die weitaus meisten
Tiergruppen, als die Samenpflanzen erschienen. Außerdem existierten nach
1. Mose 1 die Vögel vor den Landtieren; aber nach den Paläontologen gab
es schon alle möglichen Gruppen von Landtieren, ehe die Vögel
erschienen. Kurzum, man muß sich in allerlei Richtungen drehen und
winden und der Schrift Gewalt antun, um ein Schema zu erfinden, das auch
nur im Entferntesten sowohl mit der Schrift als auch mit der modernen
Geologie übereinstimmt.
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Va. Argumente dafür, daß die Schöpfungstage gewöhnliche irdische Tage
waren.
Wenn die Schöpfungstage keine enorm langen geologischen
Perioden waren, was waren sie dann? Das ist ein altes und schwieriges
Problem. Augustinus schrieb, es sei außerordentlich schwierig, wenn
nicht gar unmöglich zu sagen, welcherart diese Tage waren, und das
stimmt überein mit der Auffassung von Flavius Josephus, vielen jüdischen
Rabbinern und Kirchenvätern wie Irenäus und Origenes. Man kennt eine
Unzahl von Auffassungen, und jede erklärt diese Tage wieder auf eine
andere Weise. Ich möchte sieben dieser Auffassungen anführen, die m. E.
am wenigsten schriftgemäße zuerst und dann die weiteren in der
Reihenfolge, wie sie der Schrift immer näher kommen.
a) Erstens gibt es die Auffassung, Mose habe überhaupt nicht sagen
wollen, die Welt sei in sechs Tagen gemacht, sondern er habe die
Entstehungsgeschichte der Welt einfach in sechs geordnete Szenen
eingeteilt. Alte Auffassungen sagen z. B. auch, Mose habe die Entstehung
der Welt in sechs Visionen an sechs aufeinanderfolgenden Tagen geschaut
oder auf sechs verschiedenen Tontafeln.
b) Die folgenden sechs Auffassungen sagen alle, Mose habe gewiß sagen
wollen, die Erde sei in sechs Tagen bereitet worden. Aber, so sagen die
modernen Theologen, das bedeutet nicht, daß es sich darum historisch
auch wirklich so zugetragen hat. Mit dieser und der vorigen Auffassung
wollen wir nichts zu tun haben, weil sie die universelle Autorität und
den göttlichen Charakter der Heiligen Schrift antasten. Wir haben uns
damit schon beschäftigt in Verbindung mit der theistischen
Evolutionslehre, die mit dieser Auffassung verknüpft ist.
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c) Die weiteren fünf Auffassungen lehren alle, Mose habe nicht nur
gemeint, die Erde sei in sechs Tagen bereitet worden, sondern das sei
auch tatsächlich so geschehen. Aber jetzt erhebt sich die Frage, was
unter diesen Tagen verstanden werden muß. Wir haben gesehen, daß manche
sie als enorme geologische Zeiträume auffassen, und ich habe versucht,
diese Theorie zu widerlegen.
d) Die folgenden vier Auffassungen lehren alle, Mose habe mit „Tagen"
auch wirkliche Tage gemeint, also Lichtperioden, abwechselnd mit
Finsternis. Prof. G. Ch. Aalders z. B. sagt aber, das bedeute nicht, daß
es darum auch gewöhnliche irdische Tage gewesen seien, sondern es seien
göttliche Tage gewesen, die vielleicht länger, aber vielleicht auch viel
kürzer währten als vierundzwanzig Stunden. Das klingt ganz schön, aber
diese Theorie ist völlig sinnlos und entbehrt jeder biblischen
Grundlage. Wir hoffen im weiteren aufzuzeigen, daß die Schöpfungstage
nichts anderes als gewöhnliche irdische Tage waren.
e) Dieses letzte wird durch die folgenden drei Auffassungen auch
festgehalten. Eine dieser Auffassungen versucht allerdings, diese
gewöhnlichen Tage mit der Periodentheorie in Einklang zu bringen, indem
sie annimmt, daß die Schöpfungstage zwar gewöhnliche irdische Tage
waren, aber getrennt durch enorme geologische Perioden. Aber für diese
Theorie gelten in der Hauptsache natürlich dieselben Einwände wie unter
IV aufgezählt. Dabei scheint sie zwar schriftgemäßer, es gelingt ihr
aber noch weniger, die Schrift mit der Wissenschaft in Einklang zu
bringen.
f) Die beiden letzten Auffassungen halten an einer Schöpfungswoche von
sieben normalen irdischen Tagen fest. Sie unterscheiden sich voneinander
durch den verschiedenen Zeitpunkt, den sie für die Bildung der
Erdschichten annehmen. Die eine Auffassung verlegt sie zwischen 1. Mose
1,1 und 1,2. Diese Auffassung ist unter II besprochen worden.
g) Die andere Auffassung sagt, daß die Erdschichten durch die Sintflut
entstanden sind. Diese Auffassung soll unter
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Punkt VI näher beleuchtet werden. Zuerst möchte ich versuchen zu zeigen,
daß die Schöpfungstage in der Tat gewöhnliche irdische Tage waren, wie
wir sie kennen.
1. Im Text von 1. Mose 1 selbst finden wir nicht den geringsten
Anhaltspunkt für die Annahme, daß die genannten Tage andere als
gewöhnliche irdische Tage waren. In einem solchen Fall müssen wir immer
die wörtliche Auffassung vorziehen, sonst ist jeder Versuch, die Schrift
auszulegen, hoffnungslos. Wenn ja die Bibelstelle selbst keinerlei Anlaß
dazu gibt, mit welchem Recht und nach welchen Normen geben wir dann
bestimmten Ausdrücken eine ausschließlich bildliche, symbolische
Bedeutung? Natürlich haben etliche Ausdrücke bald eine wörtliche und
dann wieder eine bildliche Bedeutung, aber nur eine genaue Untersuchung
aller Stellen, an denen ein bestimmtes Wort in der Schrift vorkommt,
entscheidet, ob das Wort an einer bestimmten Stelle eine bestimmte
bildliche Bedeutung haben kann oder nicht (siehe auch Vb 1).
2. Tatsächlich kann das Wort „Tag" (j o m) im Alten Testament alle
möglichen Bedeutungen haben, manchmal die eines längeren Zeitraums. Aber
das Wort bedeutet nie „Zeitraum", sondern immer einen gewöhnlichen
irdischen Tag, wenn es (wie hier) umschrieben wird durch (1.) einen
Abend und einen Morgen, die nie lange Perioden darstellen, (2.) durch
ein Zahlwort (vgl. 1. Mo 7,11; 8,14; 17,12; 2. Mo 12,6 usw.) und (3.)
wenn es in der Mehrzahl steht. Besonders wichtig ist in diesem
Zusammenhang, daß „Abend" und „Morgen" nicht in einer biblischen
Bedeutung vorkommen, jedenfalls nicht als lange Perioden. Wenn man die
Tage nicht als gewöhnliche Tage auffaßt, waren es dann lange Perioden
von Licht, geschieden durch lange Perioden von Finsternis? Das wäre wohl
die konsequenteste Auffassung; aber dann wären die Abende und die Morgen
auch lange Perioden, und in dieser Bedeutung sind sie in der Schrift
nicht bekannt. Oder waren die „Tage" lange Zeiträume, die aus
gewöhnlichen Tagen und Nächten bestanden? Dann ist es ganz unmöglich,
den Abenden und Morgen eine biblische Bedeutung zu geben. Laßt uns dabei
daran denken, daß eine spitzfindige (aber zweifelhafte) sprachkundliche
Ableitung dieser Worte (siehe z. B. Bettex) nichts zu tun hat mit ihrer
Bedeutung und ihrem Gebrauch in der Schrift. Und allein das ist
entscheidend.
3. Macht 1. Mose 1,16 nicht klar, was Gott in 1.
Mose 1 mit Tagen meint? Gott machte das große Licht zur Beherrschung des
Tages und das kleine Licht zur Beherrschung der Nacht. Ein Tag ist also
die Periode, die durch das Sonnenlicht beherrscht wird, und die Nacht
ist die Abwesenheit des Sonnenlichts. Das ist es auch, was schon in Vers
5 angedeutet wird: Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte
er Nacht. Wenn Gott hier so deutlich definiert, was „Tag" ist, sollte es
dann gerade hier etwas anderes bedeuten als normalerweise sonst?
Dasselbe Zeugnis haben wir in 2. Mose 20,8-11; 31,17, wo Israel ermahnt
wird, sechs Tage zu arbeiten und am siebenten Tag zu ruhen, weil Gott in
sechs Tagen Himmel und Erde gemacht hat und am siebenten Tag ruhte. Wer
dürfte im Lichte dieser Verse wagen zu behaupten, die Schöpfungswoche
sei eine längere oder kürzere Woche gewesen als unsere gewöhnliche
Woche? Man glaube, was man will, das Zeugnis der Schrift ist jedenfalls
nicht anders, als daß die sechs Schöpfungstage ebensolche Tage waren wie
unsere Tage.
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Vb. Widerlegung von Einwänden gegen die Auffassung, daß die
Schöpfungstage gewöhnliche irdische Tage waren
1. Natürlich hat man oft nach allerlei Argumenten gesucht,
um den Gedanken zu stützen, daß die Schöpfungstage keine gewöhnlichen
Tage, sondern ganz besondere (meist: sehr lange) Zeitperioden waren. So
weist man oft auf allerlei Bibelstellen hin, in denen das Wort „Tag"
wirklich eine bildliche Bedeutung hat; ich habe oben schon kurz darauf
hingewiesen. Nun bedeutet „bildlich" durchaus noch nicht: eine sehr
lange Periode, aber auch dafür führt man Beispiele an, wie den Tag des
HERRN (oder Jehovas), den Tag der Ewigkeit, den Tag Christi usw. Aber
was will man damit denn eigentlich beweisen? In allen diesen Fällen geht
aus dem Zusammenhang klar hervor, daß es sich um längere Perioden
handelt (obwohl es nie um die Länge selbst geht, sondern um den
Charakter dieser Tage); das wird außerdem noch durch den Zusatz, wie
„des HERRN", angedeutet. Aber sind nun die Tage in 1. Mose 1 folglich
möglicherweise auch lange Perioden gewesen? Das könnte man dann von
allen möglichen anderen Tagen in der Schrift, die ganz eindeutig normale
Tage waren, auch sagen. Außerdem: in den fünf Büchern Mose wird das Wort
„Tag" nie in dieser prophetischen Bedeutung einer langen Periode
gebraucht, während, wie gesagt, Tage mit Abenden und Morgen, mit einer
Ordnungszahl und in der Mehrzahl ohne Ausnahme normale Tage sind.
2. Man argumentiert oft, ein Tag sei eine Periode von Sonnenlicht, und
da die Sonne erst am vierten Tag gemacht wurde, könnten die ersten drei
Tage jedenfalls keine gewöhnlichen Tage gewesen sein. Aber woher will
man das so sicher wissen? Schon am ersten Tag schied Gott das Licht von
der Finsternis, und es gab offenbar eine Lichtperiode, die Er „Tag", und
eine dunkle Periode, die Er „Nacht" nannte. Woher weiß man so genau, daß
diese ersten Lichtperioden eine andere Länge hatten als die letzten drei
Tage? Wenn diese letzten Tage gewöhnliche Sonnentage waren, warum
sollten die ersten drei dann nicht die gleiche Länge gehabt haben? Um so
mehr als die Länge eines Tages genau genommen überhaupt nicht durch das
Sonnenlicht, sondern durch die Umdrehungsgeschwindigkeit der Erde
bestimmt wird. War diese Geschwindigkeit an den ersten Tagen anders als
an den letzten? Und wenn nun auch das Licht des ersten Schöpfungstages
möglicherweise von einer bestimmten (unbekannten) Lichtquelle kam, was
für ein Unterschied besteht dann noch zu gewöhnlichen Tagen, wie wir säe
kennen? Aber obendrein: dieser Einwand kehrt sich gegen die, die ihn
vorbringen. Wenn ja die Schöpfungstage enorme geologische Perioden
waren, die aus gewöhnlichen Tagen und Nächten bestanden, was für Tage
und Nächte waren das dann wohl, ehe die vierte „Schöpfungsperiode"
angebrochen war? Jede Lösung, die man sich hierfür ausdenkt, könnte ich
als Argument dafür benutzen, daß die ersten drei Schöpfungstage
gewöhnliche Tage waren.
3. Wie man auch zu beweisen sucht, daß die Schöpfungstage gewöhnliche
irdische Tage waren, es gibt immer Menschen, die schließlich ausrufen:
„Es steht aber nun einmal nicht in 1. Mose 1, daß
es gewöhnliche irdische Tage waren, also darf man das auch nicht
behaupten." Dieses Argument ist so schwach, daß man sich nur darüber
wundern kann, wie häufig es gebraucht wird. „Jakob war ein Mensch; aber
es steht nirgends, daß er ein gewöhnlicher Mensch war, also darf man das
auch nicht sagen. Hebron war eine Stadt; aber es steht nirgends, daß es
eine gewöhnliche irdische Stadt war, also darf man das auch nicht sagen.
Moses war vierzig Tage auf dem Berg; aber es steht nirgends, daß es sich
um gewöhnliche irdische Tage gehandelt hat, also darf man es auch nicht
sagen." Man empfindet die Unsinnigkeit dieses Arguments. Oberall wo im
historischen Geschehen über Tage gesprochen wird, hat man nicht die
geringste Schwierigkeit anzunehmen, daß es sich um gewöhnliche Tage
handelt. Aber in 1. Mose 1 möchte man das ausdrücklich dabei vermerkt
sehen. Nun, ich kann Sie beruhigen! Es steht dabei! Die Erwähnung der
Abende und Morgen zeigt unzweideutig, daß es um gewöhnliche irdische
Tage geht (siehe oben).
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4. Interessant ist, daß etliche gemeint haben, der erste „Abend" (Vers
5) sei die Finsternis von Vers 2. Sie argumentieren: nach dem
ursprünglichen herrlichen Zustand der Erde (Vers 1) wurde es (durch den
Fall Satans?) „Abend" auf der Erde. Die Finsternis trat für unbestimmte
Zeit ein. Danach sagte Gott: Es werde Licht, und es wurde „Morgen" über
der Erde, und der erste „Tag" brach an. Nun, sagt man dann, ebenso wie
man sich schwerlich vorstellen kann, daß der-ursprüngliche Zustand der
Erde nur einen gewöhnlichen Tag dauerte, so müssen auch der darauf
folgende Abend, die Nacht, der Morgen und der Tag viel länger gewährt
haben. Nun muß man, wenn man unter „Abend" wirklich das Einbrechen der
Dunkelheit versteht, auch annehmen, daß dann der „Tag" eine enorm lange
Lichtperiode ist, und das ist unmöglich. Außerdem: ging der erste Abend
wirklich dem ersten Tag voraus? Ich glaube nicht. Erstens gibt 1. Mose 1
nicht die geringste Veranlassung zu der Annahme, die Finsternis von Vers
2 habe nur eine Nacht gedauert. Zweitens müssen der Abend und der Morgen
auf jeden Tag gefolgt sein, weil sonst zwischen dem sechsten und dem
siebenten Tag keine Nacht gewesen wäre. Es steht nämlich wohl da: „Und
es ward Abend und es ward Morgen: der sechste Tag", aber
nirgends: „Und es ward Abend und es ward Morgen: der siebente Tag".
Überdies kann der erste Tag nicht mit einem Morgen begonnen haben, denn
Gott sagte einfach: „Es werde Licht", und
es war offenbar sofort da, nicht allmählich, wie der Morgen die
Finsternis vertreibt. Es scheint mir daher klar, daß der Abend und der
Morgen von Vers 5 auf den ersten Tag gefolgt und nicht ihm
voraufgegangen sind. Gemeint ist: Als es Abend und Morgen wurde, war
damit e i n Tag vorbei. (Wörtlich steht da: ein Tag, nicht: erster Tag).
Hieraus geht m. E. auch hervor, daß der Abend und der Morgen stets zum
vorigen Tag gehören, so. daß das Erstemal (24 Stunden) in 1. Mose 1 mit
dem Tag beginnt, im Gegensatz zur späteren Reihenfolge im Alten
Testament und zu dem, was noch immer bei den Juden gebräuchlich ist
(vgl. 3. Mose 23,32; Ps 55,17).
5. Man benutzt auch häufig 2. Pet 3,8 (vgl. Ps 90,4) als Argument dafür,
daß die Schöpfungstage lange Perioden gewesen seien. Es steht ja
geschrieben: „Ein Tag ist bei dem
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Herrn wie tausend Jahre". Aber da benutzt man diesen
Vers sehr genau. Es steht nämlich nicht da: ein Tag ist tausend fahre,
sondern: ein Tag ist wie tausend Jahre, und obendrein nur „bei dem
Herrn". Das heißt: vor Gott zählt die Zeit nicht, Er steht darüber; vor
Ihm zählen tausend Jahre nicht, sie sind vor Ihm wie ein Tag - in einem
Augenblick vorbei. Dieser Vers hat also mit den Schöpfungstagen nichts
zu tun. Dafür braucht man übrigens nicht Tausende, sondern Millionen von
Jahren. Und warum sollte man dann diesen Vers nicht auch auf allerlei
andere Tage in der Schrift anwenden? Gott brachte drei Tage Finsternis
über Ägypten; vielleicht waren das dann auch dreitausend Jahre, denn es
waren ja Tage göttlicher Aktivität. Wenn man den Vers aus 2. Pet 3
unbedingt anführen will, dann sprich er ebensogut für das Gegenteil
Wofür die menschliche Wissenschaft Millionen von Jahren annehmen zu
müssen glaubt, dafür hat Gott nur einige Tage gebraucht.
6. Schließlich verweist man häufig auf 1. Mose 2,4, wo wir lesen: „Dies
ist die Geschichte des Himmels und der Erde, als sie geschaffen wurden,
an dem Tage, da Jehova Gott Erde und Himmel machte". Man
sagt dann, daß hier das Wort „Tag" gebraucht werde, um die ganze
Schöpfungswoche zu bezeichnen, so daß es hier eine längere Periode ist
als ein gewöhnlicher Tag; und warum sollten die Tage in 1. Mose 1 dann
nicht auch längere Perioden gewesen sein? Nun ist es noch nicht einmal
so sicher, daß der „Tag" von 1. Mose
2,4 die ganze Schöpfungswoche bezeichnet und nicht nur das
Schöpfungsgeschehen von 1. Mose 1. Aber selbst
wenn wir das annehmen, was beweist es dann? Müssen wir folgerichtig
schließen, daß die Schöpfungstage also auch jeder sechs oder sieben Tage
gedauert haben? Wir haben bereits gesehen, daß die Bedeutung des Wortes
„Tag" (jom) aus dem Zusammenhang und
dem Gebrauch geschlossen werden muß; nun, der Ausdruck bejom („an
dem Tage") ist ein feststehender Ausdruck im Alten Testament mit der
Bedeutung „zu der Zeit", ohne daß damit eine genaue Begrenzung der
Zeitdauer verbunden ist. Das hat also mit der Länge der Schöpfungstage
in 1. Mose 1 nichts zu tun. In 4. Mose 7 haben wir hierzu ein gutes
Beispiel. Da sehen wir, wie die Obersten der Stämme Israels an zwölf
aufeinanderfolgenden Tage ihre Opfer zur Einweihung des Altars brachten;
und niemand wird daran zweifeln, daß das gewöhnliche irdische Tage
waren. Trotzdem steht in Vers 84
• „Dies war die Einweihungsgabe des Altars... an dem
Tage, da er gesalbt wurde", als ob die zwölf Fürsten
ihre Gaben an einem einzigen Tage gebracht hätten. Aber auch hier hat
der Ausdruck einfach die Bedeutung von „zu der Zeit", ohne daß das
natürlich etwas mit der Länge der zwölf Tage zu tun hat.
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VI. Argumente dafür, daß die Erdschichten während der Sintflut
entstanden sind
Nach allem Voraufgegangenen bleibt es uns noch, ehe wir
weitergehen, eine kurze Übersicht der Tatsachen zu geben, die darauf
hindeuten, daß die Erdschichten während der Sintflut entstanden sind.
Wir haben bereits gesehen, daß sie jedenfalls nach dem Sündenfall
entstanden sein müssen, und dann kommt nur die Sintflut in Betracht. Die
Frage ist nun, ob die Bibel auch Hinweise enthält, daß die Sintflut
tatsächlich solche enormen geologischen Folgen hatte; sonst hat eine
„Sintflut-Geologie" natürlich keinen Sinn. Ich möchte ausdrücklich
betonen, daß die folgenden Argumente kurz gefaßt und unvollständig sind
und nur einen Eindruck von den Folgen der Sintflut vermitteln sollen.
Für ein weiteres Studium verweise ich erneut und mit Nachdruck auf die
bereits genannten Fachbücher.
1. Vierzig Tage lang suchten enorme Platzregen die Erde heim (1. Mo
7,12); nach der Geologie muß ein solches Geschehen eine gewaltige
Erosion (Abtragung) der Erdkruste verursachen. Außerdem waren es keine
gewöhnlichen Wolkenregen, denn die hätten nur eine kleine Schicht Wasser
über die Erde gebracht; sondern es waren Regenfälle, beispiellos an
Kraft und Umfang, unter ganz anderen meteorologischen und
klimatologischen Verhältnissen als heute (was auch aus der Verbreitung
der fossilen Pflanzen- und Tierwelt hervorgeht). Diese gewaltigen
Wassermassen kamen aus einer unbekannten Quelle, bezeichnet als „Fenster
des Himmels" (1. Mo 7,11). Was diese Quelle
vermutlich war, werden wir bei der Besprechung des zweiten
Schöpfungstages sehen.
2. Außerdem waren diese Platzregen von enormen vulkanischen Ausbrüchen,
Erdbeben und Flutwellen begleitet, denn
Seite 80
die Quellen der großen Tiefe brachen auf (1. Mo 7,11; 8,2). Die zweite
Hälfte der Sintflut, als die Wasser wieder sanken, brachte außerdem
kräftige Luftströmungen (1. Mo 8,1) und gewaltige Gezeitenwirkungen, die
auf die Erdkruste einen großen Einfluß haben. 1. Mose 8,3 sagt wörtlich: „Und
die Wasser kehrten zurück von der Erde, gehend und zurückkehrend" (s.
Fußnote engl. und franz. Übersetzung JND). Tatsächlich geben die
Erdschichten reichlich Zeugnis von enormem Vulkanismus und gewaltigen
Erdverschiebungen (u. a. Bildung von Gebirgen und Canons). Die Schrift
lehrt ganz klar, daß nicht nur die lebendigen Wesen, sondern auch die
Erde gänzlich verwüstet wurde. Gott sprach zu Noah: „Das
Ende alles Fleisches ist vor mich gekommen, denn die Erde ist voll
Gewalttat durch sie; und siehe, ich will sie verderben mit der Er de" (1.
Mo 6,13). Und 2. Pet 3,5. 6 sagt: „ ... eine Erde,
entstehend (oder bestehend) aus Wasser und im Wasser, ... durch welche
die damalige Welt, vom Wasser überschwemmt, unterging". Das
heißt natürlich nicht, daß die Erde aufhörte zu bestehen, wohl aber, daß
das Gesicht der damaligen Erde völlig verändert wurde dadurch daß alles,
was auf ihr war, vernichtet und der Erdboden total aufgerissen und
umgewühlt wurde.
3. Um all das Wasser, das aus den „Fenstern des Himmels" kam, nach der
Sintflut unterzubringen, waren stark vergrößerte Ozeanbecken nötig. Auch
das ist also ein Hinweis auf eine enorme geologische Aktivität im
Erdboden, wobei bestimmte Teile der Erde sich hoben und andere sich
senkten. Dies ist es auch, was wir in Psalm 104,6-9 lesen, wo deutlich
auf die Sintflut angespielt wird (vgl. Vs. 9 mit 1. Mo 9,11): „Mit
der Tiefe hattest du sie (die Erde) bedeckt wie mit einem Gewände; die
Wasser standen über den Bergen. Vor deinem Schelten flohen sie, vor der
Stimme deines Donners eilten sie hinweg. - Die
Berge erhoben sich, es senkten sich die Täler - an den Ort, den du ihnen
festgesetzt. Du hast ihnen eine Grenze gesetzt, die sie nicht
überschreiten werden; sie werden nicht zurückkehren, die Erde zu
bedecken". Auch die Gebiete versunkenen Landes und die
unterseeischen Canons deuten darauf hin, daß das Meeresniveau damals
viel niedriger war als heute.
Seite 81
4. Die unter 1,2 und 3 genannten Punkte deuten an, daß bei der Sintflut
in enormem Umfang Ablagerungsgesteine gebildet worden sein müssen. In
Abschnitt III habe ich meine Einwände gegen die geologische Zeitskala
vorgebracht; viele dieser Bedenken (lies vor allem noch einmal die unter
III 8 und 9 genannten) finden in der Sintflut eine großartige Lösung.
Nach der allgemeinen Auffassung sind fast alle Erdschichten in
strömendem Wasser abgesetzt worden. Durch die genannten Ursachen ist die
ganze Erdkruste mit allem, was da lebte, total umgewühlt und danach
allmählich abgelagert worden. Daß dies sehr schnell geschehen sein muß,
ist ersichtlich aus dem Vorkommen von enormen Massengräbern in den
Erdschichten und z. B. von Baumstämmen, die quer durch mehrere
Erdschichten hindurchreichen, wie wir gesehen haben.
5 Eine derartige katastrophale Flut, mit Umwühlen der Erdkruste und
schnellem Begraben lebender Organismen liefert die idealen Verhältnisse
für die Bildung von Fossilien (Versteinerungen). Unter normalen
Umständen entstehen überhaupt keine Fossilien; doch enthalten die
Erdschichten enorm viele Fossilien, und soviel hat man schon gemerkt,
daß die gesuchten „missing links" (die zahlreichen (fehlenden)
Obergangsformen, die für die Evolutionslehre notwendig sind) schon lange
ein Märchen geworden sind. Versteinerungen werden am besten oder
ausschließlich gebildet, wenn ein Lebewesen sehr schnell in einem
Ablagerungsgestein, das in 381 strömendem Wasser gebildet wird, begraben
wird. So muß es in der Sintflut geschehen sein. Daß dabei die
Wassertiere, die auf dem Meeresgrund leben oder im Wasser schweben (die
„niedrigsten" Lebewesen), meistens in den untersten Erdschichten
abgelagert wurden, liegt auf der Hand; in den „ältesten" fossilhaltigen
Erdschichten (denen des Kambrium) sind alle Hauptgruppen der wirbellosen
Tiere vertreten (und zwar ausschließlich durch Meerestiere!), während
die darunter gelegenen Erdschichten (die des Präkambrium) praktisch
nicht ein einziges unbestrittenes Fossil enthalten, obwohl sie oft aus
demselben Material bestehen. Dies ist eine unüberwindliche Schwierigkeit
für die evolutionistische Paläontologie, aber völlig klar in der
Sintflut-Geologie. In großen Zügen kommen in den höheren Erdschichten
die Wassertriere vor, die schwimmen können (u. a. die Fische), noch
höher die Landtiere, die erst später durch das steigende Wasser erreicht
wurden und die sich anfangs auch vor dem aufkommenden Wasser in
Sicherheit bringen konnten. Selbstverständlich ist dies eine grobe
Skizze, denn eine rasend schnelle Flut von einem derartigen Umfang
verursacht an vielen Stellen natürlich eine ganz andere Reihenfolge als
dieses schöne Aufsteigen von „niedrig" nach „hoch", wie wir gesehen
haben. Auch das ist eine unüberwindliche Schwierigkeit für die
Evolutionisten. Die Sintflut-Geologie erklärt auch zwei andere
Evolutionsprobleme, nämlich wie es möglich ist, daß Lebewesen, die nur
in den niedrigen Erdschichten vorkommen und nirgends in den obersten
Schichten, plötzlich noch lebende Nachkommen haben! Es ist für sie auch
kein Problem, daß immer wieder Lebewesen in ein und derselben Erdschicht
gefunden wurden, die nach der Evolutionslehre Millionen von Jahren
nacheinander gelebt haben. Sie haben nämlich einfach zu gleicher Zeit
gelebt, vor der Sintflut.
Seite 83
Die sieben Schöpfungstage
Wir kommen nun zur Betrachtung der ersten vier
Schöpfungstage, also der Zubereitung der stofflichen Welt. Wir hoffen,
später ihre geistliche Bedeutung zu untersuchen; jetzt wollen wir erst
sehen, was an diesen Tagen im einzelnen geschah und auf welche Weise uns
das vorgestellt wird. In Vers l haben wir gesehen, daß Gott im Anfang
Himmel und Erde geschaffen hat. Erst am fünften Tag ist aufs neue von
„(er)schaffen" die Rede; bis zu diesem Augenblick finden wir also nichts
anderes als eine Bearbeitung und Ordnung der Erde, wie diese in Vers 2
beschrieben wird. Sogar die Pflanzen werden nicht als eine besondere
Schöpfung betrachtet, weil sie keine lebendigen Seelen mit einem
Bewußtsein sind. Sie sind einfach lebendige Erzeugnisse des Erdbodens.
Ich habe schon darauf hingewiesen, daß 1. Mose 1 nicht so sehr von dem
ganzen Weltraum spricht, als vielmehr von der Erde, die nach einem
Zustand der Wüstheit und Leere durch Gott wiederhergestellt und geordnet
wird, um als Wohnstätte für die Tiere und vor allem für ihren Herrscher,
den Menschen, geeignet zu sein. An den ersten vier Schöpfungstagen tat
Gott das vorbereitende Werk, das der Erschaffung der Tiere und des
Menschen vorausgehen mußte. Nachdem der Heilige Geist in Vers 1 von dem
ganzen Weltall gesprochen hat, beschränkt Er in Vers 2 unser Blickfeld
auf die Erde und am dritten Tag noch weiter auf „das Trockene". Am
sechsten Tag beschränkt der Geist unsere Aufmerksamkeit auf die
Menschheit, die das Trockene bewohnt, noch später auf ein Volk aus
dieser Menschheit, nämlich Israel, um schließlich alle Scheinwerfer auf
die eine Person aus Israel zu richten, auf die das ganze Alte Testament
hinweist: Jesus Christus. Von Ihm aus verbreitert sich das Feld der
Gottesoffenbarung wieder: von Jerusalem, Judäa und Samaria geht das
Evangelium nach Klein-Asien, Griechenland, ja nach Rom und zu allen
Völkern. Zum Schluß kommt die Zeit, da die ganze Erde voll sein wird der
Erkenntnis Jehovas, danach der ewige Zustand: der neue Himmel und die
neue Erde! Und dies alles ist im Vorbild schon in 1. Mose 1 enthalten,
wie wir später sehen werden.
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Der erste Tag
„Und Gott sprach: Es werde Licht! und es ward Licht.
Und Gott sah das Licht, daß es gut war; und Gott schied das Licht von
der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag, und die Finsternis nannte
er Nacht. Und es ward Abend und es ward Morgen: erster Tag*)" (1. Mo 1,3-5).
*) Oder „ein Tag".
Die erste Aktivität Gottes ist das Schweben Seines Geistes über den
Wassern. Gott hat den Menschen im Auge, und überall, wo es um dessen
Glück und Wohlfahrt geht, finden wir den Geist wirksam. „Du
sendest deinen Odem (oder „Geist") aus:
sie werden erschaffen, und du erneuerst die Fläche des Erdbodens" (Ps
104,30). Das ist das Ziel Gottes hier: durch Seinen Geist ist Er im
Begriff zu erneuern, was uns in Vers 2 als verdorben vorgestellt wurde.
Und Er tut das, indem Er mit Seinem Geist Sein Wort verbindet. Zehnmal
lesen wir in 1. Mose 1: „Und
Gott sprach". Diese Verbindung von Geist und Wort ist
sehr bezeichnend in der Schrift, wie wir später auch bei der geistlichen
Anwendung sehen werden. „Durch Jehovas Wort sind die
Himmel gemacht, und all ihr Heer durch den Hauch (oder
„Geist", s. franz. Übers. JND) seines Mundes" (Ps
33,6). Durch Gottes Wort sind die Welten bereitet worden (Heb 11,3),
durch Seinen Hauch wird der Himmel heiter (Hiob 26,13). Gott spricht. Er
spricht nicht zu irgendetwas oder zu irgendwem, sondern Sein Wort ist
der Ausdruck Seines freien Schöpferwillens. Sein Sprechen kennzeichnet
Ihn als den souveränen Schöpfer, der das Nichtseiende ruft, wie wenn es
da wäre (Röm 4,17). Zehnmal sagt 1. Mose 1: „Und Gott sprach", davon
achtmal als Befehl für ein ordnendes und schöpferisches Werk: am ersten,
zweiten, vierten und fünften Tag einmal, und am dritten und sechsten Tag
(an denen ein doppeltes Werk Gottes stattfindet) je zweimal.
Und Gott sprach: Es werde Licht! dreimal lesen wir, daß Er sprach: „Es
werde", nämlich auch noch in den Versen 6 und 14 (dieselbe Verbform).
Aber im übrigen unterscheidet sich das Werk des ersten Tages stark von
dem der anderen Tage.
(1) Dies ist der einzige Tag, der nicht mit einer Morgendämmerung,
sondern mit dem plötzlichen Durchbruch des vollen Lichtes beginnt. Gott
hieß das Licht aus der Finsternis leuchten (2. Kor 4,6).
(2) Meist richtet sich der Befehl Gottes an einen Grundstoff, der
verändert werden oder aus dem etwas Neues hervorgehen muß; so gebietet
Er den Wassern am dritten und fünften Tag, und der Erde am dritten und
sechsten Tag. Wenn Gott sagt: Es werde eine Ausdehnung, und: Es werden
Lichter, dann fehlt dieser Grundstoff, aber es wird wenigstens noch eine
Ortsbestimmung angegeben: eine Ausdehnung inmitten der Wasser und
Lichter an der Ausdehnung des Himmels. Alles das fehlt am ersten Tag.
Gott spricht einfach: Es werde Licht.
(3) Außerdem finden wir in den weiteren Versen in dem Befehl stets ein
anderes Verb als in der Ausführung. So z. B.: Es werde ... und Gott
machte (Verse 6,7,14,16). Siehe auch alle anderen fünf Male. Aber hier
lesen wir: Es werde Licht. Und es ward Licht. Außerdem ist das im
Hebräischen auch dieselbe Verbform: Jehi oor wa jehi
oor. Keine Arbeit Gottes, nicht: Gott machte, und
schon gar nicht: Gott schuf. Er befiehlt einfach das Dasein des Lichts,
und es ist sofort da.
(4) Alle anderen Werke, die noch nicht da sind, stehen im Befehl noch
ohne Artikel und bekommen einen Artikel bei der Ausführung. Aber bei dem
Licht fehlt der Artikel beide Male. Gott erschafft hier nicht das Licht,
sondern Er ruft Licht und es kommt Licht.
Alle diese Kennzeichen, durch die das Licht sich von den Werken an den
anderen Tagen unterscheidet, sind von großer Bedeutung. Mehr als alles
andere ist das Licht ja verbunden mit dem Wesen Gottes. Gott ist Licht
und gar keine Finsternis ist in Ihm (1. Joh 1,5). Es wäre unangebracht
gewesen zu sagen, daß Gott das Licht schuf. Das Licht war ewig, denn
Gott ist Licht. Die Finsternis ist nicht ewig-gewesen, daher der
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Unterschied in Jesaja 45,7: „Ich bin Jehova ..., der
ich das Licht bilde und die Finsternis schaffe". Auch
die Materie ist nicht ewig. Gott ist ein Geist und nicht stofflich (Joh
4,24); als Er Energie zu Materie zusammenballte, entstand dadurch also
etwas Einzigartiges: eine Schöpfung. Alles in 1. Mose 1 ist
materiell, aber das Licht ist pure Energie, direkt verwandt mit und
hervorgegangen aus dem, was Gott ist: die Quelle aller Kraft und alles
Lichts. Das Licht wohnt bei Ihm (Dan 2,22). Er weiß den Weg zur Wohnung
des Lichtes (Hiob 38,19); Er hüllt sich in Licht wie in ein Gewand (Ps
104,2) und breitet das Licht um sich aus (Hiob 36,30). Er bewohnt ein
unzugängliches Licht (1. Tim 6,16).
So verstehen wir auch, wie hier von dem Licht gesprochen werden kann,
ehe (erst am vierten Tag) von Sonne, Mond und Sternen die Rede ist. Kein
Mensch würde in früheren Zeiten auf den kühnen Gedanken gekommen sein,
von Licht zu sprechen, ehe ein Lichtträger da war. Für den Menschen ist
die Sonne so selbstverständlich und unentbehrlich, daß er nie von
hellem, warmem Licht sprechen würde außer im Zusammenhang mit der Sonne.
Er würde mit der Sonne beginnen. Aber Gott tut das nicht; die Sonne ist
keine Gottheit, sondern nichts anderes als ein Werk Gottes, das bei Ihm
erst an vierter Stelle kommt. Er hat keine Quelle nötig, um das Licht
scheinen zu lassen, denn Er ist Selbst das Licht. Heute ist es für uns
kein fremder Gedanke mehr, daß es helles Licht gibt unabhängig von der
Sonne (man denke z. B. an das Nordlicht und an Phosphoreszenz), aber
Gott ist unseren Errungenschaften immer voraus. Heute verstehen wir, daß
mit der Erschaffung von Himmel und Erde auch das Licht schon seinen
Einzug gehalten hatte, denn Licht in der Gestalt, wie wir es kennen, ist
ja nichts anderes als eine Eigenschaft der geschaffenen Materie. Als die
Erde wüst und leer wurde, machte Gott „Wolkendunkel zur Windel" des
Meeres (Hiob 38,9), aber am ersten Tag vertrieb Er diese Finsternis
durch Sein Machtwort. - Es gibt noch mehr Unterschiede zwischen dem
ersten Tag und den anderen Tagen.
(5) Siebenmal lesen wir in 1. Mose 1, daß das, was Gott bereitet hatte,
gut war. Abgesehen vom siebten Mal, wo es
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sich bezieht auf alles, was Gott gemacht hatte (Vers 31), lesen wir
immer kurzweg: Und Gott sah, daß es gut war. Aber nur hier lesen wir:
Und Gott sah das Licht, daß es gut war. Auf keinem einzigen Werk Gottes
liegt also so sehr dieser Stempel der „Gutheit" wie auf dem Licht, das,
wie gesagt, direkt mit dem Wesen Gottes selbst verbunden ist. Der
Ausdruck bedeutet nicht: nachdem Gott das Licht herbeigerufen hatte, sah
Er, daß es Seinen Erwartungen entsprach, sondern es will im Hebräischen
sagen: Er sah das Licht an, wie vortrefflich es doch war. Er freute sich
Seiner Werke (Ps 104,31). Übrigens gibt es eine ganze Anzahl Ausdrücke,
die in diesem Kapitel (1,1-2,3) siebenmal vorkommen: nach Vers 1, der im
Hebräischen sieben Worte umfaßt, folgen die sieben Tage, ferner
siebenmal „es war gut", siebenmal „machen", dreimal siebenmal „Erde"
(das Zubereitete) und fünfmal siebenmal „Gott" (der Zubereitende). Und
so geht es weiter.
(6) Um nun auch unsere Siebenzahl hier vollzumachen, noch zwei
bezeichnende Unterschiede zu den anderen Tagen. Der Ausdruck „ ... daß
es gut war", ist im weiteren immer der Abschluß eines Werkes Gottes,
hier jedoch nicht. Wenn das Licht das Wesen Gottes ausdrückt, so ist es
nötig, es scharf zu unterscheiden von der Finsternis, dem Ausdruck all
dessen, was mit Gottes Wesen in Widerspruch ist. Darum muß hier noch
folgen, daß Gott das Licht von der Finsternis scheidet, indem Er beiden
je einen bestimmten Teil des Etmals (vierundzwanzig Stunden) zuweist. „Denn
welche Gemeinschaft hat Licht mit Finsternis?" (2. Kor
6,14). Wehe denen, die diese (Unter)Scheidung nicht machen, „welche
Finsternis zu Licht machen und Licht zu Finsternis" (Jes
5,20).
(7) Diese Scheidung ist so wichtig, daß Gott sie hier selbst ausführt.
Am zweiten Tag ist es die Ausdehnung, die eine Scheidung bewirkt (in
Vers 7 kann man auch übersetzen: „ ... und die schied die Wasser ...";
vgl. Vers 6!), und am vierten Tag bewirken die Himmelslichter eine
Scheidung (Verse 14 und 18). Nirgendwo sonst im Alten Testament lesen
wir, daß Gott Selbst eine Scheidung machte, als nur hier. Wohl gibt Er
dem Menschen häufig die Weisung, Ihm nachzufolgen
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in dieser Scheidung zwischen dem Heiligen und dem Unheiligen (Hes
42,20), zwischen rein und unrein (3. Mo 10,10; 11,47; 20,25; Hes 22,26;
vgl. Jes 59). Scheidung oder „Trennung" ist ganz besonders das
Kennzeichen der ersten drei Tage, während „Vermehrung" typisch ist für
die letzten drei Tage.
Das Kennzeichen von „Trennung" an den ersten drei Tagen kommt auch zum
Ausdruck in der Benennung der verschiedenen Teile: Gott nennt das Licht
„Tag", die Finsternis „Nacht", die Ausdehnung „Himmel", das Trockene
„Erde" und die Sammlung der Wasser „Meere". Weiter geht die Namensgebung
hier nicht. Nur die großen Begriffe von Raum und Zeit werden hier für
den Menschen umschrieben, - später darf er selber den Tieren Namen geben
(2,20) und bekommt er selbst seinen Namen von Gott (5,2), aber das liegt
außerhalb dieses Kapitels. Hier geht es darum, nicht nur Namen zu geben,
sondern mehr noch den Lebensraum des nichtigen Menschen zu umschreiben.
Alle diese „Namen" werden hier ja in einer begrenzteren Bedeutung
gebraucht als sie sie eigentlich in Wirklichkeit haben. Wenn Gott in
Tagen rechnet, dann sind es jeweils ganze vierundzwanzig Stunden, wie
hier die sieben Schöpfungstage, aber für den Menschen bestimmt Gott nur
die Lichtperiode als „Tag", die Periode, da er „ausgeht
an sein Werk und an seine Arbeit, bis zum Abend" (Ps
104,23). So ist auch der „Himmel" für Gott der Weltraum (Vers 1), aber
für den Menschen die Atmosphäre, in der er atmet, aus der er Regen
empfängt (1. Kön 18,45) und wo die Vögel fliegen (Vers 20). So ist die
„Erde" für Gott die Weltkugel, über der Er thront (Vers 1; Jes 40,22),
aber für den Menschen das trockene Land, auf dem er wohnt. Und so sind
die „Meere" für den Menschen nicht die Urflut (Hiob 38,8-11), sondern
nur das, was außerhalb des Trockenen liegt.
Als Gott das Licht rief, war Seine Absicht nicht, es beständig auf der
Erde zu lassen, sondern es mit der Nacht abwechseln zu lassen, in einem
Rhythmus, der für den menschlichen Körper wirklich ideal ist. „Die
Sonne weiß ihren Untergang; du machst Finsternis, und es wird Nacht" (Ps
104,19. 20). „Dein ist der Tag, dein auch die Nacht" (Ps
74,16). Gott
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bestellt die Nacht als einen Segen für den Menschen, denn Er ist es ja, „der
seinem Geliebten den Schlaf gibt" (Ps 127,2), und der
den Menschen so machte, daß er „schläft und aufsteht,
Nacht und Tag" (Mk 4,27). Und ist es nicht
bemerkenswert, daß dieser Tag-Nacht-Rhythmus nicht in erster Linie von
der Sonne abhängt, denn die kam als solche erst am vierten Tag! Die Erde
selbst ist durch ihre Drehung die erste Ursache des Tag-Nacht-Rhythmus.
Wenn man das eher gemerkt hätte, daß es Tage und Nächte gab, ehe die
Sonne als solche da war, dann hätte man Kopernikus und Galilei nicht so
leicht beschuldigt, das Wort Gottes anzutasten. Die Bibel selbst gibt
ihnen tatsächlich noch recht. Gewiß, ich bin damit eins, daß die Schrift
uns keine Kosmographie lehrt, aber sie bestärkt uns bestimmt nicht in
unseren falschen Vorurteilen.
Dem ersten Tag folgt der Abend, wobei zum erstenmal sichtbar wird, daß
das Licht nicht beständig den Menschen bescheinen, sondern regelmäßig
mit der Nacht abwechseln sollte, wobei jede Nacht durch einen Morgen in
einen neuen Tag übergehen sollte. In der Nacht wirkt Gott nicht (vgl.
Joh 9,4) und deutet damit den normalen Lebensrhythmus des Menschen an.
Nicht daß Gott schliefe, ebensowenig wie Er am siebenten Tag ermüdet
gewesen wäre und wirklich Ruhe nötig gehabt hätte - aber Er weist darauf
hin, was die normale Arbeitswoche des Menschen unter der ersten
Schöpfung werden sollte (2. Mo 20,8-11; Ps 104,23; 1. Thes 5,7a).
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Der zweite Tag
„Und Gott sprach: Es werde eine Ausdehnung inmitten
der Wasser, und sie scheide die Wasser von den Wassern! Und Gott machte
die Ausdehnung und schied die Wasser, welche unterhalb der Ausdehnung,
von den Wassern, die oberhalb der Ausdehnung sind. Und es ward also. Und
Gott nannte die Ausdehnung Himmel. Und es ward Abend und es ward Morgen:
zweiter Tag" (1. Mo 1. 6-8).
Wie für den ersten Tag das Licht charakteristisch ist, so wird der
zweite Tag durch das Wasser gekennzeichnet. Gott spricht zum zweiten
Male, und zum zweiten Male sagt Er: „Es werde". Bis
dahin war die Erde durch die Wasserflut von Vers 2 bedeckt. Nun gebietet
Gott, daß eine Scheidung inmitten dieser Wassermassen eintrete, und zwar
so, daß ein Teil dieser Wasser über die Erde emporgehoben wird und ein
anderer Teil auf der Erde zurückbleibt. Diese Scheidung entsteht
dadurch, daß Gott eine Ausdehnung (Atmosphäre) schafft, die auf den
Wassern ruht, die auf der Erde sind, und die zugleich die Wasser trägt,
die oberhalb der Erde sind. Das Wort „Ausdehnung" (raqia)
kommt außer in diesem Kapitel nur noch vor in Psalm 19,1 („die
Ausdehnung verkündet seiner Hände Werk"), in Psalm
150,1 („lobet ihn in der feste (oder
„Ausdehnung") seiner Stärke"), in
Daniel 12,3 („die Verständigen werden leuchten wie der
Glanz der Ausdehnung", s. engl. u. franz. Übers. JND)
und in bildlichem Sinn in Hesekiel 1. 22-26; 10,1. Das Wort ist von
einem Verb abgeleitet, das „stampfen" bedeutet (Hes 6,11; 25,6; das
dritte Verb in 2. Sam 22,43) oder „ausbreiten" („lehova
... , der die Erde ausgebreitet hat über den Wassern", Ps
136,6; Jes 42,5; 44,24; das Himmelsgewölbe: Hiob 37,18). Die Beziehung
zwischen stampfen und ausbreiten wird deutlich, wenn man weiß, daß die
Grundbedeutung des Wortes „plätten" ist (siehe 2. Mo 39,3;
„breitschlagen" in 4. Mo 16,38.39; „dünnschlagen" in Jer 10,9; daher
„überziehen" in Jes 40,19). Das Wort „Ausdehnung" schließt
in sich also den Gedanken an etwas, das (1.) sehr
dünn und (2.) sehr ausgebreitet ist (siehe auch bei der Betrachtung von
Vers 1).
Diesen Gedanken finden wir immer wieder in den Bildern, die für die
Ausdehnung (oder den „Himmel", wie
Gott sie nennt) gebraucht werden. „Der die Himmel
ausspannt gleich einer Zelt decke (Ps 104,2). „Er
ist es, ... der die Himmel
ausgespannt hat wie einen Flor, und sie ausgebreitet wie ein Zelt zum
Wohnen" (Jes 40,22). Vergleiche auch Hiob 9,8; Jes
42,5; 44,24; 45,12; 51,13; Jer 10,12; 51,15; Sach 12,1. wo jedesmal
gesagt wird, daß Gott die Himmel „ausgespannt" hat.
Ferner hat der Himmel die Klarheit eines Kristalls (Hes 1. 22), den
Glanz von Saphirsteinen (2. Mo 24,10) und die Festigkeit eines
gegossenen Spiegels (Hiob 37,18). Diese Festigkeit hat nichts zu tun mit
irgendwelchem Aberglauben an einen Himmel, der sich wie eine metallene
Kuppel über der Erde wölbt. Dieses alte Weltbild ist leider in die
Schrift hineingetragen worden dadurch, daß die Septuaginta bereits ste-reoma ins
Griechische übersetzt und Hieronymus in der lateinischen Vulgata firmamentum sagt
(beide Wörter kommen in den betreffenden Sprachen in Kolosser 2,5 vor
und bedeuten „Festigkeit"). Luther übernahm dies ins Deutsche („Feste").
Der wirkliche Sinn des Hebräischen Wortes
ist aber eine „dünne Ausgedehntheit": der Raum, in dem die
Vögel fliegen (Vers 20) und in dem - vom Menschen aus gesehen - die
Himmelslichter scheinen (Verse 14. 15. 17). Der zweite Tag enthält also
nichts weiter als eine Scheidung der Wasser durch das Entstehen einer
dünnen Atmosphäre zwischen ihnen. Dabei brauchen wir noch
nicht einmal direkt an die Luft zu denken, sondern
einfach an eine „Ausbreitung" zwischen
Wassern und Wassern, ein „Heraufziehen der
Wassertropfen" (Hiob 36,27), eine Ausdehnung von
Wassern, wie man Metall walzt. Es entsteht am
zweiten Tag also nichts wesentlich Neues, so daß
wir hier nicht lesen: „Und Gott sah, daß es gut war", was
auch mit der Tatsache in Verbindung steht, daß Gottes Werk an den
Wassern noch nicht vollendet ist, sondern am dritten Tag fortgesetzt
wird. Damit hängt auch zusammen, daß der Ausdruck „und
es ward also" hier ausnahmsweise erst am Ende kommt
(Vers 7) und nicht vor „Gott machte" (vgl.
Verse 15 und 24), weil nur hier der Gedanke einer echten Arbeit Gottes
vorliegt („Er machte ... und schied") und
nicht einer bloßen Tat.
Der Ausdruck „Gott machte" kommt in
1. Mose 1 dreimal vor. Es ist nicht „(er)schaffen", denn immer ist
bereits Material vorhanden: Er macht die Ausdehnung inmitten der Wasser,
Er macht die Himmelskörper aus dem, was sie seit Vers l (der Erschaffung
des Himmels) schon waren (siehe später), und Er macht die Landtiere aus
der Erde (Vers 24). Auch der Mensch kann „machen" aus bereits
vorhandenen Grundstoffen, aber damit hört der Vergleich mit dem
göttlichen „machen" auf. Was der Mensch macht, ist vergänglich, aber
Gott machte nur einmal die Ausdehnung, die Lichter und die Tiere, und
erhält sie seitdem. (Darum steht auch nicht da, daß Gott die Pflanzen
„machte", denn dieselbe Erde, die nur einmal «iie Landtiere
hervorbrachte, bringt sozusagen immer aufs neue Pflanzen hervor, und die
Bäume „machen" selbst ihre Frucht). Außerdem ist der Mensch bei seinem
„machen" an die begrenzten Möglichkeiten seines Materials gebunden, Gott
dagegen bereitet inmitten der Wasser eine Atmosphäre, die nichts mit
diesen Wassern gemein hat, und Er macht lebendige Tiere, die nur die
allgemeinen Kennzeichen der Materie mit der leblosen Erde gemein haben,
aus der sie hervorkommen.
In Vers 6 steht wörtlich: „sie sei scheidend zwischen
Wassern und Wassern", das ist genauer als das
gewöhnlich übersetzte „sie scheide die Wasser von den
Wassern", weil es nicht nur auf eine einmalige Tat der
Scheidung hindeutet (was es in Vers 7 ist: „Gott machte
... und schied"), sondern auf die bleibende Aufgabe
der Atmosphäre, eine fortdauernde Scheidung zwischen den Wassern und den
Wassern zu bilden. In Vers 7 (nicht in Vers 6) wird das Wort „zwischen" zweimal
gebraucht (wörtlich: „Gott schied zwischen den Wassern
unterhalb der Ausdehnung und zwischen den Wassern oberhalb der
Ausdehnung"), um anzudeuten, daß nicht nur ein
Zwischenraum zwischen den Wassern sich bilden (Vers 6), sondern daß auch
weiterhin ein wesentlicher Unterschied zwischen Wassern und zwischen
Wassern bestehen sollte. Dieser Unterschied wird durch eine Rangordnung
umschrieben: Es gibt Wasser „unterhalb der Ausdehnung" (zuerst
genannt, weil sie dem Menschen am nächsten sind), und es gibt Wasser „oberhalb
der Ausdehnung". Was das für Wasser sind und was das
Material der Atmosphäre ist, lehrt 1. Mose l nicht. Andere
Schriftstellen berichten darüber wohl mehr, aber für das Ziel von 1.
Mose 1 tut es nichts zur Sache; es genügt, daß Gott hier in den
ungeordneten Wassermassen von Vers 2 eine erste Ordnung schafft, indem
Er den „Himmel" als Scheidung
dazwischenfügt.
An anderen Stellen erfahren wir mehr über den wichtigen Unterschied
zwischen den Wassern oberhalb und denen unterhalb der Ausdehnung.
Prediger 1. 7 stellt fest, daß, obwohl viele Flüsse in das Meer gehen,
das Meer doch nicht voll wird. Die Ursache dafür ist die fortwährende
Verdunstung des Wassers: Gott läßt „Dünste aufsteigen
vom Ende der Erde" (Ps 135,7); „Er
zieht Wassertropfen herauf; von dem Dunst, den er bildet, träufeln sie
als Regen, den die Wolken rieseln und tropfen lassen auf viele Menschen" (Hiob
36,27. 28). Diese verdunsteten Wasser werden in Wolken gebunden (Hiob
26,8), die zugleich die „Vorratskammern des Schnees und
des Hagels" sind (Hiob 38,22), von woher sie auf die
Erde zurückkehren (Hiob 36,28; 37,6) wie aus „Schläuchen
des Himmels" (Hiob 38,37). Das will übrigens nicht
sagen, daß die „Wasser oberhalb der Ausdehnung" in
1. Mose 1. 7 31 einfach Wolken wären! 1. Mose 2,5 sagt deutlich, daß es
im Anfang der Geschichte nicht regnete auf der Erde, also gab es
wahrscheinlich noch nicht den Wasserkreislauf, wie wir ihn jetzt kennen.
Außerdem: Wenn die Wasser oberhalb der Ausdehnung lediglich Wolken
wären, dann würden diese Wasser nur eine außerordentlich kleine Menge
bilden im Vergleich zu den Wassern unterhalb der Ausdehnung, und es
könnte kaum von irgendeiner Scheidung die Rede sein. Vielmehr scheint
es, daß am zweiten Tag eine gewaltige Wassermenge von der Erde
emporgehoben und als ein großes Wasser-dampf-Reservoir auf die
Atmosphäre gelegt wurde (die Gelehrten erkennen an, daß dies theoretisch
tatsächlich möglich ist). Wie bereits gesagt, wird es diese Wassermasse
sein, die bei der Sintflut auf die Erde ausgeschüttet wurde, wie durch
viele Ausleger angenommen wird. Dabei ist es bemerkenswert, daß der
Ausdruck „die Fenster des Himmels" (1.
Mo 7,11; 8,2) in der Schrift zwar noch häufiger vorkommt (2. Kön 7,2.
19; Jes 24,18; Mal 3,10), aber nie mehr in Verbindung mit Wasser. Es
scheint also, daß diese Fenster in 1. Mose 8,2 eine einzigartige
Wasserquelle bildeten, unterschieden von dem „Regen vom
Himmel". Ein solches Wasserdampfgewölbe vor der
Sintflut muß die Wirkung eines Treibhauses gehabt haben (dadurch, daß es
wohl die Sonnenstrahlen durchließ, aber viel weniger die zurückgeworfene
Strahlung der Erde), so daß auf der ganzen Erde eine gleichmäßige hohe
Temperatur herrschte. Genau dies ist das Zeugnis aller Erdschichten bis
zum Pleistozän, denn sie enthalten eine fossile Pflanzen- und Tierwelt,
die in einem gleichmäßig subtropischen Klima gelebt haben muß. Ein
weiterer Hinweis, daß dies die lebende Welt aus der Zeit vor der
Sintflut ist und daß die Erdschichten in der Sintflut entstanden sind.
Nach der Sintflut müssen die Extra-Wassermassen in vergrößerten
Ozeanbecken Platz gefunden haben (siehe oben), während durch das
Wegfallen des schützenden Wasserdampfgewölbes fortan Regen und Hagel die
Erde heimsuchen sollten (man denke an den Regenbogen, der von da an
sollte gesehen werden können; 1. Mo 9,12-16), und die direkte
Sonnenbestrahlung sorgte von jetzt an für «inen (stärkeren) Wechsel der
Jahreszeiten (vgl. 1. Mo 8,22).
Seite 95
Der dritte Tag
„Und Gott sprach: Es sammeln sich die Wasser 1)
unterhalb des Himmels an einen Ort, und es werde sichtbar das Trockenei
Und es ward also. Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Sammlung
der Wasser nannte er Meere. Und Gott sah, daß es gut war. Und Gott
sprach: Die Erde lasse Gras 2) hervorsprossen, Kraut, das Samen
hervorbringe 3), Fruchtbäume, die Frucht tragen 4) nach ihrer Art, in
welcher ihr Same sei 5) auf der Erde! Und es ward also. Und die Erde
brachte Gras 2) hervor, Kraut, das Samen hervorbringt 3) nach seiner
Art, und Bäume, die Frucht tragen 4), in welcher ihr Same ist 5) nach
ihrer Art. Und Gott sah, daß es gut war. Und es ward Abend und es ward
Morgen: dritter Tag"
(1. Mo 1. 9-13).
1) Wörtlich: „Es werden die Wasser gesammelt..." (passivisch)
2) Eigentlich: „Hervorgesproßtes" oder
„Hervorsprossendes".
3) Eigentlich: „samensäendes Kraut"
4) Wörtlich: „machen"
5) Oder: „deren Same darin (sei)"
Ein neuer Abend und Morgen führen zum dritten Tag, an dem Gott
Sein Werk mit den Wassern fortsetzt. Auch jetzt eine Scheidung: wie am
vorigen Tag zwischen Wassern und Wassern, so hier zwischen den Meeren
und der Erde. Wie es dort um die Ausdehnung ging, so hier um das
Trockene; dort der „Himmel", hier die „Erde", beide in einer
begrenzteren Bedeutung als in Vers 1. wie bereits gesagt. Gott spricht
aufs neue, aber jetzt ist es ein anderer Befehl als an den vorigen Tagen
(also nicht: „Es werde trockenes Land" oder ähnlich); außerdem ein
einzigartiger Befehl, denn nur hier wird das Passiv gebraucht, wörtlich:
„Die Wasser unterhalb des Himmels werden an einen Ort gesammelt, und es
werde sichtbar das Trockene" (s. engl. Übers. JND). Und dann nicht: Gott
sammelte, sondern: Es ward also. Es scheint also, daß Gott hier an
bestimmte Kräfte einen Befehl richtet, die Wasser zu sammeln, und zwar
die Wasser, die unterhalb der Ausdehnung sind, also die Wasser, die am
zweiten Tag auf der Erde zurückgeblieben waren. Die „Kräfte", denen Gott
hier befiehlt, müssen die Wasser an „einen Ort" hin in Bewegung bringen.
Was sind diese Kräfte, und was ist dieser eine Ort?
Daß die Wasser an einen Ort gesammelt werden, bedeutet natürlich nicht,
daß sie in einem Becken zusammenströmten; die Mehrzahl „Meere" (Vers 10)
macht bereits deutlich, daß dieser „eine Ort" viele verschiedene Meere
und Ozeane umfaßt. Aber doch bilden sie alle tatsächlich eine Einheit,
denn sie sind alle miteinander zu einer Wassermasse verbunden, sie
reichen überall mehr oder weniger bis an denselben „Meeresspiegel" und
werden alle miteinander begrenzt durch die Schranken, die Gott ihnen
gesetzt hat. „Er rundete eine Schranke ab über der
Fläche der Wasser" (Hiob 26,10) und
„hat das Meer mit Toren verschlossen" (Hiob 38,8). „Er
sammelt die Wasser des Meeres wie einen Haufen, legt in Behälter die
Fluten" (Ps 33,7). „Er setzte dem
Meere seine Schranke, daß die Wasser seinen Befehl nicht überschritten" (Spr
8,29). Er hat „dem Meere Sand zur Grenze gesetzt, eine
ewige Schranke, die es nicht überschreiten wird; und es regen sich seine
Wogen, aber sie vermögen nichts, und sie brausen, aber überschreiten sie
nicht" (Jer 5,22). Und
was sind das für Kräfte, die dieses Sammeln der Wasser zustande
brachten?
Auf Gottes Befehl muß die Erdkruste in Bewegung geraten sein. An
gewissen Stellen erhob sie sich und erhöhte den Meeresboden über den
Wasserspiegel; an anderen Orten senkte sie sich, und die Wasser strömten
in die entstandenen Tiefen. Sowohl Gebirge als Ozeanbecken wurden
gebildet. Was für gewaltige Druck- und Reibungskräfte müssen diese
enormen Wasserbewegungen auf den Erdboden ausgeübt haben! Die
allerersten fossillosen Ablagerungsgesteine, die die Erdkruste bedecken,
müssen wohl an diesem Tag entstanden sein und dabei gleichzeitig einen
fruchtbaren Boden gebildet haben für die Pflanzen, die jetzt sogleich
erscheinen sollten.
Nun gibt Gott wiederum Namen und legt damit die drei großen Räume fest,
die lebenswichtig sind für alle lebenden Organismen (die auch nach
diesen drei Räumen eingeteilt werden): „ ... Himmel und
Erde, die Meere und alles, was in ihnen wimmelt" (Ps
69,34; vgl. Off 10,6), nämlich die Vögel des Himmels, die Tiere der Erde
und die Fische des Meeres (vgl. Verse 26. 28. 30). In der Schrift werden
die Werke Gottes stets bei ihrem göttlichen Namen genannt; genauso
selten wie das Wort „Ausdehnung" ist in der Schrift nämlich auch „das
Trockene". „Der Gott des Himmels, der das Meer und das
Trockene gemacht hat" (Jona 1,9). Ferner wird das Wort
als Gegensatz zum Meer nur gebraucht in Jona 1,13; 2,11; (allgemein: Jes
44,3), und vor allem beim Zug durch das Rote Meer (2. Mo 14,16. 22. 29;
15,19; Ps 66,6; Neh 9,11) und durch den Jordan (Jos 4,22); eine
Verbindung mit der „Sammlung der Wasser" (Vers 10) haben wir in 2. Mose
4,9; 7,19. Nachdem nun also am zweiten und dritten Tag die drei großen
Lebensräume fertig geworden sind, kann hier zum zweitenmal folgen: Gott
sah, daß es gut war.
Zum erstenmal spricht Gott nun an ein und demselben Tag noch einmal.
Sein Werk an diesem Tag ist nämlich noch nicht fertig; das Trockene ist
zum Vorschein gekommen, aber es muß jetzt auch die „Arbeit" tun, zu der
es trocken gelegt ist. Alles in 1. Mose 1 ist auf den Empfang des
Menschen ausgerichtet. Er kann nicht in den Wassern leben, darum mußte
das Trockene frei werden; er kann aber auch nicht auf dem kahlen Grund
leben - der Erdboden muß aussprossen! „Das Land...
bringt nützliches Kraut hervor für diejenigen, um derentwegen es auch
bebaut wird" (Heb 6,7). Zum erstenmal wendet Gott Sich
hier direkt an eine Instanz, die das durch Ihn gewollte Werk ausführen
muß: „Die Erde lasse ... hervorsprossen". Ähnlich
finden wir es am fünften („Es wimmeln die Wasser", obwohl das schwächer
ist) und am sechsten Tag („Die Erde bringe hervor"), aber es gibt auch
große Unterschiede. Bei der Ausführung des Befehls lesen wir hier: Und
die Erde brachte hervor . .., aber an den folgenden Tagen führt Gott das
Werk selbst aus: Und Gott schuf (Vers 21). Und Gott machte (Vers 25).
Auf der einen Seite wird also auf die wirkliche materielle
Übereinstimmung zwischen lebendigen Organismen einerseits und Erde und
Wasser andererseits hingewiesen. Aber auf der anderen Seite werden die
Pflanzen im geistlichen Sprachgebrauch der Schrift als nicht mehr als
lebende Materie gesehen, während die Tiere in den Schöpfungswerken
Gottes auf einem wesentlich höheren Niveau stehen. Darum wird nicht von
den Pflanzen, wohl aber von den Tieren gesagt, daß sie durch Gott
erschaffen wurden, und wird von den Pflanzen gesagt, daß sie direkt
durch die Erde hervorgebracht wurden (obwohl natürlich durch die Kraft
Gottes), während die Tiere unmittelbar durch Gott gemacht wurden (obwohl
in Verbindung mit Wasser und Erde). Der große Unterschied ist, daß die
Tiere lebendige Seelen sind (Vers 20, s. Fußnote Elberfelder
Übersetzung), also mit Bewußtsein und Gefühl; damit steht in Verbindung,
daß Pflanzen kein Blut besitzen (worin die Seele ist), und die Tiere im
allgemeinen wohl (vgl. 1. Mose 9,4; 3. Mose 17,14; 5. Mose 12,23). Ein
zweiter großer Unterschied ist der, daß die Tiere keine feste Verbindung
mit dem Erdboden haben, während die Pflanzen zu einem großen Teil (den
Wurzeln) in der Erde stecken und daraus für ihre Ernährung direkt
Mineralstoffe aufnehmen. (Natürlich müssen wir in all diesen
Überlegungen die niedrigsten Pflanzen und Tiere außer Betracht lassen,
die für den Menschen wenig Bedeutung haben und außerhalb des
Gesichtskreises des normalen Betrachters und somit meist auch der
Schrift liegen.)
Das Verb „hervorsprossen" (Vers 11) ist für dieses besondere, einmalige
Geschehen am dritten Tag speziell reserviert; das Wort kommt sonst im
Alten Testament nicht vor, außer in einer anderen Form in Joel 2,22 (s.
engl. Übers. JND), und zwar in Verbindung mit der Erneuerung der
Schöpfung im Friedensreich. Dieses Hervorsprossen ist in der Tat
einzigartig; normalerweise sprießen die Pflanzen zwar aus der Erde, aber
dann aus Samen, die in den Erdboden gefallen sind. Hier sproßt die Erde
durch die Schöpferkraft Gottes selbst aus. In Vers 12 steht ein anderes
Verb: Die Erde brachte hervor. Das ist nicht eine einmalige, sondern
eine fortdauernde Sache (vgl. Jes 61,11; Hag 1,11). Denn obwohl die
Pflanzen ab dem fünften Tag aus Samen sprießen, müssen diese Samen immer
erst in die Erde fallen. „Wenn das Weizenkorn nicht in
die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt
es viel Frucht" (Joh 12,24). Was muß die Erde
„hervorsprossen lassen"? An erster Stelle „Hervorgesproßtes"! Auch hier
eine Übereinstimmung mit dem fünften Tag: „Es wimmeln
die Wasser vom Gewimmel lebendiger Wesen". Diese
Verwandtschaft von Verb und Substantiv weist auf den bezeichnenden
Zusammenhang hin zwischen dem, was hervorbringt, und dem
Hervorgebrachten. So auch in den folgenden Pflanzengruppen: „samensäendes
Kraut" (s. Fußnote 3 auf Seite 74) und „Fruchtbäume,
die Frucht tragen". Dieser Gedanke der Übereinstimmung
zwischen dem Organismus und seinem Samen wird uns von Nutzen sein, wenn
wir später auf den wichtigen Ausdruck „nach seiner Art" zu sprechen
kommen. Ich hoffe dem eine besondere Betrachtung zu widmen und damit
einen Überblick über Inhalt, Charakter, Einfluß und Verwerflichkeit der
Evolutionslehre zu verbinden.
Welche Pflanzengruppen werden nun hier in Vers 11 und 12 genannt? Es ist
klar, daß wir hier keine wissenschaftliche Einteilung des
Pflanzenreiches erwarten dürfen. Die große Gruppe der niederen Pflanzen
fehlt hier völlig; nur die Pflanzen werden genannt, die für Mensch und
Tier lebenswichtig sind, und sie werden nach der verschiedenen
Bedeutung, die sie für sie haben, eingeteilt. Das ist deutlich aus den
Versen 29 und 30 zu ersehen: Dem Menschen gibt Gott das samenbringende
Kraut und die Bäume, an denen samenbringende Baumfrucht ist, während Er
den Tieren und den Vögeln das grüne Kraut zuteilt. Es besteht dazwischen
ja ein bemerkenswerter Unterschied. Bei der Nahrung für die Tiere (Gras
und grünes Kraut) wird nie von Samen gesprochen, wohl aber bei der
Nahrung für den Menschen (samenbringende Baumfrucht und samenbringendes
Kraut). Der Same und die Frucht sprechen ja von neuem Leben, von
Auferstehungsleben (s. Jes 53,10; Ps 126,5. 6; Joh 12,24; 1. Kor
15,35-38); für Adam sprach es von ewigem Fortleben im Garten, wenn er
gehorsam blieb (vgl. 2,16. 17; 3,22). Darum ist es bemerkenswert, daß
nach dem Sündenfall nicht mehr von Samen gesprochen wird (3,17-19; 9,3).
Die erste Gruppe ist also das „Hervorgesproßte". Was das bedeutet, ist
aus verschiedenen Stellen ersichtlich. Psalm 23,2 spricht von „Auen von
Hervorgesproßtem", und auf einer Aue wächst grünes Gras (daher „grüne
Auen"). Es ist das Grün, das gefressen wird vom Wildesel (Hiob 6,5) und
von der Hindin (Jer 14,5), und das nach dem Regen aus der Erde sproßt
(2. Sam 23,4). Diese letzte Stelle deutet auch an, daß es sich vor allem
um das junge, frischgrüne Gras handelt (vgl. auch Hiob 38,27; Spr
27,25). Es ist hier also nicht das gewöhnliche Wort für „Gras", das
mehr den Beigeschmack der Vergänglichkeit hat (Ps 90,5; 103,15; 129,6;
Jes 40,6). Die zweite Gruppe umfaßt das „Kraut, das
Samen hervorbringt" (wörtlich: „samensäendes Kraut"),
manchmal auch das grüne Kraut genannt (1. 30; 9,3), das Kraut des Feldes
(2,5; 3,18), das Kraut des Landes (2. Mo 10,12. 15) oder das Kraut der
Erde (Hiob 5,25). Für das Wachstum ist es abhängig vom Tau oder vom
Regen (2,5; 5. Mo 32,2; Spr 19,12; Jes 55,10; Mi 5,6), sonst verdorrt es
(Ps 102,4. 11; Jes 42,15; Jer 12,4; 14,6). Im Gegensatz zum Gras ist das
„Kraut" dem Menschen gegeben: „Er läßt Gras
hervorsprossen für das Vieh, und Kraut zum Dienste der Menschen: um Brot
hervorzubringen aus der Erde" (Ps 104,14; vgl. Jes
55,10). Dazu wird das Kraut durch den Menschen eingesammelt (Spr 27,25
b). Manchmal wird das Kraut auch als Nahrung für die Tiere genannt (5.
Mo 11,15; Ps 105,35; 106,20 [wörtl. „Kraut"]; Jer 14,6), aber dann nur
das Grüne (Blatt) davon (Vers 30; vgl. 2. Mo 10,15), während für den
Menschen der Nachdruck auf dem Samen liegt, vor allem dem Getreide. Das
„Kraut" umfaßt also die Krauter, Gemüse und Getreide, die sich für den
normalen Betrachter durch deutliche Samen vermehren, im Gegensatz zum
„Hervorgesproßten", das entweder das junge Grün ist, das noch keine
Samen bildet, oder das Gras, das 79 ganz kleine, unscheinbare Samen
produziert. Was „säend" in dem Ausdruck „samensäend" bedeutet, geht aus
der einzigen Bibelstelle hervor, an der diese Verbform im Alten
Testament noch vorkommt, nämlich 3. Mose 12,2, das „Samen geben" einer
Frau (m. E. nicht „Samen empfangen", wie in einigen Übersetzungen, z. B.
auch der Elberfelder): das Hervorbringen von Samen als Endresultat eines
Wachstumsprozesses.
Davon unterscheidet sich das Gewächs der dritten Gruppe: die Bäume. Für
das Kraut ist die Samenbildung das Endziel: nachdem der Samen gebildet
und ausgestreut ist, stirbt das Kraut häufig ab, und aus dem Samen
entstehen neue Krauter. Der Baum bildet zwar auch Samen, aber da ist der
Samen verborgen in der Frucht, die der Hauptzweck ist. Derselbe Baum
liefert (wörtlich „macht") Jahr um Jahr seine Frucht zur Nahrung des
Menschen und vermehrt sich durch die Samen, die sich darin befinden.
„Die Bäume des Feldes sind für den Menschen", das sind die Bäume „zur
Speise" (5. Mo 20,19. 20; 3. Mo 19,23; Neh 9,25; Hes 47,12), die „guten
Bäume" (2. Kön 3,19. 25). Auch der Ausdruck „Fruchtbäume" ist
eigentlich, genau wie „Hervorgesproßtes" und „säen", einzigartig in
diesem Vers; wir finden ihn nur noch zweimal, und zwar in beschaulicher
Sprache (Ps 148,9; Fred 2,5). Das Wort für „Bäume" wird im Alten
Testament viel häufiger durch „Holz" übersetzt (z. B. 1. Mo 22,3-9), und
das zeigt uns die treffende Bedeutung, die das Wort „Fruchtbäume" im
Schöpfungsbericht hat. Das Kraut ist biegsam, weich, saftig, aber das
Holz ist hart, trocken, scheinbar leblos; und gerade das trockene Holz
ist imstande, die herrlichsten Früchte zu „machen". Gott „machte" einmal
die Tiere und gab ihnen die Fähigkeit, Nachkommen hervorzubringen, die
ihnen genau gleichen; aber es steht nicht da, daß Er die Pflanzen
„machte". Statt dessen gab Er den Fruchtbäumen selbst die Fähigkeit,
immer aufs neue Früchte zu „machen", die gerade dem trockenen, harten
Holz, aus dem sie hervorkommen (vgl. auch 4. Mo 17,8; Jes. 11,1), in
nichts gleichen. Übrigens ist damit auch die alte Frage entschieden, was
eher da war, die Eiche oder die Eichel.
Seite 102
Der vierte Tag
„Und Gott sprach: Es werden Lichter 1) an der
Ausdehnung des Himmels, um den Tag von der Nacht zu scheiden, und sie
seien zu Zeichen und zur Bestimmung von Zeiten und Tagen und Jahren; und
sie seien zu Lichtern 1) an der Ausdehnung des Himmels, um auf die Erde
zu leuchten! Und es ward also. Und Gott machte die zwei großen Lichter
1): das große Licht 1) zur Beherrschung des Tages, und das kleine Licht
1) zur Beherrschung der Nacht, und die Sterne. Und Gott setzte 2) sie an
die Ausdehnung des Himmels, um auf die Erde zu leuchten, und um zu
herrschen am Tage und in der Nacht und das Licht von der Finsternis zu
scheiden. Und Gott sah, daß es gut war. Und es ward Abend und es ward
Morgen: vierter Tag." (1. Mo 1. 14-19)
1) Eigentlich: „Lichtträger"
2) Wörtlich: „gab" (s. Fußnote engl. Obers. JND)
Nach einem neuen Abend und Morgen ein neuer Tag und zugleich ein neuer
Zyklus von drei Tagen, der dem ersten sehr ähnlich ist. Jeder Zyklus
besteht aus drei Elementen: (1) Licht, (2) Wasser (und Himmel), und (3)
Erde. Am ersten Tag das Licht, am vierten die Lichtträger. Am zweiten
Tag die Scheidung der Wasser mit dem Himmel dazwischen, am fünften Tag
die Tiere, die in dem Wasser und der Ausdehnung leben. Am dritten Tag
das Trockene (die Erde), am sechsten Tag die Tiere und der Mensch, die
aus der Erde hervorkommen und auf ihr leben. Übrigens steht der vierte
Tag nicht nur in Verbindung mit dem ersten, sondern auch mit dem zweiten
Tag: die Lichtträger werden an die Ausdehnung des Himmels gesetzt. „Durch
seinen Geist sind die Himmel verziert" (Hiob 26,13,
siehe engl. Übers. JND). Diese drei Tage (der erste, der zweite und der
vierte Tag) beginnen alle mit: „Es werde". Alle
drei tragen auch den Stempel der Zahl fünf: am ersten Tag fünfmal Licht,
am zweiten Tag fünfmal Ausdehnung, am vierten Tag fünfmal Lichtträger
und fünfmal Tag. Nur an diesen drei Tagen ist die Rede von „scheiden
zwischen", und zwar insgesamt auch fünfmal. Nur an diesen Tagen spricht
Gott nur einmal, und es ist keine Rede von lebenden Organismen. Man
beachte auch, daß 1 + 2 + 4 = 7, und 3 + 5 + 6 = 14. Diese
Vollkommenheit entsteht nur, wenn wir die Tage so ordnen.
Wenn der vierte Tag so mit dem ersten und zweiten Tag verbunden ist,
könnte man sich fragen, warum dieser Tag denn nicht direkt auf den
zweiten folgte, um so mehr, als für das Pflanzenwachstum doch
Sonnenlicht nötig war. Aber dies letztere trifft nicht zu. Die Pflanzen
hatten das Licht des ersten Tages und waren außerdem von dem vierten Tag
nur durch eine Nacht getrennt. Übrigens wird unter den Funktionen der
Himmelslichter die für das Pflanzenwachstum überhaupt nicht genannt.
Aber mehr noch: erst mußten die großen Lebensräume bereitet werden:
Himmel, Meer und Erde, ehe die Bewohner erschienen. Die Himmelskörper
sind ja „Bewohner" des Himmelsraumes. Zwar müssen sie schon im Anfang
geschaffen worden sein (Vers 16 sagt „Gott machte", nicht „schuf";
vergleiche auch die Reihenfolge in Ps 33,6-9), aber sie sind das letzte
Teilstück der materiellen Welt, das für den Menschen bereitet wird
(vielleicht ähnlich wie auch heute wohl plötzlich aufleuchtende und
erlöschende Sterne wahrgenommen werden), kurz bevor Geschöpfe
erscheinen, die das Licht sehen können. Diese Tatsache zeigt, wie
unrichtig der Gedanke ist, daß wir den Himmelskörpern eine besondere
Verehrung entgegenbringen müßten oder auch nur dürften, wie die Heiden
es tun (s. 5. Mo 4,19; 17,3). Im Gegenteil, sie sind nur Geschöpfe
Gottes, als letzte der materiellen Welt bereitet. Zwar „herrschen" sie
über den Tag und die Nacht (Verse 16 und 18), aber sie sind nur
„Herrscher von Gottes Gnaden", so unbedeutend im Vergleich zu ihrem
Schöpfer, daß ihre Namen (Sonne, Mond) hier nicht einmal genannt werden.
Ihre ganze Herrschaft haben sie von Gott empfangen; nirgends wird die
Funktion des Geschaffenen so ausführlich umschrieben wie hier: elfmal
wird die Vorsilbe le- („zu", „um zu")
genannt. Es sind auch keine „Lichter" in sich selbst; wir finden hier
ein anderes Wort als in den Versen 3-5, das „Ort" oder „Träger des
Lichts" bedeutet. Es wird daher außer für die Himmelslichter (Ps 74,16;
Hes 32,8) auch für den Leuchter in der Stiftshütte gebraucht (2. Mo
25,6; 27,20 usw.) und im übertragenen Sinne für das Licht des Angesichts
Gottes (Ps 90,8) und das Licht (oder das Leuchten) der Augen (Spr
15,30).
Wie sehr die Himmelslichter Gott unterworfen sind, sagt Gott selbst in
Jes 40,26: „Hebet zur Höhe eure Augen empor und sehet:
Wer hat diese da geschaffen? Er, der ihr Heer herausführt nach der Zahl,
ruft sie alle mit Namen: wegen der Größe seiner Macht und der Stärke
seiner Kraft bleibt keines aus". Wie töricht ist es
dann, das Geschöpf anzubeten! Das Heer des Himmels selbst betet ja Gott
an (Neh 9,6). Sie wollen keine Ehre für sich selbst, sondern sie zeugen
von der Größe des Schöpfers (Ps 19,1-6) und von seiner Treue (Ps 89,36.
37). Sie tun nur, was Gott ihnen geboten hat (Jes 45,12). Es mag
vielleicht dumm und beschränkt erscheinen, daß hier steht, die
Himmelslichter seien an die Ausdehnung des Himmels gesetzt, aber in
Wirklichkeit ist der, der darüber stolpert, dumm und beschränkt. Erstens
wird hier ja alles von dem irdischen Betrachter aus gesehen, und dann
stehen die Himmelslichter tatsächlich am Firmament. Aber es gibt einen
noch gewichtigeren Grund: in 1. Mose l ist alles für den Menschen
geschaffen; die Himmelslichter mögen wer weiß was für Funktionen haben
(z. B. für das Pflanzen Wachstum), aber 1. Mose l nennt lediglich die,
die direkt für den Menschen von Bedeutung sind. Nun, alle diese
Funktionen üben sie ausschließlich in der Atmosphäre aus (das sind die
„Gesetze des Himmels"; vgl. Hiob 38,33); außerhalb davon gibt es nicht
Tag und Nacht, Jahreszeiten und Jahre, wie wir sie kennen. Die
Himmelslichter mögen weit und breit ihr Licht aussenden, sie sind
gemacht, um auf die Erde zu leuchten (Verse 15. 17).
Dieses Leuchten ist ihre allgemeine Aufgabe. Daran haben die Sterne den
weitaus geringsten Anteil; daher kommt es, daß sie nur beiläufig am
Schluß von Vers 16 genannt werden. Von der Erde aus gesehen sind sie im
Verhältnis zu Sonne und Mond die kleinen Lichter; wenn sie schon
„herrschen", dann nur in Verbindung mit dem Mond (Ps 136,9). Die Sonne
und der Mond sind die beiden großen Lichter (Vers 16; Psalm 136,7), aber
auch unter ihnen gibt es eine Rangordnung: von diesen beiden großen
Lichtern ist die Sonne das große und der Mond das kleine Licht.
Sie haben drei Aufgaben: „Es werden Lichter, um ... ,
und sie seien zu ... , und sie seien zu ..." (Verse
14. 15). Das Dritte (Leuchten auf die Erde) ist ihre allgemeine Aufgabe.
Die erste Aufgabe macht ihren Unterschied deutlich: es muß eine
Scheidung sein zwischen Tag und Nacht, und dies wird realisiert dadurch,
daß die Sonne herrscht über den Tag (oder: tagsüber) und der Mond über
die Nacht (oder: nachts). Der zweite Auftrag umfaßt die besonderen
Aufgaben, die sie gemeinsam ausführen; auch das sind wieder drei,
angedeutet durch das Wörtchen „zu". Das letzte („zu Tagen und Jahren")
ist das einfachste: durch den Wechsel von Tag und Nacht entsteht eine
Zeitrechnung, eine Aufeinanderfolge von Tagen, die sich zu Jahren
aneinanderreihen (siehe für die Verbindung von Tagen und Jahren z. B.
25,7; 47,8. 9. 28; Ps 90,10). Beides sind also Zeiteinheiten, vor allem
für die Lebensdauer des Menschen (5. Mo 32,7; Hiob 36,11; Ps 61,6; 77,5;
Spr 3,2; 9,11; Mal 3,4 usw.). Die „(bestimmten) Zeiten" sind die
regelmäßig wiederkehrenden Perioden des Jahres: für den Vogelzug (Jer
8,7), für die Ernte (Hos 2,9), für die Jahresfeste (2. Mo 13,10; 23,15;
34,18; 3. Mo 23,2. 4; 4. Mo 9,2. 3. 7. 13), manchmal für ein ganzes Jahr
(5. Mo 31,10; Dan 12. 7). Sie umfassen die Feste, die Neumonde und die
Sabbathe (Hos 2,11). Für „Monde" siehe auch Psalm 104,19. Ferner dienen
die Himmelslichter als „Zeichen"; das sind die „Zeichen 107 des
Himmels", die den Menschen oft erschrecken (Ps 65,8; Jer 10,2), die
Wetteranzeichen (Mt 16,1-4). Aber sie sind auch Zeichen der Größe Gottes
als Schöpfer (Ps 19,1-6); Röm 1. 20), Seiner Verheißungen (1. Mo 15,5; Ps
89,36. 37), Seiner Wahrheit (2. Kön 20,8. 9) und vor allem Seiner
Gerichte (Joel 2,30-31; Mt 24,3. 29. 30; Lk 21,11. 25).
Gott machte die zwei großen Lichter (vgl. Ps 136,7); zum zweitenmal ist
die Rede davon, daß Er „machte" (vgl. Verse 7. 25. 26. 31). Ich habe
schon wiederholt darauf hingewiesen, daß dieses „machen" vermuten läßt,
daß die Himmelslichter schon vorher geschaffen waren (nämlich in Vers
1), aber erst hier werden sie als solche in ihre Funktion für die Erde
eingesetzt. Es steht hier dann auch immer dabei, daß die Lichter z u
etwas gemacht werden: „Sie seien zu ... ", „und
Gott machte ... zu", „und Gott gab sie, um ...". Schön
ist übrigens, daß auf das „Gott machte" in
Vers 17 folgt „Gott gab" (siehe
Fußnote engl. Übers. JND), wie es in 1. Mose 18,8 auch wörtlich von
Abraham gesagt wird: „Das Kalb, das er gemacht hatte,
gab er vor ihrem Angesicht". Nachdem Gott die
Himmelslichter für ihre Aufgabe zubereitet hatte, setzte Er sie jedes an
seinen eigenen Platz und in seine eigene Bahn im Himmelsraum. Danach
wiederholen die Verse 17 und 18 noch einmal die Aufgaben der
Himmelslichter, um anzudeuten, daß alles genau so war, wie Gott es
gemacht hatte. Diese Aufgaben werden in umgekehrter Reihenfolge
wiederholt: Der Schluß von Vers 17 stimmt mit Vers 15 überein; dann
folgt das Herrschen bei Tag und Nacht, was zurückweist auf die
Zeitrechnung in Vers 14b (man beachte den Unterschied zwischen
„Beherrschung des Tages" und „herrschen am Tage"); und zum Schluß das
„Scheiden", in Vers 14 zwischen Tag und Nacht, hier zwischen Licht und
Finsternis. Interessant ist die Übereinstimmung mit den Versen 4 und 5.
Dort schied Gott selbst, aber jetzt übernehmen die Himmelslichter diese
Aufgabe. Der Abend, der auf diesen vierten Tag folgt, wird zum erstenmal
durch den Untergang der Sonne verursacht.
Seite 107
Der fünfte Tag
„Und Gott sprach: Es wimmeln die Wasser vom Gewimmel
lebendiger Wesen*), und Gevögel fliege über der Erde angesichts der
Ausdehnung des Himmels! Und Gott schuf die großen Seeungeheuer und jedes
sich regende, lebendige Wesen, wovon die Wasser wimmeln, nach ihrer Art,
und alles geflügelte Gevögel nach seiner Art. Und Gott sah, daß es gut
war. Und Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch und
füllet die Wasser in den Meeren, und das Gevögel mehre sich auf der
Erde! Und es ward Abend und es ward Morgen: fünfter Tag". (1. Mo 1,20-23)
*) Eigentlich: „lebendiger Seele"
(Singular), s. Fußnote franz.
Obers. JND
Ein neuer Abend und Morgen, ein neuer Tag! Ein ganz besonderer Tag, denn
jetzt ist der ganze Schauplatz der Welt bereit, um seine ersten
beseelten Bewohner zu empfangen. Wasser (Meere) sind da, ein Luftraum
ist da, eine Erde ist da, die Nahrung hervorbringt, Himmelslichter sind
da, die für das Pflanzenwachstum unentbehrlich sind und die Erde
erwärmen und erhellen für die nun kommenden Weltbewohner, die Augen
haben.
Zuerst sind die Wassertiere und das Gevögel an der Reihe, ehe die
Erdbewohner erscheinen, und zwar aus zwei Gründen. Erstens weil sie am
weitesten vom Menschen entfernt sind; an den sechs Tagen arbeitet alles
allmählich auf den Menschen hin, so daß zuerst die ihm am wenigsten
vertrauten Tiere geschaffen werden. Die Wohnstätte des Menschen ist die
Erde (Ps 115,16); das Wasser und die Luft sind für ihn fremde
Wohngebiete (das Wasser am meisten, daher wird es zuerst genannt).
Zweitens wird durch diese Reihenfolge - erst Wasser- und Lufttiere, dann
Landtiere - die Parallele zum zweiten und dritten Tag aufrechterhalten.
Gott bereitet zuerst die Ausdehnung und die Wasser unter- und oberhalb
der Ausdehnung, und danach erst am dritten Tag das Trockene. Deshalb
werden erst die Bewohner von Wasser und Luft geschaffen, danach die des
Trockenen.
Gott beginnt mit einem allgemeinen Befehl: die Wasser sollen wimmeln vom
Gewimmel lebendiger Wesen, ohne daß nähere Einzelheiten angegeben
werden. Die folgen erst bei der Ausführung des Werkes in Vers 21. So
sahen wir es auch bei den Himmelslichtern (vgl. Vers 14 mit Vers 16).
Wie bei den Lichtern, so auch bei den Wasserbewohnern eine Unterteilung
in groß und klein. Die Art des Befehls ist hier ganz anders als in Vers
11. Dort lesen wir, daß die Erde selbst Hervorsprossendes hervorsprossen
(lassen) sollte. Hier in Vers 20 haben wir auch so ein Wortspiel, aber
es steht nicht da, daß die Wasser Leben hervorbringen sollen. Sie sollen
wimmeln vom Gewimmel, das Gott selbst darin schafft. Pflanzen sind
lebende Organismen, aber keine beseelten Wesen. Sie sind stärker mit der
Erde verbunden. Aber das Erscheinen lebendiger Wesen („lebendiger
Seele", s. Fußnote franz. Übers. JND) erfordert eine besondere
Schöpfung, denn hiermit hält eine ganz neue Art von Leben ihren Einzug.
Daher begegnen wir in Vers 21 zum zweitenmal in diesem Kapitel dem Wort
„(er)schaffen". Und daher fehlen hier auch im Anschluß an den Befehl
Gottes die Worte „Und es ward also". Die
Verse 20 und 21 wollen also bestimmt nicht sagen, daß die Wasser die
lebendige Seele hervorgebracht haben, wie u. a. Calvin schreibt und wie
auch die Septuaginta und die Vulgata nahelegen. Für das Gevögel ist es
ohnehin schon klar, daß es nicht durch das Wasser hervorgebracht worden
ist, denn von ihm lesen wir ausdrücklich in 1. Mose 2,19, daß es aus dem
Erdboden gebildet wurde.
Der Ausdruck „lebendige Seele" ist ein Sammelwort für die lebendigen
Wesen, also für die lebendigen Organismen, die Bewußtsein und Gefühle
besitzen. Das ist der Inhalt des Begriffs „Seele" (nefesch): der
Sitz des natürlichen Lebens, des Gefühlslebens, der Persönlichkeit. Als
solcher kann er als 135 etwas gebraucht werden, das Mensch und Tier
besitzen: Der Mensch hat eine Seele, d. i. sein natürliches Leben (vgl.
Vers 30) mit den Lebensbedürfnissen (wie Hunger und Durst). Darum
bedeutet nefesch auch „Hauch" (Hiob
41,12), und darum wird das Blut (das das Tier auch von der Pflanze
unterscheidet) der Sitz der Seele genannt (1. Mo 9,4. 5; 3. Mo 17,11; 5.
Mo 12,23). Alles das sind wichtige Unterschiede zu den Pflanzen. Wenn
jemand stirbt, haucht er seine Seele aus (Jer 15,9; vgl. Klgl 2,12; Ps
141,8; Jes 53,12; 1. Mo 35,18 usw.). Die Seele ist auch der Sitz der
Gefühle (das „Gemüt"), wie Liebe (1. Mo 34,3), Verlangen (Ps 42,3),
Freude (Ps 86,4), Begierde nach Fleisch (5. Mo 12,20. 21), nach Rache
(Ps 41,2), nach Gewalt (Spr 13,2, s. Fußnote Elberfelder Übers.), und
Traurigkeit (Hiob 19,2). Zugleich ist die Seele der Sitz der
Persönlichkeit, und darum wird auch häufig gesagt: „Der Mensch i s t
eine lebendige Seele" (vgl. 2,7), wie auch hier von den Tieren gesagt
wird, daß sie lebendige Seelen sind. So ist mit „jede Seele" gemeint,
„alles was lebt" (Jos 10. 28-37), und so bedeutet „eine Seele" häufig
„jemand" (3. Mo 4,2), und „meine Seele sagt" bedeutet „ich sage" (siehe
Ps 3,3; 7,2; 11,1 usw.). Auch von Gott wird gesagt, daß Er eine Seele
hat (Ri 10,16; 3. Mo 26,11). Wir müssen also sehen, daß sowohl Mensch
als Tier eine Seele haben, beide haben Bewußtsein und Gefühle. Aber es
besteht ein großer Unterschied. Das Tier ist eine lebendige Seele
geworden auf das Machtwort Gottes hin, aber der Mensch wurde eine
lebendige Seele dadurch, daß Gott den Lebensodem in seine Nase blies.
Darum ist die Seele des Menschen unsterblich (vgl. Mt 10,28; Off 6,9)
und die des Tieres nicht.
Die Tiere sind nicht nur „lebendige Seele", sondern ein „Gewimmel
lebendiger Seele". Sie sind nicht starr und unbeweglich wie die Pflanzen
(die ein statisches, passives Leben besitzen), sondern sie haben ein
dynamisches, aktives Leben, das sich darin äußert, daß sie wimmeln und
sich regen. Vergleiche 1. Mose 7,21; 8,17; 9,7; 2. Mose 1. 7; 8,3; 3.
Mose 11,10. 29. 41-46; Hesekiel 47,9. Das hebräische Wort schließt also
den Gedanken von Bewegung und auch von Menge in sich; unser Wort
„wimmeln" gibt das sehr gut wieder.
Der zweite Befehl Gottes ist, daß Gevögel über der Erde fliegen soll
angesichts der Ausdehnung des Himmels. So wie Gott den Wassertieren
ihren Platz in den Wassern anweist und dazu sagt, daß sie da „wimmeln"
sollen, so weist Gott nun den geflügelten Tieren (nicht nur den Vögeln)
den Platz zwischen der Erde und den Grenzen der Ausdehnung (den
Luftraum) zu und verleiht ihnen dabei die Fähigkeit des Fliegens (dies
scheint die besondere Verbform hier auszudrücken). Neben den Wassern
werden in diesem Vers also auch Erde und Himmel genannt, die drei großen
Räume des zweiten und dritten Tages. Das Hebräische hat kein Wort für
Luftraum und muß daher hier die beiden Grenzen des Lebensgebietes des
Gevögels nennen. Es fliegt oberhalb der Erde (es sind also keine echten
Erdbewohner, wie die des sechsten Tages) und „angesichts" der
Ausdehnung, d. h. die Ausdehnung (vom Menschen gesehen eine Kuppel über
der Erde) ist die Grenze seines Lebensgebietes.
Wie bereits gesagt, haben wir bei dem „Gevögel" sicher nicht an die
Vögel allein zu denken. Eigentlich ist es „Geflügeltes", so daß wir hier
wieder ein solches Wortspiel haben („das Geflügelte fliege") wie in
„Hervorsprossendes hervorsprossen" und „wimmeln vom Gewimmel". Wir
müssen hier also an alle Tiere denken, die fliegen können, also auch an
die Insekten. Das wird bestätigt durch den Ausdruck „geflügeltes
Gevögel" in Vers 21 (und auch in Ps 78,27), d. h. Tiere, die fliegen
können und dazu Flügel haben. Daß zu diesen Fliegern auch die Insekten
gehören, lehren 3. Mose 11,20 und 5. Mose 14,19, wo von „geflügeltem
Gewürm, das auf Vieren geht" die Rede ist. Da geht es vor allem um
Heuschrecken, die sich auf den vier hintersten von ihren sechs Füßen
fortzubewegen scheinen. Auch die Fledermaus gehört zu den geflügelten
Fliegern (3. Mo 11,19). Wir können sogar an die „vorgeschichtlichen"
Flieger unter den Reptilien denken, die dann in der Sintflut umgekommen
sein sollen.
Einen Hinweis auf diese vorgeschichtlichen Reptilien könnten wir auch in
der Beschreibung der Wassertiere in Vers 21 suchen, die mit den „großen
Seeungeheuern" (tanninim) beginnt.
Ein tannin ist hier also ein
Riesentier, das sich in Flüssen oder Meeren aufhält (vgl. Ps 148,7). Wir
können dabei an Walfische denken, an Haie und ähnliches, aber daran
nicht allein. In 2. Mose 7,9. 10. 12 muß tannin offenbar
durch 137 Schlange übersetzt werden, wie sich aus dem Synonym in Vers 15
und Kapitel 4,3 ergibt; so auch in Psalm 91,13, während
in 5. Mose 32,33 wohl Schlangengift gemeint ist. In Jeremia 51,34 hat
man „Ungeheuer" übersetzt, ebenso in Hiob 7,12. Sehr interessant ist,
daß das Wort häufig verbunden wird mit Seeungeheuern wie Rahab in Jesaja
51,9 (vgl. Hiob 9,13; 26,12; Ps 89,10) und dem Leviathan in Psalm 74,13.
14 und Jesaja 27,1 (vgl. Hiob 3,8; Ps 104,26; in Hiob 40,20 ist
wahrscheinlich das Krokodil gemeint). Rahab ist manchmal eine
Bezeichnung für Ägypten (Ps 87,4; Jes 30,7 s. Fußnote Elberfelder
Übers.; 51,9), das wegen seiner Flüsse auch ein tannin genannt
wird (Hes 29,3; 32,2). Diese Seeungeheuer können Personifizierungen der
unruhigen, brüllenden Wasser sein, aber einige haben die interessante
Vermutung geäußert, daß es Erinnerungen sind (wie es in den Legenden
vieler Völker der Fall ist; denken wir nur an unsere
Drachen-Geschichten) an die Riesenreptilien, die der Mensch bis zur
Sintflut (und später?) auf der Erde erlebt hat. Ich habe bereits
ausgeführt, daß viel dafür spricht, daß das in der Tat der Fall gewesen
ist.
Neben den großen Seeungeheuern unterscheidet Vers 21 kleinere
Wassertiere, die „sich regen" (vgl. 3. Mose 11,46). Dies ist ein
allgemeines Verb der Bewegung, das sich hier auf schwimmen, schweben
oder treiben im Wasser bezieht (vgl. Psalm 69,34; 104,25). Diese Gruppe
umfaßt also vor allem die Fische (vgl. Verse 26 und 28) und auch die
meisten wirbellosen Tiere. Das Wort „sich regen" wird meistens für
Landtiere gebraucht (siehe bei Vers 24) und wird dann gewöhnlich als
„kriechen" aufgefaßt. Dem Ausdruck „nach seiner Art" möchte ich später,
wie bereits gesagt, eine besondere Betrachtung widmen. Der Vers endet
mit dem üblichen „Gott sah, daß es gut war".
Dann folgt Vers 22 mit dem Segen Gottes, indem Er den Tieren
gebietet, fruchtbar zu sein und sich zu mehren. Sein Segen schließt hier
also ein, daß Er, während Er diesen Befehl gibt, den Tieren zugleich die
Kraft und die Fähigkeit schenkt, diesem Befehl zu entsprechen. Bei den
Pflanzen finden wir diesen Segen nicht, weil es da die Erde ist, die die
Pflanzen hervorbringt, und weil die Pflanzen sich unbewußt, passiv
vermehren. Aber bei den Tieren ist für die Fortpflanzung im allgemeinen
die Verbindung eines Männchens und eines Weibchens derselben Art nötig.
Auch an den Menschen richtet Gott diesen Befehl, aber ihn spricht Er
direkter an: „Gott segnete sie und sprach zu ihnen". Hier
ist es weniger direkt: „Gott segnete sie, indem er sprach". Dabei werden
die Wassertiere noch einigermaßen direkt angesprochen, denn Gott
gebietet ihnen dreimal, aber Er nennt sie nicht mit Namen. Die Vögel
werden wohl genannt, aber Gott spricht nicht zu ihnen, sondern über sie,
und der Befehl in bezug auf sie ist im Hebräischen weniger kraftvoll.
Dies alles stellt den Unterschied mit dem Menschen ans Licht. Denn wenn
auch die Fortpflanzung bei den Tieren aktiv und bewußter ist, so
geschieht sie doch nur instinktiv und nicht mit Einsicht. Nur der Mensch
kann einen Befehl Gottes wirklich anhören, verstehen und mit Einsicht
ausführen.
Der Befehl an die Wassertiere ist dreifach. Fruchtbar sein bedeutet
Frucht hervorbringen (vgl. Verse 11. 12), also Nachkommen zur Welt
bringen. Sich mehren heißt häufig und viel Nachkommen zur Welt bringen
und dafür sorgen, daß nur wenige verlorengehen. Schließlich sollen die
Wassertiere sich ausbreiten, so daß all die Wasser und die Meere von
ihnen erfüllt werden. Vom Gevögel wird gesagt, daß es sich auf der Erde
mehren soll. Obwohl geflügelte Tiere sich im Luftraum bewegen, pflanzen
sie sich doch auf der Erde fort. Da bauen die Vögel ihre Nester, legen
sie ihre Eier und brüten sie sie aus. Da pflanzen sich auch die
Fledermäuse und die Insekten in der Hauptsache fort.
Seite 113
Der sechste Tag
„Und Gott sprach: Die Erde bringe hervor lebendige Wesen 1) nach
ihrer Art: Vieh und Gewürm und Getier der Erde nach seiner Art! Und es
ward also. Und Gott machte das Getier der Erde nach seiner Art, und das
Vieh nach seiner Art, und alles, was sich auf dem Erdboden regt, nach
seiner Art. Und Gott sah, daß es gut war.
1) Eigentlich: „lebendige Seele", wie Verse 20 und 21.
Und Gott sprach: Lasset uns Menschen 2) machen in unserem Bilde, nach
unserem Gleichnis; und sie sollen herrschen über die Tische des Meeres
und über das Gevögel des Himmels und über das Vieh und über die ganze
Erde und über alles Gewürm, das sich auf der Erde regt! Und Gott schuf
den Menschen in seinem Bilde, im Bilde Gottes schuf er ihn; Mann und
Weib 3) schuf er sie. Und Gott
segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch
und füllet die Erde und machet sie [euch] Untertan; und herrschet über
die fische des Meeres und über das Gevögel des Himmels und über alles
Getier, das sich auf der Erde regt! Und Gott sprach: Siehe, ich habe
euch gegeben alles samenbringende Kraut, das auf der Fläche der ganzen
Erde ist, und jeden Baum, an welchem samenbringende Baumfrucht ist: es
soll euch zur Speise sein; und allem Getier der Erde und allem Gevögel
des Himmels und allem, was sich auf der Erde regt, in welchem eine
lebendige Seele ist, [habe ich] alles grüne Kraut zur Speise [gegeben].
Und es ward also. Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und. siehe,
es war sehr gut. Und es ward Abend,
und es ward Morgen: der sechste Tag." (1. Mo 1. 24-31)
2) Oder: „(den) Menschen", Adam
3) Wortlich: „männlich und weiblich"
Wieder wird es Nacht, und wieder geht die Sonne auf, nun am Morgen des
sechsten Tages, des letzten eigentlichen Schöpfungstages. Dieser Tag
läuft parallel zum dritten Tag; so ist auch dieser sechste Tag durch ein
doppeltes Werk Gottes gekennzeichnet. An beiden Tagen werden beide Werke
eingeleitet durch „Und Gott sprach"; nur
folgt dies am sechsten Tag noch weitere zwei Male, wenn Gott den
geschaffenen Menschen anspricht. Ferner lesen wir an beiden Tagen
zweimal „Und es ward also", und
zweimal „Gott sah, daß es gut war" (nur
beim zweitenmal am sechsten Tag in einer universelleren Form: „Gott
sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut").
Ebenso wie am dritten Tag, geht es auch am sechsten Tag um die
Erde. Am dritten Tag wurde die Erde aus den Wassern zum Vorschein
gebracht, und danach brachte sie auf Gottes Geheiß die Pflanzen hervor.
Am sechsten Tag macht Gott zuerst aus der Erde die Landtiere, und danach
erschafft Er den Menschen; und 1. Mose 2,7 lehrt, daß auch der Mensch
aus dem Erdboden gebildet wurde.
Sowohl am dritten als am sechsten Tag ist von „Hervorbringen" durch die
Erde die Rede. Aber es besteht ein Unterschied. In Vers 12 kommt dieser
Ausdruck in der Ausführung von Gottes Befehl vor, nicht im Befehl selbst
(Vers 11). Hier dagegen erscheint der Ausdruck wohl in Gottes Befehl,
nicht aber in der Ausführung. Wir lesen nicht, daß die Erde tatsächlich
die Landtiere hervorbrachte, sondern daß Gott sie selbst machte (Vers
25), und zwar offenbar aus der Erde (2,19).
Pflanzen sind viel stärker mit der Erde verbunden; sie haben ihre
Wurzeln darin, und sie können für ihren Aufbau Mineralstoffe direkt aus
der Erde aufnehmen. Aber die Tiere bewegen sich frei auf der Erde und
ernähren sich nicht direkt mit Mineralstoffen. Darum lesen wir wohl, daß
die Erde die Pflanzen hervorbrachte, nicht aber die Tiere; bei diesen
steht Gottes eigenes Handeln mehr im Vordergrund. Andererseits lesen wir
auch nicht, daß Gott die Landtiere schuf, wie es am fünften Tag von den
Wassertieren und dem Gevögel geschrieben steht. Da ging es um das
Auftreten einer ganz neuen Art von Leben, während am sechsten Tag die
Gattung Tier nichts Neues mehr war. Die Landtiere sind ebensosehr
„lebendige Seelen" wie die Wassertiere. Und doch gibt es noch einen
Unterschied zwischen der Bildung der Wasser- und der Landtiere. Wir
lesen wohl von der Erde, daß sie hervorbringen sollte, nicht aber von
den Wassern; sie sollten nur „wimmeln" (Vers 20). Die Verwandtschaft der
Tiere mit der Erde, obwohl viel geringer als bei den Pflanzen, ist in
der täglichen Erfahrung doch immer noch deutlicher als eine
Verwandtschaft der Tiere mit dem Wasser. Tote Tiere (auch Fische)
vergehen zu Staub, nicht zu Wasser.
Um welche Gruppen von Landtieren geht es hier nun? „Lebendige Seele" ist
hier die allgemeine Umschreibung von drei Gruppen, die in der
Elberfelder Übersetzung mit Vieh, Gewürm (sich Regendes) und Getier der
Erde wiedergegeben sind. In Vers 25 werden sie in etwas anderer
Reihenfolge noch einmal genannt: das Getier der Erde, das Vieh und alles
was sich auf dem Erdboden regt. Die erste Reihenfolge ist mehr die, in
der Gott sie in ihrer Beziehung zu und ihrer Bedeutung für den Menschen
sieht; da steht das Vieh an erster Stelle. Die Reihenfolge von Vers 25
ist mehr die der eigentlichen Ausführung, in der nach den Wassertieren
und dem Gevögel erst die für den Menschen am wenigsten vertrauten Tiere
gemacht werden. Das Wort für „Vieh" (behema) kommt
her von einem Verb „stumm sein, verstummen". Es umfaßt die höchsten und
nützlichsten Tierarten, die zugleich jedoch im Verhältnis zum Menschen
stumme, unvernünftige Tiere sind (Ps 73,22). In seiner weitesten
Bedeutung zielt es auf die Tierwelt im allgemeinen, deren König der Löwe
ist (Spr 30,30; vgl. Pred 3,19. 21; Ps 49,12). In 3. Mose 11,2 (s.
Fußnote Elberf. Übers.) fällt sogar das, was in unserem Vers das
„Getier" genannt wird, unter die behema. Im
engeren Sinn umfaßt es die Säugetiere, im Gegensatz zu den Vögeln und
dem Sich-Regenden (1. Mo 6,7; 7,23; 8,17; vgl. Hiob 12,7). Meist
bezeichnet das Wort den zahmen Teil dieser Säugetiere, im Gegensatz zu
den wilden Tieren, wie in unserem Vers (vgl. 2,20; 3,14; 7,14. 21).
Manchmal bezieht es sich dabei auf Schafe, Ziegen und Rinder (1. Mo
47,18; 3. Mose 1. 2), manchmal mehr auf die Zugtiere (Esel, Kamele) im
Unterschied zum eigentlichen Vieh (1. Mo 34,23; 36,6, siehe Fußnoten
Elberfelder Übersetzung); so auch auf Lasttiere (Jes 46,1) und Reittiere
(Nehemia 2,12. 14). Mehrmals jedoch bezeichnet behema die
wilden Tiere und überschneidet sich dann mit dem hier genannten „Getier
der Erde". Siehe die „behema der
Erde" in 5. Mose 28,26; Jes 18,6; Jer 15,3; „des Feldes" in 1. Sam
17,44; Ps 8,7; Joel 1. 20; 2,22; „des
Waldes" in Micha 5,7; allgemein
(„[wilde] Tiere") in 5. Mose 32,24; Ps 50,10; Hab 2,17. Man nimmt an,
daß mit dem behemoth in Hiob 40,10 -
der Form nach der Plural von behema - das
Nilpferd gemeint ist.
Wie wir bei Vers 21 sahen, kommt das sich regende Getier sowohl im
Wasser als auch auf dem Lande vor. In unserem Vers bedeutet es also das
kriechende Getier (so übersetzen die Vulgata und die Septuaginta es
auch); das sind die kleinen Tiere, die sich kaum über den Erdboden
erheben (Vers 25). Wie die Wasser wimmeln, so wimmelt auch der Erdboden
von Sich-Regendem (vgl. 1. Mose 6,20; 7,14; 8,17; 1. Kön 4,33; Ps
148,10; Hes 38,20; Hos 2,18). Hier handelt es sich um das kleine Gewürm
auf dem Boden und um die größeren Tiere, die zu kriechen scheinen.
Manchmal umfaßt dieser Ausdruck alle Tiere, die sich
auf dem Erdboden bewegen, sogar die Vögel (1. Mo 7,21; 8,19; 9,3; vgl.
5. Mose 4,18).
Auch das Wort „Getier" (chajjah) ist
ein sehr vielseitiger Ausdruck. Manchmal umfaßt er alle Arten von
Tieren, auch das Vieh, die Vögel usw. (1. Mo 8,17), manchmal sogar im
besonderen das Vieh (4. Mo 35,3), Lasttiere (Jes 46,1) oder Wassertiere
(Ps 104,25). Aber meistens bezieht sich der Ausdruck im Unterschied zu
den Vögeln (3. Mo 11,27) auf vierfüßige Landtiere, im allgemeinen das
Getier des Feldes (z. B. 1. Mose 2,19. 20). Dabei sind in erster Linie
die wilden (nicht zu zähmenden) Tiere gemeint, so daß viele
Übersetzungen das Wort „wild" hinzufügen. Als solches steht es dann der behema, dem
zahmen Vieh, gegenüber. Siehe z. B. 1. Mose 7,14. 21; 8,1; Hiob 37,8; 1.
Sam 17,46 (vgl. 44). Auch die Schlange gehört zu diesem Getier (1. Mo
3,1), so daß wir den vorigen Ausdruck „Gewürm" (oder Sich-Regendes)
nicht zu sehr mit den Reptilien verbinden müssen. Siehe andere
Seite 117
wilde Tiere in Jes 43,20; 56,9; Jer 12,9; Hos 13,8; manchmal sind
eindeutig reißende Tiere gemeint (1. Mo 37,20; 3. Mose 26,6). Natürlich
waren sie in 1. Mose l noch nicht reißend, als die Sünde die Schöpfung
noch nicht unter den Fluch gebracht hatte. In Vers 30 sehen wir, daß das
Getier der Erde ursprünglich nur Pflanzennahrung zu sich nahm (vgl. Jes.
11,6-8; 65,25).
Es ist auffallend, daß die Landtiere in Vers 25 nicht, wie die
Wassertiere, das Gevögel und später der Mensch, einen Segen von Gott
empfangen. Das ist vielleicht verständlich, wenn man überlegt, daß es
für den Menschen verhängnisvoll wäre, wenn die Landtiere sich
tatsächlich unbeschränkt vermehren und die Erde erfüllen würden. Dieser
Auftrag war dem Menschen vorbehalten und konnte nicht zugleich auch den
Landtieren gelten. Wassertiere und Vögel können ihre eigenen
Lebensgebiete ruhig erfüllen, sie stehen dem Menschen nicht im Weg.
Dieser erste Teil des sechsten Tages endet also lediglich mit der
Feststellung, daß Gott sah, daß auch die Tierwelt gut war. Er sah
nichts, was von Tod und Verderben sprach, Er sah kein „Ungeziefer", Er
sah keine unreinen Tiere. Wie Gott es machte, alles war vollkommen.
Mit diesem Ausdruck ist die Erschaffung des Lebensraumes für den
Menschen abgeschlossen. Der Ausdruck kommt daher nicht mehr vor, außer
in ganz allgemeinem Sinn in Vers 31. Mit Vers 26 beginnt also etwas ganz
Neues: die Krone der Schöpfung erscheint auf dem Schauplatz, er, für den
Gott all das Vorhergehende gemacht hatte. Das Besondere dieses
Ereignisses zeigt sich auch in der Tatsache, daß Gott nun in ganz
anderer Weise zu sprechen beginnt. Bis jetzt hatte Er ganz allgemein
gesagt: „Es werde," oder gewisse
Teile der Schöpfung angesprochen: die Wasser, die Erde, aufs neue die
Wasser und aufs neue die Erde. Aber jetzt sagt Er: „Lasset
uns Menschen machen". Damit kündigt Er nicht so sehr
an, was geschehen soll, sondern wir bekommen mehr einen Einblick in
Seinen Rat. Wir hören hier etwas von einer Erwägung, einem „zu Rate
gehen", wovon bei den vorigen Schöpfungswerken nicht die Rede ist.
Seite 118
Aber die große Frage, über die zahllose Theologen sich den Kopf
zerbrochen haben, ist, mit wem Gott hier zu Rate geht. Wer sind die
„uns", von denen Er spricht? Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten:
Gott spricht hier zu anderen, oder Er spricht hier zu Sich selbst. Was
die erste Möglichkeit betrifft, so gehe ich natürlich auf die törichte
Auffassung nicht ein, wir hätten es hier mit einem Rest von Polytheismus
(Vielgötterei) zu tun (Gunkel u. a.). Das steht im Widerspruch zu dem
ganzen Kapitel und wird widerlegt durch den Singular von „Gott
sprach" und „Gott schuf". Interessant
ist jedoch die alte jüdische Theorie, Gott spreche hier zu Seiner
himmlischen Hofhaltung, den Engeln (vgl. 1. Kön 22,19; Jes 6,8; Hiob 1.
6; 2,1), weil der Mensch als Geschöpf den Engeln am nächsten komme. Aber
dieser Gedanke ist in Widerspruch mit der großen Tatsache in 1. Mose 1.
daß Gott allein erschafft; es ist von Engeln überhaupt nicht die Rede,
sie liegen ja außerhalb des Lebensbereiches des Menschen. Außerdem folgt
„in unserem Bilde", und wenn wir sehen werden, was das bedeutet,
begreifen wir, daß das sich nur auf Gott beziehen kann. Ferner ist eine
Schriftstelle wie Kolosser 1,15-17 auch geschrieben, um die gnostische
Auffassung zu widerlegen, die Engel seien Instrumente in Gottes
Schöpfungswerk gewesen.
Es bleibt also die andere Möglichkeit übrig, daß Gott zu Sich selbst
gesprochen hat. Aber wie sollen wir das auffassen? Nicht als einen
„Plural der Erhabenheit" (pluralis majestatis), denn den kannten die
Israeliten nicht (wohl die Perser, siehe z. B. Esra 4,18); außerdem
wäre dieser Plural dann im Alten Testament regelmäßig für Gott gebraucht
worden. Gekünstelt und ohne deutliche Bestätigung im Alten Testament ist
auch die Auffassung, daß das „uns" hier Gott als Sprecher und Gott als
Angesprochenen umfaßt. M. E. sind erst die Ausleger auf der richtigen
Spur, die meinen, hier werde die Mehrzahl gebraucht, weil Gott die
„lebendige persönliche Zusammenfassung einer Fülle von Kräften und
Mächten" ist (Dillmann u. a.). Dies kommt auch in der Tatsache zum
Ausdruck, daß der Name „Gott" fast immer in der Mehrzahl (Elohim) vorkommt
(s. die Auslegung bei Vers 1). Daß Gott wirklich eine solche Fülle von
Kräften ist, diese Tatsache bekommt für uns erst Gehalt durch die volle
Offenbarung der Dreieinheit im Neuen Testament. Gott der Vater entwarf
den Schöpfungsplan, der Sohn führte ihn aus, und zwar in der Kraft des
Heiligen Geistes (s. bei Vers 1). So waren auch alle drei Personen der
Gottheit bei der Erschaffung des Menschen beteiligt. Es ist interessant,
daß Prediger 12,1 wörtlich sagt: „Gedenke deiner
Schöpfer in den Tagen deiner Jugendzeit" (s. Fußnote
engl. Übers. JND). Vgl. auch den Plural in 1. Mose 3,22; 11,7; Jes 6,8
und typologisch in Hohelied 1. 11.
Im Hebräischen steht wörtlich: „Lasset uns Adam machen".
Dieses Wort Adam (das nie im Plural vorkommt) hat verschiedene
Bedeutungen. Ganz allgemein ist es der Gattungsname für das menschliche
Geschlecht: „der Mensch" oder „die Menschheit". Die Pflanzen und die
Tiere wurden „nach ihrer Art" geschaffen (siehe später), aber von dem
Menschen lesen wir das nicht; die Menschheit umfaßt nur eine Art:
„Adam". Als Bezeichnung für die Menschheit kann man es oft durch
„Menschen" übersetzen; so auch hier am besten, denn es folgt: „und
sie sollen herrschen". Daneben kann das Wort (mit
Artikel: haädam) den einzelnen
Menschen bezeichnen; so sehr häufig den ersten Menschen in 1. Mose 2 und
3. Manchmal steht dabei das Wort deutlich dem Wort „Frau" gegenüber (1.
Mo 3,8; Fred 7,28) und hat dann also die Bedeutung „Mann". Hat das Wort
in 1. Mose 2 u. f. keinen Artikel bei sich (also einfach Adam), dann hat
es die Bedeutung eines Eigennamens, so zum erstenmal in 1. Mose 2,20. In
1. Mose 5,1-3 finden wir beide Bedeutungen, den Namen für das
menschliche Geschlecht und den Namen des ersten Mannes, ganz merkwürdig
nebeneinander. Wenn das Alte Testament von einzelnen Menschen spricht,
finden wir auch sehr häufig den Ausdruck beneadam, Menschenkinder.
Schließlich kann das Wort Adam adjektivisch gebraucht werden (siehe z.
B. 2. Sam 7,14; Hos 11,4).
Was das Wort Adam ursprünglich bedeutet, kann niemand mit Sicherheit
sagen. Die maßgeblichste Auffassung ist, daß es von dem Verb adam herkommt,
das „rot sein" bedeutet (Spr 23,31; Jes 1. 18; Klag 4,7; Nah 2,3; und
„rotgefärbte Widderfelle" in 2. Mo 25,5 u. f.) und wovon verschiedene
Seite 120
Wörter für „rot" abgeleitet sind, wie Edom (vgl. 1. Mo 25,30). Diese
Auffassung ist schon sehr alt; Flavius Josephus schrieb: „Der Mensch
wurde Adam genannt, was im Hebräischen rot bedeutet, weil er aus weicher
roter Erde gebildet wurde, denn solcherart ist die wahre und
jungfräuliche Erde". Hier spielt Josephus offenbar auf das hebräische
Wort für „Erdboden", adamah an, das
auch von „rot" abgeleitet sein soll. Diesem Wort sind wir schon in Vers
25 begegnet. Es bezeichnet die lockere, krümelige Erdoberfläche, wo die
Pflanzen wachsen (2,9) und Ackerbau betrieben .wird (2,5; 3,17), also
„Erdboden" (4,2. 3), auch „Land" (47,18-22), auch als Baumaterial:
„Erde" (2,7. 19; 3,19). Ferner bezeichnet es das Land eines Volkes (2.
Mo 20,12) und manchmal die ganze Erde (1. Mo 12,3). Man kann „Adam" also
auch auffassen als „der Irdische" (vgl. 1. Kor 15,47-50). Andere bringen
das Wort in Verbindung mit anderen semitischen Wörtern und legen es dann
z. B. aus als „der Schöne, Angenehme, Wohlgestaltete" oder „das soziale
Wesen" oder „Vater der Menschheit" oder „Lebewesen" oder sehen einen
Zusammenhang mit „Blut" (dam), das
auch rot ist, usw.
Sodann lesen wir, daß Gott den Menschen „in unserem Bilde, nach unserem
Gleichnis" machen will. Auch dies ist ein schwieriger Ausdruck, über den
die Auffassungen weit auseinandergehen. Wir müssen daher zuerst ansehen,
was der Ausdruck nicht bedeutet. Erstens haben „Bild" und „Gleichnis"
nichts mit der Leiblichkeit des Menschen zu tun. In dieser Hinsicht
unterscheidet sich ja der Mensch wenig von den höheren Säugetieren;
außerdem hat Gott keinen Leib. „Gott ist ein Geist" (Joh 4,24). Daß von
Augen, Mund, Hand, Finger Gottes gesprochen wird, ist reine
Bildersprache und soll Gottes Sprechen und Handeln für uns verständlich
machen. Engel haben auch keinen Leib (Dan 10,6 ist visionäre
Bildersprache). Aber der Mensch mußte einen Körper haben, damit seine
Seele und sein Geist sich den anderen stofflichen Geschöpfen erkennbar
machen könnten. Dieser Leib wird jetzt vor allem durch die Seele
beherrscht (das natürliche Leben) und nach der Auferstehung bei den
Gläubigen durch den Geist (1. Kor 15,44); nicht so bei den Ungläubigen
(vgl. Mt 10,28). Im Geistigen also werden wir „Bild" und „Gleichnis"
Seite 121
suchen müssen, denn dieser Geist kommt von Gott selbst her (1.
Mo 2,7), und außerdem haben die Tiere diesen Geist
nicht. In dieser Hinsicht nimmt der Mensch in der Schöpfung eine
einzigartige Stellung ein; selbst von den Engeln lesen wir nicht, daß
sie auf solche Weise den Geist von Gott empfangen hätten. Siehe für den
besonderen göttlichen Charakter des Geistes des Menschen: Hiob 32,8
(vgl. 35,10. 11), Spr 20,27; Sach 12,1; Heb 12,9. Durch den Besitz
dieses Geistes ist der Mensch unsterblich; nach dem Tod wird die Person
ohne den Leib vielfach ein Geist genannt (Heb 12,9. 23; 1. Pet 3,19;
vgl. Apg 7,59; 1. Kor 5,5).
„Bild" und „Gleichnis" sind also geistig. Aber das zweite Mißverständnis
ist daß beide Wörter etwa dasselbe bedeuten sollen, und auch, daß der
Unterschied in den verwendeten Präpositionen („in und nach") keinerlei
Bedeutung habe. Gerade das Neue Testament zeigt die Unrichtigkeit dieser
Auffassung. Die wichtige Tatsache, daß der Mensch nach dem Sündenfall
zwar noch Bild Gottes ist, aber nicht mehr das Gleichnis Gottes trägt,
und die Tatsache, daß Christus wohl das Bild Gottes genannt wird, aber
absolut nicht „nach dem 191 Gleichnis Gottes" ist (denn Er ist selber
Gott), zeigt, daß es um zwei ganz verschiedene Dinge geht (siehe
später). Und daß der Unterschied in den Präpositionen durchaus von
Belang ist, erhellt aus dem Sprachgebrauch der Schrift, daß der Mensch
das Bild Gottes war (und i s t) und daß er das Gleichnis Gottes hatte.
„In" hat also den Sinn von „als" (Gott hat den Menschen als Sein Bild
auf die Erde gesetzt) und „nach" bedeutet „übereinstimmend, ähnlich"
(Gott hat den Menschen so gemacht, daß er Gott glich). Einige wenden
ein, daß in 1. Mose 5,1 und 3 die
beiden Präpositionen einfach vertauscht sind, und schließen daraus, daß
hier also kein Unterschied in der Bedeutung vorliege. Aber man vergißt,
daß es da nicht um Gott geht, sondern um Adams Bild und Gleichnis; nach
dem Sündenfall zeigte der Sohn der Adam geboren wurde, wohl ein genaues
Gleichnis mit seinem jetzt sündigen Vater, aber nur eine schwache
Übereinstimmung mit dem Bild, in dem Gott Adam gemacht hatte.
Das Wort für „Bild" (zelem) kann im
plastischen Sinne ein Standbild oder Götzenbild bedeuten (4. Mo 33,52;
2. Kön
Seite 122
11,18; Hes 7,20; Amos 5,26), direkt verwandt mit der Bedeutung „Abbild"
(1. Sam 6,5. 11; Mannsbild in Hes 16,17) oder einfach „Bild" (Hes
23,14). Wir müssen das so auffassen, daß solch ein Bild oder Bildnis
etwas „vorstellte" oder „wiedergab". Dabei geht es nicht darum, ob das
Abbild dem Abgebildeten gleicht, es stellt es lediglich vor. Ein
Götzenbild war nicht ein Porträt, das dem Götzen glich, denn der Götze
ist ein unsichtbarer Geist, sondern das Bild repräsentiert den Götzen.
Das sehen wir deutlich in dem Bild Nebukadnezars in Daniel 3, wo wir das
verwandte aramäische Wort zelem finden.
Das Bild glich nicht irgendjemandem - das lassen die sonderbaren
Abmessungen nicht zu - sondern es repräsentierte etwas
Anbetungswürdiges. Seltsam ist Daniel 3,19, wo wörtlich steht: „das Bild
seines Angesichts", d. h. sein Gesichtsausdruck. Ein „Bild" ist also die
repräsentierende Darstellung, der Ausdruck von etwas. Wird ein Bild
dessen beraubt, wovon es ein Bild ist, so bleibt etwas Wesenloses übrig,
ein Schein, ein Schatten; diese Bedeutung hat das Wort in Ps 39,6 und
73,20.
Das Wort für „Gleichnis" (demut) kommt
von einem Verb her, das „gleich sein", „gleichen" oder „ähneln"
bedeutet. Das Wort hat erstens die Bedeutung „Aussehen", „Anblick",
„Gestalt"; so sehr häufig in Hesekiel l und 10 und in Daniel 10,6. Es
hat dann den Sinn: dies sieht aus wie das, dies hat die Gestalt von dem.
Das eine zeigt Übereinstimmungen mit dem anderen, obwohl es nicht
dasselbe zu sein braucht. Zweitens bedeutet es „Modell", „Kopie",
„Nachahmung" (siehe 2. Kön 16,10; 2. Chr 4,3; Hes 23,15) oder
„Vergleich" (Jes 40,18). Manchmal ist es einfach wiedergegeben durch
„gleich" (Ps 58,4; Jes 13,8). In unserem Vers bedeutet „nach unserem
Gleichnis" nicht „gleich uns", sondern „uns gleichend". „Bild" spricht
also von Repräsentation, „Gleichnis" von Übereinstimmung oder
Ähnlichkeit.
Daß der Mensch das Bild Gottes ist, bedeutet also, daß er Gott auf der
Erde repräsentiert und vertritt. Die ganze Schöpfung ist Gott, der im
Himmel thront, unterworfen. Aber Gott hat hier auf der Erde einen
Statthalter, der Ihn vertritt und die Macht Gottes über die Schöpfung
zum Ausdruck bringt. Dar-
Seite 123
um muß man Achtung vor ihm haben (vgl. 1. Mo 9,6). Dies steht in
Zusammenhang mit dem, was Vers 26 weiter sagt, daß der Mensch über alle
Tiere herrschen sollte. Psalm 8 ist hiervon eine prächtige Darstellung
und damit auch ein Hinweis auf Christus, der das Bild des unsichtbaren
Gottes und als Sohn des Menschen Herrscher über die ganze Schöpfung
geworden ist. Daneben wird von dem Menschen gesagt, daß er Gott gleicht,
d. h. wie wir gesehen haben, in geistigem Sinne. Das bezieht sich nicht
nur auf die Tatsache, daß die geistigen Eigenschaften des Menschen (die
das Tier nicht besitzt) ein Schatten der Eigenschaften Gottes sind,
obwohl das wahr und wichtig ist. Aber es ist mehr. Und um das
einzusehen, müssen wir bedenken, daß nach dem Sündenfall nie mehr gesagt
wird, daß der Mensch „nach Gottes Gleichnis" ist (Jak 3,9 widerspricht
dem nicht, sondern sagt nur, daß der Mensch nach Gottes Gleichnis
geschaffen ist). Im Gegenteil, Seth glich nicht Gott, sondern seinem
gefallenen Vater (1. Mo 5,3). Darum scheint es, daß Adams „Gleichnis
Gottes" vor dem Sündenfall vor allem sagen will, daß Adam rein war wie
Gott, die Sünde nicht kannte, so wie Gott sie nicht kennt (vgl. 2. Kor
5,21), und die Möglichkeit zur praktischen Gemeinschaft mit Gott hatte.
Wir dürfen jedoch nicht sagen, daß der unschuldige Adam heilig oder
gerecht war. Heilig (d. h. abgesondert) bedeutet nämlich nicht nur rein
sein von, sondern auch unangreifbar sein für das Böse; und gerecht sein
bedeutet, Gutes und Böses kennen und doch frei sein von dem Bösen; aber
Adam kannte das Böse nicht (vgl. 1. Mo 2,9. 17; 3,5. 22) und war auch
nicht immun dagegen. Diese viel höhere Form von „Gleichnis" ist erst dem
neuen Menschen beschieden, der nach Gott (d. h. in Übereinstimmung mit
Gott, Gott gleichend) geschaffen ist in wahrhaftiger Gerechtigkeit und
Heiligkeit (Eph 4,24).
Nach dem Sündenfall ist der Mensch wohl noch das Bild Gottes. Wie sehr
dieses Bild auch geschändet ist, so behält der Mensch (in allgemeinem
Sinne) doch seine Überlegenheit über die Tierwelt und bleibt der
Vertreter Gottes (1. Kor 11,7). Aber auch hier zeigt wieder erst der
neue Mensch ein „naturgetreues" Bild von Dem, Der ihn geschaffen hat,
weil er erneuert ist zur vollen Erkenntnis dieses Schöpfers (Kol
Seite 124
3,10). Dieser Schöpfer ist Gott der Sohn, der Blut und Fleisch
angenommen hat und in Seine eigene Schöpfung eingetreten ist. Da mußte
Er als Mensch notwendigerweise der Erstgeborene der ganzen Schöpfung
sein, denn Er ist der Schöpfer selbst. Aber zugleich war Er als Mensch
das Bild des unsichtbaren Gottes (Kol 1. 15. 16; vgl. 2. Kor 4,4). Er
war schon von Ewigkeit her der Logos, das Wort, das bei Gott war, d. 1.
der einzige wahre und vollkommene Ausdruck davon, wer Gott ist (Joh 1.
1. 2). Aber den Menschen gegenüber offenbarte Er herrlicher und
deutlicher denn je, wer Gott war, als Er selbst Mensch geworden war
(vgl. Joh 1. 18; 14,9). Er war als der letzte Adam das wahre Bild
Gottes, der vollkommene Ausdruck und Vertreter Gottes. Aber Er konnte
das nur vollkommen sein, weil Er selbst Gott war. Darum fügt Johannes
sorgfältig hinzu: „und das Wort war Gott"; Er war „Gott geoffenbart im
Fleisch" (1. Tim 3,16). Darum sagt der Heilige Geist nie, daß Er „nach
Gottes Gleichnis" war; denn wenn Er Gott glich, würde das bedeuten, daß
Er nicht selbst Gott war. Aber Er war das Bild Gottes und Gott selbst.
Das Wort war bei Gott und das Wort war Gott.
Es war der Plan Gottes, daß die Menschen (nicht nur „der Mensch", denn
es galt auch für seine Nachkommen) über die Schöpfung herrschen sollten.
Das ist das Ausüben jener Herrschaft, die befehlen und züchtigen kann
und die Arbeit (Last- und Zugtiere) und Ertrag (Vieh, Vögel, Fische)
fordern kann. Diese Herrschaft empfing der Mensch tatsächlich, als Gott
in Vers 28 den Segen über ihn aussprach. Dieser Segen ist der erste
Grund, warum gerade der Mensch der Herrscher über die Erde ist; Gott
selbst hat ihn in diese hohe Stellung eingesetzt. Zweitens ist auch nur
der Mensch zu dieser Stellung befähigt, weil Gott ihm den Lebensodem
eingehaucht und ihm damit von Seinem Geist gegeben hat (1. Mo 2,7; Pred
12,7). In körperlicher Hinsicht ist der Mensch in vielen Bereichen den
Tieren unterlegen. Er kann lange nicht so gut sehen wie ein Raubvogel
(vgl. Hiob 39,29), er ist bei weitem nicht so stark wie ein Krokodil
(Hiob 40,27), er ist längst nicht so schnell wie ein Strauß (Hiob
39,18); aber alle diese Unzulänglichkeiten sind in ihm durch die
geistige Vernunft reichlich aufgewogen, die ihn allen Tieren überlegen
sein läßt. Diese Überlegenheit zeigt sich in der Tatsache, daß er den
Tieren Namen gibt (1. Mo 2,19. 20; vgl. 1. 5. 8. 10). Obwohl er von der
Erde, irdisch ist, ist sein Geist himmlischen Ursprungs, und dadurch ist
er mit den Himmelslichtern zu vergleichen (Vers 16-18), die auch als
Himmelskörper auf ihre Weise über die Erde herrschen. Der dritte Grund,
der den Menschen zum Herrscher macht, ist, daß er das Bild Gottes ist.
Er ist auf der Erde sichtbarer Ausdruck und Repräsentation der
unsichtbaren Macht, die Gott über die Schöpfung hat. Ich habe gesagt,
daß dies auch nach dem Sündenfall so geblieben ist; nur ist das Bild
seither getrübt, manchmal so sehr, daß Gott da, wo der Mensch seine
Macht mißbrauchte, direkt eingegriffen hat. Dies bringt uns zum vierten
Grund: der Mensch zeigte ursprünglich „Gleichnis" mit Gott durch seine
Reinheit und Unschuld. Von dem Aufrechterhalten dieses Gleichnisses hing
sogar das Los des Lebensbereiches des Menschen ab, so daß nach dem
Sündenfall nicht nur der Mensch in diesem Sinne nicht mehr Gott gleicht,
sondern überdies die Erde unter den Fluch und unter das Joch der
Vergänglichkeit gekommen ist.
Es werden hier fünf Gebiete genannt, über die der Mensch die Herrschaft
bekommt:
(1.) Die Fische des Meeres; hier wird nicht mehr von den Wassertieren im
allgemeinen gesprochen (vgl. Vers 20. 21), sondern speziell von den
Tieren, die für den Menschen besondere Bedeutung haben.
(2.) Das Gevögel des Himmels; so werden die Vögel hier zum erstenmal
genannt; Himmel bedeutet hier Ausdehnung (Vers 8. 20).
(3.) Das Vieh (Vers 24).
(4.) Die ganze Erde; hier würde man eher erwarten: das Getier der
(ganzen) Erde (s. Vers 24), wie die Peschitta (die alte syrische
Übersetzung) sagt, aber das ist nicht richtig; das Vieh und das Getier
können einander einschließen (siehe oben), daher kann einer der beiden
Ausdrücke in der Aufzählung hier ruhig fehlen (Verse 28. 30). Hier geht
es darum, daß auch die Erde selbst dem Menschen unterworfen ist (s. Vers
28!), nicht nur mit den Tieren, sondern auch mit den Pflanzen; deshalb
folgen hier Vieh (Viehzucht) und Erde (Ackerbau) aufeinander.
(5.) Alles Gewürm, das sich auf der Erde regt; nach dem Meer, dem
Himmel» (dem Vieh) und der Erde nun das Gewürm auf der Erde (s. Vers
24).
Reich und schön ist Vers 27; von vielen Auslegern wird er sogar
dichterisch genannt. Zum drittenmal in diesem Kapitel lesen wir, daß
Gott (er) schaff t; nach der stofflichen Welt und dem beseelten Leben
nun das geistige Leben. Dreimal sogar kommt in diesem Vers
„(er)schaffen" vor, zweimal „Bild", zweimal „Gott". Diese Wiederholungen
und die kurzen, unverbundenen Hauptsätze verleihen diesem Vers eine
eigenartige Geladenheit, die uns empfinden läßt, daß hier der Höhepunkt
des Schöpfungsberichts erreicht ist. Erhaben ist dieser Vers, und doch
exakt; trotz der Wiederholungen steht kein Wort zuviel darin.
Für die Bereitung des Menschen werden drei Verben gebraucht. Erstens
„machen" (Vers 26), der allgemeine Ausdruck in 1. Mose 1 für Gottes
Bereitung neuer Elemente (die Ausdehnung, die Lichter, die Landtiere),
ohne daß dabei der Ton auf dem wesentlich Neuen liegt, das eine andere
Art von Existenz darstellt. Dieser Gedanke ist vielmehr mit dem zweiten
Ausdruck, „erschaffen", verbunden. Was seinen Leib betrifft, war der
Mensch keine Erscheinung neuer Art und war das Wort „machen" am Platze;
aber was seinen Geist betrifft, vertrat der Mensch eine ganz neue Art
von Existenz in der sichtbaren Schöpfung. Drittens wurde der Mensch
„gebildet" (2,7), was sich auf die besondere Art und Weise bezieht, wie
er entstand. Er wurde nicht einfach aus dem Erdboden hervorgerufen (vgl.
Verse 11. 24. 25), sondern durch Gott selbst aus der Erde „geknetet".
„Bilden" ist im Alten Testament ein Ausdruck für die Arbeit des Töpfers
(Jes 29,16; 45,9; 64,8; vgl. auch Hiob 33,6). Das weist darauf hin, daß
auch der Mensch wirklich aus denselben Bestandteilen besteht wie der
Erdboden; unser Leib ist ein „irdenes Gefäß" (3.
Mo 14,5; 2. Kor 4,7).
In Seinem Bild schuf Gott den Menschen. Das weist zurück auf den vorigen
Vers, aber da ist es Mehrzahl: „in unserem Bilde". Wenn
Gott von sich selbst spricht, sagt Er hier „uns", aber wenn der Heilige
Geist zurückverweist, sagt Er „sein". Gott ist also eine Mehr- und eine
Einzahl, was nur durch die Neutestamentliche Offenbarung der Dreieinheit
zu begreifen ist. Man könnte - wenn man den Anfang des Satzes liest - in
den Irrtum verfallen, daß „sein" sich hier auf „den Menschen" bezieht
(tatsächlich haben einige das behauptet), aber die Fortsetzung des
Satzes macht doch deutlich, was gemeint ist: „im Bilde
Gottes schuf er ihn". Dabei beweist das Wörtchen
„ihn", daß es um den Menschen in der Einzahl geht. Man kann Adam sowohl
mit „Mensch" als mit „Menschen" übersetzen (siehe oben); in Vers 26 muß
es Mehrzahl sein, denn da folgt: „sie sollen
herrschen". Aber hier geht es um die Einzahl; die
Menschen sind nicht Bilder Gottes, sondern der Mensch ist Bild Gottes.
Außerdem schuf Gott nicht viele Menschen, sondern Er schuf den Menschen,
und aus ihm „machte" Er viele Menschen (vgl. Vers 28). Aber was ist der
Mensch? Der vollkommene Mensch besteht nach Gottes Gedanken aus Mann und
Frau. Darum folgt dann „Mann und Weib schuf er sie". Jetzt
steht nicht „ihn" da, sondern „sie", sonst würde der (tatsächlich
geäußerten) Irrlehre Nahrung gegeben, daß der erste Mensch ein Wesen war
mit zwei Gesichtern und zwei Gestalten, die Gott später gespalten habe.
Aber der Mensch ist geschaffen als ein Menschenpaar.
Wir finden hier nicht, wie Gott Mann und Frau geschaffen hat. Kapitel 2
bringt Einzelheiten darüber: der Mann wurde aus Staub von dem Erdboden
gebildet, und die Frau wurde aus seiner Seite gebaut. Hier wird nur die
Tatsache selbst genannt: die Geschichte der Menschheit hat mit einem
Menschenpaar begonnen. Die Erwähnung dieser Tatsache ist hier nötig als
Einleitung zu Vers 28, wo von der Fortpflanzung des Menschen gesprochen
wird. Andererseits müssen wir beachten, welche Worte hier für Mann und
Frau gebraucht werden. Es sind nicht die üblichen Worte, wie wir sie in
Kapitel 2,23 finden und die mehr mit dem Eheband zu tun haben, sondern
es sind zwei Worte, die nur das Geschlecht angeben: männlich und
weiblich. Es geht hier also nicht so sehr darum, daß Mann und Frau
zueinander gehören, weil sie ein Paar bilden (2,23. 24), sondern gerade
darum, daß Mann und Frau sich voneinander unterscheiden, weil sie
verschiedenen Geschlechts sind. Vergleiche die Gegenüberstellung in 3.
Mose 15,33; 4. Mose 5,3; 5. Mose 4,16. Daß es in
diesen Worten deutlich um den Unterschied im Geschlecht geht, ist zu
ersehen aus 3. Mo 18,22; 20,13; 4. Mo 31,17 u. f., Ri 21,11 u. f.; Jer
30,6. Wir könnten übersetzen: „ein Männliches und ein Weibliches", als
ob es um Tiere ginge: „ein Männchen und ein Weibchen". Es geht also
darum, daß es zwei verschiedene Sorten von Menschen gibt, nämlich Männer
und Frauen. Bei den Pflanzen und den Tieren war hinzugefügt: „nach ihrer
Art", d. h. „nach ihren Gattungen" (siehe später), weil es viele
Gattungen von Pflanzen und Tieren gibt, die deutlich voneinander
abgegrenzt sind und sich nicht vermischen können. Aber unter den
Menschen ist der einzige wesentliche Unterschied der
Geschlechtsunterschied (der übrigens auch bei den meisten Pflanzen und
Tieren besteht), und das nicht, um zwei Gruppen voneinander zu scheiden,
sondern gerade um Vermischung und Fortpflanzung zu ermöglichen.
Hieran schließt sich Vers 28 an. Gott segnet den Menschen, gerade in
seinem Geschlechtsunterschied, und macht damit das erste Menschenpaar zu
einem Ehepaar, das Er mit Kraft begabt, den Befehl auszuführen, der dann
folgt: fruchtbar zu sein und sich zu mehren. Das ist keine ins Belieben
des Menschen gestellte Sache, sondern ein Auftrag, denn die Erde soll
mit Nachkommen gefüllt werden - aber zugleich ist es ein Segen, den Gott
dem Menschen schenkt. Kinder zu bekommen wird darum trotz des
Sündenfalls und der Mühsal, die es mit sich bringt (3,16), doch als ein
Segen erfahren (4,1). Im Gegensatz zu den Wassertieren (Vs 22) wird
dieser Auftrag direkt an den Menschen gerichtet, sogar mit Wiederholung
des Namens Gottes. Es steht nicht da: „Gott segnete sie und sprach",
sondern „Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen". Weiter
ist der Auftrag insofern gleich, als beide fruchtbar sein und sich
mehren sollen, wobei die Wassertiere die Meere und die Menschen die Erde
füllen sollen (vgl. Apg 17,26). Aber naturgemäß wird nur zu dem Menschen
gesagt, daß er die Erde auch unterwerfen und über alle Tiere herrschen
soll, auch über die Fische, die die Meere füllen. Das „Unterwerfen" der
Erde ist ein kräftiger Ausdruck, der eigentlich sagen will: unter sich
bringen, zertreten, den Herrscherfuß darauf setzen. Dadurch hat der
Mensch bedingungslos Recht über die ganze Erde, sowohl um ihre Früchte
zu pflücken und sie zu bebauen, als auch um ihre Bodenschätze
auszugraben und ihr Aussehen zu verändern. Aber auch dieses Vorrecht ist
zugleich eine Verantwortlichkeit, denn diese Macht über die Erde muß der
Mensch als Bild (Statthalter) Gottes und folglich zur Ehre Gottes
ausüben.
Beachten wir, daß diese Aufträge in Vers 28 vor dem Sündenfall gegeben
sind. Auch wenn der Mensch nicht in Sünde gefallen wäre, hätte er den
Auftrag gehabt, Kinder zu bekommen und von dem Garten Eden aus die Erde
zu füllen und zu unterwerfen. Dadurch wird das Mißverständnis aus dem
Weg geräumt, daß der Mensch nur einen Platz im Garten Eden gehabt und
ihn nicht habe verlassen können. Daß er ihn noch nicht verlassen und
noch keine Kinder bekommen hatte, beweist, wie bald er gefallen ist.
Auch nach seinem Fall behielt er seinen Auftrag, aber das segensreiche
Element darin wird auf ein Minimum reduziert. So wie die Schwangerschaft
fortan mit Mühsal verbunden sein sollte, so sollte der Mensch fortan
einen verfluchten Erdboden bearbeiten und im Schweiße seines Angesichts
davon essen.
Nun gibt Gott sich zu erkennen als derjenige, der allem, was da lebt,
Speise gibt (Ps 136,25); der dem Vieh sein Futter gibt und den jungen
Raben, die da rufen (Ps 147,9). Die Vögel des Himmels säen nicht, ernten
nicht und sammeln nicht in Scheunen, und doch ernährt sie der himmlische
Vater (Mt 6,26). Vgl. Ps 104,14. 15. Gott spricht weiter zu dem ersten
Menschenpaar und knüpft an das an, was Er vorher gesagt hat: der Mensch
sollte herrschen über die ganze Erde, und das schließt ein (es folgt
jetzt), daß er von allem samenbringenden Kraut essen darf, das auf der
Fläche der ganzen Erde ist. Gott sagt: „Ich habe es
euch (hiermit) gegeben". Dazu hatte Gott die Pflanzen
in Vers 11 und 12 ja bereitet; sie wurden da schon eingeteilt nach
Bedeutung, die sie für den Menschen haben sollten. Dem Menschen gab Gott
die Nahrung, die Samen hervorbrachte (samenbringendes Gewächs und ebenso
Baumfrucht), weil nur der Mensch zielbewußt Samen sammelt, ausstreut,
heranzieht und erntet, um sich wieder neue Nahrung zu bereiten. Aber die
Tiere säen und ernten nicht (zitierte ich bereits), so daß, was sie
betrifft, nur von „alles grüne Kraut" (Vs
30) gesprochen wird: Gras, Blätter, Krauter usw.. Darin liegt auch eine
geistliche Bedeutung. Die Nahrung der Tiere sprach von Leben, aber die
des Menschen von Leben und Vermehrung (Samen), als Hinweis auf sein
ewiges Bleiben auf der Erde, wenn er nicht sündigen würde. Darum ist es
so bezeichnend, daß nach dem Sündenfall zu dem Menschen wohl von dem
grünen Kraut (3,18; 9,3) gesprochen wird, doch nicht mehr von Samen!
Die Aufzählung der Tiere in Vers 30 ist unvollständig, denn die Fische
werden außer Betracht gelassen. Das „Getier" kann auch das Vieh umfassen
(s. bei Vs 28). Interessant ist der Zusatz bei „allem,
was sich auf der Erde regt", nämlich „in
welchem eine lebendige Seele ist". Es bestätigt, was
wir bei Vers 20. 21 sahen, daß der Begriff „Seele" sowohl das ganze
Wesen (Mensch oder Tier) bezeichnen kann, wie in diesen Versen, als auch
auf etwas hinweisen kann, das i n Mensch oder Tier ist: das natürliche
Leben. Dieses Lebensprinzip wird auch der „Odem des
Lebenshauches" genannt (1. Mo 7,22).
Natürlich hat ee schon immer die Aufmerksamkeit erregt, daß in diesen
Versen nicht vom Essen von Fleisch gesprochen wird, nicht beim Menschen
und nicht einmal bei den Tieren. Man hat wohl behauptet, das Schweigen
über Fleisch bedeute nicht, daß es dem Menschen verboten war, Fleisch zu
essen, oder daß es keine fleischfressenden Tiere gegeben habe. Aber aus
der Schrift geht hervor, daß dies hier wirklich die Bedeutung ist. Was
den Menschen betrifft, so hat er bis zur und während der Sintflut keine
andere Speise als Pflanzennahrung essen dürfen (s. 1. Mo 6,21). Erst
nach der Sintflut gibt Gott dem Menschen neben dem grünen Kraut auch das
Fleisch von Tieren als Nahrung (1. Mo 9,3). Aus dem Zusammenhang geht
hervor, daß es da um eine neue Anordnung geht, die die alte erweitert.
Durch das Essen von Fleisch sollte der Mensch fortan verstehen, daß er
nur auf Grund des Todes eines anderen bestehen konnte, wie es im Opfer
Noahs bereits angedeutet war (1. Mo 8,20. 21). Das will nicht sagen, daß
vor der Sintflut keine Tiere getötet wurden (1. Mo 3,21; 4,4); aber das
waren Opfertiere, die den Charakter eines Brandopfers hatten, das ganz
und gar Gott geopfert wurde (vgl. 3. Mo 1. 9; 7,8). Was das
Fleischfressen von Tieren betrifft, so liegt kein Grund vor, anzunehmen,
die Tiere hätten vor dem Sündenfall Fleisch gefressen. Die
Prophezeiungen lehren uns gerade, daß, wenn die Folgen des Sündenfalls
von der Erde weggenommen sein werden, die Tiere alle wieder
Pflanzenfresser sein werden (Jes 11,6-8; 65,25; Hos 2,18): sie werden
einander nicht mehr zerreißen, der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind.
Das ist ebensowenig symbolische Sprache wie das übrige dieser
Prophezeiungen.
Als Einwand gegen diesen Gedankengang bringt man u. a. vor, wenn Vers 29
ein Fleischverbot für den Menschen enthielte - was übrigens zu stark
ausgedrückt ist, denn der Tod war noch nicht auf der Erde, so daß der
Gedanke an Fleischessen nicht einmal aufkommen konnte - dann würde das
Herrschen über die Tiere (Vs 28) bedeutungslos sein. Aber dieses
Herrschen durch den Menschen bedeutet nicht, daß er das Recht hatte,
seine Untertanen aufzuessen! Es bedeutet, daß er durch seine geistigen
Fähigkeiten den Tieren überlegen war, so daß sie sich nicht gegen ihn
empören konnten; er konnte sie sich unterwerfen und sie für seine Arbeit
gebrauchen. Ein anderer Einwand, der geäußert wird, ist, daß es ein
gewaltiger biologischer Eingriff wäre (um nicht zu sagen ein Wunder),
wenn ein Fleischfresser Pflanzenfresser würde oder umgekehrt. Aber man
vergißt dabei, daß der Sündenfall tatsächlich katastrophale Folgen
hatte, die wir gar nicht absehen können. Wir können uns keine
Vorstellung von der Welt vor dem Sündenfall machen, ebensowenig wie von
der Welt im zukünftigen Friedensreich, wenn die Schöpfung von der
Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit sein wird (Röm 8,19-23).
Übrigens ist dieser Übergang vom Fleischfresser zum Pflanzenfresser
vielleicht nicht einmal so groß, wie wir denken. Experimente, bei denen
man Raubtieren Pflanzennahrung zu fressen gab, haben bemerkenswerte
Resultate erbracht.
Wie am dritten Tag, so folgt auch jetzt zum zweiten (und insgesamt
siebten) mal: „Es ward also" (Vers 3 mitgerechnet). Außer in Vers 7
folgt dieser Ausdruck stets auf das Wort Gottes, um etwas zu machen
(nicht um zu erschaffen, denn es fehlt in den Versen 20. 21. 26. 27).
Hier in Vers 30 folgt es auch auf ein Wort Gottes, aber diesmal auf ein
Wort, in dem Mensch und Tier Nahrung zugeteilt wird. Das beweist wohl
die große Bedeutung dieses Wortes, weil es durch diesen Ausdruck in eine
Linie rückt mit den Worten, in denen Gott Himmel und Erde bereitet (Vs.
3. 7.9.11.15.24). Schließlich endet der sechste Tag dann mit einem
bekannten Wort, aber jetzt erweitert; nach sechsmal: „Gott
sah, daß es gut war" (Vs 4. 10. 12. 18. 21. 25), folgt
nun nicht von dem Menschen speziell, daß er gut gemacht war (als ob er
mit den anderen Schöpfungswerken auf einer Linie stünde), sondern: „Gott
sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut". Nachdem
Gott von jedem einzelnen Schöpfungswerk festgestellt hatte, daß es gut
war (außer am zweiten Tag und bei dem Menschen), überschaute Er nun das
Ganze in seinem vollen Umfang. Das Ganze ist mehr als nur die Summe der
Teile; das Ganze läßt die prächtige Harmonie sehen, in der die
Schöpfungswerke zueinander stehen, nun sie alle miteinander fertig sind.
War jeder einzelne Teil „gut", so ist ihre Summe „sehr gut". Das
Wörtchen „siehe" hebt dies noch extra hervor: es ist, als ob es etwas
ausdrückt von der Freude, die Jehova an all Seinen Werken hatte, nachdem
sie fertig waren (Ps 104,31).
Hiermit ist die eigentliche Schöpfungsgeschichte abgelaufen, denn in
sechs Tagen hat Gott Himmel und Erde gemacht (2. Mo 20,11; 31,17). Das
ist wahrscheinlich der Grund, warum nur hier ein Artikel gebraucht wird:
der sechste Tag, nämlich der Tag, der diese Periode abschließt. Ganz
getrennt davon folgt nun der siebte Tag, an dem Gott ruht von allem, was
Er gemacht hat. Die ersten drei Verse von Kapitel 2 gehören noch zu
Kapitel 1. und darum werden sie hier auch behandelt.
Seite 133
Der siebente Tag
„Und 1) der Himmel und die Erde und all ihr Heer
wurden vollendet. Und Gott hatte am siebenten Tage sein Werk vollendet,
das er gemacht hatte; und er ruhte am siebenten Tage von all seinem
Werk, das er gemacht hatte. Und Gott segnete den siebenten Tag und
heiligte ihn; denn an demselben ruhte er von all seinem Werk, das Gott
geschaffen hatte, um (es) zu machen 2)" (1. Mo 2,1-3).
1) s. engl. und franz. Übersetzung JND
2) s. Fußnote engl. Übersetzung JND
Daß diese Verse noch zu Kapitel 1 gehören, geht aus dem Wörtchen
„und" hervor, mit dem jeder Vers (außer Vers 1) in 1. Mose l beginnt und
mit dem der Bericht hier fortgesetzt wird. Zuerst wird jetzt
festgestellt, was logischerweise auf das „sehr gut" folgt. Die ganze
Schöpfung ist in vollkommener Harmonie, es ist ihr nichts hinzuzufügen
(vgl. Pred 3,14); die erste Schöpfung ist zur Vollendung gebracht. Hier
gibt es keinen Raum für die, die eine fortwährende Schöpfung lehren. Im
Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde; aber 1. Mose 2,3 lehrt, daß
Er das tat, um sie weiter zu „machen", zuzubereiten und mit
„Heerscharen" auszustatten. Darum wurden sie im Anfang wohl geschaffen,
aber jetzt nach sechs Tagen sind Himmel und Erde erst wirklich mit all
ihrem Heer vollendet. Ein ähnlicher Satz schließt auch die Bereitung der
Stiftshütte ab (2. Mo 39,32; 40,33), auch da verbunden mit Befriedigung
über das Gemachte und mit Segnung (vgl. 2. Mo 39,43 mit 1. Mo 1. 28.
31). Und wir wissen doch, daß die Stiftshütte ein Bild der Schöpfung
ist. Bemerkenswert ist in unserem Vers der Ausdruck „all ihr Heer". Es
ist in der Schrift nur die Rede vom „Heer des Himmels", aber nicht vom
„Heer der Erde". Bei dem ersten müssen wir an die Himmelskörper denken
(vgl. z. B. 5. Mo 4,19; 17,3); manchmal sind damit auch Engel gemeint
(1. Kön 22,19), aber hier eindeutig nicht (vgl. 1. Mo 1,14-18). Bei dem
„Heer der Erde" können wir an die Pflanzen, die Tiere und den Menschen
denken, die auf die Erde gesetzt sind.
Der erste Vers stellt fest, daß Himmel und Erde vollendet sind, Vers 2
teilt dann mit, Wer das getan hat: Gott hat Sein Werk vollendet.
Oberflächlich betrachtet könnte man denken, daß Gott doch schon am
sechsten Tag Sein Werk vollendet hatte; tatsächlich haben viele alte
Übersetzungen hier „am sechsten Tag" anstelle des siebenten. Aber das
Vollenden bedeutet hier nicht, daß Gott am siebenten Tag Seinem Werk
noch etwas hinzufügte. Der sechste Tag schloß schon mit der Mitteilung,
daß Gott alles sah, was Er gemacht hatte, und die vollkommene Harmonie
davon war sehr gut. Und Vers 1 von Kapitel 2 stellt auch bereits fest,
daß mit dem Ende des sechsten Tages alle Werke Gottes vollendet waren.
Das hebräische Wort bedeutet denn auch, daß mit dem Anbrechen des
siebenten Tages das Werk Gottes „abgeschlossen" war und daß Er „fertig
war" mit Seinem Werk, das Er gemacht hatte. Wir sehen das auch in 2.
Chronika 29,17, wo wir ausrechnen können, daß die Priester am
fünfzehnten Tag letzte Hand an das Werk legten, so daß sie es am
sechzehnten Tag „vollendet" hatten. Nun Gott das Werk vollendet hat,
wird es auch „Sein Werk" genannt (dreimal!). Dieses Wort für „Werk" ist
von einem Verb abgeleitet, das eigentlich bedeutet: „senden, um etwas
auszuführen"; hiervon ist auch das Wort für „Bote" oder „Engel"
abgeleitet. Gottes „Werk" ist also ein Handeln oder ein Werkstück, in
das Er eine „Botschaft" von Sich selbst gelegt hat: Seine ewige Kraft
und Göttlichkeit werden seit der Erschaffung der Welt in Seinen Werken
mit dem Verstand geschaut (Röm 1,20).
Vers 2 und 3a sind nach einem strengen Muster aufgebaut. Im Hebräischen
finden wir hier drei Sätze, von denen jeder aus sieben Wörtern besteht.
Jeder dieser Sätze beginnt mit einem Handeln Gottes und fällt im
weiteren in zwei Teile auseinander, von denen der erste Teil in allen
drei Fällen mit dem „siebenten Tag" schließt. Wir haben jetzt den ersten
Satz gehabt. Der zweite Satz berichtet, daß Gott am siebenten Tag ruhte
von all Seinem Werk, das Er gemacht hatte. Es steht jetzt sogar „all"
Sein Werk da, um anzudeuten, daß für Gott nichts mehr zu tun übrig
geblieben war; alles war fertig. Hiermit hängt auch die Bedeutung des
Wortes „ruhen" zusammen. Es ist nicht das normale Wort für ruhen,
sondern ein Wort, das beinahe überall mit „aufhören" übersetzt ist;
siehe z. B. in 1. Mose 8,22 und Jos 5,12. Häufig wird es, wie in unserem
Vers, mit einer Präposition verbunden („ruhen von") und bedeutet dann:
„aufhören mit". Das ist deutlich zu ersehen aus Hiob 32,1; Jer 31,36;
Klgl 5,14; Hos 7,4. Die eigentliche Bedeutung in
unserem Vers ist also, daß Gott am siebenten Tag aufhörte mit Seinem
Werk. Und das Aufhören mit Arbeit schließt Ruhe ein. So (mit „ruhen")
ist es übersetzt in 2. Mose 16,30; 23,12; 34,21; usw.; in 2. Mose 20,11
wird derselbe Gedanke durch das normale Wort für „ruhen" ausgedrückt. Es
ist jedoch gut, sich klar zu machen, daß der siebente Tag nicht durch
das Ausruhen von Strapazen gekennzeichnet ist, sondern durch das
Abstehen von aller Arbeit. Von diesem Wort für „ruhen, aufhören" ist das
Wort sabbat abgeleitet. Der Sabbath
ist der siebente Tag, der Ruhetag, an dem unter der ersten Schöpfung
nicht gearbeitet wird. Es ist allerdings nicht nötig, was viele neuere
Ausleger tun, das Wort in unserem Vers durch „aufhören" zu übersetzen.
Daß „ruhen" besser ist, sieht man z. B. aus der Verbindung, die in
Hebräer 4,4 zwischen unserem Vers und Psalm 95,11 hergestellt wird, und
aus dem genannten Synonym in 2. Mose 20,11. Und 2. Mose 31,17 verbindet
mit dieser Ruhe Gottes sogar doch einen gewissen Gedanken von „ausruhen"
(von Ermüdung), denn da lesen wir, daß Gott am siebenten Tag geruht und
„sich erquickt" oder „Atem geschöpft" hat. Auch von dem Land lesen wir,
daß es eine Sabbathruhe genießen würde, nämlich wenn es brach liegen
würde (3. Mo 26,34,35; 2. Chr 36,21). Auch sollte es jedes siebente Jahr
nicht bebaut werden, und das sollte ein „Sabbath (jähr)" sein (3. Mo
25,1-7). Hier ist klar, daß wir das Wort für „ruhen" nicht durch
„aufhören" übersetzen können. Der Hauptgedanke ist also wohl, daß am
siebenten Tag absolut kein Werk getan wird; aber der zweite Gedanke ist,
daß Gott damit einen Segen im Auge hatte, nämlich daß der Mensch „Ruhe"
genießen sollte.
Das ist es auch, was der dritte Vers ausdrückt: Gott segnete den
siebenten Tag. Nach der Gesetzgebung war der Sabbath ein Joch geworden,
ein Gebot, dem der Mensch unterworfen war, aus keinem anderen Grunde,
als daß Gott ihm dies Gebot auferlegt hatte. Weil der Mensch keine
moralische Notwendigkeit fühlen konnte, den Sabbath zu halten (so wie er
wohl die moralische Billigkeit der
anderen neun Gebote einsehen mußte),
war der Sabbath ganz besonders der Prüfstein, um den Gehorsam des
Menschen auf die Probe zu stellen. Darum wird das Sabbathgebot
nach 2. Mose 20 immer aufs neue wiederholt. Aber ursprünglich war
der Sabbath nicht als ein Joch gedacht, sondern als ein Segen, ein
Vorrecht. Der Sabbath ward um des Menschen willen,
nicht der Mensch um des Sabbaths
willen (Mk 2, 27).
Deutlich sehen wir das
in 2. Mose 16, wo das Gesetz
noch nicht gegeben und der Sabbath noch ein
Segen war. Da liegt der Nachdruck nicht darauf, daß das Volk am Sabbath
nicht arbeiten durfte, sondern daß es nicht zu arbeiten
brauchte. Das Manna, das sie am Freitag sammelten, war genug
für zwei Tage und verdarb nicht, so wie es wohl an den anderen Tagen
geschah. Jahweh hatte ihnen den Sabbath „gegeben" (Vers 29). Was wir in
unserem Vers finden, ist also auch nicht ein Gebot, den Sabbath zu
halten (das Wort „Sabbath" fehlt hier sogar völlig), sondern die
Grundlage für das Feiern des Sabbaths (vgl. 2. Mose
20,8-11). Aber dies zeigt, daß der Sabbath nicht nur ein Gebot für
Israel war, sondern als ein Segen für alle Menschen unter der ersten
Schöpfung gedacht war. Ich habe übrigens auch den Eindruck, daß von
Anfang der Schöpfung an alle Frommen diesen Tag Jahweh geweiht haben.
Und auch im tausendjährigen Friedensreich wird die
ganze Welt den Sabbath feiern (vgl. 2. Mo 31,16. 17; Hes 45,17;
46,3. 4). Nur die Versammlung feiert den ersten Tag der Woche, weil sie
zur neuen Schöpfung gehört; daß ein großer Teil der Welt am Sonntag frei
hat, ist ihre Sache, aber genau genommen gilt für die Ungläubigen kein
anderer Ruhetag als der Sabbath!
Der siebente Tag wurde durch Gott „geheiligt" (oder vielleicht können
wir übersetzen: „heilig erklärt"), d. h. abgesondert, separat gestellt,
besonders Ihm geweiht. Darum ist der Sabbath ein heiliger Tag, an dem
das Volk durch Jahweh zu Seinem Dienst „geheiligt" wird (2. Mo 31,13.
14). Es ist der Tag, an dem der Mensch mit Dankbarkeit auf getane Arbeit
zurückblicken kann und alle Zeit und Ruhe hat, sich ganz Gott zu weihen
(Jes 58,13. 14). Das Wort „heilig(en)" kommt sonst im ersten Buch Mose
nicht vor und bekommt dadurch hier besonderen Nachdruck. Schließlich
gibt Vers 3 deutlich den Grund an, warum nun gerade der siebente Tag
durch Gott gesegnet und geheiligt wurde: es ist der Tag, an dem Gott von
all Seinem Werk ruhte, das Er geschaffen hatte, um es zu machen. Es ist
der Tag, an dem der Mensch an der Ruhe Gottes nach sechs Tagen der
Arbeit teilnehmen darf. Zum drittenmal wird hier von „seinem Werk, das
er gemacht hatte" gesprochen, aber jetzt mit zwei wichtigen
Veränderungen. Erstens wird hier der Name Gottes wiederholt und zweitens
steht hier nicht „gemacht", sondern „geschaffen, um zu machen"
(wörtliche Übersetzung, s. Fußnote engl. Obers. JND). Das bedeutet, daß
die Schöpfungsgeschichte sowohl beginnt (1. 1) als auch endigt (2,3) mit
„Gott hat geschaffen" (im Hebräischen in beiden Versen die gleiche
Form). Nur folgen hier noch die merkwürdigen Worte: „um zu machen".
Viele übersetzen „indem er es machte" (s. die Elberfelder Übers.), was
wohl möglich ist, aber es verwischt hier den Unterschied zwischen
„(er)schaffen" und „machen". Darum glaube ich mit anderen, daß es „um zu
machen" heißen muß. Das bedeutet dann, daß Gott Sein Werk im Anfang
geschaffen hat (1. 1) mit dem Ziel, es in den sechs Schöpfungstagen zu
„machen" (holländische Staten-Übersetzung „vervollkommnen") d. h. näher
zuzubereiten.
S 138
„Nach seiner Art"
Dieser wichtige Ausdruck verdient es, daß wir noch genauer
darauf eingehen. Er kommt in 1. Mose l zehnmal vor: dreimal am dritten,
zweimal am fünften und fünfmal am sechsten Tag (das ist zweimal fünf).
Fünfmal heißt es in der hebräischen Bibel „nach seiner
Art", einmal „nach ihrer Art" (Mehrzahl)
und viermal „nach ihrer Art" (Einzahl)
(das ist auch zweimal fünf).
Das Wort „Art" (min) kommt
ausschließlich in der Einzahl vor, einige scheinbare Mehrzahlformen
müssen nach Meinung von Sachverständigen auch als Einzahl aufgefaßt
werden. Aber das will nicht heißen, daß das Wort die Bedeutung einer
Einzahl hat! Die Hebraisten schreiben dem Wort einen kollektiven Sinn
zu, was bedeutet, daß es der Deutlichkeit halber eigentlich
als Mehrzahl übersetzt werden müßte,
nämlich: „nach seinen Arten". Gesenius erklärt die Grundbedeutung
daher auch als „Ausgestaltung" in dem Sinne der
Artverschiedenheit innerhalb einer größeren Gruppe. Daß das Wort
„kollektiv" ist, bedeutet also, daß die verschiedenen Arten
gemeint sind, die eine Hauptgruppe umfaßt.
Das ist von größter Wichtigkeit. Denn es bedeutet nicht mehr
und nicht weniger, als daß Gott in 1. Mose l nicht einen „Urbaum", einen
„Urvogel" oder einen „Urfisch" schuf, sondern daß Er die Bäume, die
Wassertiere, die Vögel und die Landtiere „in ihrer
Art-Verschiedenheit" schuf. Das
bedeutet wiederum, daß diese Lebensformen unmöglich
voneinander abstammen können, so daß die Evolutionslehre also in
direktem Widerspruch zu 1. Mose l steht. Das ist ein kühnes Wort,
und darum sind wir verpflichtet, genauer
auf das interessante Wort min einzugehen.
Es ist vermutlich verwandt mit themuna („Gestalt"),
daher spricht Genesius von „Ausgestaltung": dem Formenreichtum innerhalb
einer Hauptgruppe. Hierauf weisen auch die verwandten arabischen Worte min („spalten")
und meni („verteilen") hin.
Noch einmal: das will also klar sagen, daß, als Gott z. B. die Vögel
schuf, Er sie in großer Formverschiedenheit schuf, und nicht, daß Er
eine Urform schuf, aus der sich die vielen Vogelarten entwickelten. Die
Bedeutung des Ausdrucks „nach seiner Art" ist also nicht so sehr, daß
Pflanzen und Tiere sich vermehren „nach ihrem Geartetsein", so daß aus
einem Hühnerei immer ein Küken
hervorkommt. Das ist gewiß wahr und wichtig,
aber der Ausdruck bedeutet viel mehr als das. Er bezieht sich nicht so
sehr auf die Fortpflanzung der Organismen (z. B. „ein Fisch bringt immer
nur Fisch hervor, nie Reptilien oder Säugetiere"), als vielmehr auf den
Formenreichtum der Organismen (z. B. „es gibt nicht nur eine Art von
Fischen, sondern es gibt zahllose, von den Haien bis zu den
Stichlingen"). Das wird deutlich dadurch bestätigt, daß der Ausdruck nur
bei Hauptgruppen gebraucht wird, die aus mehreren Arten bestehen,
und nie bei einzelnen Arten. In 1. Mose l sind diese Gruppen die
Fruchtbäume, das Kraut, das Samen hervorbringt (wörtlich „samensäendes
Kraut"), die lebendigen Wesen (wörtlich „lebendige Seele") in den
Wassern, das Gevögel und die
lebendigen Wesen („lebendige Seele") auf der Erde.
Alle diese Gruppen kennen einen großen Formenreichtum. So auch besonders
allerlei Vogelfamilien und -Ordnungen in 3. Mose 11 und 5. Mose 14. Aber
als Gott die Menschen schuf, lesen wir nicht, daß der Mensch „nach
seiner Art" geschaffen wurde. Denn der Mensch pflanzt sich zwar
„nach seinem Geartetsein" fort, aber die
Menschheit besteht nicht aus mehreren „Arten", die sich untereinander
nicht würden fortpflanzen können, wie es z. B. wohl bei den Vögeln der
Fall ist: die Amsel und die Ente sind alle beide Vögel, aber sie können
nicht miteinander gekreuzt werden. Der Mensch ist also nicht geschaffen
„nach seinen Arten", sondern „ein-förmig":
„in Gottes Bild und nach
Gottes Gleichnis".
Daß wir hiermit der rechten Bedeutung von min auf
der Spur sind, wird völlig bestätigt durch die übrigen Schriftstellen,
an denen das Wort vorkommt. Insgesamt sind es einundzwanzig, davon
sieben im Sintflutbericht (1. Mo 6,20; 7,14). Hier wird ganz deutlich,
daß es nicht um die Fortpflanzung geht (die kommt hier gar nicht zur
Sprache), sondern um die Artverschiedenheit der Lebewesen. Von allen
Arten der Landtiere mußte ein Pärchen in die Arche gehen. 1. Mose 6,20
will ganz klar sagen, daß von „aller Art" Vögel, von „aller Art" Vieh
und von „aller Art" Gewürm je zwei zu Noah kommen sollten. So ist es
auch bei der Aufzählung der reinen und unreinen Tiere (3. Mo 11,14-16.
19. 22. 29; 5. Mose 14,13-15. 18). Wenn z. B. die Elberfelder
Obersetzung in 3. Mose 11,22 spricht von dem „Arbeh (Heuschrecke) nach
seiner Art", dann gibt die Menge-Übersetzung dies richtig (wenn auch
etwas zu frei) wieder mit „alle Arten der Zugheuschrecke". Ebenso könnte
man also z. B. 1. Mose 1. 25 folgendermaßen frei übersetzen: „Und Gott
machte allerlei Arten von Landtieren, allerlei Arten Vieh, allerlei
Arten von dem, was sich auf dem Erdboden regt". Dasselbe haben wir am
Ende von Hesekiel 47,10: „...nach ihrer Art werden
seine Tische sein, sehr zahlreich, wie die Tische des großen Meeres". Die
etwas freiere Übersetzung der revidierten Luther-Bibel gibt hier den
Sinn an: „... es wird dort sehr viele Fische von aller Art geben, wie im
großen Meer". Gerade der Vergleich mit dem großen Meer und das „sehr
viele" (eigentlich „sehr zahlreich") bestätigen, daß der Ausdruck „nach
seiner Art" auf großen Formenreichtum hinweisen will.
Dies wird noch deutlicher, wenn man weiß, daß viele hebräische Wörter,
die Sammelbegriffe sind (z. B. „Gevögel"), in der Einzahl sowohl ein
einzelnes Glied solch einer Sammlung als auch die ganze Sammlung
bezeichnen können. Z. B. bedeutet oph sowohl
„Vogel" als auch „Gevögel" (d. h. „Vögel"), chajjah bedeutet
„Tier", aber auch „Getier" (d. h. „Tiere"). Das macht deutlich, wie ein
Ausdruck in der Einzahl (z. B. „das Getier nach seiner Art") tatsächlich
einen Mehrzahl-Sinn haben kann („die Tiere nach ihren Arten"). Dies wird
verstärkt dadurch, daß mehrere Male das Wörtchen „alle" dabei steht.
„Alles geflügelte Gevögel nach seiner Art" (1. Mo 1. 21) bedeutet dann:
„Alle Arten geflügeltes Gevögel". „Alles was sich regt, nach seiner Art"
(1. Mo 1. 25) bedeutet: „Alle Arten sich regenden (Getiers)". „Alle
Raben nach ihrer Art" (3. Mo 11,15; 5. Mo 14,14) bedeutet: „Alle Arten
Raben".
Es kann also kein Zweifel darüber bestehen, daß Gott die lebendigen
Organismen am dritten, fünften und sechsten Tag in einem großen
Formenreichtum schuf. Das steht in völligem Widerspruch zu
der Evolutionstheorie, die behauptet, daß
z. B. alle bestehenden Vögel sich aus einem oder höchstens einigen
„Urvogeltypen" entwickelt hätten, die übrigens ebensowenig durch Gott
geschaffen seien, sondern sich ihrerseits wieder aus den Reptilien
entwickelt haben sollen, obwohl hierfür nicht der geringste Beweis
vorliegt. Hiermit will ich natürlich nicht
sagen, daß der Formenreichtum,
wie wir ihn heute in der Natur kennen, genau
derselbe ist, wie der in 1. Mose l geschaffene. Erstens sind ja viele
Formen ausgestorben und zweitens sind viele neue Formen hinzugekommen,
die sich aus anderen Formen entwickelt haben. Bedeutet dies letzte dann
doch Evolution? Nein, durchaus nicht, denn ich spreche nicht von neuen
„Genesis-Arten" (die wohl „mins" genannt
werden), sondern von neuen Formen innerhalb einer bestimmten mini Ein
Beispiel: Gott schuf allerlei Arten Landtiere; so können wir uns
vorstellen, daß Er ein „Hundepärchen" schuf, möglicherweise in
verschiedenen Varietäten (Spielarten) : eine fuchsartige, eine
hundartige und eine hyänenartige Varietät. Daraus müssen sich dann die
vielen Arten entwickelt haben (teilweise durch gegenseitige
Vermischung), wie der Polarfuchs, der
Silberfuchs, der Wolf, der Hund (auch
wieder in zahllosen Rassen, vom Bernhardiner bis zum Pinscher), der
Schakal und die Hyäne.
Aber nun könnte man einige kritische Fragen stellen: Legen wir jetzt
nicht zuviel biologische Bedeutung in das biblische Wort „min" hinein?
Und was ist die Begrenzung einer min („Art")?
Offenbar sind diese Grenzen weiter als die biologische „Art" (species), denn
die Zoologie rechnet den Fuchs, den Hund, den Wolf usw. zu verschiedenen
Spezies. Ursprünglich war der berühmte Systematiker Carolus Linnaeus
(18. Jahrhundert) der Meinung, daß „wir soviele Arten zählen, wie der
Unendliche im Anfang verschiedene und konstante Formen geschaffen hat".
Später begriff er, daß die „Arten" nicht so konstant sind, wie er
ursprünglich gedacht hatte, sondern daß sie stark variieren können. Es
ist deutlich in der Natur wahrzunehmen, daß Gott in jede ursprüngliche min eine
erbliche Variabilität hineingeschaffen hat, so daß im Lauf der Zeit
diese Anlage sich in allerlei Richtungen entfalten konnte und innerhalb
einer min zu einem oft
unerschöpflichen Formenreichtum führte. Es wäre also völlig fehl am
Platze, wenn ein Evolutionist einem bibeltreuen Biologen anhängen
wollte, er würde blind an der Konstantheit der Spezies festhalten und
ihre Variabilität verkennen. Die verkennt er durchaus nicht; der große
Unterschied zwischen ihm und dem Evolutionisten ist, daß er wohl glaubt,
daß die Art variabel ist, aber nicht, daß die Art „transformabel" ist,
d. h. in eine andere Art (min) übergehen
kann. Dies letzte ist nämlich nicht bewiesen und auch nicht beweisbar,
sondern vielmehr im Widerspruch mit den Tatsachen. Wir werden später
sehen, daß die meisten sogenannten „Beweise" für die Evolutionslehre
nichts anderes sind als Beweise für die Veränderlichkeit der Art - aber
das heißt offene Türen einrennen und sagt nichts über die
Transformabilität der Art. Es kann sogar einen trüglichen Charakter
haben, denn es spiegelt etwas vor, das nicht da ist.
Wir stellen also fest, daß Gott die lebendigen Organismen in 1. Mose 1
nach einem ganz bestimmten Bauplan geschaffen hat, nämlich unterteilt
in „mins"', die deutlich voneinander
abgegrenzt sind dadurch, daß Organismen aus verschiedenen „mins" sich
nicht untereinander fortpflanzen können. Dies letzte ist eine logische
und notwendige Bedingung, denn es wäre absurd,
anzunehmen, Gott habe die Organismen „nach
ihren Arten" gemacht und doch so, daß sie sich miteinander vermischen
konnten, so daß in kurzer Zeit dieser Bauplan der Artverschiedenheit
ganz und gar verwischt wäre und ersetzt würde durch eine Kontinuität, in
der alle Zwischenformen zwischen den „mins" vorhanden
wären. Aber dieser Gedankengang ist nicht nur logisch, er ist auch ganz
und gar in Übereinstimmung mit dem, was man beobachten kann. Es ist
nämlich sehr wichtig, daß auch heute die lebenden Organismen sich
unterteilen lassen in biologisch diskontinuierliche Gruppen, die
voneinander unterschieden sind dadurch, daß sie nicht
miteinander bastardisieren können. Solch eine min kann
sich oft in einem gewaltigen Formenreichtum entfalten, sogar in einem
solchen Maße, daß die äußersten Formen in einer min sich
so weit voneinander entfernen, daß sie sich untereinander nicht einmal
mehr fortpflanzen können („reproduktive Isolation"); aber nie kann eine
Form aus einer min mit einer Form aus
einer anderen min gekreuzt werden
oder nach einer anderen min „transformieren".
Und es ist außerordentlich interessant, daß auch die Paläontologie dies
völlig bestätigt hat: auch die Fossilien zeigen dieselbe deutliche
Diskontinuität zwischen den verschiedenen Gruppen; und unter diesen
Gruppen können immer mit Leichtigkeit die Voreltern der gegenwärtigen
Organismen ausgemacht werden, die dieselben äußeren Kennzeichen tragen
wie ihre Nachkommen. Diese fossile Diskontinuität und das Fehlen
fossiler Zwischenformen zwischen dem, was wir hier mins nennen,
bilden für die Evolutionisten keine geringe Schwierigkeit.
Eine min besteht also aus Organismen,
die denselben Bauplan aufweisen und sich untereinander fortpflanzen
können (oder es früher konnten). Eine min umfaßt
also häufig mehrere Spezies, weil verwandte Arten manchmal
bastardisieren können (obwohl die Bastarde häufig unfruchtbar sind oder
manchmal schon vor der Geburt sterben). So liest man z. B. von Bastarden
zwischen Löwe und Tiger, zwischen Pferd, Esel
und Zebra, zwischen Hund, Wolf und
Schakal, zwischen Maus und Ratte, zwischen Henne und Truthahn, zwischen
Schwan und Gans, zwischen Weizen und Roggen, zwischen Radieschen und
Kohl usw. Diese verwandten Formen würde man also jeweils zu ein und
derselben min rechnen können. Das ist
nicht etwa eine Erfindung der Kreationisten;
1)
1): solche, die an dem
biblischen Schöpfungsbericht festhalten.
die Systematiker haben sehr häufig das Bedürfnis
geäußert, Einheiten aufzustellen, die umfassender sind als die Spezies
und alle untereinander fruchtbaren Formen vereinen, wie wenig fruchtbar
oder lebensfähig ihre Bastarde auch sein mögen. Solche Einheiten heißen
„Formenkreis" (oder „Rassenkreis"), „commiscuum", „polytypische
species", „coenospecies" und ähnlich. Obwohl wir uns also über die
Variabilität innerhalb einer min (so daß
auch neue Spezies entstehen können) durchaus im klaren sein
müssen, müssen wir andererseits unerschütterlich festhalten, daß seit 1.
Mose 1 keine neuen „mins" entstanden
sind. Es ist nicht eine einzige biblische, aber auch nicht eine einzige
wissenschaftliche Gegebenheit bekannt (jedenfalls wenn man nicht von
bloßen theoretischen Annahmen ausgehen will), die dieser Auffassung
widerspricht. Für ein weiteres Studium dieses Gegenstandes verweise ich
auf das Buch von Dr. Frank L. Marsh: „Evolution, Creation, and Science"
(1947). Ferner Byron C. Nelson (1967): „After Its Kind". J. W. Klotz
(1955): „Genes, Genesis, and Evolution"; H. Enoch (1966): „Evolution or
Creation", und die bereits früher genannten Bücher.
Wir haben nun gefunden, daß alle „mins"', die
es gibt, bereits in 1. Mose l entstanden sind und daß sie sich nicht
miteinander vermischen und keine neuen „mins" bilden
können. Dies letzte ist auch die Erfahrung des normalen Betrachters und
wird auch in der Schrift sehr betont - und das ist eine starke Waffe
gegen die Evolutionslehre. Man wird sicher wieder sagen, daß die Schrift
sich doch nicht mit dem Widerlegen biologischer Theorien beschäftigt,
aber man braucht nur daran zu denken, wie sehr die
Evolutionisten sich beeifern, den Menschen von den
Tieren abstammen, statt ihn ein Geschöpf Gottes sein zu lassen, um zu
ermessen, wie wichtig das Zeugnis der Schrift ist, daß Gleiches
nur aus Gleichem hervorkommt, daß gut nicht aus schlecht, und schlecht
nie aus gut hervorkommt und daß der menschliche Geist nicht von dem
unvernünftigen Tier, sondern von Gott herstammt. Daß Gleiches
aus Gleichem hervorkommt, wird
treffend durch die Ähnlichkeit der Worte in 1. Mose 1
angedeutet. Wir haben gelesen, daß die Erde Hervorsprossendes
hervorsprossen lassen, daß das Kraut Samen säen, daß die Fruchtbäume
Früchte hervorbringen sollten. Damit ist auch das Verhalten der Tiere in
Übereinstimmung: die Wasser sollten wimmeln vom Gewimmel lebendiger
Wesen (wörtl. „Seele"), das „Geflügelte" flog (auch dieselben
Grundworte) über der Erde und das sich regende Getier regte sich auf der
Erde. Neben dieser Gleichheit gibt es auch eine Ungleichheit in bezug
auf andere Formen: „Nicht alles Fleisch ist dasselbe
Fleisch; sondern ein anderes ist das der Menschen, und ein anderes das
Fleisch des Viehes, und ein anderes das der Vögel, und ein anderes das
der Fische" (1. Kor 15. 39). „Kann
etwa, meine Brüder, ein Feigenbaum Oliven hervorbringen, oder ein
Weinstock Feigen?" (Jak 3,12). „Liest
man etwa von Dornen eine Traube, oder von Disteln Feigen?" (Mt
7,16). „Jeder Baum wird an seiner eigenen Frucht
erkannt; denn von Dornen sammelt man nicht Feigen,
noch liest man von einem
Dornbusch Trauben" (Lk 6,44).
Schöpfungsbericht und Evolutionslehre
Die Evolutionslehre ist im Vorhergehenden nun schon so oft
zur Sprache gekommen, daß wir noch einige Worte darüber sagen müssen,
bevor wir weitergehen. Natürlich kann man diese Lehre im Rahmen einer
Betrachtung von 1. Mose l nicht
ausführlich besprechen; nur das gehört hierher, was deutlich macht, wie
unangebracht es ist, daß bei einigen Gläubigen das Vertrauen in 1. Mose
1 durch die Evolutionslehre erschüttert ist. Darum wollen wir nur die
folgenden Punkte kurz ins Auge fassen: die sogenannten Beweise für die
Evolutionslehre, den wissenschaftlichen Charakter dieser Lehre und ihren
moralischen Einfluß auf die Gesellschaft.
Viele Menschen (leider sogar viele Wissenschaftler) meinen, Evolution
sei eine wissenschaftliche Tatsache. Das ist ein ernstes und
gefährliches Mißverständnis. Evolution im weiten Sinne des Wortes (d. h.
Abstammung aller lebendigen Organismen aus gemeinsamen Voreltern, und
dieser aus der leblosen Materie) ist absolut keine ausgemachte Tatsache,
ja, nicht einmal eine Theorie, die sich auf Tatsachen gründet. Es ist
ein Dogma, das auf materialistischen, philosophischen Ideen basiert, im
Widerspruch zu den alten Schöpfungsideen, letzten Endes jedoch nicht
„wissenschaftlicher" als diese. Aber, wird man sagen, in zahllosen
Büchern über die Evolutionslehre werden doch wissenschaftliche Beweise
für die Evolution aufgeführt? Auch das beruht auf einem bedauernswerten
Mißverständnis.
Man unterscheidet in der Evolution die sogenannte Makro Evolution und
die Mikro-Evolution. Die erste ist die Evolution im großen Stil, die
soeben definierte Abstammung der höheren aus niedrigeren Organismen, das
Entstehen der großen Hauptabteilungen des Pflanzen- und Tierreiches aus
gemeinsamen einzelligen Voreltern. Es liegt nicht die geringste Spur
eines Beweises dafür vor, daß es diese Makro-Evolution gegeben hat. Man
braucht kein Kreationist zu sein, um das herauszufinden - ein
überzeugter Evolutionist wie Kerkut hat das Fehlen dieser wichtigen
Beweise in seinem Buch deutlich ans Licht gestellt. *)
*) G. A. Kerkut (1960):
„Implications of evolution" (New
York, Pergamon Press)
Die sogenannten Beweise, die man in Handbüchern für Evolution findet,
beziehen sich denn auch auf Mikro-Evolution, das ist die
Veränderlichkeit lebender Formen innerhalb bestimmter Grenzen, d. h.
innerhalb der bereits besprochenen mins. Es
ist sogar irreführend, hier von „Evolution" zu sprechen. Evolution
bedeutet Entwicklung und birgt den Gedanken von Aufstieg und Fortschritt
in sich. Aber in Wirklichkeit ist nie die Rede von echtem biologischen
Fortschritt (Entwicklung nach einem höheren Lebensniveau), wenn ein
Organismus sich innerhalb der Grenzen seiner min verändert.
Man kann eine prächtige Blume züchten oder eine großartige Tierrasse,
die ihren Voreltern nur noch wenig gleicht, aber ist das Fortschritt?
Ist damit eine „höhere" Lebensform erreicht? Die Praxis lehrt, daß
solche kultivierten Formen mehr von Degeneration als von Evolution
zeugen: sie sind meist schwächer und weniger fruchtbar.
Aber was sind denn die Beweise für die Evolutionslehre? Man muß für
diese Auffassungen, die so populär geworden sind, doch irgendwo eine
Stütze gefunden haben! Die sogenannten „Beweise" kann man in drei
Gruppen einteilen:
Der Hauptbeweis für die Evolutionslehre muß von der Paläontologie
kommen, also von den Fossilien. Verschiedene Evolutionisten haben darauf
hingewiesen, daß der paläontologische „Beweis" tatsächlich der einzige
Beweis ist. Alle anderen Beweise haben in sich selbst keine
Daseinsberechtigung, sondern können höchstens den paläontologische
Beweis verstärken. Die Paläontologie ist deshalb für die Evolutionslehre
so wichtig, weil sie eine historische Wissenschaft ist, die als einzige
uns historische „Dokumente"
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verschaffen könnte, die beweisen, daß Evolution in der Vergangenheit
stattgefunden hat. Nun, hierüber brauche ich nicht mehr viele Worte zu
machen nach allem, was ich über die geologische Zeittafel gesagt habe,
über die ernsthaften Bedenken, die dagegen vorgebracht worden sind, und
die Probleme, die sie für die Evolutionslehre aufwirft. Die „Beweise"
der Paläontologie sind eine Pleite, solange sie die Antworten auf die
folgenden und viele andere Fragen schuldig bleiben muß.
(a) Warum sind unter den Fossilien keine echten Zwischen-und
Übergangsformen bekannt?
(b) Warum sind in den Fossilien keine Organe im Stande der Entstehung
(„im Evolutionsprozeß ertappt") bekannt?
(c) Warum zeigen die Fossilien untereinander dieselbe Diskontinuität wie
die gegenwärtigen Formen?
(d) Warum ist kaum ein einziges Fossil (wenn überhaupt eins) aus dem
Präkambrium bekannt?
(e) Woher kommen all die Hauptgruppen der Wirbellosen so plötzlich im
Kambrium?
(f) Was war der plötzliche Ursprung der Säugetiere im Tertiär?
(g) Woher kamen so plötzlich die Blütenpflanzen?
Die Paläobotanik hat sich für den Evolutionisten anstelle einer Hilfe
nur als ein Hindernis erwiesen. Wo sind denn die fossilen Beweise für
die Evolution?
Die Argumente, die man dem Laien gewöhnlich vorspiegelt, sind die
Entwicklung der Wirbeltiere - ein Bruchteil des ganzen Tierreiches und
die einzige Gruppe, in der - wie es scheint - in der Aufeinanderfolge
von „älteren" zu „jüngeren" Erdschichten tatsächlich von einem
Fortschreiten von niederen zu höheren Formen gesprochen werden kann.
Ganz abgesehen von unseren Einwänden gegen die geologische Zeittafel
zeigt diese Aufeinanderfolge durchaus keine wirklichen Beweise dafür,
daß die höheren Klassen der Wirbeltiere tatsächlich aus den niedrigeren
entstanden sind. Nein, die letzten Argumente, die die Paläontologen zum
Schluß anführen - und das sind dann auch ihre „stärksten"! - sind die
Abstammung kleiner, besonderer Gruppen, wie der Elefanten, der Kamele
und vor allem der Pferde. Wer ist nicht beeindruckt, wenn ihm eine lange
Reihe von Pferden vorgesetzt wird, die allmählich an Größe zunehmen und
bei denen die Anzahl der Zehen allmählich abnimmt, von fünf bis
schließlich zu dem einen Huf? Aber was ist der Wert einer solchen Serie?
Schließlich sind es doch alles Pferde; und sie weisen nur auf die
Möglichkeit einer Mikro-Evolution hin, d. i. die Variabilität innerhalb
einer min, und dann noch eher auf
Degeneration als auf wirkliche Evolution. Aber vor allem: was für
Beweise gibt es, daß die „höchsten" Pferdeformen tatsächlich jünger sind
als die „niederen"? Unter diesem historischen Gesichtspunkt sind solche
Serien häufig am anfechtbarsten. Den Erdschichten, in denen sie gefunden
werden, wird häufig ein Alter zugeschrieben, je nach dem Pferdetyp, den
man in ihnen angetroffen hat.
(2) Wenn der paläontologische „Beweis" - nach Ansicht vieler der einzige
echte - schon eine Pleite ist, was sind dann die anderen „Beweise"?
Viele sogenannte Beweise sind überhaupt nicht beweiskräftig, sondern
haben selber den Beweis nötig. Es liegt da eine Beweisführung zugrunde,
die sich im Kreise dreht: gewisse biologische Beobachtungen werden mit
Hilfe der Evolutionslehre erklärt, glückt das in zufriedenstellender
Weise, dann werden diese Beobachtungen zu „Beweisen" für diese selbe
Evolutionslehre erhoben. So wird diese Lehre durch sich selbst bewiesen.
Man nehme nur die Gruppe der
„Beweise", die sich auf die Übereinstimmungen in Bau und Zusammensetzung
zwischen allen Lebensformen beziehen. Man denke an die große
Einheitlichkeit in der biochemischen Zusammensetzung und den
Lebensprozessen, im Zellbau, in Kern- und Zellteilung; man denke an die
anatomischen Übereinstimmungen, ja, an einen so großartigen Bauplan in
der ganzen Pflanzen- und Tierwelt, daß es möglich ist, diese ganze Welt
in ganz natürlich anmutender Weise in Hauptabteilungen, Klassen,
Ordnungen, Familien, Gattungen und Arten einzuteilen. Nun, sagt man,
diese auffallende Verwandtschaft zwischen allen Lebensformen kann man
nur sinnvoll erklären, wenn man sie als „Blutsverwandtschaft" auffaßt,
also auf gemeinsamer Abstammung beruhend; tut man das nicht, so muß man
die Möglichkeit einer naturwissenschaftlichen Erklärung aufgeben*).
*) A. G. M. van Meisen (1968): „Evoluhe en Wijsbegeerte"
(Aula, Utrecht), p. 94.
Das ist jetzt eine schöne Probe einer evolutionistischen Beweisführung.
Weil die Evolution diese Verwandtschaft hübsch erklärt, wird diese
Verwandtschaft ihrerseits ein Beweis für die Evolutionslehre. Außerdem:
im Rahmen der Naturwissenschaft ist keine andere Erklärung möglich.
Aber da liegt nun gerade der Hase im Pfeffer. Wir sind letzten Endes
nicht an der elegantesten Denkmethode, sondern an der Wahrheit
interessiert. Darum ist es absolut möglich, daß die Einheit aller
lebenden Organismen die Folge eines gemeinsamen Schöpfungsbauplanes und
das Werk eines großen Planers ist. Das ist in gewissem Sinne ebenfalls
eine „wissenschaftliche" Erklärung. Wenn Gott ja die lebendigen
Organismen geschaffen hat, dann können wir nicht anders erwarten, als
daß Er nach einem universellen Bauplan zu Werke ging. Wie sollten ohne
eine biochemische Verwandtschaft Mensch und Tier von Pflanzennahrung
leben können? Wie sollte der Mensch Fleisch essen können, wenn das nicht
von derselben Art wäre wie sein eigener Körper? Und wie sollten
verschiedene Organismen in ein und demselben Milieu leben können, wenn
sie nicht große Übereinstimmung in Bau und Lebensweise zeigten und
allerlei Anpassungen aneinander hätten? Auch dies ist eine „elegante"
Denkmethode, die überdies auf Grund der Offenbarung Gottes den Stempel
der Wahrheit besitzt. Wahrheit können wir naturgemäß nie von der
Wissenschaft erwarten; sie kann uns höchstens Denkschemas liefern, die
„stimmen" oder „sinnvoll" sind, aber nie „wahr". „Wahrheit" liegt
außerhalb des Horizonts der Wissenschaft, weil sie nur durch Offenbarung
gekannt wird, nicht durch Forschung, so daß der Begriff „Wissenschaft"
eher auf die Kenntnis der Offenbarung Gottes anzuwenden ist als auf das
Denksystem, das Gott von vornherein ausschließt. Viele Gelehrte mögen
eine materialistische Evolutionslehre viel logischer und annehmbarer
finden als den Kreationismus (die Schöpfungslehre) und davor
zurückschrecken, einen „deus ex machina" in ihre Weltanschauung
einzuführen, aber das hat prinzipiell mit der Frage nach der Wahrheit
nichts zu tun. Es ist deshalb inkorrekt, diejenigen, die an eine
Schöpfung als beste Erklärung der genannten wissenschaftlichen
Beobachtungen glauben, zu beschuldigen, sie seien „unwissenschaftlich".
Mit ebensoviel Recht kann man behaupten, daß diejenigen
unwissenschaftlich sind, die wissenschaftliche Tatsachen durch etwas so
Unwissenschaftliches erklären wie eine Evolution, die es nur in der
Phantasie gibt.
Der Vollständigkeit halber möchte ich noch darauf aufmerksam machen, daß
zwei „Beweise", die in manchen Lehrbüchern noch vorkommen, inzwischen
wohl überholt sind. Erstens die sogenannten „rudimentären Organe", das
sind Organe, die im Körper keinerlei Funktion (zu) haben (scheinen), wie
der Wurmfortsatz am Blinddarm. Aber die Liste solcher Organe wird immer
kürzer, in dem Maße wie man die Funktionen dieser Organe kennenlernt.
Außerdem, wenn es sie schon gibt, können sie die Folge einer
Variabilität innerhalb der mins sein;
auf jeden Fall sind sie immer Beweise für Degeneration, nie für
Evolution. Der zweite überholte „Beweis" ist das „Biogenetische
Grundgesetz" von Haeckel, das sagt, die embryonale Entwicklung vieler
Tiere sei eine verkürzte Wiederholung des Entwicklungsganges der ganzen
Art; man denke nur an die sogenannten Kiemenspalten und die
Schwanzbildung in menschlichen Embryos. Aber es steht außer Zweifel, daß
die meisten Gelehrten heute überzeugt sind, daß diese Theorie auf nichts
als Schwindel und Phantasie beruht.
(3) Die letzte, aber nicht unwichtige Gruppe von „Beweisen" wird durch
die experimentellen Wissenschaften geliefert, vor allem durch die
Vererbungslehre. Der Evolutionismus umfaßt nicht nur die Beschreibung
historischer Prozesse (die nicht wiederholbar sind, sondern aus den
Fossilien ersichtlich sein müssen), sondern auch die Erklärung heute
auftretender wiederholbarer Erscheinungen, die den Beweis liefern
müssen, daß der Evolutionsprozeß noch immer im Gange ist, und zugleich,
wie er in der Vergangenheit vor sich gegangen sein muß. Als die
Evolutionslehre im vorigen Jahrhundert in ihrer gegenwärtigen Hauptform
aufgestellt wurde, glaubte man ganz optimistisch, daß es bald gelingen
würde, sowohl die angenommenen historischen Prozesse ausreichend zu
dokumentieren, als auch den heute vor sich gehenden Evolutionsprozeß
wahrzunehmen und experimentell nachzuahmen. In beiden Hinsichten
haben die Evolutionisten völlig versagt und viel Zeit vergeudet mit
dem Suchen nach etwas, das nicht da
war. In der Vererbungslehre beginnt
das Bewußtsein durchzusickern von
der statistisch absoluten Unvereinbarkeit
des einzigartigen und höchst komplizierten Charakters der Erbfaktoren
(der Gene) mit einer
neodarwinistischen Theorie über natürliche Auslese von
zufällig auftretenden Gen-Veränderungen (Mutationen). Selbst
eingefleischte Evolutionisten nehmen mehr und mehr Abstand von
dem Gedanken, daß das Entstehen
hochspezialisierter Organe und
Organismen die Folge der Auslese zufälliger Mutationen sein kann.
Außerdem sind spezialisierte Organe nur nützlich, wenn sie vollständig
sind; die Zwischenformen wären daher in der Evolution schon lange
ausgemerzt worden. Übrigens, die weitaus meisten Gen-Mutationen sind
schädlich für den Organismus und vermindern seine Lebensfähigkeit
und/oder Fruchtbarkeit und werden darum durch die natürliche Auslese
ausgeschaltet statt begünstigt. An sich
können sie in ganz besonderen
Milieus, wie sie durch Züchter geschaffen werden, vorteilhaft sein, aber
es ist allgemein bekannt, daß ausgelesene Bastarde, wenn sie sich
selbst überlassen werden, sehr rasch zu den Elterntypen zurückkehren,
und gezüchtete Formen zu ihrem ursprünglichen Stande. Was die
Evolutionisten wirklich nötig haben, sind „Makromutationen" mit einem
hohen selektiven Wert, aber die hat man
nie gefunden. Überdies, was für prächtige
Mutationen auch in bestehenden Genen auftreten, sie führen nie zum
Entstehen ganz neuer Gene.
Man könnte sich fragen, wie es möglich ist, daß so viele Gelehrte so
fest an Evolution glauben, obwohl die wissenschaftliche Grundlage der
Evolutionslehre so schwach ist. Ohne Zweifel liegt das zur Hauptsache
daran, daß sie die biblische Alternative von vornherein ablehnen und die
naturwissenschaftliche Methode überschätzen. Ich habe mehr als einmal
gelesen und persönlich gehört, wie Gelehrte zunächst die Möglichkeit
einer Schöpfung ablehnen, weil sie nicht in das wissenschaftliche Denken
paßt, und allein aus diesem Grunde dann ihren Glauben an die
Evolutionslehre aussprechen. Sogar die Ungläubigen, die ernsthafte
Bedenken gegen die Evolutionslehre in ihrer heutigen Form äußern,
zweifeln nicht an der Evolution selbst, wenn sie auch manchmal Hinweise
und Erklärungen, die hierfür gegeben werden, kritisieren. In der
jüngeren Generation wird solche Kritik immer stärker geäußert, aber es
wäre unrealistisch, zu erwarten, daß die Evolutionslehre letzten Endes
verworfen wird. Solange die meisten Gelehrten das Wort Gottes ablehnen,
werden sie das Unglaubliche glauben: eine unannehmbare und widerlegte
Lehre, an die sie sich klammern, weil es ihre Religion ist.
Ein wichtiger Einwand gegen die Kreationisten ist immer, daß sie
a priori (d. h. von vornherein) die Existenz
eines Schöpfer-Gottes annehmen, während von der „reinen
Naturwissenschaft" behauptet wird, sie habe keine a-priori-Annahmen und
sei unvoreingenommen und objektiv. Aber welcher Gelehrte wagt zu
leugnen, daß z. B. die Unveränderlichkeit von Naturerscheinungen eine
Grundlage der Naturwissenschaft ist - und ist diese Unveränderlichkeit
nicht eine unbewiesene a-priori-Annahme? Überdies liegt sie noch nicht
einmal so auf der Hand, denn diese Annahme schließt in Wirklichkeit
übernatürliche Wunder aus. Darum müssen die Materialisten die Existenz
Gottes a priori ausschließen, jedenfalls eines Gottes, der in die Natur
eingreift. Das bedeutet, daß sowohl der Kreationismus als der
Evolutionismus sich auf a-priori-Annahmen gründen, und zwar entweder,
daß ein Gott, der heute noch wirkt, existiert, oder eben, daß Er nicht
existiert. Nun kann man natürlich einwerfen, es sei logischer, die
Existenz des Nicht-Wahrnehmbaren (wie Gott) zu leugnen, als anzunehmen,
weil ja die Annahme, es gebe einen Gott, 1.) wissenschaftlich nicht
nachprüfbar ist, und 2.) die Wissenschaft komplizierter macht, als für
die Erklärung von Naturerscheinungen nötig ist. Was den ersten Punkt der
Unbeweisbarkeit Gottes angeht, ist die Antwort: Ja und? Es beweist
lediglich die Begrenztheit der Naturwissenschaft, denn wer wagt zu
sagen, die wahrnehmbare Wirklichkeit sei die einzige und vollständige
Wirklichkeit? Die Naturwissenschaft ist ein System, das seiner Natur
nach nur mit dem Wahrnehmbaren rechnet; aber dann darf man hinterher
nicht triumphierend feststellen, daß mit diesem System nie eine Spur von
Gott gefunden worden sei. Was für eine Torheit! Wenn Gott mit unseren
Sinneswerkzeugen wahrgenommen werden könnte, dann wäre der Schöpfer ein
Geschöpf wie wir. Und was den zweiten Punkt betrifft: ich habe in der
Einleitung bereits darauf hingewiesen, daß gewisse Erscheinungen, wie
die Entstehung des Lebens, kreationistisch viel besser zu verstehen sind
als evolutionistisch.
Aber überdies, kann der Evolutionismus diese doppelte Kritik etwa besser
durchstehen? Ich habe schon darauf hingewiesen, daß die Evolutionisten,
was den ersten Punkt betrifft (den experimentellen Beweis für ihre
Lehre), völlig versagt haben. Sie glauben an ihre Philosophie nicht
etwa, weil diese wissenschaftlich so gut fundiert ist, sondern weil sie
die Alternative eines Schöpfergottes verwerfen. Und um den zweiten
Punkt, die unnötige Kompliziertheit ihrer Lehren, zu erkennen, brauchen
wir uns nur in die vielen Hilfshypothesen zu vertiefen, die sie - um
ihre Lehre, die mit der Wirklichkeit im Widerspruch steht, akzeptabler
zu machen - aufstellen mußten in der Geologie, der Paläontologie, der
Taxonomie, der Vererbungslehre usw. Kann eine Lehre, die nicht einmal
den Grundforderungen genügt, die man an eine wissenschaftliche Hypothese
stellen darf, noch wissenschaftlich genannt werden?
1)1) Siehe W. J. Ouweneel (1971):
„The scientific character of the evolution doctrine",
Creat. Res. Soc. Quart. 8: 109-115.
Eine Lehre, die überdies mit den Grundsätzen der (statistischen)
Mathematik und der Thermodynamik in ernsthaften Konflikt gerät? Die die
Augen vor der immer größer werdenden Zahl von Tatsachen verschließt, die
mit ihr in Widerspruch stehen? Deren Vertrauenswürdigkeit im umgekehrten
Verhältnis zu der enormen Anzahl von unbewiesenen Behauptungen steht,
auf denen sie ruht? Sogar überzeugte Evolutionisten geben zu, daß der
Evolutionismus keine wissenschaftliche Hypothese oder Theorie genannt
werden kann. 2)
2) Siehe z. B. B. Delfgaauw (1967) in „Evolutie en de filosofie, de
biologie, de kosmos" (Aula, Utrecht), p. 12-23.
Eine Hypothese ist ja dazu da, eine Anzahl beobachteter
Erscheinungen miteinander in Beziehung zu bringen, und wird ständig
geändert und schließlich verworfen, je nachdem neue Erscheinungen
beobachtet werden. Aber die Evolutionslehre kann nicht verschwinden,
denn sie hat in der Naturwissenschaft keine Alternative. Darum folgert
Delf-gaauw, daß die Evolutionslehre ein „Postulat" sei, d. h. eine
Forderung, die an das Denken gestellt wird in der Weise, daß, wenn man
über ein bestimmtes Gebiet der Wirklichkeit nachdenken will, man gemäß
dieser Forderung denken muß oder überhaupt nicht denken darf.
Nun, dafür bedanken wir uns. Wenn wir es also recht betrachten, wird die
Evolutionslehre niemals aufgegeben werden, selbst wenn alle Tatsachen
dagegen sprechen, ganz einfach weil die Materialisten nichts anderes
anzubieten haben. Aber der Materialismus ist nichts als eine Art
Philosophie mit dem begrenzten Gesichtsfeld, das auch die Spinne hat,
die nicht an den Förster glaubt, weil sie ihn nicht sehen kann.
Wir mögen nicht nach den Pfeifen ihrer Postulate tanzen und behalten uns
das Recht vor, ein geräumigeres Gesichtsfeld zu erwählen. Nicht weil wir
uns einbilden, aus uns selbst weiter sehen zu können, sondern weil wir
die überraschende Entdeckung eines Schöpfers gemacht haben, der in der
Gestalt des Sohnes selbst in unser (geistliches) Gesichtsfeld hat kommen
wollen. Solch ein erweiterter Blick läßt uns schon bald erkennen, was
der wahre Einfluß und die wahre Bedeutung der Evolutionslehre sind. Wir
brauchen uns nur vor Augen zu halten, wie triumphierend die gelehrte
Welt den Darwinismus aufnahm, weil er ihr die Möglichkeit gab, sich
definitiv Gottes und der Bibel zu entledigen. Endlich konnten die
sozialen Mißstände und das skrupellose Treiben der Geschäftsleute durch
Darwins „Kampf ums Dasein" und „Überleben des Stärkeren" beschönigt
werden. Das Gewissen konnte beruhigt werden: das Böse war ja ein
unentbehrliches Element in der Entwicklung zum Guten. Der Evolutionismus
brachte den Freibrief für das Aufblühen des Militarismus und des
Rassismus, die zu den Weltkriegen führten; Hitler berief sich in seinem
Rassenhaß und seinem Kriegsdrängen auf Darwin. Der Weg dahin war durch
andere leidenschaftliche Darwinisten geebnet worden: durch den
Militarismus eines von Treitschke und die Philosophie Nietzsches. Dieser
letztere inspirierte wiederum Mussolini zu seinen faschistischen Ideen
in Italien. Karl Marx erkannte mit Dankbarkeit an, daß er die Grundlage
für seine kommunistischen Ideen in der Lehre Darwins gefunden habe.
Stalin wurde Atheist, nachdem er Darwin gelesen hatte. Auch die berühmte
Psychologie Freuds hat ihre Wurzeln im Darwinismus. Shaws darwinistische
Auffassungen kamen in seinen Romanen und Schauspielen zum Ausdruck. Der
moderne Existentialismus von Camus, Heidegger und Sartre gründet sich
auf den Darwinismus und wurde seinerseits eine der Grundlagen der
modernen Theologie von Bultmann und anderen. Ganz zu schweigen von dem
Ausmaß, in welchem die evolutionistische Philosophie das
wissenschaftliche Denken des übergroßen Teils der Naturwissenschaftler
getrübt hat, angeführt durch Männer wie J. Huxley, Muller und Simpson.
Natürlich sind unmoralische Folgen der Evolutionslehre an sich keine
Beweise für ihre Unrichtigkeit. Aber sie zeigen doch, was der wahre
Ursprung dieser Lehre ist. Man kann einwenden, Naturwissenschaftler
seien nicht verantwortlich für die Folgen ihrer Lehre außerhalb ihres
Fachgebietes, aber es ist auffallend, daß der Darwinismus gerade in
seinen eigenen Reihen zu einer krassen Verminderung der
wissenschaftlichen Sauberkeit geführt hat. Man braucht nur an die
geschwollene Sprache von T. H. Huxley zu denken, oder an Haeckel - wie
Huxley ein erbitterter Feind des Christentums -, der embryologische
Zeichnungen von sich und anderen mutwillig entstellte, um sie als „Beweise"
für die Evolutionslehre gebrauchen zu können (er wurde deswegen
öffentlich angeklagt). Man weiß von Orten in den Vereinigten Staaten, an
denen Fußspuren von Menschen und Dinosauriern in ein und derselben
Erdschicht gefunden wurden, wo man aber die menschlichen Spuren um der
Lehre willen ausgelöscht hat
1).
1) Th. H. Epp: „True science agrees with Scripture", p. 37 43
Gerade die Abstammung des Menschen, die so sehr die Phantasie
anspricht, hat viel Anlaß zu Betrug gegeben. Die ältesten Funde von
menschlichen Überresten (in Calaveras, Castenedolo und Olmo), aus denen
hervorging, daß die ältesten Menschentypen uns glichen, werden
geflissentlich ignoriert oder lächerlich gemacht. Der berühmte Hesperopithecus („Affenmensch
des Westens") wurde aufgrund des Fundes eines einzigen Zahnes
„geschaffen", der, wie sich später herausstellte, von einem Schwein
stammte. Der noch berühmtere Pithecanthropus wurde
in Schichten gefunden, die auch ganz normale menschliche Überreste
enthielten (die sehr lange verheimlicht wurden), war aber überdies
selbst nicht mehr als ein irreführendes Sammelsurium von Menschen- und
Gibbon-Knochen. Und wer kennt nicht den Fall des Eoanthropus (des
Piltdown-„Menschen der Morgenröte"), der lange Zeit einer der
Haupt-„Beweise" für die Abstammung des Menschen aus affenartigen
Vorfahren war, später jedoch als purer Schwindel entlarvt wurde.
Absoluter Betrug sind auch die suggestiven Zeichnungen wilder, behaarter
Affenmenschen, die stärker als alles andere das große Publikum mit dem
Evolutionismus vergiften.
2)
2) Siehe F. W. Cousins: „Fossil man", Evol. Prot. Movem., 1971
Muß ich noch fortfahren? Muß es nicht jedem gläubigen Leser klar
sein, daß der Evolutionismus aus keiner Schicht und keinem Winkel
unserer korrupten Gesellschaft wegzudenken ist? Universale Lehren wie
der Darwinismus, haben genau die weite Verbreitung und den alles
durchdringenden Einfluß, die der Antichrist brauchen wird, um seinen
Welt-Gottesdienst aufzurichten: die Verehrung von Nietzsches
„Übermensch", dem Superprodukt des Evolutionsprozesses, der von allen
Völkern als der edelste Mensch verehrt, aber durch Gott „das Tier"
genannt wird, das Superprodukt des Degenerationsprozesses, der mit dem
Sündenfall begonnen hat. Muß ich noch fragen, ob der bibeltreue Christ
auch nur in irgendeiner Hinsicht einer Philosophie nachgeben darf, die
eine der Wurzeln des Systems ist, das der Herr Jesus durch den Hauch
Seines Mundes verzehren wird? Ich hoffe, daß die wenigen Worte, die ich
diesem Gegenstand im Rahmen meiner Gedanken zum Schöpfungsbericht in 1.
Mose l habe widmen können, dazu beigetragen haben, sowohl das
Unwissenschaftliche, als auch das Korrupte des Evolutionismus ans Licht
zu stellen. In einer so kurzen Übersicht kann natürlich nur wenig von
dem, was behauptet wird, durch Beispiele und Zitate bekräftigt werden.
Manche halten das auch nicht für nötig, andere wollen gern mehr
Gewißheit. Dem komme ich gern dadurch entgegen, daß ich außer den
Büchern, die ich schon angeführt habe, noch einige vertrauenswürdige
Bücher zu diesem Thema nenne:
Douglas Dewar (1957):
„The transformist Illusion".
Robert E. D. Clark (1958): „Darwin: before
and after".
Fred John Meldau (1959): „Why we believe
in creation, not in evolution".
Paul A. Zimmermann (1959):
„Darwin, evolution, and creation".
Evan Shute (1961):
„Flaws in the theory of evolution".
Henry M. Morris (1966):
„Studies in the Bible and science".
A. E. Wilder-Smith (1966): „Herkunft und Zukunft
des Menschen".
Bolton Davidheiser (1969): „Evolution and Christian
faith". (Sehr zu empfehlen).
Seite 159
Der geistliche Inhalt des Schöpfungsberichtes
Unsere Betrachtung ist nach den vorangegangenen Gedanken
über die Schöpfungstage durchaus nicht zu Ende. Wie im allgemeinen im
Alten Testament, so gibt es auch in 1. Mose 1 mehr als eine Auslegung
(schon Origenes hat darauf hingewiesen). Neben der wörtlichen Bedeutung,
mit der wir uns bis hierher beschäftigt haben, gibt es, wie gewöhnlich,
auch eine typologische (prophetische) Auslegung sowie eine praktische
Anwendung für uns selbst. Wer mit den Bildern der Schrift einigermaßen
vertraut ist, wird gewiß nicht annehmen, daß auf der ersten Seite der
Bibel diese Bilder fehlen. Im Gegenteil, Gott ist der Gott, der von
Anfang an das Ende verkündigt und von alters her, was noch nicht
geschehen ist (Jes 46,10). Bereits auf dem ersten Blatt weist Er in
Bildern auf die Zukunft hin. Das war für den alttestamentlichen
Gläubigen nicht zu verstehen, aber nachdem jetzt alle Ratschlüsse Gottes
geoffenbart sind und der Heilige Geist in der Versammlung wohnt, sind
diese Ratschlüsse durch die Belehrung dieses Geistes an zahllosen
Stellen im Alten Testament wiederzufinden, und selbstverständlich auch
auf der bilderreichen ersten Seite. „Alles, was zuvor (nämlich im Alten
Testament) geschrieben ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, auf
daß wir durch das Ausharren und durch die Ermunterung der Schriften die
Hoffnung haben" (Röm 15,4). „Alle diese Dinge aber widerfuhren jenen als
Vorbilder und sind geschrieben worden zu unserer Ermahnung, auf welche
das Ende der Zeitalter gekommen ist" (1. Kor 10,11). Wenn die
alttestamentlichen Schriften eine prophetische Bedeutung haben, dann
ganz gewiß der Schöpfungsbericht, der uns ja Gottes „Arbeitsplan" bei
der Bereitung der ersten Schöpfung wiedergibt. Sollte das nicht eine
Vorschattung davon sein, wie Gott die neue Schöpfung zustande bringt? In
sechs Tagen bereitete Gott aus der entstandenen Wüstheit und Leere eine
wiederhergestellte und bewohnte Erde; sollte darin nicht ein Hinweis
liegen auf die Art und Weise, in der Gott aus einer Welt, die durch den
Sündenfall unter den Fluch gekommen ist, eine neue Welt bereitet? Und
ebenso darauf, auf welchem Wege Gott in dem dunklen Herzen eines Sünders
Ordnung schafft? Einen deutlichen Beweis für die Richtigkeit dieser
typologischen Anwendung finden wir jedenfalls in 2. Kor .
Hinzu kommt noch ein wichtiger Gesichtspunkt. Der Herr Jesus hat selbst
gesagt: „Ihr erforschet die Schriften ... , und sie sind es, die von mir
zeugen" (Joh 5,39). Den Emmaus-jüngern erklärte Er, von Moses und von
allen Propheten anfangend, in allen Schriften das, was Ihn betraf (Lk
24,27). Wer die Schrift daraufhin untersucht hat, weiß, daß Christus
tatsächlich auf jeder Seite des Alten Testamentes zu finden ist. Ja,
Gott, der noch mindestens vierzig Jahrhunderte warten sollte, bis Er den
Erstgeborenen in den Erdkreis einführte (Heb 1,6), konnte sich nicht
enthalten, in verhüllter Sprache schon auf die Herrlichkeit Christi
hinzuweisen. Sobald Er in 1. Mose 1 zu sprechen beginnt, verkündigt Er
denen, die Christus kennen und den Geist besitzen, in Bildern allerlei
herrliche Aspekte Seiner Person. Ganz deutlich sehen wir das in Adam;
Römer 5,14 enthält den schlagenden Beweis, daß er ein Vorbild ist von
Dem, der kommen sollte (s. die Verse 15-21 und auch 1. Kor 15,45-49).
Aber auch an den anderen Schöpfungstagen können wir Ihn finden.
Wir wollen daher die folgenden geistlichen Anwendungen des
Schöpfungsberichtes näher ins Auge fassen:
1. Als Rahmen für unsere Betrachtung gehen wir ganz kurz auf die
geistliche Bedeutung der Zahlen eins bis sieben ein.
2. Dann suchen wir nach Vorbildern von Christus an den
aufeinanderfolgenden Tagen.
3. Danach werden wir an den einzelnen Tagen die geistliche Geburt und
das geistliche Wachstum des einzelnen Menschen vor Gott sehen, von
seiner Wiedergeburt bis „zu dem Maße des vollen Wuchses der Fülle des
Christus".
4. Dann die aufeinanderfolgenden Zeitabschnitte („Haushaltungen") in
Gottes Heilsgeschichte, vom Sündenfall bis zu dem neuen Himmel und der
neuen Erde.
5. Schließlich haben wir eine treffende Parallele zu verschiedenen
anderen Bilderfolgen in der Schrift, wie den „Tagen" in Johannes l und
2, den sieben Festen Israels, den sieben Biographien im ersten Buch Mose
und anderen.
(1) Die Zahlenstruktur von 1. Mose 1
Wir vergleichen die biblische Bedeutung der Zahlen eins bis sieben
mit den kennzeichnenden Elementen der einzelnen Schöpfungstage, wie 1.
Mose l sie berichtet. Damit erhalten wir eine Charakterisierung der
sieben Schöpfungstage, die ein verläßliches Schema für geistliche
Anwendungen von 1. Mose 1 bildet, wie wir sie später machen werden. Für
alle, die sich intensiver mit der Bedeutung der Zahlen beschäftigen
möchten, verweise ich auf das Buch von F. W. Grant: „The nume-rical
structure of Scripture".
Die Zahl eins spricht natürlich von Einheit und Einigkeit und damit von
Unteilbarkeit und Unabhängigkeit. Das deutet unmittelbar auf das Wesen
Gottes hin. „Jahwe ist Gott, keiner sonst außer ihm" (5. Mo 4,35. 39).
„Höre, Israel, Jahwe, unser Gott, ist ein einiger Jahwe" (5. Mo 6,4).
Sein Wesen ist Licht, und gar keine Finsternis ist in Ihm (1. Joh 1,5).
In Ihm ist das Licht vollständig von der Finsternis geschieden, wie am
ersten Tag, der ein Gegenbild des Tages ist, von dem geschrieben steht:
„Es wird ein einziger Tag sein, (er ist Jahwe bekannt) nicht Tag und
nicht Nacht; und es wird geschehen zur Zeit des Abends, da wird es Licht
sein ... und Jahwe wird König sein über die ganze Erde; an jenem Tage
wird Jahwe einer sein und sein Name einer" (Sach 14,7 und 9).
Stichworte: das Wesen Gottes, Einigkeit, Unabhängigkeit.
Die Zahl zwei ist die Eins, kombiniert mit einer anderen Eins. Das
spricht von Teilung und Trennung (am zweiten Tag ist zweimal die Rede
von Scheidung), und zwar häufig in negativem Sinn (am zweiten Tag fehlt
der Ausdruck: „Gott sah, daß es gut war"). Die Zwei redet auch von
Ausbreitung (nämlich der Eins), was uns an die Ausdehnung erinnert. Zwei
spricht auch von Abhängigkeit, meist im Sinne von Unterworfensein: „das,
was unten ist," ist dem, „was oben ist," unterworfen. Trennung und
Abhängigkeit, in Verbindung mit Wasser (Kennzeichen des zweiten Tages),
reden auch von (äußerer) Absonderung zu jemandem hin, wie durch die
Taufe. Stichworte: Teilung, Absonderung, Abhängigkeit.
Die Zahl drei deutet hin auf das dritte Stück, das aus zwei Strecken ein
Dreieck macht, also etwas Abgeschlossenes, was von Heiligung und
Heiligtum spricht. Der Raum wird durch drei Dimensionen bestimmt; der
vollkommene Raum ist ein Würfel (der drei gleiche Dimensionen hat); das
Allerheiligste hatte diese Form. Raum steht auch in Verbindung mit dem,
was echt und wesentlich ist, und daher mit einer Fülle, wie sie vor
allem in Gott zu finden ist: Gott ist einer, aber auf eine besondere
Weise, nämlich dreieinig. Ein geschlossener Raum und eine volle
Offenbarung der Fülle Gottes stehen in Verbindung mit dem Platz der
Errettung, wovon das Trockene, umgeben von den Wassern, spricht. Dieser
Platz wird durch die Wasser des Todes hin erreicht, darum ist der dritte
Tag der Tag der Auferstehung und daher auch des Fruchttragens (Jes
53,11; Joh 12,24). Wie die Frucht offenbart, was
in dem Baum ist, so wird die Fülle Gottes geoffenbart durch den Tod und
die Auferstehung Christi, zur Verherrlichung Gottes und gekannt durch
die Geheiligten, Erretteten und Auferweckten. Stichworte: Auferstehung,
Errettung, Frucht.
Die Zahl vier ist die Verdoppelung der Zwei, also der Teilung oder
Trennung, und infolgedessen ein Bild der Schwachheit des Geschöpfes.
Aber es ist auch drei plus eins, die Verbindung von Gottes Souveränität
mit Seiner herrlichen Offenbarung. Einerseits also ganz besonders das
Irdische (man denke an die vier Ecken der Erde), andererseits der
Einfluß des Himmlischen darauf (man denke an die vier Winde). Der vierte
Tag spricht von den Himmelskörpern in ihrer Beziehung zur Erde als
Zeichen und zur Bestimmung von Zeiten usw. Darum redet die Vier von dem
praktischen Wandel, von Prüfungen, Erfahrungen und Versagen. Das
erinnert an die Zeiten der Völker (vier Tiere, vier Reiche), aber auch
an die himmlische Gemeinde in jenen Zeiten, an unsere Stellung in den
himmlischen örtern, aber auch an die Mächte der Bosheit in den
himmlischen örtern. Stichwörter: Praxis, Schwachheit, himmlischer
Einfluß.
Die Zahl fünf ist eins plus vier, also der allmächtige Schöpfer in
Beziehung zu dem nichtigen Geschöpf. Das spricht von Verantwortlichkeit;
unsere fünf Sinnesorgane, fünf Finger und fünf Zehen, d. h. unser ganzer
Wandel, sind besprengt mit dem Blut Christi (3. Mo 8,24; 14,14). Hiermit
gehen Prüfungen und Bedrängnisse Hand in Hand, woraus praktische Frucht
für Gott hervorkommt: „Gewimmel in den Wassern". Die Fünf spricht auch
von der Vollendung, dem Ende des Weges der Verantwortlichkeit, dem
Abschluß und der Belohnung dafür, der Erfüllung der Verheißungen.
Stichworte: Verantwortlichkeit, Prüfung, Vollendung.
Die Zahl sechs spricht von menschlicher „Kraft", die meistens
Schwachheit ist: eine Vollzahl der Teilung und Trennung (3x2), die mit
einer völligen Entfaltung der Sünde (man denke an die Zahl des Tieres in
Off 13,18) Hand in Hand geht. Aber sie spricht zugleich von dem
schließlichen Sieg über die Sünde, wenn die Erde durch den wahren
Menschen, Christus, unterworfen sein wird (4+2). Die Zahl sechs spricht
von der vollen Kraftentfaltung des alten Menschen und des neuen
Menschen. Der sechste Tag ist der Tag des Menschen, der über eine reine
Erde regiert und dem das Getier unterworfen ist. Es ist der Tag des
„erwachsenen Menschen Gottes" und des „Sohnes des Menschen, des letzten
Adam". Stichworte: Menschenwerk, Sieg, Kraft.
Die Zahl sieben spricht von innerer Vollkommenheit. Es ist die
Verbindung von vier und drei, also von der Fülle der Erde mit der Fülle
des Himmels. Die Harmonie dieser beiden schließt göttliche Vollendung
ein, in der Er ruhen kann. Die Schöpfung (4) ist wiederhergestellt und
offenbart Gottes Fülle (3). Die Regierung des Sohnes des Menschen (6)
geht in die des dreieinigen Gotes (1) über. Der siebente Tag ist der Tag
der Vollendung der Werke Gottes und die Einführung der Schöpfung (des
Geschöpfes) in die Ruhe. Stichworte: Vollkommenheit, Vollendung, Ruhe.
Christus in 1. Mose 1
Wir wollen nun zuerst die Herrlichkeit des Herrn
betrachten, wiewohl es klar sein dürfte, daß auch in den anderen
geistlichen Anwendungen diese Herrlichkeit zur Sprache kommen wird. Was
ist z. B. das geistliche Wachstum des Menschen anders, als daß Christus
immer mehr in ihm Gestalt gewinnt? Und was ist Ziel und Ende der
Regierungswege Gottes mit dieser Schöpfung anderes als die Einführung
und Verherrlichung des Erstgeborenen in dieser Welt? Aber es gibt auch
eine innere Herrlichkeit Christi, die über diese Wege Gottes hinausgeht
und besonders in 1. Mose 1 zu entdecken ist. Wir haben bereits gesehen,
daß die ersten drei Tage eine Einheit bilden, die mit den folgenden drei
Tagen genau parallel läuft. An den ersten drei Tagen finden wir die
Bereitung der großen Zeit- und Welträume (Tage, Nächte, Himmel, Erde,
Meere) und an den folgenden drei Tagen ihre Bewohner. In Übereinstimmung
damit finden wir an den ersten drei Tagen die drei großen Aspekte der
Herrlichkeit Christi und an den letzten dreien die praktische
Offenbarung und die Folgen dieser Herrlichkeiten.
Der Herr Jesus ist der Sohn Gottes. In gewissem Sinn drückt dieser Titel
bereits Seine Herrlichkeit aus, weil der Herr in dreifacher Hinsicht
Sohn Gottes ist. Und das hat wiederum drei Folgen.
1. Er ist von Ewigkeit her Sohn Gottes als der eingeborene Sohn, der im
Schoß des Vaters ist. - Als solcher ist Er, das Wort, Fleisch geworden,
um Gott als Vater kundzumachen; so war Er das Licht der Menschen, das in
der Finsternis scheint (Joh 1,5. 14.
18). (1. u. 4. Tag)
2. Er ist seit Seiner Menschwerdung und durch sie Sohn Gottes als der
durch Gott Gezeugte und als „das Heilige", das aus Maria geboren wurde
(Apg 13,32. 33; Lk 1,35). - Als solcher ist Er der Messias Israels, der
jedoch durch Sein Volk verworfen ist (Apg 4,25. 26; Ps 2,1-7). (2. u. 5.
Tag)
3. Er ist als Sohn Gottes in Kraft erwiesen durch Totenauferstehung (Röm
1,4). - Als Erstgeborener aus den Toten wird Er in allen Dingen den
ersten Platz einnehmen und alle Dinge mit Gott versöhnen (Kol 1,18-20).
(3. u. 6. Tag)
Wir haben gesehen, daß der erste Tag von der Einheit, Einigkeit und
Absolutheit des Wesens Gottes spricht. Der Herr Jesus ist als der ewige
Sohn des Vaters der einzige und vollkommene Ausdruck dieses Wesens
Gottes. Er war von Ewigkeit her das Wort, der Lagos, der
Ausdruck Gottes; als solcher war Er bei Gott und zugleich Gott selbst.
Seit Seiner Fleischwerdung ist Er auch für die Menschen das sichtbare
und erkennbare Bild des unsichtbaren Gottes, und nun Er in Seine eigene
Schöpfung eingetreten ist, ist Er, weil Er der Schöpfer ist,
notwendigerweise der Erst geborene der ganzen Schöpfung (Joh 1,1. 2; Kol
1,15. 16). Er schuf nicht das Licht, denn Er ist Gott und daher selbst
das Licht. In Ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der
Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis
hat es nicht erfaßt. Das war das wahrhaftige Licht, welches, in die Welt
kommend, jeden Menschen erleuchtet. Dieses Licht ist es, das zwischen
Tag und Nacht scheidet, das offenbar macht, wer von dem Tage und wer von
der Nacht ist (Joh 1,4. 5. 9; Eph 5,11-13; 1. Thes 5,5).
Am ersten Tag ist von Licht im allgemeinen die Rede, aber am vierten Tag
von besonderen Lichtträgern. So war im Alten Testament viel Licht von
Gott bekannt, und all das Licht kam ohne Zweifel durch den Sohn zu den
Menschen; denn Er allein ist der Ausdruck Gottes, durch den Gott gekannt
wird (s. z. B. Joh 12,38-41). Aber die Quelle dieses Lichtes wurde nicht
gekannt, bis der Sohn Blut und Fleisch annahm und kam, um unter uns zu
wohnen, und sprach: „Wer mich gesehen hat, hat den
Vater gesehen" (Joh 14,9). Der vierte Tag spricht von
himmlischem Einfluß auf die Erde (s. oben), durch den die Schwachheit
des Geschöpfes offenbar wird. Er war die herzliche Barmherzigkeit
Gottes, in welcher uns der Aufgang aus der Höhe besucht hat, um denen zu
leuchten, die in Finsternis und Todesschatten sitzen (Lk 1,78. 79; vgl.
2,32; Jes 9,1; 42,6; 49,6).
Wie der erste Tag von der Gottheit Jesu spricht, so spricht der zweite
Tag von Seiner Menschheit. Adam war der erste Mensch, aus der Erde, von
Staub, Christus ist der zweite Mensch, aus dem Himmel (1. Kor 15,47).
Als Er Mensch wurde, hörte Er nicht auf, Gott zu sein, sondern Er hat
zwei Naturen: Er ist vollkommen Gott, und Er ist vollkommen Mensch. Er
war ein dreieiniger Mensch, wie wir es sind (d. h. mit menschlicher
Seele, menschlichem Geist und menschlichem Leib), und zugleich wohnte
der dreieinige Gott in Ihm (die ganze Fülle der Gottheit; Kol 1,19;
2,9). „Das, was unten ist," (das
Menschliche) und „das, was oben ist," (das
Göttliche) ist in Ihm vollkommen vereinigt und doch unterschieden. Er
war als Mensch vollkommen von der Sünde geschieden und zu Gott
abgesondert. Als solcher war Er hoch über alle Menschen erhaben. Doch
war zugleich niemand niedriger und abhängiger von Gott als Er, der als
Gott völlig unabhängig war (obwohl immer eines Willens mit dem Vater),
aber als Mensch dem Willen Gottes völlig unterworfen (vgl. 1 mit 2).
Dieser Gehorsam wurde durch Gott aufs äußerste erprobt. Davon spricht
der fünfte Tag. „Obwohl Er Sohn war, lernte Er an dem, was Er litt, den
Gehorsam; und, vollendet worden, ist Er allen, die Ihm gehorchen, der
Urheber ewigen Heils geworden" (Heb 5,8. 9). Alle Wasser des Gerichtes
Gottes sind über Ihn hingegangen (Ps 42,7; 69,1,2; Jona 2,4. 6). Aber in
diesen Wassern brachte Er für Gott reichlich Frucht hervor, und „das
Gevögel (der himmlische Mensch) mehrte
sich auf der Erde". Als der durch Gott gezeugte
Messias wurde Er verworfen von den „Nationen und
Völkerschaften, den Königen der Erde und den Fürsten (Israels)" (Ps
2,1-7); auch hiervon sind die Wasser ein Bild (Jes 17,12; Off 17,15). So
konnte Er kein König über Zion mehr sein, und es schien, als habe Er
vergeblich gearbeitet (Jes 49,3-6). Aber Gott wird Ihm als Frucht Seines
Werkes eine reiche Ernte aus den Wassern (den Völkern) geben, wie im
Vorbild in Joh 21; eine Menge Fische, „eine große
Volksmenge, welche niemand zählen kann" (Off 7,9-17).
Aber die Hauptbedeutung scheint mir doch die Frucht, die der Herr Jesus
in Seinem Leiden für Gott selbst hervorbrachte: Gott ist in Ihm, dem
warhaftigen Menschen, aufs höchste verherrlicht worden (Joh 13,31; Ps
116,15; Heb 9,14).
Der dritte Tag spricht, wie wir gesehen haben, von Auferstehung. Der
Herr ist am dritten Tag auferstanden. Durch Totenauferstehung ist Er als
Sohn Gottes in Kraft erwiesen (oder bestimmt) (Röm 1,4); das ist
insofern ein neuer Aspekt Seiner Herrlichkeit als Sohn, als Er dadurch,
daß Er aus den Toten auferstand, bewies, Gott der Sohn zu sein, aber ...
Er tat dies als Mensch, denn nur als Mensch konnte Er sterben. Der
gestorbene Mensch (der gezeugte Sohn Gottes) bewies, daß Er der ewige
Sohn Gottes war. Damit war Sein Werk zur Verherrlichung Gottes
vollendet, und Er empfing als Lohn dafür nun auch als M e n s c h die
Herrlichkeit, die Er als der ewige Sohn bereits von Ewigkeit her besaß
(Joh 17,4. 5). Als solcher ist Er aus den Wassern des Todes
heraufgestiegen und steht nun auf „dem Trockenen", dem Platz der
Errettung für jeden, der glaubt. Das Weizenkorn ist in die Erde gefallen
und gestorben und trägt nun Auferstehungsfrucht (Joh 12,24; vgl. auch
Jes 53,10). Es ist jetzt ein trockener Ort da, an den die Wasser nicht
mehr kommen können: wo es für die, die „in Christus Jesus" sind, keine
Verdammnis mehr gibt (Röm 8,1).
Der sechste Tag kündigt den Sieg an auf Grund der Auferstehungskraft
Dessen, der sich nach Seiner dreifachen Gottessohnschaft nun als der
Sohn des Menschen offenbart, der durch Gott mit Ehre und Herrlichkeit
gekrönt und zum Herrscher über die Werke Seiner Hände gemacht ist (Ps
8). Als geschlachtetes und verherrlichtes Lamm Gottes wird Er das Erbe
in Besitz nehmen und die Sünde der Welt wegnehmen (Joh 1,29; Off 5,6.
7). Er ist der Erstgeborene aus den Toten, auf daß Er in allem den
Vorrang habe; denn es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle, in Ihm zu
wohnen und durch Ihn alle Dinge mit sich zu versöhnen; es seien die
Dinge auf der Erde oder die Dinge in den Himmeln (Kol 1,18-20). Er ist
der letzte Adam (1. Kor 15,45), das Bild Gottes (2. Kor 4,4; Kol 1,15),
Herrscher über die Tiere des Feldes, die Vögel des Himmels und die
Fische des Meeres (Ps 8,6-8). Die Frucht Seiner Auferstehung wird
schließlich die Auferstehung der ganzen Schöpfung sein.
Der siebente Tag ist die Zusammenfassung der ganzen Herrlichkeit Christi
und der Vollkommenheit und Allgenugsamkeit Seines Werkes. In Seiner
Person, und in Ihm allein, hat Gott vollkommen Ruhe gefunden, und „da,
wo Gott mit Wonne ruhet, bin auch ich in Ruh' gesetzt", und die ganze
Schöpfung ebenfalls. Wenn eine gläubige Seele Ruhe hat, wenn noch eine
Sabbathruhe für das Volk Gottes aufbewahrt ist (Mt 11,28; Heb 4,9), ja,
wenn Gott selber ruhen kann, dann ist das alles allein in Christus
Jesus, in der Vollkommenheit Seiner Person und Seines ganzen Werkes, das
Er angesichts des Himmels und der Erde und all ihres Heeres vollbracht
hat.
Seite 169
Die geistliche Entwicklung des einzelnen Menschen
Wir haben bereits gesehen, daß 1. Mose 1 uns den
allgemeinen Plan beschreibt, nach welchem Gott Ordnung schafft, sowohl
in der durch den Sündenfall verdorbenen Welt (von Adam bis zu dem neuen
Himmel und der neuen Erde), als auch in dem durch die Sünde verdorbenen
Herzen des Menschen. Wir haben auch gesehen, daß der Mensch rein,
unschuldig, gut aus Gottes Hand hervorgegangen war, geschaffen in Seinem
Bilde und nach Seinem Gleichnis. Aber als solcher war er auch ein
verantwortliches Geschöpf, mit einem klaren Auftrag, einem klaren Verbot
und einer klaren Strafankündigung, falls er dieses Gebot übertreten
würde. So wurde der Mensch auf die Probe gestellt, und zwar unter den
idealsten Umständen. Aber es gefiel ihm, dem Teufel mehr Glauben zu
schenken als Gott, ja, Gottes Gerechtigkeit und Liebe in Zweifel zu
ziehen. So wurde sein Herz durch die Übertretungen eines einzigen
Gebotes „wüst und leer" und von Finsternis erfüllt. Der natürliche
Mensch ist der Schauplatz der Verwüstung, die durch die Sünde in ihm
angerichtet ist. Er ist leer und unfruchtbar für Gott, lebt in
Finsternis, tut die Werke der Finsternis und ist selbst Finsternis. Und
er wird beherrscht durch die Wasser des Todesurteils. „Der
Zorn Gottes bleibt auf ihm" (Joh 3,36). Er ist nur
noch ein Hauch, „Eitelkeit" (eine andere Übersetzung für „Wüstheit", wie
wir bereits gesehen haben). Epheser 4,17. 18 drückt es so aus: „Die
Nationen wandeln in Eitelkeit ihres Sinnes, verfinstert am Verstande,
entfremdet dem Leben Gottes wegen der Unwissenheit, die in ihnen ist,
wegen der Verstockung ihres Herzens". Das ist der
Zustand jedes Menschen von Natur, nicht nur düster und tot, sondern
darüber hinaus ohne die Fähigkeit, dies selber zu erkennen. Aber wenn es
Gott gefällt, bewirkt Er selber hierin eine Änderung. Das ist aber nicht
so ohne weiteres möglich; dafür braucht Gott eine Grundlage. Wenn Gott
Gnade erweist, dann muß Er dafür einen Grund haben, denn Seine
Gerechtigkeit muß befriedigt werden. Diesen Grund hat Er in der Person
und dem Werk des Herrn Jesus gefunden, die - wie wir gesehen haben - in
diesen sieben Tagen vorgestellt werden. Christus ist also der
Ausgangspunkt des Handelns Gottes mit dem Menschen, aber Er ist zugleich
der Endpunkt, das Ziel. Gott will den Menschen nicht nur von Sünden
befreien, sondern ihn dem Bilde Seines Sohnes gleichförmig machen. Und
der ganze Weg der sieben Tage dient dazu, die Seele immer mehr mit
Christus in Verbindung zu bringen.
Das erste Zeichen dafür, daß Gott an der Seele wirkt, ist, daß „der
Geist Gottes über den Wassern schwebt". Der Herr hat gesagt, daß, wenn
jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, er nicht in das Reich
Gottes eingehen kann (Joh 3,5). Der Geist Gottes muß wirksam werden und
das Wasser des Wortes (vgl. Eph 5,26) auf die Seele anwenden; Gott muß
Sein Wort sprechen, damit Ordnung in das Chaos kommt. „Die
Eröffnung deines Wortes gibt Eicht" (oder „erleuchtet") (Ps
119,130). „Der Gott, der aus der Finsternis Eicht
leuchten hieß, hat in unsere Herzen geleuchtet zum Eichtglanz der
Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Christi" (2. Kor
4,6). Am ersten Tag bringt Gott also Licht in die Seele durch Seinen
Geist und Sein Wort, die die Wiedergeburt bewirken (Tit 3,5; Jak 1,18;
1. Pet 1,23). Dieses Licht, das in der Finsternis erscheint, ist der
Herr Jesus selbst (Joh 1,4. 5), aber auch der Wiedergeborene, der früher
Finsternis war, ist jetzt Licht in dem Herrn (Eph 5,8). Zwischen diesem
Licht und der Finsternis macht Gott immer eine scharfe Trennung.
Gläubige und Ungläubige gehören nicht zusammen, „denn
welche Gemeinschaft hat Eicht mit Finsternis?" (2. Kor
6,14). Darum „wehe denen, die das Böse gut heißen und
das Gute böse; welche Finsternis zu Eicht machen, und Eicht zu
Finsternis" (Jes 5,20). Gott nennt das Licht Tag, und
die Finsternis Nacht. Die Söhne des Lichtes sind Söhne des Tages; sie
sind nicht mehr von der Nacht oder von der Finsternis (1. Thes 5,5; Joh
12,36).
Wo das Licht und das neue Leben wirksam werden, da sind noch lange nicht
der volle Friede und die volle Seligkeit erreicht - wir sind erst am
ersten Tag! Im Gegenteil, das erste, was das Licht tut, ist, das Herz
des Menschen völlig bloßzulegen. „Das Eicht ist es,
welches alles offenbar macht" (Eph 5,13). Dadurch wird
der Sünder sich selbst offenbar, und das ist die Erfahrung des zweiten
Tages. Es ist keine angenehme Erfahrung! Die ganze Verdorbenheit des
Fleisches kommt ans Licht, so daß der Wiedergeborene sein Fleisch hassen
lernt. Für ihn ist vorerst wenig Grund zur Freude vorhanden, statt
dessen gibt es bei ihm Tränen über das Elend seines Zustandes und über
seine Ohnmacht, das Gute zu tun. Darum fehlen hier die Worte „Gott
sah, daß es gut war". Aber die Seele entdeckt jetzt
auch, daß sie eine neue Natur empfangen hat, die das Gute will und das
Böse haßt. So wie am ersten Tag eine Scheidung zwischen Licht und
Finsternis zustande kam, so muß der Wiedergeborene nun Lernen, zwischen
seiner alten und seiner neuen Natur zu unterscheiden. Gott hat in ihm
eine Ausdehnung geschaffen; dadurch kann er in einer neuen, himmlischen
Atmosphäre atmen, und dadurch ist zwischen der alten Natur, die von
dieser Erde ist, und der neuen Natur, die himmlisch ist, eine Scheidung
gemacht.
Aber das bringt einen Konflikt mit sich. Der Wiedergeborene hat lernen
dürfen, daß er eine neue Natur hat, aber ihm fehlt noch die Kraft, die
himmlische Natur allein wirken zu lassen. Er sagt mit Paulus: „Wenn
ich aber das, was ich nicht will, ausübe, so stimme ich dem Gesetz bei,
daß es recht ist. Nun aber vollbringe nicht mehr ich dasselbe, sondern
die in mir wohnende Sünde. Denn ich weiß, daß in mir, das ist in meinem
Fleische, nichts Gutes wohnt; denn das Wollen ist bei mir vorhanden,
aber das Vollbringen dessen, was recht ist, finde ich nicht. Denn das
Gute, das ich will, übe ich nicht aus, sondern das Böse, das ich nicht
will, dieses tue ich. Wenn ich aber dieses, was ich nicht will, ausübe,
so vollbringe nicht 123 mehr ich
dasselbe, sondern die in mir wohnende Sünde"
(Röm 7,16-20). Er kennt also den Unterschied
zwischen seinem neuen „Ich" (der neuen Natur) und seinem Fleisch, der
Sünde in ihm (der alten Natur), und obwohl er das Gute will, fehlt ihm
die Kraft, es zu tun. Dieser Zustand ist noch nicht „gut" zu nennen,
aber er ist wohl nötig, denn je stärker die Verdorbenheit des Fleisches
erfahren wird, desto stärker wird das neue Leben wirksam werden können.
Damit es dazu kommt, muß der dritte Tag anbrechen. Römer 7 muß in Römer
8 übergehen. Wenn die Seele ausgerufen hat: „Ich
elender Mensch, wer wird mich retten von diesem Leibe des Todes?", dann
muß die Antwort folgen: „Ich danke Gott durch Jesum
Christum, unseren Herrn! ... Also ist jetzt keine Verdammnis für die,
welche in Christo Jesu sind; denn das Gesetz des Geistes des Lebens in
Christus Jesus hat mich freigemacht von dem Gesetz der Sünde und des
Jodes" (7,24 - 8,2). Der dritte Tag ist der Tag der Auferstehung
und der Errettung, wie wir gesehen haben. Es ist der Tag, an dem der
Bekehrte nicht mehr auf sich selbst sieht, sondern völlig auf Christus
und sein allgenugsames Werk vertraut; der Tag, an dem er „in Christus
Jesus" ist, auf dem Trockenen, sicher vor den Wassern des Gerichts. Es
ist der Tag, an dem er an Den glaubt, der Jesum aus den Toten auferweckt
hat zu seiner Rechtfertigung, so daß er durch den Herrn Jesus Frieden
mit Gott hat (Röm 4,24-5,1). Es ist der Tag, an dem er erkennen lernt,
daß er mit Christus lebendig gemacht und auferweckt ist und in Ihm
versetzt ist in die himmlischen örter (Eph 2,4-6). Seine Sünden wurden
schon lange vergeben, nämlich am ersten Tag, aber nun ist er auch völlig
befreit von dem Gesetz der Sünde und des Todes. Er erkennt, daß sein
Fleisch zwar verdorben ist, aber auf dem Kreuz sein Ende gefunden hat.
Christus ist nun der Maßstab für sein neues Leben geworden. Er ist in
Ihm, heraufgeführt aus den Wassern. „Daher, wenn jemand
in Christo ist, da ist eine neue Schöpfung, das Alte ist vergangen,
siehe, alles ist neu geworden" (2. Kor 5,17). Er
gehört Dem an, Der aus den Toten auferweckt worden ist, auf daß er Gott
Frucht brächte (Röm 7,4). Vorher gab es keine Frucht; wo die Seele mit
sich selbst, mit ihrem verdorbenen Zustand beschäftigt ist, wird niemals
Frucht für Gott gefunden. Aber jetzt, von der Sünde freigemacht und
Gottes Sklave geworden, hat er seine Frucht zur Heiligkeit und als das
Ende ewiges Leben (Röm 6,22). Diese Frucht kommt aus der Erde hervor,
wird „in Christo" und aus Ihm
hervorgebracht: „gewurzelt und auf erbaut in ihm" (Kol
2,7). Die erste Frucht ist das einfache grüne Gras, ein Zeichen neuen
Lebens. Aber dann folgt Gewächs, das sich selbst wieder aussät, sich
vermehrt und anderswo auch wieder aufsprießt: anderen zum Segen ist. Und
bei noch weiterem Wachstum kann der Gläubige sogar mit einem
fruchttragenden Baum verglichen werden (vgl. Ps 1,3; 92,12; Hlh
1,7,7; 17,7. 8). Jetzt erst kann Gott wieder etwas sehen, „das gut ist";
vorher konnte Er das nur von Seinem eigenen göttlichen Licht sagen.
Die folgenden Tage zeigen uns weitere Einzelheiten des geistlichen
Wachstums. Dabei laufen auch hier die zweiten drei Tage parallel mit den
ersten dreien. Am ersten Tag schien das Licht Gottes in das dunkle
Sündenherz; nun muß das Licht auch zu einer Lampe für den Fuß werden und
zu einer Quelle, deren Licht der Gläubige widerspiegelt. Das ist der
vierte Tag, der von unserer Praxis und unserer Schwachheit darin spricht
und von himmlischen Einflüssen, die uns leiten sollen. Der Gläubige muß
verstehen lernen, daß sein Bürgertum in den Himmeln ist (Phil 3,20) und
seine Stellung und sein Kampf in den himmlischen örtern (Eph 2,6; 6,12).
Am ersten Tag wurde nur das Licht selber gesehen; jetzt kennt der
Gläubige die Quelle dieses Lichtes: die Sonne der Gerechtigkeit,
Christus Jesus, das „große Licht". Aber jetzt wird auch die
Verantwortlichkeit des Gläubigen sichtbar. Das große Licht ist für ihn
nicht nur „zu Zeichen und zur Bestimmung von Zeiten", sondern er muß
auch selber sein wie der Mond, das „kleine Licht", das das Licht der
Sonne widerstrahlt in der Dunkelheit der Nacht. Er muß sein wie „ein
Brief Christi", geschrieben auf fleischerne Tafeln des Herzens. Er darf
nicht nur die Herrlichkeit des Herrn anschauen, sondern er muß auch in
dasselbe Bild verwandelt werden, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als
durch den Herrn, den Geist (2. Kor 3,3. 18). Das geht mit Schwachheit
gepaart; so wie der Mond ständig sein Aussehen verändert und die
Helligkeit seines Lichtes immerfort wechselt, so ändert sich auch das
Maß, in welchem die Herrlichkeit Christi in dem Gläubigen zum Ausdruck
125 kommt. Aber wenn die Gesinnung Christi Jesu in uns ist, sind auch
wir - so wie Er das Licht der Welt war - „unbescholtene
Kinder Gottes inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts,
unter welchem ihr scheinet wie Lichter in der Welt, darstellend das Wort
des Lebens" (Phil 2,15.16).
Wo ein Gläubiger geistlich gesinnt ist, auf den Herrn sieht und Sein
Bild in der Welt darstellt, da kann Gott diesen Glauben und dieses
Zeugnis auf die Probe stellen, damit in der Prüfung köstliche Frucht für
Ihn hervorkommt. Das ist der fünfte Tag, der von Verantwortlichkeit und
Erprobung spricht. Die Übereinstimmung mit dem zweiten Tag liegt darin,
daß gerade da auch Konflikte gefunden werden. Aber da waren es innere
Spannungen, nämlich zwischen der alten und der neuen Natur, hier geht es
um den Konflikt des Gläubigen, der sich inmitten einer feindlichen Welt
und den Mühen der irdischen Umstände befindet. Dort brachte das Fleisch
in ihm Bedrängnisse hervor, hier bringen die Bedrängnisse um ihn herum
Frucht für Gott hervor. Hier sind es nicht einfach die Früchte des neuen
Lebens, wie am dritten Tag, sondern die Früchte der Leiden und
Prüfungen, wie wir es bei dem Herrn Selber sahen. Diese Frucht ist
„lebendige Seele"; die Seele ist der Sitz des Lebens, der bewußten
Gefühle. Hier werden inmitten der Bedrängnis lebendige Gefühle für den
Herrn geweckt; hier wirkt die Trübsal Ausharren, und das Ausharren
Erfahrung, und die Erfahrung Hoffnung (Röm 5,3. 4). Hier werden sowohl
große Wassertiere sichtbar, wie die mächtige Glaubenstat eines Abraham,
der seinen Sohn opferte, als auch das lebendige Gewimmel all jener
namenlosen, vergessenen Gläubigen, die dem Herrn in der Bedrängnis treu
geblieben sind. (Vielleicht müssen wir bei den großen Wassertieren an
eine negative Bedeutung denken; vgl. (4) ). Hier erhebt sich der
himmlische Mensch auf Flügeln zu Gott, um sich in himmlischen Sphären zu
bewegen, bringt aber zugleich auf der Erde Frucht hervor. Dieses
Fruchttragen wird durch den Segen Gottes Selbst gestützt.
Wenn der Gläubige innerlich das Bild Christi zeigt und in den äußeren
Prüfungen für Gott Frucht hervorbringt, dann kann der sechste Tag
folgen. Da wird nicht mehr nur Frucht gefunden als Folge der Unruhen der
Drangsale, sondern da bringt die Erde „lebendige Seele" hervor: da
werden tiefe und kostbare Gefühle für den Herrn gefunden als Folge einer
innigen, lebendigen Verbindung mit Ihm Selber, wo Er alles ist für die
Seele. Da ist der Gläubige nicht nur „in Christo", das ist die Erde am
dritten Tag, sondern da wird auch nichts anderes mehr begehrt, gekannt
und genossen als Christus. Da gewinnt der letzte Adam völlig in dem
Gläubigen Gestalt, da ist er gekommen „zu dem
erwachsenen Manne, zu dem Maße des vollen Wuchses der Tülle des
Christus" und herangewachsen „zu ihm
hin, der das Haupt ist, Christus" (Eph 4,13. 15). Das
ist das Endziel der geistlichen Entwicklung des Gläubigen, daß er selber
ganz wegfällt und nur Christus in ihm gesehen wird. Das ist das
Kennzeichen der „Väter" in Christo, die zu diesem vollen Wachstum
gekommen sind, denn von ihnen kann Johannes als einziges Kennzeichen
nennen, daß sie Ihn kennen, der von Anfang ist. Sie sind keine Kinder
mehr, denn sie haben den Kampf in den himmlischen örtern gekämpft und
den Bösen überwunden, und das Wort Gottes bleibt in ihnen (vgl. den
vierten Tag); und sie sind keine Jünglinge mehr, denn die Welt übt auf
sie nicht die geringste Anziehungskraft mehr aus, sondern sie
vollbringen in dieser Welt den Willen Gottes (vgl. den fünften Tag) (1.
Joh 2,12-17). Sie haben sich vollkommen unter „den zweiten Menschen"
gefangen gegeben, und mit Ihm haben sie Kontrolle über alle Aspekte
ihres Lebens. Die Seele ist ganz mit Christus verflochten, wie die Frau
in dem Manne beschlossen ist in e i n e m Menschen: „Gott
schuf den Menschen, Mann und Weib schuf er sie". Sie
nähren sich von dem, was in Verbindung mit dem auferstandenen und
verherrlichten Christus hervorgebracht wird (vgl. den dritten Tag): dem „Getreide
des Landes" (Jos 5,11). Es ist Nahrung, die von Leben
und Vermehrung spricht.
Die Endphase der geistlichen Entwicklung ist die Einführung des
Gläubigen in die vollkommene Ruhe Gottes. Am dritten Tag empfing er Ruhe
für sein Gewissen und Frieden mit Gott (Mt 11,28; Röm 5,1); am sechsten
Tag sehen wir die praktische Ruhe für die Seele, die dem Aufnehmen des
Joches des Herrn und dem Lernen von Ihm folgt (Mt 11,29), und den Genuß
des Friedens Gottes und des Christus (Phil 4,7; Kol 3,15; Joh 14,27).
Aber am siebten Tag 127 folgt die endgültige, die vollkommene Ruhe
Gottes. Es bleibt ja noch eine Sabbathruhe dem Volke Gottes aufbewahrt.
Und wer in Gott ruht, ist eingegangen, ist auch selbst zur Ruhe gekommen
von seinen Werken, wie Gott von den Seinen (Heb 4,9. 10). Diese Ruhe
wird im Himmel genossen, rund um den Thron Gottes; mögen von diesem
Thron auch Blitze, Stimmen und Donner ausgehen, sie werden niemals die
Ruhe der Kinder Gottes dort stören, denn ihre Ruhe ist ebenso
unerschütterlich wie der Thron Gottes selbst. Da wird auch Gott von all
Seinen Werken ruhen, die Er getan hat, um uns zu erziehen zum vollen
Wüchse in Christus, aus Welchem die Gläubigen mit dem Wachstum Gottes
wachsen (Kol 2,19).
Seite 177
Die heilsgeschichtlichen Haushaltungen Gottes*)
*) Vgl. Ph. Mauro: „Der Tag des Menschen"; A. J.
Pollock: „Genesis I and II, Historica" cally and typically
considered"; u. a.
Gott hat einen Plan, nach welchem Er bei jedem auserwählten
Menschen zu Werke geht. Aber ebenso hat Er einen Plan mit der
Menschheit; nicht mit allen Menschen, sondern mit der Menschheit im
ganzen. Und auch dieser Plan wird in 1. Mose 1 in Vorbildern
dargestellt. Im Verlauf der Heilsgeschichte hat Gott den Menschen auf
alle mögliche Weise erprobt, und Er wird das noch tun. In verschiedenen
Zeitabschnitten („Haushaltungen") hat Gott das in immer wieder anderer
Weise getan. Und immer zeigte sich dabei die Verdorbenheit des
natürlichen Menschen: wann immer Gott ihn auf die Probe stellte,
versagte er augenblicklich und kehrte Gott den Rücken zu. Darauf mußte
Gott über das Ganze das Gericht bringen, und Er konnte Seine
Verheißungen und Segnungen nur an einem kleinen Überrest erfüllen, den
Er vor dem Gericht bewahrte und in die folgende Haushaltung
hinüberbrachte, wo dieser Überrest dann verwirklichte, was in der
vorigen Haushaltung verdorben worden war. Hierdurch kommt es zu einer
bedeutsamen Kontinuität (Zusammenhang) zwischen den Haushaltungen, die
bei der Auslegung der Schöpfungstage vernachlässigt worden ist. Die Tage
stellen bildlich zwar bestimmte Zeitabschnitte dar, enthalten aber
außerdem Grundsätze, die an vorige Perioden erinnern und vor allem auch
auf nachfolgende Haushaltungen vorausgreifen. Die sorgfältigste
Auslegung scheint mir daher viel eher darin zu liegen, diese Grundsätze
ans Licht zu stellen, als die Tage auf bestimmte Zeitabschnitte
festzulegen.
Die Heilsgeschichte Gottes beginnt natürlich da, wo Heil nötig ist: auf
einer „wüsten und leeren" Erde, einem Erdboden, der wegen des
Sündenfalles des ersten Menschen verflucht ist. Da beginnt der Geist
Gottes zu wirken, um die Menschheit zu Gott zurückzubringen. Der erste
Tag spricht von Unabhängigkeit; aber hier ist das die Empörung des
ersten Menschen, der dadurch zu Fall kommt. Dem gefallenen Menschen, der
in Finsternis ist, gibt Gott in 1. Mose 3 das Licht; dort, wo Er dem
Menschen den Tod angekündigt hatte, vollzieht Er ihn an einem
unschuldigen Tier und bekleidet den Menschen mit dessen Fell. Die
Gerichtsankündigung für die Schlange wird indirekt zu einer leuchtenden
Verheißung an den Menschen (vgl. 2. Pet 1,19), offenbart aber zugleich
eine von da an scharfe Trennung zwischen dem Licht und der Finsternis:
dem Samen des Weibes und dem Samen der Schlange. Abel und Kain werden
die ersten Vertreter dieses zweierlei Samens: die Söhne des Tages und
die Söhne der Nacht (vgl. 1. Joh 3,9-12). Dieser zweifache Same
existiert noch immer: immer noch gibt es Märtyrer des Samens des Weibes
(angefangen mit Abel), dem die Ferse zermalmt wird; und andererseits
haben wir die Verheißung, daS der Satan in kurzem unter unsere Füße
zertreten werden wird (Röm 16,20). In 1. Mose 4 wird die Linie der
Finsternis fortgeführt bis auf Lamech und zeigt uns dabei alle Aspekte
der gottlosen Welt der Finsternis; sie geht in 1. Mose 6-8 in der
Sintflut unter. In 1. Mose 5 wird die Linie des Lichts weitergeführt bis
auf Noah, der in der Flut erhalten bleibt und auf einer gereinigten Erde
anlangt. Diese Kapitel teilen uns zugleich im Vorbild mit, worauf die
Linien von Licht und Finsternis in der Zukunft hinauslaufen. In Kain,
der Abel ermordet, sehen wir ein Vorbild von Israel, das den Messias
tötet und als Folge davon unstet auf der Erde umherschweift, bis es in
dem Gegenbild Lamech sein Schuldbekenntnis ausspricht. In der
Zwischenzeit ist Seth der Stellvertreter: der verherrlichte Herr ist
Haupt der göttlichen Linie des Glaubens; Henoch ist ein Vorbild der
Versammlung, die vor den Gerichten in den Himmel aufgenommen wird, und
Noah ist ein Vorbild des Überrestes, der in der Arche (das ist Christus)
durch das Gericht hindurch sicher in das Friedensreich gelangt (vgl.
Matth 24,37-39).
Der zweite Tag beginnt im wörtlichen Sinne mit einer durch die Wasser
der Sintflut bedeckten Erde; vorbildlich ist es der Tag, der von
Absonderung, Trennung und Abhängigkeit spricht. Das sind genau die
Kennzeichen der Periode nach der Sintflut. Ich habe bereits auf den
Zusammenhang zwischen diesem Tag und der Taufe hingewiesen, und davon
ist die Arche Noahs nun gerade ein Vorbild (1. Pet
3,20. 21). Durch die Taufe (die praktische Absonderung zu Christus hin)
verlassen wir die sündige Welt und gesellen uns im Bilde Christus im
Grabe (die Wasser des Todes) zu, durch die hindurch wir (weil Er den Tod
überwunden hat) sicher in eine reine, neue Welt gelangen, wo wir in
Neuheit des Lebens wandeln (Röm 6,3. 4). Es ist auch der Tag der
Scheidung der Wasser; anfangs hatte die Erde einerlei Sprache und
vereinigte sich die Menschheit in dem hochmütigen Babel, aber Gott
verwirrte ihre Sprache und zerstreute sie nach ihren Familien in Völker
und Sprachen. Es ist eine Zeit der Gewalt (Nimrod) und Verdorbenheit
(Babel), in der für Gott nichts Gutes gefunden wurde; hier fehlen die
Worte: „Gott sah, daß es gut war". Diese
beiden Formen des Bösen bleiben bis zur Endzeit bestehen und werden da
ihren Höhepunkt finden in dem Tier und dem falschen Propheten bzw. dem
großen Babylon (Off 17). Drittens ist dies der Tag der Abhängigkeit.
Menschen werden unterworfen und Völker Völkern. Nach der Sintflut werden
nämlich zum erstenmal menschliche Obrigkeiten durch Gott eingeführt: „Wer
Menschenblut vergießt, durch den Menschen soll sein Blut vergossen
werden" (1. Mo 9,6). Aber der erste Herrscher, Noah,
kann nicht einmal sich selbst beherrschen; er verwaltet die Erde für
Gott, mißbraucht sie aber für sich selbst.
Als Harn ihn dann verachtet, spricht Noah eine Weissagung aus, die ganz
kurz zusammengefaßt die Geschichte der Völker wiedergibt und zeigt, daß
nicht nur Völker ihren Obrigkeiten, sondern auch Völker Völkern
unterworfen sein würden. Harn wird in seinem Sohn verflucht; zwar
empfängt er die erste Macht (man denke an Nimrod, Ägypten, Assur), die
schließlich in der absoluten Macht Nebukadnezars ihren Höhepunkt
erreicht. Aber er muß immer vor Sem und Japhet weichen: man denke an die
kanaanitischen Völker, die ausgerottet sind, an Babel, das durch den
Semiten Kores (Cyrus) erobert wurde, und zuallerletzt an Karthago, das
vor Rom weichen mußte. Die größte Ausbreitung ist Japhet beschieden:
über die Meder (Madai) und die Griechen (Javan) geht die Macht auf die
Römer (Kittim) und schließlich auf die Germanen (Gomer?) über. Aber ihr
materieller und geistlicher Segen wird immer von Sem abhängig sein, denn
Gott ist der Gott Sems: aus ihm geht die Linie Hebers (der Jenseitige
oder Durchziehende) hervor. Das ist keiner, der an der Erde klebt wie
Nimrod und die Menschen von Babel, sondern ein Pilger, der Vater eines
Geschlechtes von Hebräern: Fremdlinge und Beisassen des dritten Tages.
Der zweite Tag wird also gekennzeichnet durch Menschen, die von Menschen
beherrscht werden, aber es ist eine Herrschaft, die nicht ausdrückt, was
Gott damit gemeint hat, sondern die durch Gewalt charakterisiert wird.
Außerdem durch Unstabilität: so veränderlich wie die Wasser unter und
über der Erde sind, so schnell hat auch die Macht ihren Besitzer
gewechselt. Und doch sind die Obrigkeiten himmlischen Charakters, denn
sie sind eine Einrichtung und eine Dienerin Gottes (Röm 13,1-7). Er
neigt das Herz des Königs wie Wasserbäche (Spr 21,1), und auch wenn
Obrigkeiten dies nicht anerkennen, bleibt es stets wahr: die Himmel
herrschen (Dan 4,26). Das ist der „Himmel" des zweiten Tages.
In dieser Welt der Gewalt und des Verderbens, vor allem des
Götzendienstes (Jos 24,2. 3), offenbart Gott sich einem Manne als der
Gott der Herrlichkeit (Apg 7,2) und sondert ihn für sich ab. Diese
Kennzeichen der Offenbarung und Heiligung charakterisieren den dritten
Tag. Diese heilige Stellung vor Gott - das Trockene inmitten der Wasser
- wird erreicht durch die Kraft der Auferstehung; und das kennzeichnet
das Leben des ersten Erzvaters und kennzeichnet auch die Erlösung seiner
Nachkommenschaft Israel. Dreimal machte Abraham
Auferstehungserfahrungen: Erstens mußte er lernen, daß sein Leben mit
Gott erst beginnen konnte nach dem Sterben der natürlichen Bande,
nämlich seines Vaters Tarah (Apg 7,2-4); zweitens mußte er erfahren, wie
sein eigener Leib und der Leib Saras abstarben, ehe Gott daraus den
verheißenen Samen gab (Röm 4,18-20); und schließlich mußte er (am
dritten Tag! 1. Mo 22,4) seinen einzigen, geliebten Sohn in den Tod
geben, aus welchem er ihn auch im Gleichnis wieder empfing (Heb
11,17-19). Ebenso ging es mit dem Volk Israel. Auch sie erlebten ihren
„dritten Tag": durch das Rote Meer hindurch wurden sie aus Ägypten
erlöst - das erstemal, daß von bewirkter Erlösung (Rettung) die Rede
ist; (2. Mo 14,13). Sie wurden auf Mose getauft in der Wolke und in dem
Meere (1. Kor 10,2) und erreichten
durch die Wüste (das Land des Todes) und den Jordan (den Todesfluß)
Auferstehungsboden. So hat Gott sich aus allen Völkern des Erdbodens ein
heiliges Volk abgesondert. Inmitten des unruhigen, ungeordneten
Völkermeeres (vgl. Jes 17,12; Off 17,15) ist da die „Erde", ein Bild von
einem geordneten Zeugnis Gottes, das zu Ihm in einer festen, stabilen
Beziehung steht. Solch ein abgesondertes Zeugnis hat die
Verantwortlichkeit, für Gott Frucht zu tragen. Von Anfang an ist es
Gottes Ziel gewesen, einen abgeschlossenen Garten zu besitzen, wo Er
Frucht für sich ernten könnte. So ein Garten war der Garten Eden, aber
dort gab es keine Frucht für Gott; auch Noah - den Weinberg, den er
pflanzte, mißbrauchte er nur für sich selbst. Und mit dem Weinberg
Israel war es auch nicht besser (vgl. Jes 5). Hier sehen wir
tatsächlich, wie diese Schöpfungstage uns Grundsätze lehren, die weiter
reichen als eine bestimmte Haushaltung; denn die Fülle an Frucht wird
einmal durch die „Erde" hervorgebracht werden, aber im Alten Testament
ist dies nie geschehen. Als der Weinstock Israel (Ps 80,8) ohne Frucht
blieb, nahm der Herr Jesus als der wahre Weinstock (Joh 15) selbst
Seinen Platz als Gottes Zeuge auf der Erde ein und brachte
Auferstehungsfrucht hervor (Jes 53,10; Joh 12,24). Er setzte den
Weinberg Israel beiseite und begann, den Samen in brachliegendes Land
auszustreuen: „Der Acker ist die Welt" (Mt
13,38). Dadurch entsteht ein neues Zeugnis auf der Erde anstelle von
Israel (obwohl es auch den fruchttragenden Überrest aus diesem Volk
umfaßt), nämlich das Reich der Himmel, das ist jetzt die Christenheit.
Dieses christliche Zeugnis, das vor allem das Gebiet des früheren
Römischen Reiches einnimmt, ist im allgemeinen das, was mit dem Ausdruck
„Erde" im ganzen Buch der Offenbarung gemeint ist. In unserer Zeit gibt
es glücklicherweise Weizen auf dem Acker, aber er wird beinahe durch das
Unkraut erstickt (Mt 13,24-30). Wenn die Versammlung aufgenommen ist,
wird nicht nur das Völkermeer sein „Tier" hervorbringen (das Haupt des
wiedererstandenen Römischen Reiches), sondern auch die „Erde", das
abgefallene Christen- und Judentum, hat ihr Tier: den Antichristen (Off
13). Aber sogar dann wird es auf der Erde Frucht geben: der jüdische
Überrest wird sein wie ein verschlossener Garten, voll köstlicher Frucht
(Hlh 4,12-14; Jes 27,6), und selbst unter den Völkern wird Frucht für
Gott gefunden werden (Hlh 7,11. 12; 8,11). Dann werden die von der Erde
Erkauften in das Friedensreich eingehen (Off 14,1-5; vgl. Vs. 14-20).
Dann wird Israel wieder in seinen eigenen ölbaum eingepfropft sein, und
wenn ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt ist, dann wird ihre Annahme
Leben aus den Toten sein, wie es zum dritten Tag gehört (Röm 11,15. 24;
vgl. Hes 37,1-14).
Nach dem Abfall des Volkes im Alten Testament und seiner teilweisen
Wiederherstellung nach der babylonischen Gefangenschaft findet sich ein
kleiner gläubiger Überrest, der in Maleachi 3 und 4 seine Hoffnung auf
Gott setzt. Ihnen wird die Verheißung des vierten Tages, an welchem
denen, die den Namen Gottes fürchteten, die Sonne der Gerechtigkeit
aufgehen sollte mit Heilung unter ihren Flügeln. Einer aus ihnen, der
alte Simeon, bekam sogar die Verheißung, daß er persönlich das Licht
sehen sollte, das aufgehen würde zur Offenbarung der Nationen und zur
Herrlichkeit des Volkes Gottes, Israel (Lk 2,32; vgl. 1,78. 79).
Christus kam als Licht in die Welt, auf daß jeder, der an Ihn glaubte,
nicht in der Finsternis bliebe (Joh 12,46) und auf daß die Werke derer,
die die Finsternis mehr liebten als das Licht, an den Pranger gestellt
würden (Joh 3,19-21). Solange das Licht in der Welt war, wandelte man in
diesem Licht (Joh 11,9. 10), darum mußte der Herr wirken, solange es Tag
war, denn die Nacht würde kommen, da Er aus dieser Welt weggegangen sein
würde und niemand würde wirken können (Joh 9,4. 5). Kurz bevor Er
wegging, ermahnte Er Seine Jünger, in diesem Licht zu wandeln, damit die
Finsternis sie nicht ergreife (Joh 12,35. 36). Nachdem die Sonne
untergegangen ist, bricht die Nacht an, in der das Licht von dem Mond
und den Sternen kommen muß. Das christliche Zeugnis ist nun die
himmlische Lichtquelle für die Welt: nicht daß es irgendwelches Licht
aus sich selber hätte, sondern es verbreitet wie der „Mond" das
göttliche Licht, das es von der „Sonne" empfängt (vgl. Matth 5,14; Phil
2,15). Man vergleiche hiermit das, was unter (3) gesagt wurde. Der Mond
ist der treue Zeuge am Himmel (Ps 89,37). Aber ebenso veränderlich wie
der Mond ist, so wechselnd ist das himmlische Licht gewesen, das die
Christenheit auf der Erde verbreitet hat. Hierin werden die Schwachheit
und das Versagen auch dieses Zeugnisses offenbar, die für den vierten
Tag so charakteristisch sind. Das Bild von den Sternen steht auch in
Verbindung mit der Versammlung (1. Mo 15,5; Off 1,20). Wenn die
Versammlung aufgenommen sein wird, wird Gott das zurückbleibende
Namenchristentum nicht mehr anerkennen; Sein Zeugnis auf der Erde wird
dann der jüdische Überrest sein, der das Evangelium des Reiches
verkündigen wird (Mt 24,14). In ihnen wird es „Neumond" auf der Erde (Ps
81,3), und unter ihnen wird der Thron Davids aufgerichtet werden, der
ewiglich feststehen wird wie der Mond (Ps 89,37). Die „Verständigen"
unter ihnen werden leuchten wie der Glanz der Himmelsfeste, und die,
welche die Vielen zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne, immer und
ewiglich (Dan 12,3). Wenn einmal aufs neue die Morgenröte angebrochen
und die Sonne der Gerechtigkeit wieder aufgegangen ist - dann nicht
unbemerkt, sondern wie der Blitz ausfährt von Osten und scheint bis gen
Westen (Mt 24,27) - dann wird auch der Überrest aussehen wie die
Morgenröte, schön wie der Mond, rein wie die Sonne (Hlh 6,10; vgl. Off
12,1); dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in dem Reiche
ihres Vaters (Mt 13,43).
Wie der dritte Tag die Frucht zeigt, die durch die Erde hervorgebracht
wird, so zeigt der fünfte Tag die Frucht in den Wassern. Es gibt also
Frucht in dem formellen göttlichen Zeugnis auf der Erde, das mit Ihm in
öffentlicher Verbindung steht. Aber wenn dieses Zeugnis in diesem
Fruchttragen versagt, dann erweckt Gott sich diese Frucht aus dem
ungeordneten Völkermeer, mit welchem Er nicht in formeller Verbindung
steht. So war es bei Israel: als es keine Frucht brachte, warf Gott das
Netz aus ins Meer und brachte von allerlei Art zusammen; zwar auch
schlechte Fische, die (obwohl sie ein Teil des christlichen Zeugnisses
sind) im Feuerofen enden werden, aber auch gute Fische (Mt 13,47-50).
Und so ist es auch in der Zukunft wieder: nun die Christenheit das
Zeugnis Gottes auf der Erde geworden ist und versagt hat, wird Gott
(nach der Aufnahme der Versammlung) dem Namenchristentum die Möglichkeit
zur Bekehrung nehmen (2. Thes 2,9-12) und das Netz auswerfen unter viele
Nationen, die nicht von Ihm gehört haben, so daß aus ihnen eine große
Schar, die niemand zählen kann, ins Friedensreich eingehen wird (Off
7,9-17). Das finden wir im Vorbild in Johannes 21; in Kapitel 20 sehen
wir zunächst die Verbindung des auferstandenen Herrn mit Seinen Jüngern
als Vorbild der Gemeinde, danach das Anschauen und Erkennen durch den
jüdischen Überrest in der Person des Thomas, und schließlich die
Einführung einer großen Menge von 153 guten „Fischen" aus dem Völkermeer
- nicht zum Gericht, wie die 153 Mann in 2. Kön 1,9-14, sondern zum
Segen - in das Friedensreich. Die Jünger sind ein Vorbild von den
Predigern, die diese Menschenmenge in die Segnungen einführen werden (Mt
4,19). Dieser Fischfang wird vor allem getan in der Periode der großen
Drangsal, die ganz besonders den fünften Tag kennzeichnet: es ist der
Tag der Gottlosen, die wie das aufgewühlte Meer sind (Jes 57,20), und
der ratlosen Angst der Völker bei brausendem Meer und Wasserwogen (Lk
21,25-27). Aber dieser Tag ist auch der Tag der Vollendung: Es ist der
Zeitabschnitt, in dem all die Linien, die durch die Heilsgeschichte
laufen, zum Abschluß gebracht werden, sowohl was das verantwortliche
christliche Zeugnis angeht, als auch das Israels und der Völker im
allgemeinen. Es ist auch die Zeit des Gevögels: wie zuerst die
Versammlung auf Fittichen zu Gott emporgestiegen ist, so folgen viele
Märtyrer vor und während der großen Drangsal ihnen nach, um „Heilige der
höchsten örter" zu werden (Dan 7) und nach der Auferstehung mit Christus
über die Erde zu herrschen. Es sind die Überwinder an dem gläsernen
Meer, mit Harfen Gottes (Off 15). (Manche deuten die Vögel negativ; vgl.
Eph 2,2; 6,12; Off 12,9; 18,2).
Am fünften Tag steht das Völkermeer im Vordergrund, am sechsten Tag die
Erde. Vielleicht müssen wir bei den großen Wassertieren am fünften Tag
an die „Seeungeheuer" denken, die es in der Zeit der großen Drangsal
geben wird, wie „das Tier aus dem Meere" in Offenbarung 13; vgl. Daniel
7,2-7. Wir haben bei der Betrachtung der Schöpfungstage bereits auf den
Zusammenhang mit dem Leviathan, der Rahab usw. hingewiesen. Hier am
sechsten Tag sehen wir nun, daß es auch auf der Erde „Tiere" gibt, das
wilde Getier der Erde, wie „das Tier aus der Erde" in Offenbarung 13.
Aber wir finden hier auch das „Vieh", den Überrest Israels: die
Schlachtschafe von Psalm 44,22 (vgl. Hes 34; Sach 11). Nach dem
fruchtbringenden Überrest des dritten Tages, nach dem lichtspendenden
christlichen Zeugnis des vierten Tages, nach dem großen Fischzug aus den
Völkern am fünften Tag sehen wir nun den jüdischen Überrest aus der
Erde. Wenn die Erde dem letzten Adam unterworfen werden wird, dann wird
Er Gericht ausüben - über die wilden Tiere zum Verderben und über das
Vieh zum Segen. Das wird auch die Zeit sein, da die Heiden es sehen und
beschämt sein werden: „Sie werden Staub lecken wie die
Schlange, wie die kriechenden Tiere der Erde; sie werden hervorzittern
aus ihren Schlössern; sie werden sich behend wenden zu Jehova, unserem
Gott, und vor dir (den Herden von Gottes Erbteil) sich
fürchten" (Mich 7,14-17). Der sechste Tag ist also die
Einführung des Reiches des Sohnes des Menschen, nachdem zuerst die
Landtiere auf den Schauplatz geführt sind. Dieser Tag ist also nicht
ohne weiteres das Friedensreich, sondern zeigt zuerst, was ihm
voraufgeht, und danach die Errichtung des Königtums Christi, zur
Herrschaft über alle Tiere, auf dem Lande, in den Himmeln und in den
Wassern. Das ist die Erfüllung von Psalm 8 (vgl. Heb 2,5-9): „Was
ist der Mensch, daß du sein gedenkst, und des Menschen Sohn, daß du auf
ihn achthast? Denn ein wenig hast du ihn unter die Engel erniedrigt; und
mit Herrlichkeit und Pracht hast du ihn gekrönt. Du hast ihn zum
Herrscher gemacht über die Werke deiner Hand, alles hast du unter seine
Füße gestellt: Schafe und Rinder allesamt und auch die Tiere des Feldes,
das Gevögel des Himmels und die Fische des Meeres, was die Pfade der Meere durchwandert.
Jehova, unser Herr, wie herrlich ist dein Name auf der ganzen Erde!" Siehe
ferner auch (2). In Epheser 1,22.23 wird auf diesen Psalm angespielt,
und dort wird auch eine Ausnahme von der Regel genannt, daß alle Dinge
Ihm unterworfen sein werden. Die Versammlung wird Ihm nämlich nicht in
demselben Sinne unterworfen sein, sondern wird mit Ihm (als Sein Leib
mit Ihm, dem Haupt, verbunden) über alle Dinge herrschen (vgl. Eph
1,9-12). Das ist Eva, das Weib des Lammes, Fleisch von seinem Fleisch
und Gebein von seinen Gebeinen (Eph 5,25-32; 1. Mo 2,23), aus seiner
Seite hervorgegangen während seines Todesschlafes (1. Mo 2,21. 22).
Dieser eine Mensch, der „Mann und Frau" ist (1. Mo 1,27), wird Frucht
hervorbringen im Friedensreich und über alle Dinge herrschen.
Das bringt uns zum siebenten und letzten Tag, im Alten Testament ohne
Zweifel ein Bild des Tausendjährigen Friedensreiches. Das „Lied
für den Tag des Sabbaths" (Ps 92) zeigt das deutlich,
ebenso wie das Sabbathjahr (3. Mo 25). Es ist der Tag der Ruhe, wenn
alle Dinge unter ein Haupt zusammengebracht sein werden; dann wird Gott
ruhen von all Seinen Werken, die Er getan hat, um die Erde zu diesem
Endpunkt zu bringen, und dann wird Er endlich in dem Menschen
verwirklichen, was Er Sich von Anfang an in ihm vorgesetzt hat. Die
Schöpfung wird freigemacht sein von der Knechtschaft der Vergänglichkeit
(Röm 8,20-22) und darum den Sabbathtag halten (5. Mo 5,15l. Alle Tage
laufen auf diesen Tag hinaus: das Licht (der Same des Weibes) wird
schließlich siegen, die himmlische Herrschaft wird schließlich in die
Hand des Sohnes des Menschen gelegt werden. Israel wird endlich
reichlich Frucht tragen (Jes 60,21), die Getreuen werden leuchten wie
die Sonne, der Mond und die Sterne, eine große Schar von Fischen wird
den Segen ererben, die Seeungeheuer und die wilden Tiere der Erde werden
bezwungen werden durch den letzten Adam, der dann in Ruhe und Frieden
herrschen wird. Der Sohn des Menschen wird in Wahrheit Herr des Sabbaths
sein, wenn der Mensch die Frucht des Sabbaths genießen und wenn Christus
Heilung bringen wird (Mk 2,23-3,5). Wichtig ist die Parallele zu 1. Mose
8; 1. Mose 1-2,3 und das Folgende bis zu Kapitel 9 führen beide zu
demselben Endresultat: eine reine Erde, wo Gott Ruhe findet. Noahs Name
bedeutet „Ruhe". Er war es, der Trost bringen und den Fluch von der Erde
wegnehmen sollte (1. Mo 5,29). Ich habe bereits gesagt, daß die Sintflut
vorausdeutet auf die Gerichte, durch die Gott auch in der Zukunft die
Erde reinigen und durch die Er die Getreuen sicher hindurchbringen wird.
Nach der Sintflut befreite Gott die Erde teilweise von dem Fluch auf
Grund des lieblichen (wörtlich: „Ruhe-geben-den"!) Geruchs des
Brandopfers, das Noah brachte, wenn die Sünde auch nicht von der Erde
verschwunden war (1. Mo 8,20. 21), wie es ebenfalls im Tausendjährigen
Reich nicht der Fall sein wird. Erst auf der neuen Erde, die Gott nach
tausend Jahren schaffen wird (Off 20-21), wird die Sünde völlig
verschwunden und alles, was daran erinnert, im Feuersee versammelt sein.
Dann wird Gerechtigkeit auf der Erde wohnen.
Ich glaube, daß der siebente Tag in 1. Mose 2 auch hierauf vorausweist.
Wie der dritte Tag von der Frucht spricht, die erst am vierten Tag
gefunden wurde, wie der vierte Tag von der Herrschaft der Sterne spricht
(Dan 12,3), die erst am fünften Tag Wirklichkeit wird, wie der fünfte
Tag von den Fischen und Vögeln spricht, die den Segen des sechsten Tages
ererben, wie der sechste Tag von der Einführung des Königsherrschaft
Christi spricht, die am siebenten Tag ausgeübt werden wird, so spricht
der siebente Tag von der Ruhe der Schöpfung, die erst vollkommen sein
wird, wenn die Sünde aus der Schöpfung weggenommen sein wird. Der „Tag des
Herrn" geht über in den „Tag Gottes" oder
„Tag der Ewigkeit" (2. Pet 3,10. 12.
18). Von einem achten Tag kann hier keine Rede sein, denn der
Gesichtskreis der alttestamentlichen Prophetie reicht nie weiter als bis
zum Tausendjährigen Friedensreich. Aber ebenso wie die „neuen
Himmel und die neue Erde" aus Jesaja 65 (die sich dort
deutlich auf das Friedensreich beziehen) in 2. Petrus 3 und Offenbarung
21 deutlich auf den ewigen Zustand nach dem Friedensreich angewendet
werden, so enthält auch der siebente Tag in 1. Mose
2 indirekt einen Hinweis auf diesen ewigen Zustand. Ganz merkwürdig
werden wir dies auch unter (5) sehen. Der siebente Tag hat wohl einen
Morgen, aber es wird von keinem Abend berichtet. Das erinnert uns an den
Opferdienst im Friedensreich, wo wohl täglich ein Morgenbrandopfer, aber
nicht, wie früher, auch ein Abendbrandopfer gebracht werden wird (Hes
46,13-15). Das Licht wird wohl aufgegangen sein, wird aber nie mehr
untergehen, im Gegenteil, es wird immer herrlicher leuchten und
schließlich seinen vollen Glanz erreichen im ewigen Zustand, für den es
nie ein Ende („Abend") geben wird.
Seite 188
Die Tage in Johannes 1 und 2 *)
*) Vgl. LeBaron Kinney: „Types and Mysteries in John".
Die Übereinstimmungen zwischen dem Anfang des ersten Buches Mose und dem
des Evangeliums nach Johannes sind auffallend. Beide beginnen mit „Im
Anfang" und geben dann in Bildern eine Vorausschau auf die Wege Gottes.
Auch in Johannes 1 und 2 ist von einer Reihe von Tagen die Rede (außer
im ersten Abschnitt). Der „dritte Tag" in Johannes 2,1 stimmt mit dem
sechsten Tag in 1. Mose 1 überein, was verständlich ist, da die ersten
drei Tage in 1. Mose 1 mit den letzten dreien parallel laufen. Das ist
auch deutlich in Johannes l und 2 zu sehen, denn auch da finden wir, wie
in sechs Abschnitten nacheinander die Rede ist von Licht, Wasser und
Erde, und wieder von Licht, Wasser und Erde, wie in 1. Mose 1. Außerdem
liegt auch hier an den ersten drei Tagen der Nachdruck auf „Trennung"
und an den letzten dreien auf „Vermehrung".
Johannes 1,1-3 ist ein Vorwort, wie wir auch eines in 1. Mose 1 finden;
es spricht von Schöpfer und Schöpfung. Am ersten „Tag" (1,4-14) scheint
das Licht in der Finsternis, und es findet eine Scheidung zwischen den
Gläubigen (Vers 12. 13) und den Ungläubigen (Vers 10. 11) statt.
Vergleiche auch (2). Der zweite „Tag" (1,15-28) spricht von Absonderung
durch Wasser hindurch; siehe (1), (3) und (4) (Noah). Durch die Taufe im
Jordan wurde der jüdische Überrest von dem Volke geschieden und zu
Christus hin abgesondert und unter Seine Herrschaft gebracht. Vergleiche
was bereits über 1. Kor 10,2 und 1. Petri 3,20. 21 gesagt wurde. Der
dritte „Tag" (1,29-34) spricht von Auferstehungsleben; das Lamm Gottes
wird die Sünde der Welt wegnehmen, und das wird Leben aus den Toten
bringen (vgl. Röm 11,15), wie einst in Israel und in der Zukunft in der
ganzen Schöpfung. Dieser Tag läuft also moralisch durch bis zur Endzeit,
wie wir das auch unter (4) sahen. Wie Noahs Taube auf einer gereinigten
Erde Ruhe fand, so findet die Taube Ruhe bei Christus (1,32), wenn das
Trockene aus den Wassern zum Vorschein gekommen ist.
Der dritte Tag ist der Tag des Zeugnisses gegenüber Israel (1,31), und
der vierte Tag (1,35-43) ist der Tag der Gemeinde (vgl. 4), an welchem
der Herr die Seinen zu Sich zieht und um Sich versammelt. Hier ist nicht
die Rede von Licht im allgemeinen, sondern der Nachdruck liegt auf dem
Lichtträger selbst: „Siehe, das Lamm Gottes". Gottes
Ratschluß in der Gemeinde wird entfaltet, und da fällt der Kontrast mit
dem Versagen des ersten Menschen auf: auch hier wandelt Gott (der Sohn)
in der Kühle des Abends, und es folgt die Frage: „Wo ...?" (1. Mo 3,8.
9). Aber jetzt von Seiten des Menschen, der mit Gott Gemeinschaft haben
möchte. Es ist nicht die Zeit Israels, sondern die der Völker; darum
wird hier dreimal eine Übersetzung hebräischer Wörter gegeben. Den Weg
des Evangeliums finden wir in Simon; sein Name bedeutet „hören" (vgl.
Röm 10,14-17), er ist geboren aus Jona („Taube" - der Heilige Geist) und
wird ein „Stein" („Petrus"; Matth 16,18; 1. Pet 2,5).
Der fünfte Tag (1,44-52) versetzt uns in das „Galiläa der Nationen" (Jes
9,1), zum großen „Fischzug" unter den Völkern; Bethsaida bedeutet „Ort
der Netze". Es ist auch die Periode, da der jüdische Überrest zur
Bekehrung kommt und seinen Messias anerkennt (Vers 45. 49). Philippus
bedeutet „Pferdeliebhaber" (vgl. Hlh 1,9; Sach 10,3), und Nathanael
„Gott gibt"; er sitzt unter dem Feigenbaum (vgl. Lk 21,29. 30). Der
Glaube schaut nach dem Tage aus, da die „Vögel", die geflügelten Engel,
auf- und niedersteigen auf den Sohn des Menschen. Dies wird am sechsten
Tag Wirklichkeit (2,1-11), wo die Freude des Friedensreiches eingeführt
wird. Die Hochzeit läutet den Beginn dieses Reiches ein durch die
Verbindung von Mann und Frau. Das gibt Veranlassung zu der Freude, von
der der Wein spricht (vgl. Matth 26,29; Jes 25,6; 27,2). Der sechste Tag
schöpft Freude aus sechs Wassergefäßen. Dieser „Anfang der Zeichen"
weist hin auf das letzte Seiner Zeichen (Mt 24,30); beide offenbaren
Seine Herrlichkeit und führen zum Glauben (Vers 11).
Das typische „nach diesem" von Vers 12 gibt uns die Endphase des
siebenten Tages. Der Herr findet Ruhe in Seiner eigenen Stadt (Mt 9,1;
vgl. Joh 6,24). Das bezieht sich in erster Linie auf das Friedensreich;
Kapernaum bedeutet ja „Stadt des Trostes", und dies ist der Trost des
Friedensreiches, wie wir schon früher in 1. Mose 5,29 gesehen haben
(siehe (4)). Siehe auch Matthäus 5,4; Jesaja 40,1 u. f. Das wird auch
dadurch bestätigt, daß Er Seine Ruhe mit Seiner Mutter, Seinen Brüdern
und Seinen Jüngern teilt; Seine Mutter ist ein Bild des ursprünglichen,
vollzähligen Israel (siehe Jes 50,1; Hes 23,2; Hos 2,2); Seine Brüder
sind ein Bild des zukünftigen jüdischen Überrestes (siehe Matth 25,40;
28,10; Mich 5,2) und Seine Jünger ein Bild der Gemeinde, wie in Kapitel
1,37. Auf der neuen Erde gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Israel
und den Völkern; da gibt es nur „Menschen" (Off 21,3). Was übrigens
nicht auszuschließen braucht, daß nach der Freude und Herrlichkeit Kanas
der Trost von Kapernaum auch hinweist auf den schließlichen vollkommenen
Trost; wie auch der Trost von Jesaja 25,8 und Offenbarung 7,17 (im
Friedensreich) in Offenbarung 21,4 ausgeweitet wird auf die neue Erde.
(5b) Die sieben Feste in Israel
Es ist vielen bekannt, daß auch die sieben Feste in 3. Mose 23 von
den Heilswegen Gottes in der Geschichte eine sinnbildliche Übersicht
geben. Das drängt stark zu einer Gedankenverbindung mit 1. Mose 1,
obwohl meines Wissens nie jemand über eine solche Beziehung geschrieben
hat. Und doch ist dieser Zusammenhang ganz klar vorhanden, und er ist
sehr lehrreich. Wie immer müssen wir dabei stets den allgemeinen
Grundplan im Auge behalten, wie er unter (1) und (2) entworfen und unter
(3) und (4) ausgearbeitet worden ist. Wer den einmal verstanden hat und
die prophetische Bedeutung der sieben Feste kennt, hat keine Mühe, den
Zusammenhang zu sehen.
Das Passah ist in besonderer Weise mit der Zahl eins verbunden; der
Monat, in dem es gehalten wurde, sollte der erste der Monate sein, das
Passahlamm mußte einjährig sein, eines pro Familie, und es sollte den
Erstgeborenen hinter dem Blute in Sicherheit bringen. Es war ein
Lichtstrahl in der dunklen Nacht des Gerichts; gerade waren drei Tage
dichter Finsternis vorbei, und nun brach die bildlich noch finsterere
Passahnacht an. Aber an den Tagen und Nächten, an denen Gott Wüstheit
und Leere über Ägypten brachte, war in den Wohnungen der Israeliten
Licht (2. Mo 10,23) - das Licht des in Verwahrung genommenen Lammes. Da
brannte auch das Feuer zum Braten des Passahlammes. Als die Sonne
unterging, wurde das Lamm geschlachtet (5. Mo 16,6; 2. Mo 12,6; 3. Mo
23,5). Fast überall, wo das Passahfest erwähnt wird, ist vom Abend oder
von der Nacht die Rede, bis zu jenem siebenten Passahfest, als unser
Passah, Christus, geschlachtet wurde (1. Kor
5,7) und da in den drei Stunden der Finsternis am Kreuz hing, Er, der
das Leben ist, und das Leben ist das Licht der Menschen. Das Licht des
Lebens gehört in besonderer Weise zum Passah; nicht nur, daß das
gestorbene Passahlamm das Leben des Erstgeborenen rettete, sondern beim
Passah kommt zum erstenmal in der Schrift der besondere Platz zum
Ausdruck, den das Blut in dem Versöhnungswerk einnimmt - und im Blute
ist die Seele, das natürliche Leben (1. Mo 9,4-6;
3. Mo 17,10-14). In der geistlichen Entwicklung des Wiedergeborenen ist
das Passah auch genau die Erfahrung des ersten Tages. Er sieht das
drohende, verdiente Gericht, er sieht den Würgengel, und er sucht Schutz
hinter dem Blut; aber er ist noch in Ägypten; das Gericht ist zwar
abgewendet, aber die Erlösung kennt er noch nicht (2. Mo 14,13); es ist
noch lange nicht die Zeit des Erlösungsliedes von 2. Mose 15.
Direkt auf das Passah folgt das Fest der ungesäuerten Brote. Die
Erklärung hierzu finden wir deutlich in 1. Kor 5,7. 8: wer von dem
Gericht befreit ist und hinter dem Blute Schutz gesucht hat, muß nun
auch praktisch das Gericht auf alle seine Handlungen anwenden, damit
sein Leben ein Fest ist, abgesondert von dem alten Sauerteig der Bosheit
und Schlechtigkeit, mit ungesäuertem Brote der Lauterkeit und Wahrheit.
Der Himmel muß nun in seinem Leben regieren. Genau das ist es, was der
zweite Tag uns lehrt: es wird Trennung und Scheidung bewirkt, und die
Seele ist fortan dem Himmel über ihr unterworfen. Aber für den noch
nicht zum Frieden gekommenen Wiedergeborenen bedeutet dies einen
entmutigenden Konflikt zwischen seiner alten („irdischen") und seiner
neuen („himmlischen") Natur; siehe (3). Das Fest der ungesäuerten Brote
wird in Ägypten angefangen; das „Trockene" ist noch nicht erreicht. Aber
dazu folgt dann der dritte Tag.
Das dritte Fest gehört nicht nach Ägypten, sondern wurde gefeiert, als
das Volk im Lande angekommen war (3. Mo 23,10-14); dort mußten sie eine
Garbe der Erstlinge der Ernte zum Priester bringen und dabei ein
Brandopfer opfern. Wir wissen, daß das ein Bild von dem auferstandenen
Herrn ist: Christus ist auferstanden aus den Toten, der Erstling der
Entschlafenen (1. Kor 15,20). Er ist das Weizenkorn, das in die Erde
gefallen und gestorben ist und Frucht gebracht hat (Joh 12,24; vgl. Jes
53,10). Wir haben bereits viele Male gesehen, daß der dritte Tag ganz
besonders der Tag der Auferstehung und des Fruchttragens ist; siehe (1),
(2) und (3). Der Gläubige, der auf die Erstlingsgarbe sieht, darf
wissen, daß er e i n e Pflanze mit Christus geworden ist in der
Gleichheit Seines Todes, und daß er das auch in der Gleichheit Seiner
Auferstehung sein wird (Röm 6,5). Er ist auf den
Tod Christi getauft (Röm 6,3. 4), was wir im Bilde
im Roten Meer sehen (vgl. 1. Kor 10,2), und erreicht dadurch das Land
des Todes. Aber die Identifizierung mit der Auferstehung Christi finden
wir erst im Jordan, durch den hindurch wir als mit Christus auferweckt
ankommen im „Lande der Lebendigen", den himmlischen örtern (Eph 2,4-6).
Dahin gehört das Fest der Erstlingsgarbe (vgl. Jos 3,15, die Ernte; Vers
17, das Trockene).
Nach der Erstlingsgarbe wird die Ernte eingebracht; nach fünfzig Tagen
wird das Fest der Wochen (oder Fest der Erstlinge) gefeiert, wobei
Jehova zwei gesäuerte Webebrote dargebracht werden. Dieses Pfingstfest
spricht von der Sammlung der Gemeinde, der Gläubigen, die sowohl aus
Israel als aus den Völkern für Gott abgesondert werden als eine
Versammlung der Erstgeborenen (Heb 12,23). Von Natur haben sie den
Sauerteig in sich, aber sie sind gebackene Brote (sind durch das Feuer
des Gerichts gegangen), wodurch der Sauerteig seiner Kraft beraubt ist
(Röm 6,6). Wie treffend haben diese Feste ihre Erfüllung gefunden! Der
Herr Jesus wurde genau am Passahfest gekreuzigt, Er stand auf aus den
Toten genau am Sonntag der Erstlingsgarbe, und Er sandte den Heiligen
Geist, durch den die Versammlung gebildet wurde, genau am Sonntag des
Pfingstfestes. Dieses Fest stimmt mit dem vierten Tag überein, denn wir
haben gesehen, daß dieser Tag vor allem die heutige Haushaltung
darstellt, in der die Gemeinde gesammelt wird; siehe (4). Es ist der Tag
himmlischen Einflusses (siehe (1)): der Tag, an dem der Heilige Geist
auf der Erde in der Versammlung wohnt, der Tag der Erstlinge des Geistes
(Röm 8,23). Aber es ist auch der Tag der Praxis, der Schwachheit und des
Versagens: das einzige Fest, an dem Sauerteig vorhanden war.
Das fünfte Fest ist der erste Tag des siebenten Monats, ein Ruhetag, ein
Gedächtnis des Posaunenhalls, eine heilige Versammlung (3. Mo 23,24),
ein Tag des Jubels (4. Mo 29,1). Das ist der fünfte Tag, der Tag der
Sammlung des Überrestes; siehe (4) und (5a). An diesem Tage wurden die
silbernen Trompeten geblasen (4. Mo 10,1-10), deren Klang auch bei der
Berufung der Gemeinde gehört wurde, und beim Aufbrechen der Lager und
beim Ziehen gegen den Feind. Alles das sind Kennzeichen des fünften
Tages: man denke z. B. an den Fischzug (siehe (4), (5a)), an die
Verantwortlichkeit des Wandels (siehe (1), (2)) und an die Prüfung
(siehe (1) bis (4)). Der Trompetenschall ist ein Bild vom Wort Gottes,
das u. a. zur Folge hat, daß es auf Grund der zustande gebrachten
Erlösung (davon spricht das Silber; vgl. (2)) den Sünder in seinen
Netzen fängt. Vergleiche den „Trompetenschall" von 1. Mose 1,20 a;
Johannes 21,6 a; Matthäus 24,14. So wird das Wort ausgehen und in der
großen Drangsal eine große Schar aus Juden und Heiden für Gott sammeln.
Dieser Einsammlung folgt der Versöhnungstag am zehnten des Monats. Das
ist ganz besonders ein Bild von der zukünftigen Versöhnung Israels bei
der Einführung des Friedensreiches, wovon der sechste Tag spricht. Der
Herr Jesus hat sich einmal am Kreuz geopfert und Sein Blut ins Heiligtum
getragen; dort befindet Er sich nun, und von dort wird der Überrest Ihn
zurückerwarten (3. Mo 16,15-17). Das Opfer selbst ist bereits vor
neunzehn Jahrhunderten gebracht, sowohl der Farren, den der Hohepriester
für sich und sein Haus opferte (ein Bild von dem Sündopfer, das der Herr
für die Versammlung brachte; vgl. Heb 3,1-6), als der Bock, den er für
das Volk Israel opferte. Durch Gnade dürfen wir die Gewißheit eines
vollbrachten Erlösungswerkes haben, denn w i r dürfen als Priester in
das Heiligtum hineingehen, und dort sehen wir „mit eigenen Augen" einen
zerrissenen Vorhang und das Blut auf dem Versöhnungsdeckel (Heb
10,19-22; 4,14-16). Aber das Volk Israel steht draußen; es wird die
Gewißheit der Erlösung erst empfangen, wenn der Hohepriester aus dem
Heiligtum zurückkehren wird. Dann werden sie wissen, daß Gott das Opfer
angenommen hat, und dann werden alle ihre Sünden auf den zweiten Bock
gelegt werden, der sie forttragen wird in das Land des Todes (3. Mo
16,20-22). Das ist der Augenblick, auf den Daniel 9,24 hindeutet: wenn
der einmal weggetane Messias in Herrlichkeit zurückkehren wird, dann
wird die Übertretung des Volkes zum Abschluß gebracht, die
Ungerechtigkeit gesühnt, eine ewige Gerechtigkeit eingeführt, die
Weissagung zur Erfüllung gebracht, und das Allerheiligste gesalbt
werden. Das ist der Augenblick, da die segensreiche Regierung des
letzten Adam auf der „Erde" (Gottes Zeugnis, Israel) und über den
„Wassern" (den Völkern) errichtet wird.
Dies alles stützt den unter (4) geäußerten Gedanken, daß der sechste Tag
die Geschehnisse im Zusammenhang mit der Einführung des Friedensreiches
vorbildet und daß der siebente Tag die segensreiche Ruhe dieses
Friedensreiches beschreibt. Das siebente Fest ist ja das Laubhüttenfest
oder Fest der Einsammlung - ein deutliches Vorbild vom Tausendjährigen
Reich. Nach der Einsammlung von der Tenne und der Kelter (vgl. Off
14,14-20) wohnte das Volk sieben Tage in Hütten von Baumzweigen, vor
allem Palmzweigen, ein Bild der Erlösung, des Sieges und des Friedens
(vgl. 2. Mo 15,27; Ps 92,12; Joh 12,3; Off 7,9). Sieben Tage war Freude
und Ruhe (3. Mo 23,33-43). Allerdings ist im Friedensreich das Fleisch
noch in dem Menschen; darum sehen wir in dem Farren des Brandopfers (4.
Mo 29) einen geistlichen Rückgang. Nun haben wir gesehen, daß der
sechste Tag von der Einführung der Herrschaft Christi spricht, aber auf
den Segen des Friedensreiches vorausgreift, und daß ebenso der siebente
Tag von diesem Segen spricht, aber auf die Ruhe des ewigen Zustandes
vorausgreift. Dies finden wir nun ganz auffallend im Laubhüttenfest
wieder, denn es deutet zwar auf das Friedensreich hin, hat aber einen
achten Tag (wie der erste Tag ein Ruhetag), der ein Bild des ewigen
Zustandes ist. Die Zahl acht weist auf einen ganz neuen Anfang hin, den
Gott macht, nachdem eine vollkommene Entwicklung abgeschlossen ist,
wovon die Sieben spricht. Darum offenbarte der Herr Jesus am achten Tag
des Laubhüttenfestes völlig neue Grundsätze (Joh 7,37-39), die in der
Gemeinde verwirklicht sind. Darum ist der Sabbath, der siebente Tag, der
Ruhetag Israels, ja der ganzen Schöpfung. Aber der achte Tag ist der
Ruhetag der Versammlung; sie bildet jetzt bereits einen Teil der neuen
Schöpfung (2. Kor 5,17; Gal 6,15; vgl. Röm 8,19-23). Der siebente Tag
ist der Abschluß aller Wege Gottes mit der gegenwärtigen Erde, birgt
aber in sich die Verheißung des achten Tages, eines neuen Anfangs, eines
neuen Himmels und einer neuen Erde. Dort wird die Ruhe vollkommen sein,
denn dort ist alles, was an die Sünde erinnert, völlig verschwunden.
Dort wird Gott alles in allen sein (1. Kor 15,28; vgl. Off 21,1-8).
(5c) Die sieben Biographien im ersten Euch Mose *)
*) Vgl. Philip Mauro: „Die
gegenwärtige Weltzeit".
Zum Schluß möchte ich auf eine Parallele zwischen den sieben
Schöpfungstagen und den Lebensgeschichten von sieben Personen im ersten
Buch Mose hinweisen. Wir können uns das erste Buch Mose gewissermaßen
aus diesen sieben Geschichten zusammengestellt denken, und damit wird 1.
Mose 1 auch zu einer kurzen Übersicht über das ganze Buch. Übrigens
laufen diese sieben Lebensbeschreibungen nicht ohne weiteres mit den
Tagen parallel: die erste Biographie ist die von Adam, und sie stimmt
mit dem Prolog von 1. Mose 1 überein. Sie zeigt uns den guten Anfang,
den Sündenfall und die daraufhin verfluchte („wüste und leere") Erde.
Die folgenden sechs Biographien stimmen mit den sechs Tagen überein, an
denen die Schöpfung wiederhergestellt wird. Nach dem, was unter (4) über
die Haushaltungen gesagt wurde, ist es nicht schwer zu erkennen, daß
Seth, Noah und Abraham jeweils mit dem ersten, zweiten und dritten Tag
übereinstimmen; sie sind ja die Hauptpersonen in den mit diesen Tagen
übereinstimmenden Haushaltungen. In Seth - oder eigentlich in den
Brüdern Abel und Seth, denn sie bilden eine Einheit: Seth tritt an die
Stelle Abels (1. Mo 4,25) - sehen wir die Linie des Lichts, des Samens
des Weibes, während Kain, der erste des Schlangensamens, die Linie der
Finsternis repräsentiert. Noah läutet einen neuen Zeitabschnitt ein,
einen Zeitabschnitt der Teilung in Völker und Länder und der Herrschaft
durch Obrigkeit und durch Völker über Völker. Und zum dritten haben wir
gesehen, wie treffend in Abrahams Leben die Wahrheit von der
Auferstehung hervortritt. Die Belehrung von Römer 4 zeigt uns den
wichtigen Zusammenhang zwischen dem rechtfertigenden Glauben Abrahams
und der Auferstehung Christi. Abraham ist auch das Vorbild des
neutestamentlichen Gläubigen, der in einem Lande, wo er Fremdling und
Beisasse ist, in Auferstehungskraft für Gott Frucht bringt.
Demgegenüber ist Isaak (vierter Tag) das Bild des himmlischen Menschen,
sei es Christus, sei es der Gläubige („Kind der Verheißung"; Gal 4,28),
der in Christus in die himmlischen örter versetzt ist. Isaak wird immer
im Lande Kanaan gesehen. Rebekka ist dabei im ersten Buch Mose das Bild
der Versammlung, die mit der Herrlichkeit des wahren Isaak bekleidet
ist, wie der Mond mit der Herrlichkeit der Sonne. Überdies wird in Isaak
ein Same verheißen wie die Sterne des Himmels (1. Mo 22,17. 18).
Das Leben Jakobs stimmt ganz besonders mit dem fünften Tag überein; sein
Leben ist ganz und gar Prüfung, als Folge der Umtriebe der alten Natur
(„die Wasser"). Er verbringt sein Leben zum größten Teil unter fremden
Völkern (Paddan-Aram und Ägypten); auch davon sind die Wasser ein Bild.
Er ist ein Bild des Überrestes Israels, der nach vielem Umherschweifen
in der Fremde und nach vielen Bedrängnissen („die Zeit der Drangsal für
Jakob"; Jer 30,7) durch Gott im Lande wiederhergestellt wird.
Schließlich haben wir in Joseph eines der schönsten Vorbilder auf
Christus als den, der unter seinen Brüdern den ersten Platz hatte, aber
von ihnen aus Neid überliefert wurde, Sklave wurde und erniedrigt wurde
bis in den tiefen Todeskerker. Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und
ihn als Retter der Welt zum Haupt über das ganze Land Ägypten gemacht.
Alles ist ihm unterworfen, die Völker (Ägypten) und Israel (seine
Brüder), und er teilt seinen erhabenen Platz mit Asnath, einem Vorbild
der Versammlung. Eine deutlichere Parallele mit dem sechsten Tag ist
kaum denkbar.
Das erste Buch Mose endet mit dieser Geschichte Josephs; es folgt keine
Person, die mit dem siebenten Tag übereinstimmt. Es gibt nur einen
Hinweis auf diesen Tag in den Weissagungen Jakobs über seine zwölf Söhne
in 1. Mose 49. Vers l macht deutlich, daß es sich um Weissagung handelt.
Joseph (Vers 22-26) verkörpert darin aufs neue die Periode der Erhöhung
des Sohnes des Menschen auf der Erde und die Einführung Seiner
segensreichen Regierung, mit allen Speisen von 1. Mose 1,29. 30. Aber
das ist nicht Jakobs letztes Wort über Gottes Wege mit Israel. Es folgt
ein merkwürdiges Nachwort in Benjamin, dem zerreißenden Wolf, der am
Abend Beute verteilt (Vers 27). Das zeigt, daß die Regierung Christi
nicht nur Segen beinhaltet: Er muß herrschen, bis Er alle Feinde unter
Seine Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der weggetan wird, ist der Tod
(1. Kor 15,25. 26), und das geschieht am Ende des Friedensreiches (Off
20,7-15).
Die Ruhe des siebenten Tages wird erst vollkommene Ruhe, wenn der
zerreißende Wolf den letzten Feind verschlungen hat. Übrigens ist es der
Mühe wert, das ganze Kapitel 49 des ersten Buches Mose eingehend zu
studieren, denn es beschreibt uns die vollständige Geschichte des Volkes
Israel. In diesem Kapitel ebenfalls eine Parallele zu den sieben
Schöpfungstagen zu entdecken, will ich gern dem Leser überlassen.
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